COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur, Länderreport, 14.1.2011 Die Geschichtensammler diesseits und jenseits der Oder Autor: Ernst Ludwig von Aster Red.: C. Perez Anmoderation: Mehr als zweihundert rote Bände stehen bereits in den Regalen. Täglich werden es mehr. Erinnerung aus dem deutsch-polnischen Grenzgebiet. Zusammengetragen von einem deutschen Verein und einer polnischen Stiftung des Collegium Polonicums. Biographien von beiden Seiten der Oder. Jeder Interessierte kann mitmachen. Die Interviewer, mal Rentner, mal Studenten, kommen nach Hause. Hören zu. Sichten Material. Am Ende steht eine Biographie. Für den Hausgebrauch. Und die Öffentlichkeit: Ein Exemplar landet auch immer im "Archiv für menschliche Schicksale". Schüler und Studenten greifen danach für die Geschichts-Arbeit. Aber auch das gesprochene Wort findet ihr Interesse. "Auf "Erzählnachmittagen" in der Stadtbibliothek von Frankfurt Oder. Ernst Ludwig von Aster sah Gäste und Erzähler kommen. Geräusch-take: schönes Raumgemurmel Sprecher: Die Stadt-Bibliothek in Frankfurt Oder: Vor den Regalen stöbern Bücherfreunde nach Lektüre, Zeitungsleser blättern in den neuesten Ausgaben. Geräusch-take hoch Sprecher: Gut 20 Besucher haben es sich auf Stühlen bequem gemacht, blicken erwartungsvoll nach vorne. Auf drei leere Loungesessel und einen kleinen Tisch mit Gläsern und Wasserflasche. Daneben hängt ein mannsgroßes Plakat. Das Portrait einer älteren Dame, das Gesicht von Lachfalten durchzogen. Fröhlich streckt sie dem Betrachtern eine knallrote Erdbeere entgegen. "My Life" steht darüber. Und darunter. "In Erinnerung bleiben" Take 1: Besucher Länge: 0.15 Er:: Ich bin hier in der Bibliothek Leser und hier lag so ein Flyer über diese Veranstaltungsreihe und da bin ich heute das erste Mal hier. Sie: Und ich über die Zeitung, ich hab's in der Zeitung gelesen und habe gedacht, das wird interessant, das wirst Du Dir mal anhören.... Sprecher: "Das Leben erzählen" ist das Motto der Veranstaltung. Einmal im Monat wird hier in der Bibliothek Privates publik. Eine ganz persönliche Geschichte. Erzählt für die Öffentlichkeit. Heute ist Siegfried Ernst dran. 77 Jahre alt, geboren in Follstein, dem heutigen Folsytzn, Ausbildung in Dessau und Halle, Studium in Dresden, Arbeit schließlich im Halbleiterwerk Frankfurt Oder. So viel verrät die Vorankündigung. Take 2 Podium: 0.10 Grune: Na, da gucken sie ja ein bisschen ernst. Ernst: Na, so heiße ich ja auch , hahaha, mal sehen Sprecher: Siegfried Ernst steht ein wenig abseits. Unterhält sich mit Helga Grune. Ihr hat er in den letzten Wochen seine Erinnerungen erzählt. Die Rentnerin ist Mitglied bei "My Life", sammelt für den Verein ehrenamtlich Lebensgeschichten. Von beiden Seiten der Oder. Wer will kann erzählen. Das ist das Motto. Take 3 Grune 0.10 das ist ja wie ein Selbstläufer es kommen so viele Leute auf uns zu und sagen, wir möchten ja auch mal. Das schaffen wir eigentlich gar nicht, weil wir so ein Kreis Ehrenamtlicher sind, der eine schreibt der andere macht Interviews... Sprecher: Grune blickt auf die Uhr, nickt Siegfried Ernst zu. Der greift sich seinen schwarzen Aktenkoffer, nimmt vorne Platz neben dem Plakat, schenkt sich ein Glas Wasser ein, sortiert noch einmal seine Unterlagen. Take 4: Ernst 0.11 Ich habe so gedacht, das ich erst mal ein bisschen gründlicher meine Jugend und die Zeit des Zweiten Weltkrieges darstelle, Sprecher: Der 77 jährige wirkt ein wenig nervös. Schiebt die große Brille zurecht. Nimmt einen Schluck Wasser Eineinhalb Stunden will er aus seinem Leben erzählen, 77 Jahre in 90 Minuten. Ernst greift zum ersten Blatt. Geboren ist er am 21. November 1933: Take 5 Ernst 0.18 Geboren bin ich in dem Dorf Folstein, das im heutigen polnischen Staatsgebiet liegt, es ist en Straßendorf, das heißt die Gehöfte sind alle an der Straße aufgereiht, damals gab es ca. 80 Bauernhöfe in diesem Dorf Sprecher: Eine Kindheit auf dem Land. Der Hof bewirtschaftet von der Mutter, den Großeltern und den drei Kindern. Am Dorf vorbei fließt die Netze, der Grenzfluss zu Polen. An den Kriegsausbruch kann Ernst sich noch gut erinnern. Sechs Jahre ist er alt. Als die Deutsche Wehrmacht Polen überfällt: Take 6: Ernst Mit der Annexion Polens 1939 begann auch die Verschleppung polnischer Arbeitskräfte nach Deutschland. Und diese Arbeitskräfte wurden dann auch auf die Bauernhöfe als Zwangsarbeiter verteilt... Sprecher: Eine Polin aus Katowice wird ihrem Hof zugeteilt. Eine 50jährige, die alle Katarina nennen. Sie hilft im Haushalt, die Landarbeit ist für die zierliche Städterin zu schwer. Um die Feldarbeit kümmert sich ein weiterer Zwangsarbeiter: Iwan aus der Ukraine. Entgegen den Anweisung des Ortsbauernführers gehen Katharina und Iwan im Haus der Familie ein und aus, gegessen wird gemeinsam, jedes Wochenende feiern die Ukrainer heimlich ihren orthodoxen Gottesdienst in der Hof-Scheune. Anfang 1945 rückt die Sowjetarmee näher: take 7 Am 24. Januar 1945 mussten wir mit Pferd und Wagen das Dorf verlassen. Auf Anweisung des Ortsbauernführers hatte das gesamte Dorf einen Treck zu bilden, Katharina wollte unbedingt mitfahren, weil sie meine Mutter nicht allein lassen wollte Sprecher: Stundenlang diskutieren die beiden Frauen, erzählt Ernst. Schließlich überzeugt seine Mutter Katharina doch noch den Weg Richtung Katowice einzuschlagen. Take 8 Den Iwan konnten wir davon allerdings nicht abbringen mit uns die Flucht zu nehmen. Er hat uns auf diesem Weg begleitet. Er fuhr als Kutscher unsern Wagen ... Sprecher; "Wir wollten unseren Hof eigentlich nicht verlassen", sagt Ernst. Der Ortsbauernführer aber droht allen, die sich weigern zu fliehen, mit der Erschießung. Die Nationalsozialisten weisen den Dörflern das mecklenburgische Örtchen Demmin als Fluchtziel zu. Doch die Sowjetarmee erreicht den Flüchtlingstreck noch bevor er die Oder überquert. Als die Soldaten die Pferde der Familie requirieren wollen, stellt sich ihnen Iwan in den Weg: Take 9 Dabei haben sie festgestellt, dass er Ukrainer oder Russe ist und dann haben sie ihn als Kollaborateur auf der Stelle erschossen. Er ist also sehr traurig ums Leben gekommen und wir konnten ihn nicht einmal beerdigen, weil wir seinen Leichnam nicht einmal gefunden haben... Sprecher: Siegfried Ernst schluckt, kämpft mit den Tränen. Andächtig lauschen die Zuhörer. Die Rote Armee befiehlt den Rückmarsch nach Folstein. Die Familie kann auf ihren Hof zurückkehren. Vorerst.... Geräusch-take: Schritte/ Schlüssel Sprecher: Auf der anderen Seite der Oder, in Slubice, eilt Dr. Krzyzsztof Wojciechowski durch das Erdgeschoss im Collegium Polonicum. Öffnet eine Metalltür. "Archiwum loduw luckie" steht darauf. "Archiv für menschlichen Schicksale". Geräusch-take hoch: Sprecher: Hunderte Archivmappen stehen in den Regalen. Alle aus säurefreiem Papier. Darin: Fotos, Transkriptionen von Interviews, Audiomitschnitte. Take: 10 Wojciechowski Also das sind so die Geschichten in dieser Form, die wir also anstreben (knartsch), so ein Album, das ist gerade eine polnische Biographie, hier ist eine deutsche Biographie, Sprecher: Lebensgeschichten aus Polen und Deutschland. Schicksale von beiden Seiten der Oder. Hunderte. Eine in Deutschland und Polen einmalige Sammlung. Zusammengetragen in den letzten Jahren. Der Philosoph Wochjiechowski ist seit zwei Jahrzehnten ein akademischer Grenzgänger zwischen Polen und Deutschland. Jahrelang koordinierte er an der Viadrina-Universität in Frankfurt Oder den Studentenaustausch, wechselte dann auf die andere Oderseite ans Collegium Polonicum . einer Gemeinschaftseinrichtung der Viadrina und der Adam Miskiewicz- Universität aus Poznan. Hier studieren Polen und Deutsche zusammen. Und leben doch meist nebeneinander her. So wie ein Großteil der Bevölkerung in der Doppelstadt. Take 11 Wojciechowski 0.27 Man möchte trotzdem eine Gemeinsamkeit erreichen. Dann habe ich mir Gedanken gemacht, wie man eine Brücke zwischen Generationen schlagen kann. Sprecher: Symbolische Begegnungen auf der Stadtbrücke, EU-geförderte Kulturveranstaltungen für die Doppelstadt Frankfurt Oder / Slubice, gemeinsame Beschlüsse der Kommunalparlamente - alles Zeichen eines bemühten Nebeneinanders. Wojciechowski lächelt. Das Individuelle, nicht das Offizielle wollte er in den Vordergrund stellen. Take 12 Wojciechowski 0.16 Dann kam ich zu dem Schluss, am Besten ist, man lässt die Menschen ihre Lebensgeschichte erzählen, die Nachbarn, die jungen Menschen zuhören. Und auf Empathie aufbauen, die es bewirkt, das im Moment des Zuhörens und Erzählens alle Barrieren abgebaut werden ... Sprecher: Geschichte und Geschichten von Unten, Persönliches als Programm. Auch als Verständigungsprogramm. Darum gründete er mit Interessierten auf deutscher Seite den Verein "My Life", auf polnischer Seite betreut seit Jahren eine Stiftung das Projekt. Geräusch-take: Stadtibliothek Sprecher: In der Stadtbibliothek in Frankfurt Oder ist Siegfried Ernst im Mai 1945 angelangt. Die Familie ist zurückgekehrt auf ihren Bauernhof Take 13 Ernst 0'21 Da stand mit einmal der neu eingesetzte polnische Bürgermeister vor der Tür. Und gleichzeitig war ein Pferdewagen vor unserm Bauernhof, mit einer polnischen Familie. Und der Bürgermeister sagte: "Diese Familie ist jetzt der neue Bauer auf diesem Bauernhof..." Sprecher: Die polnische Familie Gnielka kommt direkt aus Neubrandenburg. Dort mussten sie für die Deutschen als Zwangsarbeiter schuften. Die Familie will eigentlich zurück in ihren Heimatort. Doch die Anweisungen der polnischen Behörden sind eindeutig: Die polnischen Zwangsarbeiter werden in ehemals deutschen Gebieten angesiedelt: Die Familien Ernst und Gnielka teilen sich fortan das Bauernhaus, verstehen sich gut, Siegfried Ernst freundet sich schnell mit dem fast gleichaltrigen Stachow an: .... . Take 14 Ernst Länge: 0.10 Wir haben gemeinsam einen Haushalt geführt, gemeinsam die Wirtschaft betrieben Sprecher: Dann kommt eine Direktive aus Warschau: Take 15: Ernst Länge: 0.16 1945 Im Dezember wurde dann die Ausweisung der noch vorhandenen deutschen Bevölkerung festgelegt und am 15. Dezember ... mussten wir innerhalb von einer Viertelstunde Handgepäck einpacken und zum Bahnhof fahren. Sprecher: Die Familie greift sich das Nötigste, macht sich auf den Weg zum Bahnhof. Dort sammeln sich die Deutschen aus der Region zum Transport nach Westen: Take 16: Ernst Länge: 0.42 .. ... das hat dem Herrn Gnielka so leid getan, das wir alles zurücklassen mussten, er hat Pferde und Wagen angespannt und alles was er so habhaft werden konnte von unseren Sachen aufgeladen und kam dann zum Bahnhof und wollte uns die Sachen bringen, was wir nun mitnehmen sollten. Da kam er in Konflikt mit den polnischen Milizionären ... und ist da in einen heftigen Streit mit ihm geraten, schließlich haben die die Waffen gezogen und haben ihn daran gehindert den Wagen abzuladen. Er ist in Tränen ausgebrochen, das war für ihn ein sehr einschneidendes Erlebnis. Sprecher: Die Familie Ernst kommt erst nach Berlin, dann nach Thüringen, dann nach Sachsen-Anhalt. In Dresden studiert Siegfried Ernst Maschinenbau zieht dann 1960 nach Frankfurt Oder. Dort sucht das Halbleiterwerk Hände ringend Fachkräfte. Der Kontakt zur Familie Gnielka übersteht alle Umzüge: Take 17: Ernst Wir sind in den 60er Jahren, in den 70er Jahren immer dort immer bei ihm zu Besuch gewesen. Er hat uns auch per Paket viele Sachen geschickt, als er wusste, wo wir unseren Wohnsitz gehabt haben. Sprecher: Helga Grune gibt ein Zeichen. Deutet auf ihre Armbanduhr. Siegfried Ernst legt das Manuskript vor sich auf den Tisch. Vielleicht die Hälfte von dem, was er sich vorgenommen hatte, konnte er erzählen. Take: 18: Ernst Es ist noch sehr viel zu erzählen, aber , ich möchte an dieser Stelle erst Mal enden (Applaus) Take 19: Zuhörererin Es hat mir gut gefallen. Und ich werde zu nächsten auch kommen. Das hat er sehr interessant gestaltet. Und ich habe eine Menge mitgenommen, weil ich ein Stadtmensch bin und das von der Landseite aus nicht kenne, da hat es mir viel Neues gebracht und auch Ergreifendes... Geräusch-take: Sprecher: Am nächsten Morgen sitzt Helga Grune wieder an ihrem Schreibtisch. Auf dem türmen sich die Ordner, dazwischen ragt ein Flachbildschirm empor. Take 20: Grune 0.38 Dieses Schreiben ist ja wirklich Knechtsarbeit, man sagt ja immer eine Stunde Interview, 5-10 Stunden Transkription, je nachdem ob derjenige Druckreif oder nicht druckreif spricht. Oder so. Und dann machen wir noch das Layout, das ist auch spannend, Bilder reinmachen und so schön gestalten. Und dann wird es in Druck gegeben. Sprecher: Mehr als 50 Interviews hat die ehemalige Krankenschwester bis heute gemacht. Die unterschiedlichsten Lebensgeschichten gehört. Take 21: Grune Und dann kriegt immer ein Exemplar derjenige selbst und ein Exemplar geht ins Archiv, natürlich mit den Audiodateien. Also es ist auch dann zugänglich, für alle, für Wissenschaftler, für Medien, Verwandtschaft oder Heimatkunde oder so.... . Sprecher: Vor allem Ältere sind es, die ihre Erinnerungen diktieren wollen. Viel ist da von Flucht und Vertreibung die Rede. Auf deutscher wie auf polnischer Seite. Weniger hört Grune von der neueren Geschichte: Take 22; Grune 0.12 gerade so die DDR-Zeit´,aber vielleicht ist das noch nicht soweit zurück, das ist vielleicht noch zu frisch, obwohl es da viel zu erzählen gibt, das wäre schon sehr interessant Sprecher: Helga Grune zuckt mit den Schultern. Jeder kann erzählen, was ihm wichtig ist, das ist das Grundprinzip von My Life. Auch wenn das Ergebnis nicht immer allen gefällt: Take 23: Grune 0.13 Da haben wir manchmal ganz viel Arbeit reingesteckt, dann hat eine Schwiegertochter alles zerrissen in den Papierkorb geschmissen und gesagt; Oma, das kannste jetzt aber nicht bringen hier, das geht gar nicht und so, hahah, damit leben wir Geräusch-take Koffer auf, sehr schön (Blätter) Sprecher: Einige hundert Meter weiter: die Straße "Rote Kapelle". In einem Plattenbau aus der Hochzeit des sozialistischen Bauwesens legt Siegfried Ernst seinen schwarzen Aktenkoffer auf einen kleinen Wohnzimmertisch. Holt einen Stapel alte schwarz-weiß Bilder hervor: Take 24: Ernst 0.11 ... und das ist 1970 auf dem Hof, das ist die Familie Gnielka Sprecher: Neben den Fotos liegen eng bedruckte DIN-A 4 Blätter. "Erstes Interview 16.10.2010" steht oben auf der Seite. Interviewerin Helga Grune. Take 25: Ernst ... das ist das Manuskript, wenn man so will, da ist noch viel drin rumgeschmiert,... Sprecher: 44 Seiten liegen vor ihm. 27 Jahre Lebensgeschichte. Take 26: Ernst Auf der Zeitschiene bin ich jetzt ungefähr in dem Bereich ... also am Ende der Ausbildung, das ist also ungefähr die Zeit 1960, wo ich hier nach Frankfurt gekommen bin. Sprecher: Kurz vor dem Mauerbau. Ernst wird Stadtverordneter in Frankfurt Oder. Neben seiner Arbeit im Halbleiterwerk. Take 27: Ernst Und was danach war, habe ich praktisch noch nicht zum Interview preisgegeben. Ich habe aber der Frau Grune schon gesagt, dass wir da ein bisschen diffiziler mit umgehen müssen Sprecher: Ernst rückt seine Brille zurecht. Der Ingenieur macht Karriere im Halbleiterwerk. Wird Chef der Entwicklungsabteilung. Take 28: Ernst Und da bin ich Reisekader geworden und habe seit 1968 eben sehr oft die ganze Welt gesehen, BRD, Frankreich, Niederlanden, Österreich, Italien, auch in den USA. .... Sprecher: Was im Halbleiterwerk für den technischen Fortschritt fehlt, besorgt der Entwicklungs-Chef im Westen. Für harte Devisen; Take 29: Ernst ... und es war notwendig eine Verpflichtungserklärung zu unterschreiben und ich war also informeller Mitarbeiter bei der Staatssicherheit. ... Sprecher: Siegfried Ernst nimmt die Brille ab. Legt sie neben den Papierstapel. Erzählt von seinen deutsch-deutschen Entwicklungsprojekten. Mit einem Unternehmer aus dem Schwarzwald macht er Millionen-Geschäfte, über Jahre entsteht zwischen den Männern eine Freundschaft: take 30: Ernst Und dabei hat er mir mal gesagt .... Siegfried ich muss dir was ganz Unangenehmes erzählen: "Bei mir kommen hin und wieder Leute und die müssen Dich irgendwie kennen und denen muss ich erzählen, was Du hier gemacht hast. Naja, sas habe ich mir angehört und habe gesagt. "Franz", das ist sein Vorname, " da brauchste Dir keine große Gedanken drüber machen, im Grunde genommen muss ich das Gleiche machen". Sprecher: Ernst lächelt. Erzählt weiter. Es geht um Millionen-Geschäfte, Malaysia, den Siemens-Konzern , Konstrukteure und Obstrukteure. Ein deutsch-deutscher Technik- Krimi aus der Zeit des kalten Krieges. Auch Helga Grune hat er einiges davon erzählt. Sie hat ihn ermutigt, weiterzuerzählen. Auch für seine Erinnerungen.. Fast hat sie ihn überzeugt: Take 31: Ernst 0.17 Wollte ich erst mal eigentlich ein bisschen für mich behalten, naja, wenn vielleicht darüber noch ein bisschen mehr diskutiert worden ist, das haben wir ja vor, dann kann man das ja ansprechen und vielleicht ergibt sich die Möglicghkeit, das wir das doch noch mal aufschreiben... Geräusch-take Archiv Take 32 Wojciechowski Sie sind hier herzlich willkommen, ,... heute wollen wir uns mit Ihnen, also Gästen treffen, um zu erzählen, was wir mit unserem Verein machen.... Sprecher: Einige Wochen später: Tag der offenen Tür im "Archiv der Schicksale". Krzyzsztof Wojciechowski begrüßt die Besucher. Die drängen sich vor den Regalen. Es gibt Kaffee und Plätzchen. Zwei Studenten sitzen ganz hinten rechts, blättern in Biographien: Take 33: Studentin Micha hat von der Veranstaltung hier gehört .. und für uns war das besonders wichtig, weil wir für das deutsch-polnische Theaterfestival Unithea arbeiten und wir uns in diesem Jahr mit Erinnerungen, Gegenwart und der Zukunft auseinandersetzen wir sind halt auf der Suche nach Geschichten, die hier in der Stadt kursieren, die vielleicht noch nie gehört wurden und vielleicht nicht mehr erzählt werden... Sprecher: Ein Stückchen weiter unterhält sich Siegried Ernst angeregt mit Helga Grune. Ein vollbärtiger polnischer Rentner mit schlohweißem Haar diskutiert mit den Besucher: Henryk Raczkowksi, 80 Jahre. Ein ehemaliger Seemann, der schon lange in Slubice lebt... Take 34: Raczkowski Solche Geschichten von den Bürgern den deutschen Bürgern, die haben mich gebracht zu dem, dass ich vom Feind ein deutscher Freund bin. Sprecher: Auch sein Leben hat er erzählt. Seine Geschichte steht im Regal Take 35 Raczkowski Vater, Bruder und Schwester haben die Deutschen erschossen. Ich kann nicht stolz sein, ich war immer traurig. Ich könnte viele Geschichten erzählen.. Sprecher: Helga Grune und Siegfried Ernst nicken. Sie kennen Raczkowksis Geschichte. Die Studenten lauschen interessiert Take 36 Raczkowski Mein Ziel, mein Motto ist, das Senioren Brücken bauen zwischen den Generationen, Verständigungsbrücken. Deshalb ist mein Vorschlag immer, dass wir schon langsam von der alten Kriegsgeschichte abtreten. Es gibt auch wunderbare, interessante Geschichten, die man nach dem Krieg erlebt Sprecher: Da gibt es noch viel Stoff für Geschichtensammler. Auf beiden Seiten der Oder... 1