DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Feature Dienstag, 17.02.2009 Redaktion: Karin Beindorff 19.15 - 20.00 Uhr Truppentransporte für den Aufbau Ost Wie der Flughafen Leipzig/Halle zum Militärdrehkreuz wurde Ein Feature von Anne König und Jan Caspers URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. ? Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - Atmo: Parkdeck Flughafen O-Ton Lutz Metzger "Die ersten Bilder von den Amerikanern habe ich auf der anderen Seite - die Aktion hieß dann bei uns bei allen Beteiligten F6, weil auf der Nordseite ist dieser Aufzug F. Wir sind auf dem Parkdeck oben 6. Wir gehen aber nun, weil wir etwas anderes machen nämlich die Südlandebahn beobachten und das Terminal beobachten auf A6." Autorin auf Atmo Lutz Metzger ist bekennender Pazifist. Gemeinsam mit seinen Mitstreitern von der Friedensgruppe Control Arms fährt er seit anderthalb Jahren fast jede Woche einmal zum Flughafen Leipzig/Halle, um 24 Stunden lang alle Flugbewegungen zu dokumentieren. Im Rucksack hat Lutz Metzger Fernglas, Photokamera und eine Thermoskanne mit heißem Tee. Die Nacht wird er hier auf dem obersten Parkdeck des Flughafens verbringen. O-Ton Lutz Metzger "So wir müssen jetzt hier rechts rüber. Hat natürlich den Nachteil, dass wenn jetzt hier die Bundespolizei und die Security hier langfährt, wissen die schon, wo sie gucken müssen, aber von hier haben wir die meiste, die beste Einsicht. Und ich muss mich jetzt beeilen, weil ich ein bisschen vorbereiten muss - mit dem Schreibkram, viel braucht man ja nicht, Kugelschreiber, Papier und ein Feldstecher und auf geht's. Nur das muss ich jetzt vorbereiten." Autor auf Atmo Plainspotting - das Beobachten von Flugzeugen beim An- und Abflug, ist eigentlich ein Hobby von Technikfreaks. Aus Begeisterung für große Maschinen liegen sie mit ihren Kameras stundenlang auf der Lauer, um keinen Start und keine Landung zu verpassen. Alle Daten über die beobachteten Flugbewegungen werden gesammelt und über Internetforen ausgetauscht. Mit Hilfe dieser Daten gelang es 2005, die Routen getarnter CIA-Flüge zu rekonstruieren, in denen Gefangene quer über den Globus verschleppt wurden. Seitdem ist Plainspotting auch zu einer wichtigen Strategie politischer Aktivisten geworden. Musik Ansage: Truppentransporte für den Aufbau Ost Wie der Flughafen Leipzig/Halle zum Militärdrehkreuz wurde Ein Feature von Anne König und Jan Caspers Atmo: Flugzeug O-Ton Lutz Metzger auf Atmo "Das ist ganz gut die Übung vorher, weil ich nun mit meinem Fernglas vorher erstmal einrichten kann, dass ich die Maschinen möglichst scharf gleich habe. Jetzt. Das ist eine ganz private kleine Maschine, die jetzt an der DHL-Halle vorbei rollt. Das sind Geschäftskunden - ich weiß jetzt gerade nicht, was in Halle oder Leipzig für Konferenzen oder so sind. Wegen den Maschinen sind wir eigentlich nicht hier, aber wir wollen ja auch ein Gesamtbild haben von dem Luftverkehr, der da ist. Wir wollen das dann schematisch darstellen, so dass wir bei Informationsveranstaltungen auch klar sagen können, welche Flugzeuge sind wann geflogen, zu welchem Zweck, um ein Gesamtbild zu geben. Denn wir behaupten ja, dass das militärische Geschäft die Überhand nimmt. Also versuchen wir auch, das prozentual darzustellen mit möglichst viel Sicherheit, das heißt dass man Flugbewegungen einfach auseinander dividieren können, um dann unsere Behauptung auch zu bestärken." Atmo: Vogelgezwitscher, Musik, Flugzeug Autorin Im Frühjahr 2008 verbrachten wir - drei Künstler und eine Kuratorin - ein paar Tage auf dem Gelände des Flughafens Leipzig/Halle. Das Hallenser Thalia-Theater hatte uns eingeladen, dort seinen Beitrag für das internationale Festival "Theater der Welt" dokumentarisch zu begleiten. Alle drei Jahre ist eine andere deutsche Stadt Gastgeber dieses Festivals, 2008 war es Halle. Das Thalia-Theater kooperierte mit dem "Theater der Welt" und verlegte seinen Spielort auf den Flughafen. 17 verschiedene Regisseure, Schauspieler, Performer und bildende Künstler sollten dort neue Inszenierungsformen im öffentlichen Raum jenseits der klassischen Bühnenkunst ausprobieren. Autor auf Atmo Kursdorf Durch die große Fensterfront der gespenstisch leeren Mall, die den Check-in mit der Abflughalle verbindet, sahen wir Kursdorf zum ersten Mal. Der Ort liegt auf dem Flughafengelände, direkt zwischen den beiden Landebahnen. Bis vor wenigen Jahren lebten hier 300 Menschen. Jetzt sind es nur noch 50. Mit dem Ausbau des Flughafens wurde es unerträglich laut und stank nach Kerosin. Die Flughafen Leipzig/Halle GmbH bot den Bewohnern neue Grundstücke im Nachbarort an und kaufte den Umzugswilligen die Häuser ab. Das Thalia-Theater nutzte einige der leer stehenden Gebäude für die Unterbringung der Künstlerinnen und Künstler, die zum Festival kamen. Kursdorf wurde zu "Diskursdorf", und im Frühjahr lud Annegret Hahn, die Intendantin, zu den "Diskurstagen" ein. O-Ton Annegret Hahn "Wir hatten in den Jahren vorher viel im Stadtraum Halle gearbeitet und es erschien uns spannend, also anhand dieses Ufos Flughafen über die Zukunft von Mitteldeutschland nachzudenken, das war der ausschlaggebende Punkt. Wo sind Möglichkeiten und wo sind natürlich auch Knackpunkte, die, wie man später ja so immer - da kam man ja immer dichter ran, diese große Frage: Was wird, wenn eine Region dienstleistend tätig wird und wird dann in Zukunft noch befragt werden, welche Form von Dienstleistung man machen wird. Aber das war glaube ich nicht die erste Fragestellung, sondern die war: Spielt die Region Mitteldeutschland in Zukunft in der Welt eine Rolle oder nicht?" Atmo: Flugzeug Autor Schon als wir zum ersten Mal durch Kursdorf liefen, fielen uns immer wieder Flugzeuge auf, die auf ihrem Heckflügel einen stilisierten Globus trugen. Dieses Logo hatten wir vorher noch nie gesehen. Wir recherchierten im Internet: Bei der Fluggesellschaft handelte es sich um World Airways, ein Unternehmen, das vornehmlich im Auftrag des Pentagon Soldaten befördert. Soldaten? Das Pentagon? Auf dem Flughafen, keine Viertelstunde von unserer Stadt entfernt? Wir hatten davon bisher noch nie etwas gehört, obwohl wir in Leipzig leben und arbeiten. Autor auf Atmo Flughafen Der Flughafen Leipzig/Halle liegt genau zwischen den beiden Städten am Schnittpunkt der Autobahnen A14 und A9, dem Schkeuditzer Kreuz. Als Messeflughafen Leipzig war er in den 60er Jahren zweimal jährlich für je 14 Tage in Betrieb, den Rest der Zeit diente das Empfangsgebäude als Autobahnraststätte. Seit den 70er Jahren wurde der Flugbetrieb immer weiter ausgedehnt. Ende der 80er zählte der Flughafen während der Messezeit schon eine halbe Million Passagiere. Autorin Kurz nach der Wende wurde dann von den Ländern Sachsen und Sachsen-Anhalt die Flughafen Leipzig/Halle GmbH gegründet. Mehr als 1,5 Milliarden Euro flossen in die Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur - alles öffentliche Mittel. Ziel der Politiker war, den zentralen "Passagierflughafen Mitteldeutschlands" zu errichten. Man nahm sich den Flughafen Frankfurt/ Main zum Vorbild. O-Ton Milbradt "Wir hatten eine Vision, was aus diesem Lande werden konnte und deswegen waren die 90er Jahre dadurch gekennzeichnet, einen Flughafen zu konzipieren mit zwei Start- und Landebahnen. Autorin Georg Milbradt, CDU, in den 90ern Finanzminister und von 2002 bis 2008 sächsischer Ministerpräsident O-Ton Milbradt Das ist die Anforderung für einen neuen Flughafen weltweit und der international Bedeutung haben will und zum anderen die notwendigen Bodenkäufe zu tätigen, um ihn dann auch realisieren zu können. Hinzu kamen die komplementären Investitionen im Straßenbereich. Die Autobahnen wurden ja in dieser Zeit ausgebaut, aber das reicht allein nicht aus. Es musste eine Eisenbahnlinie dran langgelegt werden. Es musste auch die kleinere Erschließung, also von der Autobahn zum Flughafen neu geordnet werden. Denn das Gelände des Flughafens war zwar zum Starten und Landen von Flugzeugen geeignet, aber nur im sehr eingeschränkten Sinne. Er wurde ja nur gebraucht für Messezeiten - und noch nicht mal ein anständiges Terminal gab es. Einige sagten: Das sei ein Flughafen mit Imbissbude. Mehr war dort damals nicht und deswegen ist faktisch ein neuer Flughafen entstanden; von dem alten Gebäude, von der alten Infrastruktur ist bis auf ein kleines Gebäude praktisch nichts übrig geblieben." Atmo/Musik Autor Doch Ende der 90er Jahre konkretisierte sich die Planung für den Großflughafen Berlin- Brandenburg. Nun drohte der "zentrale Passagierflughafen Mitteldeutschlands" ein Luftschloss zu bleiben. Trotzdem prognostizierten die Planer, jedes Jahr würden 15 Millionen Passagiere hier abgefertigt. Eine Phantasiezahl, um die Investitionen politisch zu rechtfertigen. Autorin Anfang 2000 dümpelte der Flughafen Leipzig/Halle wirtschaftlich vor sich hin. Für einen Passagierflughafen von dieser Größe fehlte in der Region offensichtlich der Bedarf. Die Zahl der Reisenden pendelte sich bei nur 2 Millionen ein. Der hochsubventionierten Infrastruktur fehlte eine Funktion. Vier Jahre später bewog dann die sächsische Staatsregierung die Posttochter DHL, ihr europäisches Luftfrachtdrehkreuz aus Zaventem bei Brüssel nach Leipzig zu verlegen. Das Lockmittel: die Garantie einer Nachtflugerlaubnis ohne Einschränkung. Atmo: Flugzeug O-Ton Lutz Metzger "Also wir sehen, wir gucken auf diesen Taxistand genau vor unseren Füßen, so 30 Meter unter uns, und haben dann separat von dem Terminal, wo Touristen abgefertigt werden nochmal einen Parkplatz und daneben ist dieser Terminal A. Steht auch wirklich Terminal A draußen dran. Und dort werden Geschäftskunden abgefertigt, einige Transitverkehre, also die über den berüchtigten großen Teich gehen, dort abgefertigt und dann die GIs werden dort verköstigt und haben die Möglichkeit, sich einige Stunden auszuruhen, bevor sie dann weiter entweder in die Vereinigten Staaten fliegen oder in die Einsatzgebiete im Nahen Osten fliegen." Autor auf Atmo Flughafen Terminal A ist ein schlichter Zweckbau, der abseits der neuen Empfangshalle liegt. Nach außen streng abgeschirmt, ist er für gewöhnliche Reisende weder zugänglich noch einsehbar. Auch die Aktivisten von Control Arms können keinen Kontakt zu den US-Soldaten aufnehmen, die auf dem Flughafen Leipzig/Halle täglich für einige Stunden Station machen. Autorin auf Atmo Im Mai hatten wir Lutz Metzger bei unseren Recherchen für das Theaterfestival kennengelernt. Wir wollten von ihm mehr über World Airways erfahren und sprachen später noch mit verschiedenen anderen Flughafenbefürwortern und -kritikern. Unsere Recherche sollte als Zeitung erscheinen und an Besucher des Theaterfestivals verteilt werden. Wir gaben ihr den Titel "Was du wissen solltest (Die Zukunft)". Außerdem entwarfen wir ein 20 Meter langes Fensterbild, schwarz-weiß, mit Scherenschnitten. Man kann darauf sehen, wie Soldaten im Flugzeug transportiert werden, wie man sie in Leipzig verpflegt und wie sie dann weiter fliegen. In diesen Bildern stellten wir auch dar, was sie an ihren Zielorten erwartet. Uwe Schuhart, der Pressesprecher des Flughafens, ließ sich vor der Eröffnung des Theaterfestivals im Juni unser Scherenschnittszenario vorlegen. Er zeigte auf tote Zivilisten und verletzte Soldaten und war entrüstet. So etwas habe mit dem Flughafen nichts zu tun. Eine Woche vor Beginn von "Theater der Welt" fand eine Pressekonferenz in der Ankunftslobby statt. O-Ton Andreas Hillger "Naja, es war eine ziemlich surreale Situation, weil Annegret Hahn, die Intendantin des Thalia-Theaters, plötzlich einen Akt von Zensur verkünden musste, Autorin Andreas Hillger, Theaterredakteur bei der Mitteldeutschen Zeitung O-Ton Andreas Hillger das heißt also, dass der Flughafen sich ja gegen das Projekt, was sich mit der militärischen Nutzung des Flughafens beschäftigte - gegen dieses Projekt hatte sich der Flughafen ausgesprochen, hatte von seinem Hausrecht Gebrauch gemacht und damit musste Annegret Hahn statt sich für ihren Beitrag für Theater der Welt feiern zu lassen - plötzlich etwas tun, was quasi schon wie eine Bankrott-Erklärung für einen Intendanten wirkt." Atmo O-Ton Annegret Hahn "Wir hatten bis dahin hier in unserer Arbeit keinen eklatanten Konfliktfall, wo wir mit einem Projekt und unseren Kooperationspartnern so an Grenzen gestoßen sind, dass man die Gretchenfrage stellen muss. Das war hier der Fall und nach dem Sommer, wenn Sie mich jetzt fragen, wie ich die Sache einschätze: Ich habe gemerkt, wie sehr ich mit dem Rücken an der Wand stand, nachdem ich die Entscheidung getroffen habe, dem Flughafen in seinen Wünschen zu folgen. Mein Fazit ist: Ich würde das nie wieder tun." Autor: Die Geschäftsleitung versuchte außerdem, die Veröffentlichung unseres Gesprächs mit Lutz Metzger und anderen Flughafenkritikern zu verhindern. Der Friedensaktivist ist für das Unternehmen eine Persona non grata, die militärische Nutzung soll nicht diskutiert werden. Wir ließen die Zeitung trotzdem drucken - ohne die geforderten Streichungen. Sie durfte während des Festivals nicht auf dem Gelände des Flughafens verteilt werden. Autorin Dabei lässt sich die tabuisierte Zone von Terminal A erstaunlich leicht einsehen. Denn die Bilder im Internet kann die Flughafenleitung nicht zensieren. So finden sich auf den Blogs von US-Soldaten etliche Aufnahmen aus dem Terminal A. Man sieht Frauen und Männer, die auf dem Boden schlafen, erschöpft von ihrem Kriegseinsatz. Uniformierte, die auf unbequemen Wartebänken oder in den Gängen lümmeln und dösen - müde Soldaten auf Durchreise. Sprecher englisch "Dear America, after taking off from Bangor, Maine we flew a few hours to the German city of Leipzig. Leipzig however was no where near as friendly as Maine was. $7 for a postcard, $8 for a small can of Pringles. Nowhere to charge your phone or computers and of course neither worked internationally." Sprecher 1 "Liebes Amerika, nachdem wir in Bangor, Maine gestartet sind, flogen wir ein paar Stunden bis zur deutschen Stadt Leipzig. In Leipzig ist man nicht so freundlich wie in Maine. Hier verlangen sie $7 für eine Postkarte und eine kleine Packung Kartoffelchips kostet $8. Man konnte noch nicht mal das Handy oder den Computer aufladen, um zu Hause anzurufen." (Sergeant Jeremiah Vandekar, Kuweit, 15.10.2007) Atmo Autor In der Amtszeit von Präsident Bush junior wurde der militärische Apparat in den USA umgebaut. Viele Aufgaben liegen heute in den Händen von Privatunternehmen. World Airways und North American Airlines, zwei US-amerikanische Zivilfluglinien, bekamen ihre Aufträge nun vom Pentagon, dem Verteidigungsministerium und machen Gewinne damit. O-Ton: Wolfram Leuze "Wenn ich in eine Schuhschachtel Pralinen packe, ist das keine Schuhschachtel mehr, sondern eine Pralinenschachtel Autor Wolfram Leuze, Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/Die Grünen im Leipziger Stadtrat O-Ton Wolfram Leuze und wenn in einem Flugzeug militärisches Gerät, Militärangehörige sind, dann ist es kein Zivilflugzeug mehr, sondern ein militärisches Flugzeug. Entscheidend für die Widmung ist doch die Frage der Nutzung und wenn in einem Flugzeug keine Passagiere sitzen, sondern wenn da Pakete gelagert sind, dann ist es ein Frachtflugzeug, und wenn in dem Flugzeug Panzer transportiert werden oder Militärfahrzeuge, dann ist es ein Militärflugzeug. Egal, was außen dran steht." Autor Seit Mai 2006 nutzt das Pentagon auch den Flughafen Leipzig/Halle für seine privatisierten Truppentransporte. Während die Flugzeuge aufgetankt werden, müssen die Soldaten aussteigen. Im ersten Jahr gab es laut Deutscher Flugsicherung 333 Zwischenstopps von Flugzeugen mit US-Truppen. In der Statistik der Arbeitsgemeinschaft deutscher Verkehrsflughäfen tauchen die US-amerikanischen Soldaten allerdings nur verdeckt auf - nämlich als Transitpassagiere. Autorin Die Truppentransporte haben dem Flughafen wirtschaftliches Wachstum beschert. Während 2007 immer weniger normale Reisende in Leipzig/Halle abgefertigt wurden, blähten die uniformierten Transitpassagiere die Statistik kräftig auf: Ein Zuwachs von 36 Prozent, heißt es offiziell. Inzwischen ist jeder fünfte Passagier in Leipzig/Halle ein Soldat, rund 450.000 waren es allein im letzten Jahr. Die Schröder Regierung in Berlin hatte 2003 versprochen, es werde keine direkte oder indirekte deutsche Beteiligung am Irak-Krieg geben. Und die sächsische Landesregierung behauptet: Zitator "Die Fluggesellschaft fliegt im Auftrag der US-Regierung Angehörige der US-Streitkräfte mit zivilen Flugzeugen in die USA zum Heimaturlaub bzw. von den USA zum Stationierungsort. Kenntnisse über etwaige militärische Operationen in diesem Zusammenhang liegen der sächsischen Staatsregierung nicht vor." O-Ton Burkhard Jung "Also, ich hab 'ne klare politische Grundhaltung zum Konflikt und zum Krieg im Irak. Ich lehne den ab. Autorin Burkhard Jung, der Leipziger Oberbürgermeister sitzt im Aufsichtsrat der Flughafen Leipzig/Halle AG. Er teilt mit Parteifreund Gerhard Schröder die Einwände gegen den Irak-Krieg - jedenfalls im Prinzip. O-Ton Burkhard Jung Und Deutschland ist gut beraten gewesen, sich grundsätzlich in diesem Kriegsfalle auch so politisch zu äußern und aufzustellen. Auf der anderen Seite gibt es völkerrechtliche Abkommen, die den Transport von Soldaten, die ja Menschen sind, wo ein Flugzeug gereinigt werden muss, wo an Bord Dienstleistungen aufzunehmen sind, wo getankt werden muss, organisiert, und zwar in einer besonderen Art und Weise, so dass humanitär - und da trifft das Wort - Sorge dafür getragen kann, dass ein Rücktransport und Hintransport menschlich abgewickelt werden kann." Autorin 2005 musste das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig über den Fall eines Bundeswehrmajors entscheiden. Er hatte zu Beginn des Irak-Kriegs jegliche Unterstützungsleistungen abgelehnt und wurde deshalb wegen Befehlsverweigerung seines Ranges enthoben. Das Gericht rehabilitierte ihn. Zitator "Weder der NATO-Vertrag, das NATO-Truppenstatut, das Zusatzabkommen zum NATO-Truppenstatut noch der Aufenthaltsvertrag sehen eine Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland vor, entgegen der UN-Charta und dem geltenden Völkerrecht völkerrechtswidrige Handlungen von NATO-Partnern zu unterstützen." Autor Solche Unterstützungsleistungen gehören auf dem Flughafen Leipzig/Halle zum Geschäftsmodell - einem Unternehmen, das sich hundertprozentig im Besitz der öffentlichen Hand befindet. O-Ton Winfried Nachtwei "Die rechtliche Lage ist eigentlich einfach und klar. Autor Winfried Nachtwei, verteidigungspolitischer Sprecher von Bündnis 90/ Die Grünen, O-Ton Winfried Nachtwei Es steht im Grundgesetz, Völkerrecht geht vor, eindeutig bindendes Recht, und dieses geht auch vor Stationierungsrecht, vor Stationierungsabkommen oder andersherum ausgedrückt: Stationierungsstreitkräfte sind selbstverständlich auch ans Völkerrecht, an Recht und Gesetz gebunden. Die können auch nicht hier in der Bundesrepublik zum Beispiel die Todesstrafe dann exekutieren. Auf der anderen Seite sind gerade die USA gewohnt, über die Jahrzehnte als ursprüngliche Besatzungsmacht, dass sie, dass auf ihre Völkerrechtstreue nicht so genau geguckt wird. Oder dass da eher die Augen zugemacht werden. Oder dass es heißt, damit haben wir nichts zu tun. Aber dieses Drüber-Hinweggucken müsste wenigstens seit dem Irakkrieg vorbei sein. Da sind deutsche Dienststellen, deutsche Behörden verpflichtet, darauf zu achten, dass eben auch über bundesdeutsches Gebiet nicht Beihilfe zu völkerrechtswidrigen Aktivitäten geleistet wird." Autorin Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee konnte uns kein Interview geben - aus Termingründen hieß es. Seine Behörde erteilt die Einfluggenehmigungen für die US-amerikanischen Maschinen. Thomas Jurk, sächsischer Staatsminister für Wirtschaft und Arbeit, schob unsere Gesprächsanfrage an den Finanzminister weiter. Am Ende gelang es mir immerhin, Frank Wend, dem Pressesprecher des sächsischen Innenministeriums, einen Gesprächstermin abzuringen. Als wir uns in seinem Dresdner Büro gegenübersitzen, ist die Atmosphäre angespannt. O-Ton Frank Wend "Wir vertreten gar keine Haltung, sondern das ist eine Bundesangelegenheit. Es sind Verträge, die zwischen - Sie müssen auch unterscheiden, das eine sind NATO-Geschichten, das andere sind Geschichten, die die Amerikaner machen mit zivilen Auftraggebern, also zivilen Fluggesellschaften - und die Verträge, die da geschlossen worden sind, sind Verträge, die der Bund geschlossen hat. Sachsen ist, wenn man so will, der Ort, wo es passiert und deswegen haben wir keine Haltung dazu." Atmo Autorin Frank Wend gab mir keine Gelegenheit mehr, ihn darauf hinzuweisen, dass die Verträge, die mit World Airways und North American Airlines bestehen, nicht vom Bund, sondern von der Flughafen Leipzig/Halle GmbH abgeschlossen wurden - und diese zu 67 Prozent dem Land Sachsen gehört. Jedenfalls war im Sommer aus unserem Gespräch mit Eric Malitzke, dem jungen Geschäftsführer des Flughafens, herauszuhören gewesen, dass die Entscheidung keineswegs in Berlin, sondern in Sachsen gefällt worden war: O-Ton Eric Malitzke "Und dann gibt es irgendwann einen Punkt, wo man in der Wirklichkeit ankommt und dann haben sie das Phänomen, dass sie in meiner Situation verantwortlich sind hier in der Region, und dann kommen diese zivilen Airlines und sagen: Passen sie mal auf, wir machen das und das Geschäft und wir würden hier gern hinkommen und dann hast du beispielsweise am Verhandlungstisch auch den Betriebsleiter einer Betriebsküche, die die Bordverpflegung für Flugzeuge herstellen und der sagt: Malitzke, wenn wir die kriegen, wir wollten hier unsere Betriebsküche zu machen, dann können wir 65 Jobs retten. Es geht darum, dass ich abwägen muss, wieviel Idealismus kann ich, ohne dass das Unternehmen hier und auch Teile der wirtschaftlichen Entwicklung in der Region schaden nehmen, zu meiner Handlungsmaxime, und zwar ausschließlichen Handlungsmaxime machen." Atmo: Flugzeug Neu-Schladitz, Hund Autorin In einer Novembernacht stehen wir gemeinsam mit Thomas Pohl am Ortsrand von Rackwitz, in einer Einfamilienhaussiedlung mit Namen Neu-Schladitz. Sie liegt sieben Kilometer vom Flughafen entfernt und wurde Mitte der 90er Jahre erschlossen. 12 Jahre ist es jetzt her, dass Familie Pohl sich dort ihr Fertighaus baute - von einem Luftfrachtdrehkreuz war damals noch keine Rede. Sehen kann man den Flughafen in der Nacht von hier nicht. Nur das Porschewerk leuchtet in der Ferne. Seit Tagen weht ein Ostwind und Thomas Pohl findet nachts keinen Schlaf. Zwischen zehn Uhr abends und sechs Uhr morgens starten und landen 140 Flugzeuge. Thomas Pohl ist Elektriker, er hat sich ein Lärmmessgerät besorgt, um Spitzenpegel zu erfassen. O-Ton Pohl "Ja, also das ist eigentlich fast jede Nacht so ab um zwei, halb drei, kommen die ersten Flüge und meist sind so die Amerikaner, so die ersten, die wegfliegen vom Flughafen Leipzig/Halle, und die sind eben besonders laut, weil die eben mit sehr alten Maschinen fliegen, mit großen alten Frachtmaschinen, die eigentlich normalerweise hätten verboten werden müssen, besonders in der Nacht. Aber durch diese wacht man auf und dann zählt man jeden einzelnen Flug und das geht bis früh um sechs, halb sieben, dann wird es kurze Zeit etwas ruhiger, aber dann kommen die Turbopropmaschinen. Die fliegen auch meist ab 6.30 Uhr und abends bis 24 Uhr fliegen Turbopropmaschinen, die sind 30, 40 Jahre alt, diese Kisten. Aber die dürfen halt nachts hier fliegen." Autorin Thomas Pohl wollte diesen Lärm nicht einfach hinnehmen und beschloss vor vier Jahren, sich in der Interessengemeinschaft Nachtflugverbot zu engagieren. Diese Bürgerinitiative wollte auch mit Hilfe der örtlichen Medien die Fluglärmbelastung zum Gegenstand einer öffentlichen Debatte machen, bisher vergeblich. Zitator "Ganz klar, der Flughafen wird immer mehr zum unverzichtbaren Jobmotor für die gesamte Region - deren Chance im wirtschaftlichen Aufholprozess vor allem in der Logistik liegt. Wer hier die Entwicklung zurückdrehen will, der gefährdet das Wohlergehen jetziger und künftiger Generationen. Denn die benötigen vor allem eines: Arbeitsplätze." Der Chefredakteur der Leipziger Volkszeitung, Ulrich Milde in einem Leitartikel im Mai 2007. O-Ton Björn Achenbach "Ich glaube, es war irgendeine Pressemitteilung von der Linkspartei, wo irgendwie gegen die NATO-Aktivitäten auf dem Leipziger Flughafen gewettert wurde und wenn einem so ein Thema so ideologisch verbrämt schon entgegenkommt, dann reagiere ich schon mit Abwehr, mit Distanz, das war bei mir persönlich der Grund, wo ich gedacht habe: Naja, die nun wieder, ne. Aber das ist ja nur die eine Seite der Medaille. Autor Björn Achenbach ist Chefredakteur des Leipziger Stadtmagazins "Der Kreuzer". Im November 2008 veröffentlichte er zum ersten Mal einen längeren Beitrag, der sich kritisch mit der militärischen Nutzung des Flughafens auseinandersetzte. O-Ton Björn Achenbach "Aber es ist auch nicht so, dass man so viel wusste. Man wusste, dass der Flughafen wirtschaftlich darbt und nicht ausgelastet ist, kann sich vorstellen, dass da ein Bedürfnis besteht, dort was zu veranstalten, aber das Ausmaß, was dort alles passiert ist, das habe ich nicht ansatzweise geahnt. Und es ist eben kurios, dass letzten Endes dann erst Kunstprojekte die Öffentlichkeit herstellen, die dann auch einem Journalisten, der sich eigentlich als kritischer Journalist versteht wie ich es ja tue, die Augen öffnen, so dass man dann selber handelt." Autor Die Linkspartei stellt seit 2006 regelmäßig im sächsischen Landtag kleine Anfragen zur militärischen Nutzung des Flughafens. Es gab auch schon eine aktuelle Stunde dazu. Öffentliche Aufmerksamkeit erfuhr das Thema aber erst durch das Verbot unserer künstlerischen Arbeit auf dem Flughafen. Die Mitteldeutsche Zeitung, die ZEIT, die Süddeutsche, die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung berichteten über die Zensur - ihnen folgten andere, regionale Zeitungen. Auch Rundfunk und Fernsehen griffen den Vorfall auf. Autorin auf Atmo Für die Hausbesitzer in Neu-Schladitz sieht die Zukunft düster aus. Thomas Pohl ist durch den Bau bis zur Rente hoch verschuldet, vielen seiner Nachbarn geht es nicht anders. Inzwischen hat sein Grundstück wegen des Fluglärms stark an Wert verloren. Er kann es nicht verkaufen und deshalb auch nicht wegziehen. O-Ton Philipp Steuer "Man hat hier eben damit gerechnet, dass es solche Proteste nicht geben wird. Autorin Der Politikwissenschaftler Philipp Steuer O-Ton Philipp Steuer Woran das liegen mag, möchte ich jetzt nicht spekulieren, aber es ist definitiv so, dass die Besonderheit des Ostens ist, dass man hier mit ein paar Arbeitsplätzen eigentlich alles rechtfertigen kann, und das ist leider Fakt und das wissen die ganz genau, die solche Sachen planen, und ich denke, deswegen ist man auch hier hergegangen und deswegen sind wir mit Leipzig der Flughafen, der augenblicklich mit Lohn- und Rechtsdumping sämtlichen Flugverkehr, den man anderswo nicht haben will, anzieht." Atmo: Flugzeug Autor Niemand konnte anfangs absehen, dass die Erlaubnis für Flüge rund um die Uhr nicht nur für den Frachtverkehr, sondern auch für transkontinentale Truppentransporte genutzt werden würde. Nach einer Klage der Interessengemeinschaft Nachtflugverbot hatte das Bundesverwaltungsgericht 2006 Passagierflüge in der Zeit von 23 bis 6 Uhr morgens verboten. Nun werden die Truppentransporte tagsüber als rein zivile Passagierflüge dargestellt und in der Nacht als 'militärische Anforderungsflüge' deklariert. Autorin Leipzig liegt günstig: genau auf halber Strecke zwischen den USA und den Kriegsgebieten in Irak und Afghanistan. Aber das ist nicht der einzige Grund, weshalb der Flughafen für die Zwischenstopps genutzt wird. Autor Anderswo stießen solche Flüge auf technische Probleme - oder auf mehr Widerstand. Der US-Airbase in Ramstein fehlen die Kapazitäten, die Rhein-Main-Airbase in Frankfurt/ Main wurde 2005 geschlossen. Am irischen Flughafen Shannon, der dem US-Militär zu Beginn des Irak-Kriegs als Tankstopp diente, haben Proteste die weitere Nutzung erschwert. Atmo Sprecher engl: John Sotham "It's a long, painful trip to get here. Military charters all the way, which means you leapfrog and stop where there are troops to pick up. Miami to Norfolk, Virginia, to Volk Field, Wisconsin, where we picked up half a planeload of soldiers. Autor John Sotham, Lieutenant Colonel der US-Air Force, ist zurzeit auf dem Luftstützpunkt Bagram in Afghanistan stationiert. Für das Internetmagazin Air & Space des renommierten Smithsonian Institute schreibt er einen Blog. Sprecher 1 "Die Reise ist lang und anstrengend. Den ganzen Weg mit Militär-Charterflügen, das heißt du fliegst immer nur kurz und machst Zwischenhalt, wo immer Soldaten abgeholt werden müssen. Von Miami nach Norfolk, Virginia, von dort nach Volk Field, Wisconsin, wo wir eine halbe Flugzeugladung Soldaten aufsammelten. Sprecher engl: John Sotham We were on a World Airways DC-10 that still felt like a regular passenger jet, because, well ... it was. But the troops didn't get the memo, and brought all their weapons on board. It was 3:45 in the morning, and the crew just wanted to get the doors closed and leave. So the Army guys began to stuffing their gear under the seats. The flight attendants drew the line at the overhead bins. We actually heard on the PA: "Please ensure the muzzles of your weapons are not sticking out into the aisles. Oh, and put your tray table up." Sprecher 1 Wir flogen in einer DC10 der World Airways, die sich wie eine gewöhnliche Passagiermaschine ausnahm, weil es... nun ja, weil es eine gewöhnliche Passagiermaschine war. Aber weil wir unsere Soldaten das nicht vorher erfahren hatten, nahmen sie ihre Waffen mit an Bord. Es war 3:45 Uhr in der Früh und die Flugzeugbesatzung wollte einfach die Türen schließen und losfliegen. Also verstauten sie ihre Knarren unter den Sitzen. Die Flugbegleiter hatten ihnen verboten, dafür die Gepäckfächer zu benutzen. Über Lautsprecher wurde sogar durchgesagt: Achten Sie bitte darauf, dass Ihre Gewehrläufe nicht in den Gang ragen. Ach ja, und klappen Sie die Tische hoch." Atmo O-Ton Lutz Metzger "So, die ersten steigen aus. Ja, jetzt kann man sehr gut sehen, wie in aller Ruhe die GIs aussteigen und in den Bus rein. Sie gucken immer etwas nach links und rechts. Es ist klar, wenn man sechs bis sieben Stunden unterwegs war, über den Atlantik geflogen ist, aus der Maschine raus kommt, man will was sehen. Die friedenswirkende Stadt Leipzig. Vielleicht ist es für manchen GI, hat er mal was gelesen oder gehört, er wird nicht viel sehen und vom Gefühl her wird es ihn frösteln. Wir haben hier Null Grad und sie haben ihre Tarnanzüge an direkt in den Einsatz für den Irak, sie werden wohl froh sein, wenn sie schnell in irgendein warmes Stübchen kommen. Ein Erlebnis wird dieser Besuch in Leipzig nicht sein. Wir haben es ja oft genug gehört oder gelesen, dass sie sich fast beschweren." Atmo Autorin auf Atmo am Flughafen Dunst liegt an diesem Herbstmorgen über der Landschaft. Wir fahren gemeinsam mit Peter Richter, einem Mitglied der IG-Nachtflugverbot, nach Schkeuditz zum Luftfrachtdrehkreuz von DHL. Nebenan liegt ein kleines Industriegebiet, das vom Flughafen durch eine Straße getrennt ist. Das Areal des Flughafens ist eingezäunt. Wir können das Rollfeld der Südbahn sehen, davor große Asphaltflächen, auf denen ein paar Gewerbehallen stehen. Zwischen beiden liegen abgeerntete Felder. Ein paar Möwen picken in den Ackerfurchen. Wir stehen vor dem Zaun, der oben mit Stacheldraht bewehrt ist. Ein Schild verbietet das Flughafengelände zu betreten. In der Ferne parkt ein gelbes Flugzeug mit rotem DHL-Schriftzug. Andere Maschinen sind nicht zu sehen. Tagsüber weist nichts darauf hin, dass man es hier mit dem drittgrößten Frachtflughafen Deutschlands zu tun hat. Peter Richter fährt wöchentlich einmal am Flughafenzaun entlang, registriert, was sich auf dem Gelände verändert. Er zeigt auf eine blaue Halle hundert Meter vor uns. O-Ton Peter Richter "Ja, wir stehen hier vor einer technischen Halle am Flughafen rechts von der Firma Ruslan SALIS GmbH. Diese Halle wird genutzt für Unterstellungen von technischem Gerät und wir haben also Informationen, dass hier auch Betten aufgestellt werden und dass hier die Amerikaner also teilweise auch in dieser Halle übernachten und somit ist diese Geschichte, die immer gesagt wird, die verlassen nicht diesen Transitraum schon mal ad absurdum geführt, weil diese Halle befindet sich ungefähr Luftlinie 800 m von den Transiträumen entfernt und dieses technische Gerät, was da also drin steht, wird rausgefahren, um dann Betten, Feldbetten aufzustellen. Also wir haben Informationen, bis zu 330 Leute haben hier schon in dieser Halle übernachtet und wir haben auch Fotos, wo militärisches Gerät in diese Halle hineinverbracht wurde." Sprecher englisch "After we landed in Leipzig, Germany, we got the news that the aircraft had maintenance problems, and we'd have to spend the night - in a hangar that usually houses snow removal equipment. But the German airfield operations crew was good to us. They served us inflight meals for dinner - anything was welcome at this point - and a hot, catered breakfast and lunch the next day until we could reboard". Sprecher 1 "Nachdem wir in Leipzig gelandet waren, erfuhren wir, dass das Flugzeug gewartet werden musste und wir die Nacht hier verbringen sollten - in einem Hangar, in dem gewöhnlich Schneeräumgerät gelagert wird. Aber die deutsche Flughafenmannschaft war gut zu uns. Sie servierten uns Flugzeugmahlzeiten - wir waren inzwischen dankbar für alles - und am nächsten Tag ein warmes Frühstück und Mittagessen, bevor wir wieder einsteigen konnten." Lieutenant Colonel John Sotham am 15. August 2008. Autorin Für die Sicherheit auf dem Flughafen ist Polizeidirektor Jörg Schulz, der Inspektionsleiter der Bundespolizeiinspektion Leipzig, zuständig. Von ihm wollen wir wissen, warum US-Soldaten den Transitbereich im Terminal A verlassen dürfen, um anderswo auf dem Flughafengelände zu übernachten. O-Ton Jörg Schulz "So was kann vorkommen. Wenn aufgrund von technischen Problemen eine Maschine nicht nach Plan weiterfliegen kann, dann muss sie natürlich entsprechend repariert und die Flugfähigkeit wiederhergestellt werden. Wenn das zu einer Übernachtung führt, dann gibt es ja die Möglichkeit, dass man sicherstellt, dass die Soldaten, die im Transitbereich bleiben, nicht mit anderen Passagieren vermischt werden, und die werden dann schlicht und einfach mit Bussen in einen Schlafbereich überführt. Das Ganze wird von uns beaufsichtigt, so dass sichergestellt ist, dass niemand hier einreisen kann." Autor Der Transitpassagier reist in ein Land ein, ohne formal einzureisen, er hält sich im Land auf ohne Aufenthalt und reist ohne Ausreise wieder aus. Der Transit ist ein wichtiges Rechtsgut im internationalen Personenverkehr - jeder, der einmal ein Visum beantragen musste, kann bestätigen, wie nützlich die Transitregelung ist. Autorin Mit der Privatisierung von Truppentransporten wird dieses Rechtsgut missbraucht: Eine Armee wird unsichtbar gemacht. Das juristische Konstrukt des Transitraums ist nichts anderes als eine klar definierte Lücke im Rechtsraum - eine Ausnahme, die die normale Ordnung bestätigt. Durch die Privatisierung militärischer Aufgaben entstehen Grauzonen, die geltendes Recht, das sich noch nicht auf die neuen Verhältnisse eingestellt hat, unterlaufen. Der Staat hat erkannt, dass ihm genau diese Vagheiten Ermessensspielräume und Handlungsoptionen jenseits demokratischer Kontrolle eröffnen. Autor Jeder harmlose Tourist muss sich und sein Gepäck beim Einchecken einer genauen Kontrolle unterwerfen. Ob Taschenmesser oder Nagelfeile: Alles stellt eine potentielle Waffe dar, die unbedingt zu konfiszieren ist. Die Soldaten im Transit dagegen sind tatsächlich bewaffnet. "Wir sind die einzige Airline, bei der es heißt: "Verstauen Sie bitte Ihre M-16 unter dem Sitz vor Ihnen", rühmt sich Marc Vetterick, Firmensprecher von World Airways gegenüber dem US-amerikanischen Nachrichtensender Fox News. O-Ton Schulz "Also, es ist tatsächlich zu korrigieren: Diese Soldaten sind ja im Transit, das heißt diese Luftsicherheitskontrolle müssen sie nicht durchlaufen, die haben sie bereits durchlaufen, als sie in die Flugzeuge eingestiegen sind an dem jeweiligen Abflugflughafen. Im Transit wird dann nicht nochmal das Ganze durchsucht und so weiter. Zum Zweiten ist es, was die Waffen angeht, kein Problem. Es ist auch keine militärische Bewachung, die wir hier durchführen, sondern es ist letztlich eine polizeiliche Maßnahme, das heißt hier geht es wirklich darum, Gefahren abzuwehren, die die Sicherheit des Luftverkehrs, und wir reden immer von zivilen Luftfahrtgesellschaften, also von zivilen Luftfahrzeugen, die die Sicherheit des Luftverkehrs drohen, abzuwehren, das ist unsere Aufgabe und das tun wir hier auch." Autorin Der rechtliche Status der Flugzeuge und ihrer Passagiere stellt für alle Beteiligten einen äußerst sensiblen Punkt dar. O-Ton-Montage O-Ton Eric Malitzke "Rein förmlich handelt es sich nicht um militärische Verkehre, weil es zivile Fluggesellschaften sind. Faktisch fliegen die zum Teil im Auftrag der Militärs, das ist richtig. So, jetzt gibt es eine öffentlich-rechtliche Diskussion, die ist unstrittig zu Gunsten des Flughafens, weil wir Verträge mit zivilen Fluggesellschaften haben, die eigene kommerzielle Entscheidungen treffen, wo sie zwischenlanden." O-Ton Schulz "Wenn ich korrigieren darf: Die amerikanischen Soldaten werden mit zivilen Luftverkehrsgesellschaften transportiert, genau wie jeder andere Flugpassagier auch." O-Ton Jung "In Ihrer Frage liegt eine Unterstellung, die ich so nicht akzeptiere. Der Flughafen ist zunächst ein Zwischenlandeziel für private Maschinen, die Soldaten, amerikanische Soldaten, transportieren." O-Ton Eric Malitzke "Wir haben keinen Vertrag mit den Militärs." Autorin Auf der anderen Seite des Atlantiks redet man nicht um den heißen Brei herum. Das Pentagon macht keinen Hehl aus der militärischen Unterstützungsleistung, die seinen Truppen am Flughafens Leipzig/Halle gewährt wird. Wir fragen in Washington nach, ob wir mit einem US-amerikanischen Soldaten im Transit ein Interview führen können. Aus logistischen Gründen lässt sich das nicht einrichten. Lieutenant Colonel Lee M. Packnett vom Pressestab, der selbst während eines Einsatzes im Irak auf dem Flughafen Leipzig/Halle zwischengelandet war, schickt uns jedoch bereitwillig ein offizielles Dankesschreiben aus Washington: Atmo Zitator Herzliches Dankesschreiben Das Staatssekretariat der Armee möchte sich persönlich bei der Belegschaft des Flughafens Leipzig/Halle und den Bürgern für ihre Großzügigkeit gegenüber unseren Soldaten auf dem Weg in die oder aus den Kriegsgebieten bedanken. Die Kooperation und Unterstützung, die es unseren Soldaten erlaubt, die Einrichtungen von Leipzig/Halle während der Tankstopps zu nutzen, ist ein willkommenes Zeugnis für Deutschlands Verbundenheit in der Unterstützung des weltweiten Krieges gegen den Terror. Autor Es war Eric Malitzke, der die Truppentransporte nach Leipzig/Halle geholt hat. Im Herbst gab der Geschäftsführer der Flughafen GmbH dann seinen Wechsel zu DHL bekannt. Die Deutungsmacht der Verantwortlichen, die in der Hauptsache auf Informationsentzug beruht, wird inzwischen energisch in Frage gestellt: Besonders großen Absatz fand unsere Zeitung bei den mittlerweile 18 Bürgerinitiativen, die sich im Umland von Halle und Leipzig gegründet haben. Die vom Fluglärm betroffenen Anwohner kämpfen nicht nur für ihre Nachtruhe, sondern auch für einen Flughafen ohne militärische Nutzung. O-Ton Lutz Metzger auf Atmo Flughafen "Ja, es ist kurz nach zwei - zwei Minuten nach zwei und die erste World Airways - nee North American-Maschine hat sich nun doch einige Stunden länger hier aufgehalten, legt jetzt ab und wird dann starten." Autorin auf Atmo Ein eisiger Wind pfeift durch das Parkhaus. Lutz Metzger hat über seine Mütze noch die Kapuze gezogen. Nach acht Stunden Flughafenwache sind wir alle durchgefroren bis auf die Knochen. In dieser Nacht sind wieder fünf Flugzeuge von World Airways und North American Airlines mit insgesamt über 1.000 Soldaten an Bord gelandet. O-Ton Lutz Metzger auf Atmo "Ja, wir haben jetzt richtig beobachten können, das Ablegen der Maschine. Die Maschine wird jetzt zur Rollbahn - höchstwahrscheinlich wieder die Südbahn - rollen, wird in den Westwind hineinstarten. Das heißt sie wird durchaus, da sie dann in den Osten fliegt, eine Südabkurvung nehmen können, was auch wieder einige des nachts wach machen wird, denn die Militärmaschinen halten sich an irgendwelche Regeln, die an andere Zivilmaschinen gestellt sind, nicht. Und so wird durchaus über Schkeuditz und über Leipzig in dieser Nacht jetzt kurz nach zwei wieder eine Militärmaschine im Kostüm einer zivilen Luftlinie Amerikas in den Krieg fliegen." Atmo: ablegende Maschine Musik Absage Truppentransporte für den Aufbau Ost Wie der Flughafen Leipzig/Halle zum Militärdrehkreuz wurde Ein Feature von Anne König und Jan Caspers Bei den Recherchen halfen Jan Wenzel und Vera Tollmann Sie hörten eine Produktion des Deutschlandfunks 2009 Es sprachen: Ulrike Schwab, Jochen Langner, Charles Ripley und Josef Tratnik Ton und Technik: Hans-Martin Renz und Dagmar Schondey Regie: Susanne Krings Redaktion: Karin Beindorff 4