COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Bad Arolsen räumt auf - Und dokumentiert nun auch die eigene NS-Geschichte - Autor Tim Hannes Schauen Red. Claus Stephan Rehfeld Sdg. 11.04.2011 - 13.07 Uhr Länge 19'25" Musik-Titel im Script Anhang Moderation Im nordhessischen Bad Arolsen befindet sich eines der weltweit größten NS-Archive. Der Internationale Suchdienst (ITS) unterstützt Opfer der Naziverfolgung aus der ganzen Welt und deren Angehörige, ihr Schicksal mit Hilfe seiner Archive zu dokumentieren. Das war und ist notwendig und verdienstvoll. Nun wollen die Mitglieder des Vereins "Historicum 20 - Forum Zeitgeschichte" auch vor der eigenen Haustür kehren und die Geschichte von Bad Arolsen dokumentieren. Das liegt auf der Hand, denn auch dieser Ort hat eine NS-Geschichte mit einem DAVOR und einem DANACH. Dazu gehörten früher das Militär, dann Militär und SS-Führerschule und bis in die jüngste Vergangenheit auch SS- Veteranen auf Besuchsreisen. Tim Hannes Schauen war in Bad Arolsen und fing Stimmungen und Probleme ein. -folgt Script Beitrag- Script Beitrag Musik 1 Barockmusik Sprecherin Ich bin nach Arolsen gefahren, um zu erkunden, ab dort die Proportionen noch stimmen. Es ist meine Stadt. Es ist keine natürlich gewachsene Stadt mit dörflichen Anfängen, sondern eine Miniaturstadt von allem Anfang an, eine künstliche Stadt, ein kleines Kunstwerk. Die Straßen sind nicht so schmal angelegt wie in anderen kleinen Städten, sie mußten ja repräsentativ sein, Platz geben für die vierspännige Kutsche des Fürsten und den tiefen Hofknicks am Straßenrand. Atmo Autos fahren vorbei, Fußgänger flanieren Autor Bad Arolsen. Vierzig Kilometer westlich von Kassel. Ein kleines Städtchen im Landkreis Waldeck-Frankenberg. Knapp 18.000 Einwohner, zwölf Ortsteile inmitten der üppigen Natur des nordhessischen Berglandes: Ein Stausee vor der Haustüre, drumherum Wald, Felder. Weite Wiesen bilden den Garten. Eine sanfte Landschaft mit weichen Hügeln. Etwa von 1650 bis nach dem Ersten Weltkrieg war Arolsen Residenzstadt der Fürsten von Waldeck und Pyrmont. 1710 begann man mit dem Bau des barocken Schlosses, dessen Vorbild in Versailles steht. Daher wird Arolsen, das erst seit 1997 das "Bad" vor sich herträgt, gerne auch "hessisches Versailles" genannt. Immer noch flanieren Spaziergänger über die "Große Alle": eine anderthalb Kilometer lange Prachtstrasse, auf der in sechs Reihen knapp 900 Eichen stehen, 1670 für die Fürsten angelegt. Musik 1 Barockmusik Autor Das barocke Schloss diktiert auch in der Neuzeit den Tenor für Arolsens Außendarstellung: Die Barockfestspiele Ende Juni finden zum 26. Mal statt. Arolsen hat sich dem lieblichen, unschuldigen Barock verschrieben, so als wolle man nichts anderes mehr hören. Dabei ist es noch nicht so lange her, dass in Arolsen harschere Töne zur Aufführung kamen. Musik 2 Militärmarsch O-Ton Bernd Joachim Zimmer Eins, zwei, drei im Sauseschritt eilt die Zeit, wir eilen mit! Und wir stellen uns vor, wir stehen hier am oberen Alleefeld vor gut 150 Jahren, und wir schauen in die Runde und was sehen wir? Nichts! Sie würden keinen einzigen gebauten Stein sehen, nur freies Feld, vor uns die Schweinegasse und hier Felder. Autor Doktor Bernd Joachim Zimmer steht auf einem Parkplatz - drei Fußballfelder groß. Hinter ihm die Große Allee, gegenüber: ein Baumarkt, ein Gartencenter, der Getränkeshop. Dazwischen Platz für vielleicht 500 Autos. O-Ton BJZ Das Fürstentum Waldeck hatte auch eigene Truppen, die 83er, aber die Truppen waren nicht in Arolsen stationiert, sondern hier in Arolsen hier wohnten nur einige Wachsoldaten. 1870 war der Druck so groß, dass man sich entschloss, hier auf das Feld ein Mannschaftsgebäude zu bauen, von da an war Arolsen nicht nur Residenzstadt sondern auch Garnisonsstadt. Man identifizierte sich mit seinen 83ern. Autor Arolsen war seinen Fürsten treu ergeben, die spätere niederländische Königin Emma stammt von hier. Um aber nicht nur Stolz im Herzen sondern auch Schmalz auf dem Brot zu haben, gab man sich der Wirtschaftsmacht des Militärs hin. O-Ton BJZ Und in den nächsten Jahren, wurde dann eine vollständige Kaserne gebaut, zunächst hier an der Ostseite das Gebäude für die Offiziere, das heute fast noch unverändert steht, dann als letztes, etwa um 1900 am Haupteingang das Stabsgebäude, das auch noch unverändert so aussieht wie vor 150 Jahren. Ansonsten noch einige Wirtschafts- und Unterbringungsmöglichkeiten, sodass hier ein Kasernenhof entstand für die 83er. Autor Auf diesem Kasernenhof, wo heute Arolser Pflanzen und Werkzeug aus dem Baumarkt schleppen, marschierte früher das III. Bataillon des preußischen Infanterieregiments 83. O-Ton BJZ Und diese 83er, die standen nun bis 1914 hier in Arolsen, aber dann fuhr die Kutsche mit dem Fürstenpaar vor, das Regiment war angetreten, der Fürst schickte seine Soldaten in den Ersten Weltkrieg, noch ahnte man nicht, dass diese Soldaten nie wieder zurückkommen werden. Und als dann 1918/19 der Krieg verloren war, dann verlor Arolsen eigentlich seine gesamte Identität. Der Fürst wurde abgedankt - ich sage extra wurde abgedankt - und Arolsen war auch keine Garnisonsstadt mehr. Die Kaserne stand also leer. Was macht man aber mit so einem großen Areal in einer Stadt mit maximal 2.000 Einwohnern? Man bemühte sich, diese Gebäude anders zu nutzen, fand aber niemanden, zum Schluss kam man auf die Idee, die Mannschaftsgebäude als Wohnräume für Familien mit vielen Kindern zu nutzen, und in das Offiziersgebäude rückte das staatliche Realpro-Gymnasium für Jungen ein. Autor Bernd Joachim Zimmer ist Vorsitzender des Arolser Vereins "Historicum 20 - Forum Zeitgeschichte". Lange, viel zu lange, haben die Arolser sich auf ihrem etwas verkitschten Glanz als barocke Residenz ausgeruht, während ringsherum die Strukturschwäche aufblühte. Höchste Zeit, fand nicht nur Zimmer, dass Arolsen mit seiner Geschichte aufräumt. Auf dem Kasernenhof nun geht der 67 Jahre alte, pensionierte Lehrer und Studiendirektor, ein großer Mann mit längerem Haar und Kinnbart, ein paar Schritte voran und zeigt auf ein altes Gebäude: O-Ton BJZ In diesem Gebäude machte dann 1925 Georg Groscurth sein Abitur, er ging von Arolsen nach Berlin, wurde dort der Leibarzt von Heß, aber gleichzeitig gehörte er einer Widerstandsorganisation an, die nicht mit der Waffe in der Hand einen Umsturz plante, sondern die den Opfern helfen wollte. Diese "Europäische Union" wie sich nannten, flog auf, Georg Groscurth wurde geschnappt und hingerichtet. Heute heißt die Strasse, wo er als Schüler sein Abitur machte, nach ihm. Autor Aufgewachsen im hessischen Wehrda und in Korbach, knapp 20 Kilometer von Arolsen entfernt, der Schriftsteller Friedrich Christian Delius war mit den Söhnen von Georg Groscurth befreundet. Musik 3 Schubert Der Tod und das Mädchen Sprecher Es wird Zeit, die Geschichte mit Axel zu erzählen. Da steigen wir weit zurück, tief in die fünfziger Jahre, in die vierziger sogar, da müssen wir raus aus Berlin, schalten um ins hessische Mittelgebirge, den Ort Wehrda. Wir blenden uns ein in das Gespräch zwischen dem Stadtkind Axel, das einst in Wehrda lebte, und dem Dorfkind, das ich war. Sie sind zwölf oder dreizehn Jahre alt, in heftiger Freundschaft verbunden. Axel ist wie immer in den Sommerferien mit seinem Bruder Rolf aus Berlin gekommen, zur Tante auf den Bauernhof. Stadtkind und Dorfkind laufen an einem Sonntagnachmittag auf den Feldwegen über dem Dorf entlang. Die Sonne steht hoch, die Kornfelder in leichtem Wind, und irgendwann beschwert sich das Dorfkind über seinen Vater, der jeden Tag außer Sonntags unerbittlich Lateinvokabeln abfragt, bis das Stadtkind sagt: Sei froh, dass du einen hast. Lange Pause, dann die Frage: Und, haben sie ihn erschossen? Nein. Aufgehängt? Nein. Was denn sonst? Er war im Gefängnis. Nun sag schon. Sie haben ihm den Kopf abgehackt, mit so einer Maschine, mit einem Beil. O-Ton 6 BJZ Als Arolsen in den 20er Jahren keine Garnison und kein Fürstentum mehr war, da sank Arolsen in eine tiefe Depression, wirtschaftlich stagnierte alles, und dann begann aber sehr schnell der Umschwung, als Hitler die Macht übernahm und für einige Jahre Arolsen, gemessen an der Größe der Stadt, eine wichtige Rolle im NS-Staat spielte. Der Erbprinz zu Waldeck war von Arolsen nach München gegangen und hatte dort früh Karriere in der SS gemacht und natürlich hing sein Herz an seiner Heimatstadt, Himmler kam hier ihn besuchen, schritt hier die Gebäude ab, und man kam auf die Idee, hier in die Kaserne wieder militärische oder ähnliche Einheiten unterzubringen. Und zwar nicht Kleines sondern gleich Großes, und dafür wurde hier die Kaserne jetzt umgerüstet. Autor 1933 kamen die Nationalsozialisten, ab 1935 bis zum Krieg war Arolsen Standort einer SS-Führerschule. Vom November 1943 bis Ende März 45 kam auf das Kasernengelände ein Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald. Die Aufarbeitung, das Aufräumen in den Köpfen ist ein langwieriger Prozess. Vielleicht auch deshalb, weil die NPD im Nachkriegsdeutschland hier eine ihrer Hochburgen hatte: 14 Prozent bei den Landtagswahlen 1966. Der Spiegel berichtete noch im April 1979 darüber, dass sich SS-Veteranen der Panzerdivison "Totenkopf" in Arolsen treffen wollen, wie schon in den Jahren zuvor. Sprecher Vor der Barock-Residenz der Fürsten zu Waldeck und Pyrmont in Arolsen formieren sich Musikzüge und Fackelträger. Begleitet von Trommelwirbel und dem Geläut der Glocken, ziehen die alten Kämpfer zum Ehrenmal für die gefallenen Waffenbrüder. Solcher Aufmarsch, wie er sich in den vergangenen Jahren den Bürgern im nordhessischen Arolsen bot, soll sich in ähnlicher Formation Ende April wiederholen. Abermals werden sich einige hundert Veteranen unter dem Zeichen des Totenkopfs versammeln. Autor In diesem Klima, in diesem Umfeld war Bernd Joachim Zimmer einer der ersten, die wussten: es ist Zeit, aufzuräumen. Wenn in der Arolser Kaserne seit 1946 der Internationale Suchdienst logiert und mit 50 Millionen Hinweisen auf die Schicksale von rund 17,5 Millionen Menschen dienen kann - dann ist es nun allerhöchste Zeit, mal vor der eigenen Tür zu kehren. O-Ton BJZ Meine Motivation, mit der Geschichte mal sich auseinander zu setzen, ist sehr individuell: mein Vater ist, da war ich gerade vier Wochen alt, in Warschau von einer Partisanin erschossen worden, und ich selbst habe nur durch reinen Zufall den Bombenangriff mitten in Dresden überlebt. Und von daher war es für mich eigentlich immer klar: du musst, wenn Du Lehrer bist, auch dafür sorgen, dass so etwas nie wieder passiert. Und dann kam ein Jahrestag und da habe ich mit Schülern und Referendaren ein Projekt gemacht: Kriegsende in Arolsen, und was stellte sich heraus? Keiner wusste, wie der Krieg in Arolsen zuende gegangen war. Und das hat mich natürlich neugierig gemacht. Dann habe ich rumgefragt und keiner wusste was. Autor Was natürlich nicht sein konnte: Um nicht mitzubekommen, wer mehr als zehn Jahre in der Kaserne hauste, dafür war das Städtchen nun wirklich zu klein. Also sah Zimmer Aufklärungsbedarf, er stellte Fragen. O-Ton BJZ Und am Anfang war man sehr reserviert, und jetzt war die Frage für mich persönlich: Machst Du einen großen Skandal oder machst Du etwas behutsam, aber langwirkend, und ich habe mich für die zweite Variante entschlossen, ich habe versucht, den Leuten nicht so anzukommen und zu sagen: ich hätte anders! Sondern ich habe versucht, mit den SS-Leuten und auch mit den damaligen Zivilleuten, die hier gewohnt haben, zu sprechen, mal zuzuhören. Autor Nachdem die Amerikaner Arolsen im März 1945 befreit hatten, zogen neue Mieter in die große Kaserne. 1.000 Belgische Soldaten kamen 1952 als Besatzer, und Arolsen war wieder Garnisonsstadt. Die Belgier blieben bis Mitte der 90er Jahre, dann gingen sie als Freunde. O-Ton BJZ Ich hatte dann die Absicht, einen Amateurfilm über das Kriegsende in Arolsen zu drehen, und da stieß ich häufiger auf diese Bemerkung: "Da waren auch Häftlinge" - aber offiziell wusste man scheinbar nichts von diesen Häftlingen, und wenn ich konkret nachfragte: "Häftlinge haben wir hier nie gehabt!" Das war so in den 80er Jahren. Aber irgendwann wurde ich mal neugierig, ich fand ein Fahndungsblatt aus dem Jahr 1944: aus dem Außenkommando- Arolsen waren vier Häftlinge geflohen, und dabei standen auch die Namen dieser Vier. Und damit hatte ich das erste Mal Namen! Und jetzt spielte der Zufall eine große Rolle: der auf der Liste genannte Fernande Labalue stammte aus Lüttich, und in dieser Kaserne waren zu der Zeit ja die belgischen Truppen. Also bin ich hier zu dem Presseoffizier gegangen und habe gesagt, "können sie mir mal alle belgischen Telefonbücher geben". Er gab sie mir, dann habe ich Lüttich genommen und habe angefangen Labalue, Labalue, Labalue anzurufen, immer zu fragen: "Kennen Sie Arolsen?" Und plötzlich sagte eine Person:" Ja! Ich war der Häftling!" Da bin ich ja fast am Telefon umgefallen. Ich habe gefragt: Würden Sie mich mal besuchen? Wenige Tage später stand er mit seiner Frau hier und ich hatte zum ersten Mal einen Beleg von einem Häftling, was los war. Autor Der promovierte Arolser Historiker spricht im Gehen, steuert auf zwei kleine Gebäude, genau gegenüber der Kaserne zu. Im rechten ist eine Bäckerei mit ein paar Cafétischen untergebracht. O-Ton BJZ Herr Labalue kam also mit seiner Frau nach Arolsen und ging schnurstracks quer über den Kasernenhof, wir rannten hinter ihm her, rechts eine Wache mit Maschinenpistole, links eine Wache mit Maschinenpistole, und vor diesen Fenstern hier blieb er stehen, drehte sich um und sagte: hier habe ich als Häftling geschlafen. Und dann erzählte er uns die gesamte Geschichte, an die er sich erinnern konnte, wir hier in diesem Gebäude bis zu etwa 110 KZ-Häftlinge aus Buchenwald untergebracht waren und welche Aufgaben sie hatten. Von da an, war die Situation klar. Wir hatten einen Beleg, dass hier Häftlinge waren! Und er hat mir dann alles mögliche erzählt, und jetzt konnte ich konkreter recherchieren. Autor 2006 haben Birgit Kümmel und Bernd Joachim Zimmer zusammen mit anderen Historicum 20 - Forum Zeitgeschichte gegründet. Und so entwickelten die Arolser im Zuge ihrer Aufklärung... O-Ton BJZ ...die Idee eines kleinen Museums zu bauen, und da bot sich das Stabsgebäude an, das weitgehend am Verfallen war, und da haben wir uns was ausgedacht und da gehen wir jetzt hin. Autor An der Ecke der Birkenstrasse/Große Alle, hinter einem steineren Wachhäuschen ist der Eingang zum ehemaligen Stabsgebäude. Hier soll das Museum entstehen. Atmo Schritte, Schlüssel, Tür auf O-Ton BK Mein Name ist Birgit Kümmel, ich bin die Leiterin des Museums Bad Arolsen, ich bin aber auch mit im Vorstand des Historicums und dort eine der stellvertretenden Vorsitzenden, und das ist mir einfach ein Anliegen, hier auch in diesem Zeitfenster etwas zu bewerkstelligen. Autor Doch bevor sie ihr Museum im alten Stabsgebäude eröffnen können, muss es noch fertig renoviert werden. Zuerst allerdings: haben sie es aufgeräumt. O-Ton BJZ Jetzt sieht's wie in der Baustelle noch aus, aber als wir das erste mal hier zu zweit kamen, da hatte ich Sorgen, dass der Bürgermeister und Frau Kümmel hier mitgehen, da mussten wir hier über hohe Schutthalden steigen, tote Vögel, tote Ratten und Mäusen und benutze Gegenstände, die man nicht so gerne in die Hand nimmt lagen hier rum, das alles musste erstmal beseitigt werden. Und alles auf eigene Arbeit. O-Ton BK Wir arbeiten mit hinterleuchteten Text- und Bildkästen, die hier an der Außenwand angebracht sind und mit hölzernen Verblendungen versehen sind, und hier soll eben, die Geschichte des Suchdienstes in seinen Anfangsjahren dargestellt werden. Wenn sie an die Decke schauen, sehen sie, dass wir eine Lichtdecke installiert haben, wir wollen also erreichen, dass es hier sehr hell ist, dass es freundlich ist, weil wir ja nun nicht mit so ganz einfachen Themen umzugehen haben, wenn es um den Verlust von Menschen geht, um die Ermordung von Menschen, das ist also ein Grundprinzip was sich dann auch in den anderen Gebäudeteilen so weiter ausprägen soll und so ungesetzt werden soll. Das war uns eben auch ganz wichtig, und deswegen auch diese Auswahl dieses natürlichen Materials, des Ahornholzes, was sie überall dann auch in den Zellentrakten wiederfinden werden. O-Ton BJZ Sie sehen jetzt diese alte Tür, das müssen sie sich mal vorstellen: diese Tür mit dem Loch da, ist die Zellentür aus dem Jahre 1871! Autor Das Aufräumen in Arolsen ist indes noch nicht vollständig erledigt - Geschichte, sagt Studiendirektor a.D. Zimmer verläuft in Wellen. Und manchmal kommt sie eben auch zurück. O-Ton BJZ Das ist ein Spind, und den brachte uns eines Tages ein belgischer ehemaliger Soldat, sagte: ich habe aus unserer Kaserne einen Spind. So, dann habe ich den mal auseinandergeguckt, ja: hergestellt 1936 für die SS-Arolsen, ging nahtlos über. Jetzt steht er hier. Autor Im Arolser Ortsteil Schmillinghausen wurde die Schriftstellerin Christine Brückner geboren. O-Ton BJZ Christine Brückner hat in dem Nebengebäude die ersten Schuljahre verbracht, und sie hat gesehen, wie dann die Braunen auf dem Schulhof plötzlich marschierten. Autor In ihrem Text "Meine kleine Stadt" aus dem Jahr 1964 erinnert sie sich an Arolsen: Sprecherin Man meint, man müsse doch etwas noch merken, Spuren sehen, es ist doch ungeheuerlich, was sich hier abgespielt hat auf so kleinem Raum. Hier kann man doch nicht untertauchen wie in einer Großstadt, wo man schließlich das Viertel wechseln kann. Jeder weiß hier doch alles vom anderen. In den vergangenen dreißig Jahren ist jeder einmal "betroffen" gewesen, so oder auch so, weil er mitgemacht hat oder nicht mitgemacht hat. Man mußte zusammenhalten. Gegen das viele Fremde, das von außen kam. Vielleicht ist eine kleine Stadt doch auch barmherziger, als man denkt, wenn es so schlimm kommt. Autor Die Geschichte Arolsens ist inzwischen weit besser durchleuchtet. Denn Menschen wie Bernd Joachim Zimmer haben beschlossen, aufzuräumen - vor der eigenen Haustür. -ENDE Beitrag Schauen- 1