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Und dann haben se beim Fällen das Skelett gefunden. Take03 (Baier) Er hatte geglaubt, nachdem er Friedrich den II. zurückgeschlagen hatte, der Krieg wäre für ihn gewonnen, und hatte aber die Rechnung ohne Ziethen gemacht. Ziethen aus dem Busch ist ein geflügeltes Wort hier in Torgau. Sprecherin vom Dienst Mit Ziethen aus dem Busch ? Spuren des Siebenjährigen Krieges in Torgau. Eine Deutschlandrundfahrt mit Roland Krüger. Autor Samstag, dritter November 1760. Es ist kühl in ganz Sachsen, und auf den Süptitzer Höhen 8 Kilometer westlich von Torgau fällt den ganzen Tag schon ein ungemütlicher Nieselregen. Friedrich der II., der alte Fritz, ist kriegsmüde und verärgert. Seit fast dreißig Jahren ist in seinen Augen die Thronfolge in Sachsen und in Österreich schlecht geregelt. August der Starke ist tot, Friedrich August der II. sein Nachfolger als sächsischer Kurfürst. Sachsen ist von der Reichsarmee besetzt und längst ist ein blutiger Machtkampf um Schlesien entbrannt, was den alten Fritz am meisten wurmt. Zwei Schlesische Kriege haben ihm nicht das gewünschte Ergebnis gebracht, sein Einmarsch in Sachsen liegt vier Jahre zurück und seitdem ist er mehrmals mit den Österreichern aneinander geraten, ein durchschlagender Erfolg scheint in weiter Ferne. Die Stadt ist wegen ihrer Brücke über die Elbe strategisch wichtig, die nächsten Elbüberquerungen befinden sich erst wieder in Magdeburg und in Dresden. Torgau will der alte Fritz also auf gar keinen Fall den Österreichern überlassen, denn der Winter steht bevor. Der österreichische Generalfeldmarschall Leopold Joseph Graf Von Daun ist Friedrichs gefährlichster Gegner. Er wird in der bevorstehenden Schlacht noch eine gewichtige Rolle spielen, wie sich herausstellen wird. Von Daun gilt als bedächtiger Mann und als versiert im Verteidigen eingenommener Stellungen. Friedrich will trotzdem zum entscheidenden Schlag ausholen: Take04 (Baier) Er hat seine Armee neu formiert, und zwar 50.000 Mann Fußvolk und 288 Geschütze standen ihm zur Verfügung. Der österreichische Feldherr von Daun hat also die österreichische Armee auf den Süptitzer Höhen in Stellung gehen lassen. Süptitz also ganz in der Nähe von Torgau, die Höhen ungefähr sieben oder acht Kilometer von der Stadt Torgau entfernt. Autor Anita Baier kennt die Stadtgeschichte von Torgau wie keine zweite. Die pensionierte Lehrerin engagiert sich im Heimatverein und hat alles gelesen, was sie über den Siebenjährigen Krieg in die Hände bekommen konnte. Die Verwicklung der Residenzstadt in den Siebenjährigen Krieg hat bis heute Spuren hinterlassen, auch wenn in der Schlacht bei Torgau in der Stadt selbst vermutlich kein einziger Schuss fiel. Im 18. Jahrhundert konnte die Zivilbevölkerung einem Gefecht noch aus dem Weg gehen ? Haus und Hof waren nach einer Schlacht jedoch oft vollkommen verwüstet. Gefährlich konnte es immer dann werden, wenn Soldaten vor dem Gefecht an die Tür klopften und sich das Gelände beschreiben ließen. Martin Rink ist Oberstleutnant bei der Bundeswehr, kennt viele historische Schlachtaufstellungen aus dem Effeff, und weiß, was den Torgauern möglicherweise gedroht hätte, wenn sie gewisse Informationen für sich behalten hätten: Take05 (Rink) Um Boden zu gewinnen, sollte man an eine Tür klopfen, möglichst des Nachts, die Bewohner des Hauses bedrohen, einen Boten mitnehmen, zwangsweise, und drohen, die Häuser anzuzünden für den Fall, dass man verraten würde. Also eine ganz klare Ansage zu Lasten der Bevölkerung, auch eine ganz klare Androhung von Vergeltungsmaßnahmen für den Fall, dass man selber verraten würde. Autor Geländekenntnisse waren wichtig. Für Friedrich den Großen eine Binsenweisheit, genau wie für seinen Widersacher, Generalfeldmarschall von Daun. Friedrich hatte aber Daun gegenüber einen entscheidenden Vorteil, und das wusste er: Take06 (Rink) Friedrich war in jeder Hinsicht ein Feldherr. Er war wie Daun, wie auch seine österreichischen Gegenspieler taktisch versiert, hatte aber darüber auch eine operative Überlegenheit und eine strategische Überlegenheit, die über die handwerklichen Dinge hinauswies, weil er einfach schlicht Souverän im eigenen Land war. Die mannigfaltigen Koordinationsangelegenheiten fielen bei ihm weg. Er musste nicht mit dem Hofkriegsrat sich abstimmen, er musste sich nicht mit Verbündeten abstimmen, er konnte selber seine Armee nach eigenem Gutdünken führen. Autor Die preußische Armee war seinerzeit das am besten ausgebildete Heer, auch wenn die Soldaten jetzt immer schneller in den Krieg geschickt wurden und eine gründliche Ausbildung mehr und mehr auf der Strecke blieb. Zudem hatte Friedrich einen erfahrenen General: Hans Joachim von Ziethen. Dessen Art und Weise, eine Schlacht zu führen, war alles andere als preußisch. In seinen ersten Feldzügen hatte er Überläufer in seine Armee eingegliedert, eine Husarentruppe aufgebaut und dadurch die zahlenmäßige Unterlegenheit der Preußen in der Kavallerie mehr als wett gemacht. Take07 (Baier) Die Preußen haben ihr Lager in den umliegenden Ortschaften, Schildau, Langenreichenbach usw. eingerichtet. Und im Pfarrhaus von Langenreichenbach hat Friedrich der II. selbst Quartier bezogen, hat seine Generale zu einer letzten Besprechung dorthin beordert. Und dort wurde nun der Beschluss gefasst: Am dritten November 1760 beginnt der Großangriff. Vorher hat er sich schon persönlich noch mit Ziethen unterhalten, seinem General hat er also eine Privataudienz gegeben. Es musste also sehr geheim bleiben, Ziethen sollte nämlich aus dem Hinterhalt anrücken und dem Feind in den Rücken fallen. Autor Doch von Daun war gut vorbereitet. Auch wenn in manchen Quellen andere Zahlen genannt werden, gilt als ziemlich sicher, dass er über mehr als 35.000 Mann und circa 500 Kanonen verfügte, die natürlich längst in Stellung gebracht waren, um den Angreifern entgegen zu feuern. Um die 70.000 Soldaten auf beiden Seiten bewegten sich auf eine Schlacht zu, die als das blutigste Gefecht des 18. Jahrhunderts in die Geschichte eingehen sollte. Friedrichs Soldaten konnte das natürlich nicht gleichgültig sein: Atmo entfernter Kanonendonner, drohende Schlacht 2 Sprecher Hat er eine Ahnung, gegen wie viele Soldaten wir anrücken? - Mehr als 35.000 sollen es sein! - Haben sie Kanonen? - Ich habe von 500 Geschützen gehört! - Unsereins haben nicht einmal 300 Kanonen. - Das wird eine heikle Sache! - Sollte unsereins nicht besser das Weite suchen? Atmo weg Autor Es gab sicher auch Deserteure, aber deren Rolle wurde nicht thematisiert zu der Zeit. Genau so wenig wie die Aufgaben von Frauen und Kindern in den Schlachten des Absolutismus. Deserteure jedenfalls durften sich nicht erwischen lassen: Take08 (Rink) Auf Desertion stand die Todesstrafe, das war ja bis in den Zweiten Weltkrieg so. Unabhängig davon gab es regelmäßig Generalpardons, die dann ausgesprochen wurde, wenn sich die Armeen genötigt sahen, sich wieder aufzufüllen, personell. Anders herum war es auch manchmal gar nicht so unklug, die Deserteure aufzunehmen von der feindlichen Seite, weil diese ja Nachrichten vom Gegner überliefern konnte. Autor Um die Mittagszeit am 3. November 1760 machte sich Friedrich auf den Weg. Seine Truppen teilte er gleich zu Beginn auf. Er selbst umging die Anhöhe und führte drei Korps durch die Wälder, um die Österreicher von Norden aus angreifen zu können. Von Ziethen marschierte in einem großen Bogen mit dem 4. Korps auf die Süptitzer Höhen zu. Er stand jetzt etwa zehn Kilometer westlich von Torgau. Die Angriffe von Nord und Süd sollten im selben Moment erfolgen, Von Dauns Armee in die Zange genommen werden. Musik Interpret: Jona Lewie Titel: Stop The Cavalry CD: Vox: Christmas Classics 2006 Track: CD 2, Track 7 Komponist: Jona Lewie, Discoton, Stiff Records 1981 Text: LC/Best.-Nr.: 00116, Sony BMG DLR-Archiv#: 92-64773 Atmo Schlacht Autor Gegen 14 Uhr fiel der erste Schuss. Friedrich der Große interpretierte den ersten Schuss, der ihm am Nachmittag des 3. November 1760 in der Schlacht von Torgau zu Ohren kam, vollkommen falsch. Er wollte ja absolut zeitgleich von Norden aus angreifen, wenn sein General Ziethen von Süden die Österreicher auf den Süptitzer Höhen erstürmte. Die Schüsse, die der alte Fritz hörte, waren aber noch gar nicht Ziethens Angriff, sondern ein kleiner, unbedeutender Schusswechsel am Rande. Die Schlacht wäre wohl ganz anders verlaufen, hätten sich Friedrich und Ziethen besser verständigen können, aber im 18. Jahrhundert gab es nun noch einmal keine Handys. Take09 (Rink) Es ist hier ganz entscheidend zu sehen, dass wir keinen ADAC-Atlas hatten, auch keine GPS-Navigation, das heißt, es war schlicht möglich, sich zu verirren. Es war irgendwo in Schlesien, wird überliefert, dass sich die Vorhut auf einmal verirrte im Gebirgsnebel. Mit so etwas musste man rechnen, umso mehr mussten auch die Feldherren und jedes dazwischen liegende Glied in der Hierarchie die Befehlstreue beachten. Autor Ziethen war auf ein feindliches Kavalleriekorps gestoßen und griff an ? früher als verabredet. Sein Vorstoß wäre beinahe zu einer Katastrophe geworden, denn Friedrich sah sich gezwungen, jetzt ebenfalls die Höhe anzugreifen, obwohl die meisten seiner Leute noch gar nicht in Stellung gegangen waren. Take10 (Baier) Daun hatte 52.000 Mann und circa 500 Geschütze in Stellung gebracht und empfing die Soldaten um Friedrich den Zweiten mit einer großen Kanonade. Innerhalb einer halben Stunde sind von 6.100 Soldaten 5.500 niedergemetzelt worden. Das Schlachtfeld blutüberströmt Autor Das musste er auch, denn die Preußen waren regelrecht in die Wälder zurückgetrieben worden. Die Moral der Truppe war dahin. 2 Sprecher Weiß er, wo wir hier sind? - Überall Gräben, Teiche und Morast! - Na, wenigstens haben unsereiner nichts abgekriegt. - Meint er, man sollte sich noch einmal nach vorne begeben? Ich verspüre jedenfalls nicht die geringste Lust dazu. - Mir ist zu Ohren gekommen, dass die Lineartaktik längst nicht mehr als der Weisheit letzter Schluss gesehen werden kann. Der König selbst soll geäußert haben, er verabscheue die Idee, sich in Rufweite vor dem Feind aufzustellen, ohne jede Deckung! - Mein Gewehr will nicht mehr so recht, kein einziger Schuss verlässt den Lauf noch gerade! - Hat er denn noch Munition und Pulver? Ich nämlich nicht. Take11 (Rink) Wenn Munition verschossen war, dann war Ende. Wir müssen uns davon lösen, dass wir die Waffenwirkung des 20. Jahrhunderts da implizieren, es war ungenau, es war auf kurze Reichweite, und selbst wenn es getroffen hat, es hat nicht immer den anderen getötet. Autor Die Lineartaktik stand tatsächlich zur Disposition. Was ohne Alternative war, als man noch Blankwaffen, also Lanzen und Bajonette benutzte, war zu Friedrichs Zeiten bald nur noch ein Aspekt der Kriegführung. In der Schlacht bei Torgau aber standen sich die feindlichen Heere noch einmal linear gegenüber. Take12 (Rink) Das erste Problem war nicht das Gegenüberstehen, das erste Problem, große Problem, war überhaupt, die Kräfte in Zeit und Raum dorthin zu bringen, wo sie gebraucht wurden und die Heere mussten sich buchstäblich finden. Dafür ist Torgau wiederum ein gutes Beispiel. Im 18. Jahrhundert war man soweit fortgeschritten, dass man die Linien sehr weit auseinander zog, ziehen musste, zur Optimierung der Feuerkraft, aber eben auch, um alle Kräfte zum Einsatz zu gelangen. Das aber erforderte eine höhere Anforderung auf die Führung von Kräften im Gelände, weil es ja nun darum ging, mehrere 10.000 Menschen durch das Gelände so zu bewegen, dass sie an die geplanten Orte auch zum Einsatz kommen konnten. Atmo Schritte von Soldaten ? Aufstellung vor dem Kampf Take13 (Rink) Wir haben auch heute nicht die Möglichkeit, mit 60.000 Personen eine Schlacht nachzustellen. Wenn wir uns nur vorstellen wollten, die Besatzung eines Fußballstadions gewissermaßen in Reih und Glied aufzustellen, es würde uns überfordern. Insofern sollten wir die Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts nicht zu sehr belächeln, wenn sie sich sehr stark auf Ordnung, Disziplin, auf immer fortwährende Regeln maschinenhfter Art konzentriert haben. Es ging oft genug schief, und dafür ist Torgau ein gutes Beispiel. Autor So. Und wo bleibt nun Ziethen? Take14 (Baier) Bevor Ziethen eintraf, hatte Friedrich der II. schon Schlimmes erfahren müssen. In den Quellen heißt es, dass sein Schlachtross und ein Page neben ihm schwer verwundet wurden und auch er von einer feindlichen Kugel aus nächster Nähe auf die Brust getroffen worden ist, deren sonst sicher tödlicher Lauf nur durch seinen berühmten Pelzrock abgeschwächt worden ist. Sein Adjutant Beerenhorst hinterlässt uns folgenden Bericht: Sprecher Ich blickte in die Höhe und sah den König, der den Zügel fallen ließ und zurücksank. Ich kam schnell genug hinzu, um ihn vor dem Sturze zu bewahren. Wir mussten darauf bedacht sein, uns ohne den mindesten Aufschub zu retten. Der Reitknecht zog die Pferde in den Wald, ich hielt den König in meinen Armen, und so brachten wir ihn ohnmächtig zurück. Obgleich die Gefahr höchst dringend war, und er ohne unseren Beistand wenigstens gefangen genommen worden wäre." Take15 (Baier) Friedrich der Zweite wurde also in die Kirche nach Elsnig gebracht. Autor Allerdings auf Umwegen, wie der heutige Pfarrer in Elsnig, Wolf-Johannes von Biela, berichtet: Take16 (von Biela) Es war nachts um zehn, wie man liest, dass er sich zurückziehen musste und bisschen Ruhe gesucht hat, und wollte eigentlich ins Pfarrhaus, was aber voll war von Verletzten, wollte dann in die Schule, wo aber auch Verletzte waren und überall im Ort eben die Verletzten untergebracht waren und dann blieb nur noch die Kirche. Und dann isser mitten in der Nacht hierher und hat hier Unterschlupf gefunden. Atmo schlurfende Schritte auf Kies vor der Kirche, Öffnen und Schließen der Tür Autor Die Kirche war gut sechs Kilometer vom Schlachtfeld entfernt. Wieder bei Bewusstsein, wartete Friedrich sehnsüchtig auf eine Nachricht von Ziethen. Insgeheim glaubte der Preußenkönig die Schlacht allerdings verloren. Musik Interpret: Membres de l´orchestre de vents de Vienne Titel: Canon à 2 ? Quaerendo invenietis CD: BACH par Scherchen, Les Suites, L´Offrande musicale Track: CD 2, Tracks 19 und 20 Komponist: J. S. Bach Text: LC/Best.-Nr.: TAHRA West 3003-3004 DLR-Archiv#: 50-13351 Autor Dort, wo 1760 im Siebenjährigen Krieg, westlich von Torgau die vielleicht schlimmste Schlacht des 18. Jahrhunderts tobte, auf den Süptitzer Höhen, steht heute ein Denkmal. Richtig bekannt ist es nicht, selbst mancher Taxifahrer kurvt eine Weile herum, aber Torgauer Schüler sind fast alle schon einmal dort gewesen, denn es ist ein typisches Ausflugsziel für einen Wandertag: Take17 (Schülerin) Das ist wie so´n großer Pfahl und dann ist auch Adler druff, und darum sind so ´ne Gedenktafeln und da steht die Geschichte des Siebenjährigen Kriegs drauf und die Feldherren und wie das ausgegangen ist. Atmo Süptitzer Höhen Take18 (Klepel) Das Denkmal wurde ja eigentlich errichtet anlässlich des hundertjährigen Bestehens der Schlacht bei Torgau auf den Süptitzer Höhen, und zwar eingeweiht am 3. November 1860. Das Denkmal stand bis 1945 in Ehren gehalten auf den Süptitzer Höhen, aber 1945 wurde ja alles, was mit Militär-, Militärgeschichte zu tun hatte, vernichtet, beschädigt, und so ist ja auch das Denkmal beschädigt worden, der Adler wurde heruntergerissen, der wurde in Torgau dann mal gesehen, die Ketten und die Kanonen drumrum, die das Denkmal einzäunten, kamen auf den Müll und wurden dann eingeschmolzen, und so hatten wir uns der Aufgabe gestellt, nachdem ich 1986 Bürgermeister geworden bin, das Denkmal wieder herzurichten. Autor Peter Klepel war in den 1990er Jahren Bürgermeister von Süptitz. Die steinerne Siegessäule, auf der ein preußischer Adler sitzt, wurde vom Torgauer Bildhauer Conrad dem Älteren geschaffen. Als 1952, nach 92 Jahren, Volkspolizisten den Adler entfernten, führten sie den Auftrag aus, Metall zu organisieren, wo immer es nur ging. Natürlich kam den DDR- Oberen sehr zupass, dass ein preußisches Wahrzeichen weniger das sozialistische Gewissen drückte. Friedrich der Zweite war ja gerade noch zu ertragen, aber ein Denkmal, das den Sieg in einer blutigen Schlacht "glorifizierte"? Nein, Danke! Hat es doch gar nicht, sagt Peter Klepel: Take19 (Klepel) Das Denkmal ist ein Mahnmal. Man muss sich vorstellen, am 3. November 1760, in einer Nacht, in kürzester Zeit, waren ja an die 35.000 Tote und Verletzte, noch zusätzlich viele Verletzte zu beklagen, wo deutschsprachige Soldaten gegenüber standen und ich denke, das zu vermeiden, daran soll das Denkmal erinnern. Das ist ein Mahnmal, damit nie wieder so was geschehen soll. Atmo getragene Militärmusik (Zapfenstreich-ähnlich) Sprecher (Mahnmal-Text) "Zum Andenken der vor hundert Jahren hier gefallenen tapferen Krieger." - "Von Patrioten des Kreises, der Stadt und der Garnison errichtet. Torgau, am 3. November 1860." Atmo unter folgendem Take weg Take20 (Baier) Als dieses Denkmal 1860, also hundert Jahre nach der Schlacht auf den Süptitzer Höhen hier eingeweiht wurde, wurden Hochrufe auf Preußens Gloria laut. Das zeugt schon davon, dass doch ein etwas anderer Geist sich entwickelt hatte, als man hätte erwarten müssen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war ja der preußische Geist, der Militarismus bei uns völlig nicht mehr am Platze. Und das Denkmal wurde abgetragen. Es wurde dann 1992 neu errichtet, und hier hat man in der Rede vor allen Dingen der Gefallenen von allen Seiten gedacht, dass hier viele viele Menschen den Tod gefunden hatten, dass hier ein Schlachtfeld war, wo Blut wie Wasser floss. Und das ist doch ein richtiger Ansatzpunkt. Autor Ein bisschen Nervosität schleicht sich stets mit ein, wenn man hört, dass Traditionsvereine aus ganz Deutschland größtes Interesse am Denkmal bekunden. Aber Peter Klepel winkt ab, keine Gefahr, sagt er: Take21 (Klepel) Da kommt dann der Alte Fritz mit seinen langen Kerls an, sehr amüsant zu sehen, und die machen das natürlich auch sehr andächtig, sie legen einen Kranz nieder. Der Herr Hommel, unser Chronist hat dann auch vor Ort über die Geschichte noch vieles erzählt, und es ist eine sehr andächtige Veranstaltung, und das ist wichtig. Es wird nicht die Militärgeschichte glorifiziert, sondern es wird an die vielen gefallenen Toten, daran wird erinnert. Autor Peter Klepel, der frühere Bürgermeister von Süptitz, ist besonders stolz auf den neuen Adler. 1990 hat er ihn in Berlin gießen lassen, kurz bevor in der DDR die D-Mark eingeführt wurde. Zum Preis von 10.000 Ostmark, ein echtes Schnäppchen. Und: Ein Riesenspaß, mit dem Adler im Anhänger auf der Autobahn von Berlin in Richtung Leipzig und dann nach Süptitz zu fahren. Take22 (Klepel) Und dann war es uns gelungen, am 3. November 1990, anlässlich des 230sten Jubiläums der Schlacht bei Torgau diesen neu gegossenen Adler wieder aufs Denkmal zu bringen, das war ein kleines Volksfest in Süptitz, viele viele interessierte Bürger waren anwesend und bestaunten diesen neuen Adler... Autor ...der dem alten gleichen soll wie ein Ei dem anderen. Seine Blickrichtung ist ungewöhnlich, denn er verdreht ordentlich den Kopf. Fachausdruck: Schinklischer Adler, rechtsblickend: Take23 (Klepel) Das ist ein Schinklischer Adler, rechtsblickend, der ist so aufgestellt, der Adler steht in Richtung Süden, wo Ziethen herkam, blickt aber nach rechts, da wo Ziethen durch den Busch kam, Ziethen durch den Busch, ist ja der Spruch daher, und durch das Sumpfgebiet ist Ziethen gekommen, und so ist der Adler aufgestellt. Autor Der rechtsblickende Adler als vorausschauender Vogel im übertragenen Sinn. In den Nachtstunden, als Friedrich der Große in der Kirche von Elsnig auf eine Botschaft wartete, war von einem Sieg über die Österreicher noch keine Rede. Im Gegenteil: Der österreichische Generalfeldmarschall von Daun wähnte sich im Glück: Take24 (Baier) Daun hatte in der Zwischenzeit schon Maria Theresia eine Siegesbotschaft geschickt. Er hatte geglaubt, nachdem er Friedrich den II. zurück geschlagen hatte, der Krieg wäre für ihn gewonnen. Und hatte aber die Rechnung ohne Ziethen gemacht. 2 Sprecher Hat er gehört, der König soll verletzt in einer Kirche liegen! - Dann ist alles verloren! - Hatte seine Majestät nicht vor, sich mit dieser Schlacht ein Denkmal zu setzen? - Von der Idee wird er wohl Anstand nehmen müssen. Autor Friedrich der Große hatte tatsächlich ein Denkmal in Torgau. Natürlich auf dem Friedrichplatz, und seine Enthüllung war 1912 eine pompöse Feier. Initiatoren waren Mitglieder des damaligen Torgauer Altertumsvereins: Take25 (Baier) Da stand Friedrich der II. mit erhobenem Haupt und zeigte mit seinem Stock in Richtung Süptitzer Höhen. Die Szenen, die weiterhin darauf gestaltet wurden, sollte auch die Verherrlichung Friedrichs des II. und des Preußentums sein. Nach 1945 hat man den Beschluss gefasst, das Denkmal abzutragen. Beileibe nicht einstimmig, es gab da ganz kontroverse Ansichten. Aber bevor dieser Beschluss umgesetzt wurde, hatten schon einige Leute den Bildersturm selbst vollzogen. Es stand dann nach 1945 ein Mahnmal für die im Zweiten Weltkrieg Verfolgten und Getöteten. Autor Der Bildersturm war, so berichteten Zeitzeugen, eine spontane Nacht- und Nebelaktion. Die Plastik des Königs wurde mit Hilfe eines Lanzbulldogs vom Denkmal gerissen, indem man ein Stahlseil um die Schultern der Figur legte. Bei dieser Aktion brach der Kopf ab. Nach einigen Zwischenlagerungen im Stadtbauhof oder in den Schlossgewölben verschwand Friedrichs Plastik spurlos. Einige Zeitzeugen wollen den Torso später noch in der Nähe des Torgauer Tennisplatzes gesehen haben, aber sämtlich Bemühungen, Reste des Denkmals zu erhalten, blieben vergebens. Es ist nicht einmal hundertprozentig sicher, in welchem Jahr der Abriss stattgefunden hat ? ein paar Torgauer Bürger datieren die Aktion 1946 oder 1947. Sprecher "Es ist nicht nötig, daß ich lebe, wohl aber, daß ich meine Pflicht tue und für das Vaterland kämpfe, um es zu retten, wenn es noch zu retten ist." Autor Friedrichs Seufzer, niedergeschrieben im Siebenjährigen Krieg, ist so etwas wie ein Bekenntnis für jeden Preußen geworden. Nach einem Denkmal schreit es nicht. Immerhin gibt es mehrere Friedrichs. Einer von ihnen, der Sächsische Kurfürst Friedrich der Dritte, auch "der Weise" genannt, wurde 1463 auf Schloss Hartenfels in Torgau geboren. Er erkannte das Ketzerurteil gegen Luther niemals an und brachte den Reformator nach dessen Ächtung auf der Wartburg unter. Wem es in Torgau so gefällt, der kann den Friedrichplatz ja auch ihm widmen. Take26 (Baier) Friedrich der II. ist also nicht wieder auf seinen Sockel gehoben worden. Es heißt zwar dieser Platz weiterhin Friedrichplatz, aber die Torgauer Bürger sagen immer, "wir wählen es uns aus, wen wir darunter verstehen. Friedrich den II.? Ich persönlich nicht. Friedrich der Weise, der viel für Torgau getan hat? Schon ja. Also Friedrich der II. hat doch unserer Stadt sehr viel Leid angetan und hat die Zukunft der Stadt damit sehr in Frage gestellt. Musik Interpret: Deep Purple Titel: Soldier Of Fortune CD: The Platinum Collection, Disc Three Track: CD 3, Track 5 Komponist: Ritchie Blackmore Text: David Coverdale LC/Best.-Nr.: 0542 EMI Records Ltd. DLR-Archiv#: 92-31141 Autor Die Nacht vom 3. auf den 4. November verbrachte Friedrich der II. in der Dorfkirche von Elsnig, sechs Kilometer nördlich von Torgau. Vermutlich hatte ihm sein Mantel tatsächlich das Leben gerettet ? der Schuss, der am Abend während der blutigen Schlacht aus nächster Nähe auf ihn abgegeben worden war, hatte seine Majestät nur leicht verletzt. Die Wunde war gestillt und ungeduldig wartete der Preußenkönig auf Nachricht seines Generals Hans-Joachim von Ziethen. Atmo Kirchenatmo, Tür geht auf Autor Mitten in der Nacht muss die Kirchentür geöffnet worden sein, und herein trat Kapitän Grävenitz. Friedrich blickte auf, in gespannter Erwartung und voller Furcht vor einer Hiobsbotschaft. Grävenitz aber übermittelte die Nachricht vom Sieg. Eine Bleistift-Notiz an der weißen Kirchenwand erinnert daran: Sprecher Auf der Stufe des Altars, Befehle schreibend, erhielt König Friedrich der Große in der Nacht vom dritten zum vierten November 1760 durch die Meldung des Kapitäns von Grävenitz die Nachricht von dem durch Ziethens rechtzeitiges Eingreifen erzielten Sieg der Schlacht bei Torgau. Autor Friedrich wollte sofort alle Einzelheiten hören und erfuhr, was sich seit seinem Abgang von den Süptitzer Höhen oben zugetragen hatte: Atmo Schlachtlärm im Hintergrund, Schafe, Nebel, Finsternis, Schritte in morastigem Gelände Take27 (Baier) Also, Ziethen machte sich von Süptitz aus auf den Weg hier zu den Höhen. Er hatte von einem Schäfer erfahren, dass es einen anderen Weg noch zu den Süptitzer Höhen gab. Und zwar zwischen den Schafsweiden. Eigentlich war das der einzige Weg, wo man wirklich hinaufgelangen konnte, weil ringsum morastiges, sumpfiges Gelände war. Und dort, wo Ziethen den Weg genommen hat auf die Höhen, steht auch heute noch der Ziethenhof, und der Name erinnert an diesen Aufmarsch Ziethens. Dieser Dammweg war deshalb so günstig, weil der Schäfer herausgefunden hatte, dass er von der österreichischen Armee nur schwach besetzt war. So gelang es also Ziethen wirklich, den Truppen in den Rücken zu fallen. Autor Friedrich war selig über die Botschaft. Im Kerzenschein der Leuchter skizzierte er einen Angriffsplan für den folgenden Tag und gegen Morgen verließ der König die Kirche, um General von Ziethen auf dem Schlachtfeld seinen Dank zu bezeugen: Take28 (Baier) Friedrich der II. war sehr sehr froh darüber, weil er das auch bald gar nicht mehr erwartet hatte, er ist zu seinen Soldaten auf die Süptitzer Höhen, so wird berichtet, hat Ziethen umarmt, und hat ihn immer sehr hoch gehalten. Take29 (Pohlenz) Das ist ja auch in der Biographie von Franz Kugler über´n alten Fritz richtig beschrieben, dass dem die Tränen geflossen sein sollen. Er war so gerührt, Friedrich, die haben sich richtig in den Armen gelegen, und auch noch einer von den Soldaten, der wollte das noch sehen und dann sterben, schwer verwundet, und so ist das beschrieben. Autor Natürlich hat Volker Pohlenz die freundliche Umarmung Friedrichs und seines Generals nicht selbst gesehen, er hat das Bild aber mindestens so genau vor Augen, als wäre er selbst dabei gewesen. Denn: Volker Pohlenz hat ein Bild aus der Szene gemacht. Heute hängt es in der Süptitzer Heimatstube, also unweit der Stelle, wo sich die Szene zugetragen hat. Der Maler, Schüler von Professor Werner Tübke, ist bekannt geworden durch den Bilderzyklus zum Leben des Hans Kohlhase, die Szene "Kaiserliche Pfalz" in Auerbachs Keller und das Bild "Luther zu Tisch" im Ratskeller zu Eilenburg. Pohlenz´ Bilder gelten als äußerst genau, denn der Maler setzt jeden Pinselstrich ganz präzise. Den Figuren auf seinen Bildern nähert er sich vorab - nicht nur optisch - durch eine akribische Recherche: Take30 (Pohlenz) Ich hab versucht, so authentisch wie möglich zu sein, und zwar anhand von historischen Quellen, ich hatte die Biographie von dem Kugler über´n alten Fritz und dann noch Archenhold. Der war ja selbst Teilnehmer am Siebenjährigen Krieg, hat das vielleicht in etwas nüchternerer Form beschrieben, aber dafür etwas ausführlicher. Des weiteren habe ich damals antiquarisch ´n paar zeitgenössische Kupferstiche erworben, um mich so nah wie möglich an diese Zeit hinein zu versetzen. Autor Wie Ziethen aussah, das weiß Volker Pohlenz durch die Bilder vom "Maler Preußens", Adolph von Menzel. Menzel hat auch ein Buch mit Illustrationen über Uniformen hinterlassen, die für Volker Pohlenz eine wahre Fundgrube gewesen sind. Der Rest ist Einfühlungsvermögen und damit Gespür eines Malers: Take31 (Pohlenz) Nuja, ich meine, der Ziethen, das ist im Prinzip, den hatte ich immer so im Hinterkopf mit Blücher. So ne gewisse Ähnlichkeit vom Wesen her. Man hört ja dann auch so Anekdoten und wie und was. Die sind ja im gleichen Jahr wohl gestorben, Ziethen und der Alte Fritz. Also Ziethen ist ja 86 Jahre wohl alt geworden, also für damalige Zeiten ´n ziemlich hohes Alter, da wär wohl mal ne Begebenheit gewesen an der Tafel, da waren die ganzen Generäle und der Hofstaat mit versammelt, und Ziethen hat geschlafen. Und da haben sich einige mokiert, warum der wohl schläft, und da hätte wohl Friedrich gesagt: "Der war wach, wo ich geschlafen hab." Es war irgendwie eine, die sind sich zwar nicht immer übern Weg geloofen, aber die wussten, was sie voneinander zu halten hatten. Es war eigentlich eine Männerfreundschaft, zwischen den beiden. Autor Friedrich hatte von Ziethen gern und oft zu Gast. Eine Begebenheit steht besonders für den Respekt, den der preußische König seinem General bis zum Schluss gezollt hat: Ziethen wurde am Karfreitag zur Tafel des Königs geladen. Der alte General ließ sich beim König entschuldigen, dass er nicht kommen könne, weil er an diesem Tag zum Heiligen Abendmahl ging. Friedrich lud ihn wieder ein und fragte: Sprecher ?Nun, Ziethen, wie ist ihm das Abendmahl am Karfreitag bekommen? Hat er den Leib und das Blut Christi auch ordentlich verdaut?" Autor Alles lachte. Ziethen stand auf, trat vor den König, machte eine Verbeugung und sprach mit fester Stimme: Sprecher ?Eure Königliche Majestät wissen, daß ich im Krieg keine Gefahr gescheut habe. Wo es darauf ankam, wagte ich mein Leben für König und Vaterland. Solch ein Herz habe ich heute noch. Wenn´s nütze ist und mein König befiehlt, so lege ich mein graues Haupt zu seinen Füßen. Aber es gibt Einen über uns. Der ist mehr als Eure Königliche Majestät, mehr als alle Menschen. Das ist der Heiland der Welt, diesen Heiligen lasse ich nicht antasten und verhöhnen, denn auf Ihm beruht mein Glaube, mein Trost und meine Hoffnung im Leben und im Sterben. Untergraben Eure Majestät diesen Glauben, dann untergraben Sie das wahre Wohl des Vaterlandes. Das ist gewiß. Halten zu Gnaden." Autor Die ganze Gesellschaft war bestürzt und erwartete die Reaktion des Königs. Der war sichtlich ergriffen vom Bekenntnis seines Generals. Während Ziethen noch vor ihm stand, stand auch Friedrich auf. Er reichte ihm die Hand, legte die linke Hand auf die Schulter und sagte: Sprecher ?Glücklicher Ziethen! Ich habe allen Respekt vor seinem Glauben. Halt er ihn fest! Es soll nicht wieder vorkommen." Autor Nicht nur Friedrich der II. war beeindruckt von seinem General, auch Theodor Fontane muss es gewesen sein, denn er widmete von Ziethen nach dessen Tod ein Gedicht: Sprecher Joachim Hans von Ziethen, Husarengeneral, dem Feind die Stirne bieten tät er die hundertmal, sie haben´s all erfahren, wie er die Pelze wusch, mit seinen Leibhusaren, der Ziethen aus dem Busch. Bei Torgau Tag der Ehre ritt selbst der Fritz nach Haus, doch Ziethen sprach: "Ich kehre erst noch mein Schlachtfeld aus." Und als die Zeit erfüllet des alten Helden war, lag einst, schlicht eingehüllet, Hans Ziethen, der Husar. Wie selber er genommen die Feinde stets im Husch, so war der Tod gekommen, wie Ziethen aus dem Busch. Autor Friedrich als Menschenfreund, von Ziethen als alter General mit menschlichen Schwächen, so hat Fontane die beiden gesehen. Sympathie für historische Persönlichkeiten ja, aber Preußenkult will der Maler Volker Pohlenz auf gar keinen Fall betreiben: Take32 (Pohlenz) Für mich war´s in erster Linie erschtemal eine sachliche Darstellung. So sachlich und so genau wie möglich. Eine gewisse Verurteilung des Krieges war nicht die Absicht gewesen, aber ich wollte auch keinen Preußenkult machen, sondern es sollte eine reale Darstellung der Schlacht sein, weil viele wissen gar nicht, dass hier so was stattgefunden hat. Und dass hier, was weiß ich, innerhalb von acht Stunden 33.000 Mann gefallen, verwundet, in Gefangenschaft geraten sind. Also es ging schon ganz schön zur Sache! Autor Das Schlachtfeld bot einen grausigen Anblick: Take33 (Baier) Tote und Verwundete, und dazwischen tote und verwundete Pferde bedeckten das Schlachtfeld auf den Süptitzer Höhen. Der Sieg war teuer erkämpft. Insgesamt fanden in der fast siebenstündigen Schlacht 32.000 Soldaten den Tod, vor allen Dingen Österreicher und Preußen. Und in der Literatur wird eingeschätzt, es war eine Schlacht, wo Menschenblut wie Wasser floss. Musik Interpret: Andreas Staier Titel: Fantasia on ?Au clair de la lune? op. 48 CD: Muzio Clementi - Sonatas Track: 19 (2 :14- Minuten-Ausschnitt) Komponist: Muzio Clementi Text: LC/Best.-Nr.: 6019 TELDEC DLR-Archiv#: 50-08381 Autor Über den Alten Fritz ist viel, fast scheint es, alles gesagt worden. Allein zu seiner Rolle im Zusammenhang mit der Schlacht bei Torgau gibt es bei der Internet-Suche auf Anhieb über 630 Treffer. Die meisten sind historische Annäherungen, Analysen von Schlachtaufstellungen oder Verweise auf alte Stiche, Dokumente und Anekdoten. Manche versuchen zu ergründen, ob Friedrich homosexuell war, viele preisen seinen Kunstsinn und sein Bekenntnis zur Aufklärung. Spielerisch nähert sich dem Alten Fritz niemand. Und doch, einen gibt es, der das tut. Richard Stubenvoll, mit Künstlernamen Sivél, hat ein Spiel entwickelt. Nichts für den Computer, Gameboy oder die Playstation, nein, ein richtiges Brettspiel. Atmo Friedrich-Spiel (Figuren werden gesetzt, Spielsteine gerückt, es wird geredet und Karten werden ausgespielt) Autor Das Spiel ist historisch korrekt und ? wenn man ein wenig über die Verhältnisse im 18. Jahrhundert Bescheid weiß, auch schnell erklärt: Sprecher Sommer 1756. Friedrich der Große ist zutiefst besorgt: Halb Europa hat sich zu einem Bündnis zusammengeschlossen. Zu welchem Zweck? Will man etwa Preußen von der Landkarte tilgen? Friedrich befiehlt einen Militärschlag gegen Sachsen und besetzt es im Handstreich. Damit bricht der Siebenjährige Krieg aus. Preußen ist völlig eingekreist. Unterstützung kommt nur aus England und Hannover. Schon bald brennt es an allen Ecken und Enden: Frankreich bringt fast ganz Norddeutschland unter seine Kontrolle! Österreich hat die Eroberung Schlesiens beinahe abgeschlossen! Russische Heere überqueren die Oder, stehen nur noch fünf Tagesmärsche von Berlin entfernt! Friedrich bleibt unnachgiebig. Verzweifelt löscht er einen Brandherd nach dem anderen. Nach sechs Jahren sind Preußens Kräfte erschöpft. Das Ende naht . . . Autor Friedrich der II., der Große, der Alte Fritz. Vier Personen sitzen bei Richard Sivél im Wohnzimmer und nähern sich spielerisch der historischen Figur. Kann ein Brettspiel Interesse am Preußenkönig wecken oder fördern? Und ob, sagt ein Mitspieler: Take34 (Mitspieler) Da ist ne ganze Menge an Informationen drin, weil man auch dann anfängt, sich zu beschäftigen. Ich beschäftige mich mit Deutscher Geschichte generell, bin aber über das Spiel erst auf Freidrich den Großen und den Siebenjährigen Krieg gekommen und hab dann angefangen, auch für mich zu recherchieren, weil mir dann die Geschichte auch Spaß gemacht hat. Hab mich dann auch mit Österreich beschäftigt, bin dann extra nach Wien gefahren, musste mir das dann alles angucken, alles wegen diesem Spiel, also das kann man schon sagen. Autor Der Spieleautor ist eigentlich Geodät, zum Brettspiel Friedrich kam er per Zufall: Take35 (Sivél) Ich war 15, 16, da hab ich sehr viel gespielt, und damals war das so, und das Angebot an strategischen Spielen war Mitte der Achtziger in Deutschland nicht sonderlich hoch und da hab ich selbst Spiele erfunden und auch Mechanismen so ausprobiert und dachte: Siebenjähriger Krieg, was war das, und hab im Lexikon gelesen, das geht überhaupt nicht, alle gegen einen, das geht nicht. Dann habe ich zwei Jahre später die Serie gesehen "Sachsens Glanz und Preußens Gloria", und dann hat es Klack gemacht und ich hab kapiert, dass es gerade, alle gegen einen, das Spiel ist! Dass eben die Rollen festgelegt sind, und man nicht, wie sonst üblich, im Spiel die freie Wahl hat, was man macht, sondern eben alle gegen einen und jeder hat sein Ziel. Den Balanceakt zu machen von historisch genau und trotzdem noch ´n Spiel zu sein, hier ist das Regelwerk sechs, sieben Seiten und trotzdem ist es historisch genau und eben auch noch n Spiel. Autor In Richard Sivéls Wohnzimmer muss sich die Spielfigur Friedrich am Abend geschlagen geben ? Österreich hat ihn besiegt. Der preußische Nachschub war wohl nicht so gut organisiert. Gegen Russland und Frankreich ? Friedrich spielt gegen alle umliegenden Staaten gleichzeitig ? hätte er sich wohl noch eine Weile behauptet. Die Niederlage macht ihm also gar nicht so sehr zu schaffen, der heutige Friedrich gibt sogar ein Interview: Take36 (Mitspieler) Ich hab halt zu spät umgebaut. Ich hätte meine Generäle n bisschen früher in den Sektor schicken müssen, wo ich auch n paar Karten habe. Das habe ich irgendwann probiert, und da ist es mir nicht ganz gelungen. Autor Spielbilanz: Rückzug Friedrichs, Sieg für Österreich, Russland und Frankreich als Nutznießer. Ende August findet in Berlin übrigens die zweite Friedrich-Weltmeisterschaft statt. Auch der echte Friedrich hätte bei Torgau ja um ein Haar Pech gehabt, sagt Martin Rink, der in seiner Dissertation über vergangene und gegenwärtige Kriegstaktiken geschrieben hat: Take37 (Rink) Es hätte auch völlig schief gehen können. Es ist ja auch fast schief gegangen. Als nämlich die Österreicher von dieser großen Marschbewegung Wind bekommen haben, buchstäblich Wind, weil der Wind wohl von Süden kam, haben sie bemerkt, dass sich etwas tut. Und dann haben sie viel früher auf die Preußen reagiert als Friedrich sich das vorgestellt hatte. Autor Der Rest ist Spekulation. Wie würde Torgau heute aussehen, wenn 1760 Österreich die Preußen besiegt hätte? Wäre die Stadt weniger geknechtet worden? Friedrich der II. hat Torgau jedenfalls ausgebeutet bis aufs Straßenpflaster: Take38 (Baier) Friedrich der II. hat nach der Schlacht Dienstleistungen in ungeahnter Höhe für Torgau angeordnet. Viele Torgauer sagen, wenn sie fleißig waren und sich etwas geschaffen hatten, "Ach, is ja doch nur alles für´n Ollen Fritzen!" Ein anderes Wort heißt, und das hat Friedrich der II. selbst geprägt: "Sachsen ist wie ein Mehlsack. Man mag darauf schlagen, so oft man will, so kommt immer etwas heraus." Autor Torgau ist heute eine ganz und gar sächsische Stadt. Bei der Frage, ob die Torgauer Brandenburger oder Sachsen sein wollten, haben sie fast zu hundert Prozent für Sachsen gestimmt und bereuen diese Entscheidung auch nicht. Der Grund liegt auf der Hand, sagt Frank Lehmann, Redakteur bei der Torgauer Zeitung: Take39 (Lehmann) Eigentlich war Torgau die Hauptstadt Sachsens. Die Kurfürsten haben ja hier von Torgau aus Sachsen regiert. Erst viel viel später sind sie dann durch die Trennung nach Dresden gekommen. Torgau war ja eigentlich das große Zentrum auch der Reformation und wir verstehen uns eigentlich als voll zugehörig zu Sachsen. Autor Ein Foto vom 25. April 1945 hat Torgau weltberühmt gemacht, und es ist wirklich müßig, darüber nachzudenken, ob sich hier an der Elbe russische Soldaten und amerikanische GI´s auch dann getroffen hätten, wenn Ziethen nicht rechtzeitig aus dem Busch gekommen wäre. Take40 (Lehmann) Es gibt ja einen Streit um dieses Foto, ob es nun nachgestellt sei oder ob es nun originalgetreu gemacht worden ist, also die Tendenzen gehen dahin, dass man heute sagen kann, so hat die Begegnung nicht stattgefunden, die war etwas anders, aber dieses Foto wurde am nächsten Tag dann gestellt und man hat das dann über die Weltpresse so veröffentlicht. Dieses Fotomotiv ist die Grundlage für Feierlichkeiten einmal im Jahr, am 25. April. Autor Torgau. Zweimal durch Kriege in den Mittelpunkt des Geschehens gerückt. Am 25. April 1945 reichten sich zwei entstehende Weltmächte hier die Hände, knapp 185 Jahre vorher, am 3. November 1760, kam acht Kilometer westlich der Stadt an der Elbe Ziethen aus dem Busch. Aktuelle Probleme sind der Bau einer Umgehungsstraße, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit oder die Frage, was aus einem lebendigen Wahrzeichen Torgaus werden kann: den Bären im Schlossgraben des Torgauer Schlosses Hartenfels. Das interessiert die Torgauer längst mehr als die Folgen des Siebenjährigen Kriegs. Aber dennoch: Ein bleibendes Opfer hat die Schlacht bei Torgau auf den Süptitzer Höhen hervorgebracht. Es gibt keinen Torgauer Wein! Take41 (Baier) Auf den Süptitzer Höhen wurde Wein geerntet, vor dem Krieg. Vielleicht hätten wir jetzt mit Meißen konkurrieren können, wenn der Krieg nicht alles umgepflügt und zerstört hätte. Also auch die Süptitzer Weinberge waren durch den Krieg völlig zerstört, und das war das Ende für Sie. Sprecherin vom Dienst Mit Ziethen aus dem Busch ? Spuren des Siebenjährigen Krieges in Torgau. Eine Deutschlandrundfahrt mit Roland Krüger. Musik Kennmusik 42706 Zeichen 6595 Wörter Seite 25 von 25