DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Hörspiel/Hintergrund Kultur Dienstag, 20.04.2010 Redaktion: Karin Beindorff 11.05 ? 12.00 Uhr Wachleute, Türsteher, Neonazis Die private Sicherheitsbranche in Deutschland Co-Produktion SWR/DLF Von Michael Weisfeld URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. ? Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - O-Ton Junge Frau: Es ist ne Anzeige am laufen gegen einen Security-Typ. Nachts am Freitag um halb drei wollt ich auf den Zeltplatz gehen, ich hatt ein durchsichtiges T-Shirt an, und da haut er mir von unten gegen die Titten, und sagt zu mir, mit der Bezahlung der Eintrittskarte hab ich unterschrieben, dass ich mich von jedem ficken lassen darf. Dann bin ich zum Zeltplatz gegangen, hab mir einen Kugelschreiber und einen Zettel geholt und hab gesagt, ich hätt gerne seinen Namen, dann hab ich mich beschimpfen lassen dürfen, ich soll mich jetzt ganz schnell verpissen. Vom Zeltplatz krieg ich ein Verbot, wenn ich mich nicht ordentlich kleide, O-Ton Ältere Sicherheitsfrau (Gewerkschafterin): Das Bild von den Wachleuten ist ein schräges Bild. Wir haben auch Kollegen, die gescheitert sind im Leben, die gebrochen sind, die geschieden sind, die Unterhalt bezahlen müssen, die in einer privaten Insolvenz sind, wo andere sich Sozialhilfe holen, kämpfen unsere Kollegen. O-Ton Junge Frau: ... und da bin ich zu den anderen Securities gegangen, die auch mit dabeistanden: Kann ich mit euch vernünftig reden, bitte helft mir. Da haben sie sich weggedreht. Ich hab von dem Typen jetzt ein Foto gemacht. O-Ton Ältere Sicherheitsfrau (Gewerkschafterin): Es ist ein Beruf mit Zukunft. (..) das heißt, die Kindergärten werden in Zukunft bewacht, die Schulen werden bewacht, die Straßenbahnen werden bewacht. O-Ton Junge Frau: ... der war sehr groß, kurze blonde Haare, und die standen in der Früh da vorne und haben den Adolf-Hitler-Ruf gemacht, und ... O-Ton Ältere Sicherheitsfrau (Gewerkschafterin): Nur den Leuten will man nichts bezahlen. Die werden behandelt wie Untermenschen. Jeder, der ein bisschen mehr verdient, meint, er kann uns rumkommandieren und schikanieren und uns unwürdig behandeln. Atmo Auto innen, Plaudern Ansagerin: Wachleute ? Türsteher ? Neonazis Die private Sicherheitsbranche in Deutschland Von Michael Weisfeld Zitator: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus", Erzähler: heißt es im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Nur der Staat darf ? zum Beispiel durch die Polizei - Gewalt ausüben. Ihm kommt das Gewaltmonopol zu, und seine, die Staatsgewalt, ist an Recht und Gesetz gebunden. Aber heute sind es auch Mitarbeiter von Privatfirmen, die ? bewaffnet und in Uniformen ? dem Bürger gegenübertreten. Sie patrouillieren auf privatem, aber auch auf öffentlichem Terrain. O-Ton Wachmann In der Passage habe ich schon etwas zu sagen, weil ich von der Werbegemeinschaft beauftragt wurde. Frage: Ist das öffentlicher Grund, wo wir hier gehen, oder ist das Privateigentum? Teils ? teils. Wir haben kein komplettes Hausrecht. (..) Wir können kein Hausverbot austeilen. ( ... ) Was in der Domshofpassage, wo wir gleich hingehen, anders sein wird. Da haben wir das komplette Hausrecht, da kann ich Hausverbot aussprechen. (..) Da wird betteln auch nicht geduldet. Genauso wenig wie hier. Hier kann ich ihn zwar rausschmeißen, aber kein Hausverbot austeilen. Frage: Rausschmeißen, wie machen Sie das? Sagen: Es ist nicht erlaubt und dann begleite ich ihn meistens raus. Man muss nicht körperlich tätig werden. Die meisten gehen sofort, die kennen uns, die sehen jemanden in Uniform, das flößt schon Respekt ein. Erzähler: Die "Werbegemeinschaft", ein Verein von Geschäftsleuten, hat den Wachmann beauftragt. Die private Sicherheitsbranche wächst schnell. Zitator: 1980 gab es 542 Firmen mit knapp 62 000 Beschäftigten. Erzähler: 1990: 835 Firmen mit 105 000 Beschäftigten. Zitator: 2008: 3500 Firmen mit 173 000 Beschäftigten. Erzähler: Knapp fünf Prozent beträgt das Wachstum pro Jahr. Was sind das für Firmen, was für Menschen, die dort arbeiten? Gibt es das Monopol der Staatsgewalt noch, die vom Volke ausgeht? 1. Szene aus Marzahn Erzähler: In den Wohnblocks von Berlin-Marzahn hängt gleich unten am Eingang die Telefonnummer der "Lärmpolizei". Ein Mieter, der sich von einem Nachbarn belästigt fühlt, erreicht unter dieser Nummer die Einsatzzentrale der Firma "flash security". Atmo Handy-Klingeln (Radetzkymarsch) O-Ton Thomas: Ja. Bitte? Erzähler: Die Einsatzzentrale ruft die Streife an, die von abends 18 Uhr bis nachts um drei in Marzahn unterwegs ist. O-Ton Thomas: nächster Einsatz. Matthias: Solln sie uns schicken. Thomas (ins Telefon): Kannst du uns den per SMS rüberschicken? Ist gerade schlecht. Tschüssi! Erzähler: Thomas und Matthias ? ihre Nachnamen wollen sie nicht nennen ? haben kürzlich einen jungen Mieter verwarnt. Jetzt wollen sie überprüfen, ob es in der Wohnung ruhig geworden ist. O-Ton Matthias Der war doch ganz schön angetrunken gewesen, vermute, dass die Musik wieder laut sein wird.( ... ) Er war mit seinen Freunden, paar Mädels noch dazu, bisschen Alkohol, paar Streitigkeiten unternander, jeder wollte lauter sein. Die Musik noch dazu. O-Ton Lützenberg Die Streitfälle nehmen zu. Ist auch mit ? so wie ich das sehe - ein Generationsproblem. Erzähler: Bodo Lützenberg , Vorsitzender des Mieterbeirats und Schiedsmann. O-Ton Lützenberg Die Antragsteller für Schlichtungsverhandlungen sind hauptsächlich alte Damen. Die jetzt für sich sind, viel Zeit haben, alles hören und warten: Wann ist irgendwo ein Krach. Und um dieses Problem zu lösen, hat dann die WBG rechtzeitig diesen Sicherheitsdienst genommen. Atmo: Langsame Schritte Klingeln Tür geht auf, Stimmen Thomas: Tachchen Erzähler: Ein Jugendlicher kommt auf die Sicherheitsleute zu. O-Ton Junge (aggressiv): Kann ich mal durch hier? Erzähler: Thomas der Sicherheitsmann gibt ihm einen kräftigen Stoß. Atmo: Getümmel, Geschrei (Ende der ersten Marzahn-Szene) O-Ton Wir waren vierteljährlich zur Schießausbildung, die wir aber als Arbeitnehmer selbst bezahlen mussten, jeden Schuss. (..) Die hat ein Einsatzleiter und der Herr (..) PIEP hat das selbst vorgenommen. In einem Schießclub von Gera. Erzähler: Ein kleiner, zäher Mann, über 50, herzkrank. Er war 14 Jahre bei einer Thüringer Sicherheitsfirma angestellt. Sein Name darf hier nicht genannt werden, der seines früheren Chefs auch nicht. O-Ton Alle Vierteljahr musste er das nachweisen, dass wir unser Pflichtschießen erfüllt haben und den Umgang mit der Waffe. Fr.: Und ihr Chef konnte das auch? Der konnte mit der Waffe umgehen? Ja, er war ja selbst früher ein hochrangiger Polizist. In der Bereitschaftspolizei ist er sehr schnell nach oben gekommen, dienstgradmäßig. Die Wende war da, damit war auch seine Firma da. Er hat mich selbst von einer anderen Firma abgeworben, damals. Fr: Waren Sie zu DDR-Zeiten auch Polizist? Ich habe gedient meine 18 Monate, 542 Tage. Fr: Statt Armee Polizei? Ja. Ich habe damals Transit mitgemacht, (..) das war die Polizei, die an den Grenzübergängen standen, da Kontrollen durchgeführt haben. Fr.: Am Anfang waren es wahrscheinlich viele Mitarbeiter aus den früheren Organen der DDR, zum Beispiel Volkspolizei? Ja, viele. Fr.: Die nun ein bisschen älter sind. Ja. Das lief viele Jahre gut, bis die Leute immer jünger wurden und ein immer rambomäßigeres Auftreten hatten. Große, kräftige, breiten Nacken, breite Schultern, man hat gesehen, aus welcher Szene die eigentlich kommen. Er hat zum Beispiel Subunternehmen beschäftigt. Aus anderen Wachdiensten, die kriegten eine Pauschale. Zum Beispiel für das Dahlienfest in Gera, das ist im Dahliengarten hinten. Da musste ich mal Funkgeräte hinfahren. Die waren nur eindeutig rechts. Mit Springerstiefeln, die ganze Kleidung, mit Rottweilerhunden. Ich habe selbst bei Übergabe der Funkgeräte mitbekommen, dass ältere Leute sagten an der Kasse: Wo sind wir hier überhaupt. Bei einem Familienfest oder bei einem Rechtsradikalen-Treff. Es sind viele umgedreht. Es gibt auch direkt Sicherheitsunternehmen, die als Schlägertrupps bekannt sind, die zum Beispiel Diskos bewachen. (..) Fr: Wissen Sie die Namen? Möchte ich nicht nennen. Fr.: Dass der Chef selbst eine rechtsradikale Einstellung hat, kann man das sagen? Ja, das hat er mehrmals selbst geäußert. Er hat zum Beispiel einen Kollegen bei einer Besprechung, nett ausgedrückt, da mussten wir uns im Kreis aufstellen und wurden runderneuert, was wir uns einbilden wegen Lohn und Urlaub, weil es doch Leute gab, die mit der Zeit aufbegehrt haben, für diesen Lohn zu arbeiten. Und ein Kollege, der hat mal gesagt: Gibt es denn in diesem Betrieb eine Demokratie irgendwie mal. Da hat er den an den Hals genommen, rangezogen, Ansatz zum Würgen, und hat gefragt: Weißt du, wann ich geboren bin? Da sagte der natürlich: Nein. Ich bin am 20.April geboren. Erzähler: Hitlers Geburtstag O-Ton Was sagt dir das? Hier gibt es keine Demokratie. Ich bin die Demokratie. Erzähler: Die Firma ist inzwischen konkurs. Der Chef wurde im November 2009 von einem Thüringer Landgericht zu drei Jahren und zwei Monaten Gefängnis verurteilt. Er hatte Gelder einer Supermarkt-Kette und Sozialversicherungsbeiträge veruntreut. O-Ton Ich habe in einer Firma danach angefangen für drei Euro 53. Es sind namhafte Firmen von Westdeutschland, die dort schon immer ihren Sitz haben, die bezahlen uns noch schlechter wie er, weit unter Tarif. 2. Szene aus Marzahn Erzähler: Thomas und Matthias von der Firma "flash security" reden mit dem jungen Mieter, der Freunde in seine Wohnung eingeladen hat. O-Ton Thomas: Es war definitiv noch zu laut. Junger Mieter: Immer noch zu laut? (..) Aber die Musik ist leiser! Thomas: Ich habe dir vorhin die Chance noch gegeben. Ich weiß, dass es manchmal schwer durchzusetzen ist .. Party, Alkohol. Wir müssen das jetzt auflösen. Da müsst ihr euch eben einen Platz suchen, wo ihr niemanden stört, das Wetter ist noch gut draußen. Junger Mieter: Wir können ja rausgehen. Thomas: Klar könnt ihr rausgehen. Erzähler: Aber wohin? Die Sicherheitsleute der "flash security", kurz "flashies" genannt, kontrollieren nachts das gesamte Viertel. O-Ton Jugendlicher: Spielplätze, das ist Tabu. Mädchen: Wollen wir nach Hellersdorf fahren, da ist Party! Junge: Ha, ha, da kommen die Flashies auch. Helle Mitte arbeiten die Flashies auch. (..) Nein, alte Hellersdorfer Straße! Da sind die Flashies auch! O-Ton Bahlo Der Sicherheitsdienst gibt uns regelmäßig Protokolle der Einsätze. Wir wissen immer, wo die waren, bei wem die waren, wer gerufen hat und was sie veranlasst haben. Erzähler: Matthias Bahlo, Leiter des Kundenzentrums der städtischen Wohnungsgesellschaft "DeGeWo" in Berlin-Marzahn. O-Ton Bahlo Und daraus resultieren für uns gegebenenfalls mietrechtliche Konsequenzen. Das heißt, Störer werden abgemahnt grundsätzlich. Wir haben zwei bis drei Abmahnungen, bis eine fristlose Kündigung rausgeht. O-Ton Jugendlicher: Wir gehen jetzt hoch, Schlüssel lassen wir hier. Erzähler: Zum selben Unternehmen wie Flash Security gehört die Inkassofirma "Delpro", die auf Mieter spezialisiert ist. Auf ihrer Web-Site schreibt die Firma: Zitator: Mit der fristlosen Kündigung ändert sich die Zielsetzung. Das Auszugsmanagement setzt seinen Schwerpunkt auf die zeitnahe Freisetzung des Mieters aus der Wohnung. Die Frequenz an der Wohnungstür wird erhöht und so der Spielraum für weitere Ausflüchte eingeschränkt. Atmo Vor dem Haus Matthias: Tschüs, viel Spaß euch noch! Mädchen: Schönen Abend noch! (Ende der 2. Marzahn-Szene) Erzähler: Die Firma "Ziviler Sicherheitsdienst" in München gilt als Vorreiter der privaten Sicherheitswirtschaft. Schon Mitte der 70er-Jahre bekam sie von der Stadt den Auftrag, die U-Bahn zu überwachen. Das Unternehmen gilt bis heute als Avantgarde. Denn sein Gründer war und blieb Besitzer einer Kampfsportschule, in der seine Angestellten bis heute ausgebildet werden. Dieses Modell hat seitdem viele Nachahmer gefunden. Die Mitarbeiter des "Zivilen Sicherheitsdienstes" tragen an ihrer schwarzen Uniform als Emblem eine geballte Faust. Der Volksmund nannte sie bald "Schwarze Sheriffs", und die Firma wandelte die Schmähung in ein Prädikat, mit dem sich werben ließ. Zitator: Schwarze Sheriffs hat nur der Zivile Sicherheitsdienst. Erzähler: Kurz nachdem die schwarzen Sheriffs ihre Arbeit aufgenommen hatten, versammelten sich SPD-Parlamentarier, Gewerkschafter und die "Katholische Studierende Jugend" zu Protesten in der Münchener Fußgängerzone. Private Sicherheitsdienste wurden zu einem bundesweiten Thema. O-Ton Eick Wenn wir uns die U-Bahnwache in München angucken, die sind dermaßen brutal gegen alle möglichen Leute vorgegangen, dass wir in den (..) 70er-Jahren erst mals eine Diskussion übers private Sicherheitsgewerbe hatten. Erzähler: Volker Eick, Politikwissenschaftler O-Ton Eick Diejenigen, die in München als U-Bahnwache gegen Jugendliche vorgegangen sind, die Schwarzfahrer grün und blau geprügelt haben, haben dafür gesorgt, dass über das Thema erst mals in einer breiteren Öffentlichkeit diskutiert worden ist. Die waren mit dafür verantwortlich, dass es den ersten Gesetzentwurf zur Kontrolle des Wach- und Sicherheitsgewerbes gegeben hat, der dann wieder in der Schublade verschwunden ist. Erzähler: Rund 30 Jahre lang agierten die "Schwarzen Sheriffs" im Dienst der Stadt München. 2004 benutzten zwei von ihnen ihre Schlagstöcke und ein Messer, um Obdachlose auf öffentlichen Toiletten zu quälen. Der Haupttäter wurde dafür zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Zwar ließ die Stadt deshalb fast alle Verträge mit dem "Zivilen Sicherheitsdienst" auslaufen. Aber eine öffentliche Debatte über die Branche lebte nicht wieder auf. O-Ton Eick Österreich, die Bundesrepublik und Zypern sind die drei einzigen EU-Staaten, die keine Gesetzgebung haben, die die Tätigkeiten des Wach- und Sicherheitsgewerbes regulieren. Solche Vorstöße sind aber aus den Parteien, die gegenwärtig im Bundestag sind, nicht zu erkennen. ( ... ) Es gibt momentan keine politische Diskussion in der Öffentlichkeit über das kommerzielle Wach- und Sicherheitsgewerbe. 3. Szene Marzahn Atmo Vor dem Haus Erzähler: Die Jugendlichen verlassen das Treppenhaus. Die beiden Sicherheitsleute folgen ihnen. Auf dem Parkplatz bleiben sie stehen und lauschen. O-Ton Matthias: Irgendwo ist das nächste, wie es scheint. (Geschrei im Hintergrund) In einem Hochhaus etwas zu finden ist schwer. 18 Etagen, 7 Wohneinheiten pro Etage. Das wird so 16, 17te sein. Erzähler: Aber dann sind es doch die Jugendlichen von vorhin, die die Wachleute anlocken. Atmo Geschrei von Ferne: "Das war ne Ansage. Tillmann, du wärst tot, weggeklatscht." Schritte der Wachleute "Siehste, da kommen sie. Du hältst jetzt dein Maul." O-Ton Thomas: Ihr geht jetzt irgendwo hinter, wo nicht unser Gebiet ist, da beruhigt ihr euch alle, trinkt noch was, und dann ist alles wieder schön. Jugendlicher: Wenn ihr alle auf ihn zulabert. Ja, das ist zulabern, Alter. (Ende der 3. Marzahn-Szene) Erzähler: Können die Nachbarn solche Konflikte zwischen unruhigen Jugendlichen und ruhebedürftigen Älteren nicht ohne die "Lärmpolizei" lösen? Oder, wenn das wirklich nicht gelingt, die richtige Polizei rufen? O-Ton Eick Es gibt Tendenzen, dass Polizeistationen geschlossen werden. (..) Man versucht das über (..) Video-Überwachung aufzufangen, aber es gibt den Trend, (..) dass private Sicherheitsdienste in den öffentlichen Raum vorrücken, (..) das ist ein Trend, den es gibt. Es hat Versuche gegeben, (..) das ist insofern umkämpftes Gebiet, ob nicht die Überwachung des ruhenden Verkehrs - also Parkraumbewirtschaftung, Falschparken - des fließenden Verkehrs, also Verkehrsunfälle, Geschwindigkeitskontrollen, ob das nicht Aufgaben seien, die das private Sicherheitsgewerbe übernehmen könnte. Zum Teil tun sie es, zum Teil ist dagegen erfolgreich geklagt worden, (..) Also, das ist (..) auch öffentlicher Raum, wo sie vorstoßen. Die Zahl der Innenstadtpatrouillen des Wach- und Sicherheitsgewerbes steigt. Erzähler: Sie durchleuchten Passagiere von Flugzeugen und Schiffen. Mitunter sogar Menschen, die ein Gerichtsgebäude betreten wollen. Sie sichern Bundeswehr- und Polizeikasernen. Sie halten Wache in den Notaufnahmen der Krankenhäuser, in den Wartezonen der Arbeitsämter. Sie fahren Streife ? nicht nur in den Plattenbauten der Armen, sondern auch in den Villenvierteln der Reichen. Neben der Staatsgewalt, die vom Volke ausgehen soll, wie es das Grundgesetz fordert, hat sich eine weitere Gewalt etabliert, die von privaten Firmen ausgeht und privaten Interessen dient. Atmo Gerichtsflur Erzähler: Vor dem Oberlandesgericht Thüringen wird die Zivilsache Peter Lückmann gegen Lars Weber aufgerufen. Lückmann gehört in Gera zum "Bündnis gegen rechts", Weber ist Vorsitzender des Kampfsportclubs "Eastfight" und Geschäftsführer der Firma "Alpha Deutscher Sicherheitsdienst". Lückmann hat Weber öffentlich einen Nazi genannt. Dagegen hat Weber vor dem Landgericht in Gera geklagt und ist abgewiesen worden. Im Juni 2009 wird seine Berufung vor dem Oberlandesgericht verhandelt. Weber verlangt 28 000 Euro Schadensersatz. Vor dem Mikrophon möchte Weber nicht sprechen, aber Peter Lückmann. O-Ton Lückmann Es ist so, dass zu dem "Eastfight Gera" auch ständig die Firma als Sponsor mit auftritt "Alpha DSD", also "Alpha Security Deutscher Sicherheitsdienst". (..) Nun wissen wir ( ... ) dass Menschen, die mit der rechtsextremen Ideologie sympathisieren, auch Mitglieder dieser Kampfsportschule und damit auch Kämpfer sind. Und es gab in der alten Internetseite Fotoveröffentlichungen, wo es durchaus legitim war, dass dort Kämpfer mit Wehrmachtstätowierungen abgelichtet wurden. Das ist, seitdem sehr viel Öffentlichkeit hergestellt worden ist, nicht mehr so. O-Ton Christel Wagner: Ich weiß sehr wohl durch meine Arbeit hier, Jugendarbeit vor allem, dass (..) Lars Weber ( ... ) eindeutig Gewalt ausgeübt hat gegen Menschen, (..) ob es nun Nicht-Deutsche sind oder Homosexuelle, (..) das ist bekannt, da gibt es genügend Menschen, die die Erfahrungen in der Stadt gesammelt haben. Es ist auch bei Gericht bekannt. Erzähler: Christel Wagner-Schurwanz arbeitet in Gera in einem "Netzwerk von Betroffenen rechtsextremer Gewalt". O-Ton Christel Wagner Es gibt Typen, die in diesen Sicherheitsdiensten sind, die in diesen Kampfclubs sind und die als Nazis Körperverletzungen begehen. O-Ton Peter Lückmann Was im Übrigen kein Novum in Gera oder Ostthüringen ist, sondern meines Wissens nach bundesweit gang und gäbe ist, dass Kampfsportschulen immer eng verbunden sind mit Sicherheitsfirmen oder umgedreht (..) dass man dort trainiert, um sich ordentlich fit zu machen. O-Ton Eugen Weber Wir haben in Gera viele Rechtsextreme. (..) Da kann man nicht überrascht sein, wenn man erfährt, dass Rechtsextreme in Sicherheitsdiensten ihr Zubrot finden. Erzähler: Eugen Weber, Stadtrat in Gera, Kreisvorsitzender von Bündnis 90/ Die Grünen. O-Ton Es gibt Wohnungsbaugesellschaften, Töchter der Stadt, die die großen Platten vermieten, (..) diese Wohnungsbaugesellschaften beschäftigen Sicherheitsdienste. Da habe ich ein Blättchen gesehen, (..) da sieht man den Sicherheitsdienst bei der Arbeit, drei Männer und ? na was wohl - ein deutscher Schäferhund. Der, der ihn führt ist ein früherer NPD-Landesvorstandsmann, der jetzt in diesem Sicherheitsdienst tätig ist, und wenn sie da so einen Ex-NPD-Vorsitzenden vor sich sehen, dann finden Sie das nicht so toll, (..) das können Sie sich vorstellen. Eastfight Gera wird von Lars Weber betrieben, und Lars Weber organisiert auch die Freefight-Veranstaltungen. (..) Natürlich waren wir dagegen. Ich selbst war nicht anwesend, habe mir aber sagen lassen, dass dort die Gäste sehr leicht zu erkennen waren an rechtsextremer Kleidung, das heißt die üblichen Thor Steinar, Lonsdale, Constable aber auch an ausländerfeindlichen und judenfeindlichen Sprüchen auf den T-Shirts. Atmo Freefight-Turnier Erzähler: Beim Freefight sind Techniken aus den Disziplinen Boxen, Karate, Judo, Ringen und Kick-Boxen erlaubt. Auch wer schon am Boden liegt, darf noch geschlagen werden. Lars Weber erkämpfte sich mehrmals die Würde eines Deutschen Meisters. Die Homepage seines Clubs "Eastfight Gera" berichtet unter dem Titel: "Lars Weber im Käfig ungeschlagen" Zitator: Lars Weber konnte den Tschechen Radovan Kuca bereits in der ersten Minute besiegen. Nach kurzem Schlagabtausch nahm Lars seinen Gegner in die Guillotine, warf ihn und fixierte ihn anschließend am Gitter des Octagons. Radovan, der sich durch den Wurf die Schulter brach, musste schließlich in der Würge aufgeben. Eastfight Gera wünscht Radovan Kuca eine schnelle Genesung und hofft künftig wieder auf spannende Kämpfe. Atmo Gerichtsflur Erzähler: Vor dem Thüringer Oberlandesgericht unterlag Lars Weber gegen Peter Lückmann vom "Bündnis gegen rechts". Der Senat wies Webers Klage ab. Man darf ihn einen Nazi nennen. Atmo Freefight-Turnier O-Ton 30 Michael Weiss Wo wir das in den letzten Jahren genauer in den Blick genommen haben, (..) ist das Rhein-Main-Gebiet, (..) wo man mitkriegt, außerhalb der Städte, auf dem Land, (..) dass sich da Nazibanden bilden, dass sie Macht und Einfluss (..) in den Orten kriegen, die Macht der Straße darstellen, und dann nimmt alles seinen Lauf. Erzähler: Michael Weiss, Mitarbeiter des "Antifaschistischen Pressearchivs und Bildungszentrums Berlin". Dieses Zentrum beobachtet die Neo-Naziszene und trägt seine Erkenntnisse in die Öffentlichkeit. O-Ton Michael Weiss Beispielsweise fällt mir ein Taunusstein, ein Ort bei Wiesbaden, wo eine ganze Neonazi-Generation der 90er-Jahre relativ ungestört älter werden konnte. Im selben Ort haben wir ehemalige Angehörige einer Neonazi-Elitetruppe, selbsternannten, "Schwarze Division Germania", die heute bei renommierten Tanzschulen in Wiesbaden als Sicherheitsdienst vor der Tür stehen, aber gleichzeitig auch noch die Sicherheitsdienste machen bei NPD-Aufmärschen in der Region. Die haben Weinfeste schon vor Jahren bewacht. Die waren der Wachdienst für ganz offizielle Weinfeste, die in Rheinland-Pfalz stattgefunden haben, damals, als sie alle noch aktive Neonazis waren. Da guckt man seit Jahren einfach nicht hin. Eigentlich ist das ein Skandal, dass Kommunen solche Leute engagieren und denen eine Macht-und-Einfluss-Funktion zuteilen. Erzähler: Auf dem Bildschirm seines Laptops zeigt Michael Weiss ein Foto. O-Ton Michael Weiss Wenn man hier auf dieses Bild guckt, sieht man zum Beispiel einen Neonazi aus dem Raum Rüsselsheim, also auch Rhein-Main Gebiet, posiert offen mit Neonazi-T-Shirt, (..) wie man auch sieht, er hat Familie, hat sich wahrscheinlich aus dem aktiven Leben etwas zurückgezogen, (..) die nächsten Bilder (..) zeigen ihn bei der Bundeswehr mit Maschinengewehr in der Hand, das ist vielleicht ein bisschen älter, da sieht man seine Kinder, die mit heidnischen Namen benannt sind, Freya und Odin,(..) beziehungsweise diese entsprechenden T-Shirts tragen, und die nächsten Bilder, die wir dann von ihm sehen, das sind die, wie der mit Anzug, Krawatte und allem möglichen Kram seinem Job als Security-Mann nachgeht. Das sind Sachen, die man in diesen social networks, in diesen internet communities ganz massiv findet, diese direkte Kopplung: Ich mit meinen Nazi-Freunden, ich mit meiner Familie, ich mit meinen Rocker-Kumpels, und ich im Security-Gewerbe. Da gibt es Dutzende von Beispielen. Atmo Im Polizeiauto mit Funkverkehr Erzähler: Samstagnacht auf der Diskomeile von Bremen. Die Polizei patrouilliert in Wagen und zu Fuß. In den vergangenen Jahren war die Diskomeile so etwas wie ein rechtsfreier Raum. Bewaffnete Türstehergruppen kämpften gegeneinander um die Kontrolle der Tanzlokale und des Drogenhandels. Bei einer Schießerei im Jahr 2006 gab es fünf Verletzte, später starb ein Mann durch Messerstiche. Einsatzleiter ist heute Rainer Lange. Atmo Im Polizeiauto mit Funkverkehr O-Ton Wir fahren jetzt vor zu unserer Gaststätte Mirage, das sind unsere osteuropäischen Freunde. Wir haben öfters Stress mit den Leuten, Polizei sehen die nicht gerne, die wollen: "Wir regeln das unter uns! Wir regeln unter uns! Wir regeln unter uns!" Erzähler: Vier Polizisten in Uniform gehen von einer Diskothek zur nächsten und fragen: Wer ist heute als Türsteher eingesetzt? Streifenführer Michael Helberg. O-Ton Ein Herr von der Presse, vom Rundfunk, der mich heut hier begleitet, sich anguckt, was ich hier tun darf. Türsteher: Wunderbar Der auch Ihnen Fragen stellt, was Sie hier tun, wenn Sie möchten nur, sie müssen natürlich nicht ... O-Ton Fasse Wenn wir an den Wochenenden im Bereich dieser Diskomeile aktiv sind, dann haben wir eine Standartmaßnahme: (..) Wir fahren zu allen Türen, zu jeder Diskothek und lassen uns von allen Türstehern die Daten geben, damit wir wissen: Wer war an der Tür, falls es irgendwelche Vorfälle gibt, die später nachermittelt werden müssen, und so kann man auch ein gutes Lagebild erstellen darüber: Sind die Angaben, die uns die Sicherheitsunternehmen machen zu ihrem Personal schlüssig, (..) ist das eine vertrauensvolle Zusammenarbeit, das überprüfen wir jede Nacht, wenn man so will. Erzähler: Dirk Fasse, Leiter der Schutzpolizei. O-Ton Fasse Wir schauen uns das Personal an, schauen nach, was für polizeiliche Informationen haben wir da, ( ... ... ..) halten sie sich an die Absprachen? ( ... ) Gibt es irgendwelche Widerstände, wenn die Polizeibeamten in die Disko möchten? Das gab es zu zurückliegender Zeit, da musste sich die Polizei erst mal Eintritt verschaffen, so was kann nicht richtig sein. Erzähler: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus". - Staatliche Stellen in Bremen, in erster Linie die Polizei, mussten in den vergangenen Jahren viele Kräfte mobilisieren, um die Kontrolle über die privaten Gewaltakteure vor und in den Diskotheken der Stadt in die Hand zu bekommen. Atmo An einer Disko-Tür "Hallo, einmal die Ausweise bitte." Gast: Was ist heute der Eintritt? "Acht Euro." O-Ton Fasse Das ist eines der Muster, auf die wir getroffen sind, dass es Türsteher gab, (..) organisierte Türsteher, wenn man so will, die Einfluss auf die Diskotheken genommen haben. Bis zu Fällen, wo ganz konkret Türsteher so was wie der Mann im Hintergrund, der eigentliche Strippenzieher auch im Sinne von Geschäftsführung für diese Diskothek war. Was beweisbar war ist, dass Türsteher im Drogenhandel aktiv waren. Das auf jeden Fall. Atmo Vor der Disko Mirage O-Ton Will keiner populär werden. Ein bisschen zurückhaltend sind wir. Frage: Worauf passt ihr auf? Auf Ordnung. Viele lassen wir auch nicht rein. Südländer kommen bei uns nicht rein Frage: Warum nicht? Das kann ich nicht genau sagen. Geht einfach nicht. Wir haben unsere Regeln, die wir zu befolgen haben und: geht nicht. Frage: Vom Chef aus? Ja. Frage: Der Chef ist Russe? Russlanddeutscher. Will keiner populär werden. Deswegen. O-Ton Fasse Klar ist, dass es auf der einen Seite (..) Familien mit Migrationshintergrund waren, die sich um diese Türsteherdienste bemüht haben. Wir hatten und haben auch heute noch das Phänomen, dass es auch andere Gruppierungen gibt, (..) die sich auch um Türen bemüht haben. (..) Zum Beispiel gab es eine Diskothek, die hat erst vor wenigen Wochen geschlossen, da gehen wir davon aus, dass die Tür in einer eher deutschen Hand war, (..) möglicherweise Rockergruppierungen. Erzähler: Kämpfe zwischen Türstehergruppen gibt es immer wieder in deutschen Städten. Im März 2008 wurden in Leipzig mehrere Sicherheitsleute schwer verletzt, ein Unbeteiligter starb durch eine Pistolenkugel. O-Ton Fasse Es ist auch bekannt, dass die Hells Angels in Hannover dafür stehen, dass der Rotlicht-Bereich von ihnen mitüberwacht wird. Es ist eine Form der organisierten Kriminalität, (..) also hochorganisiert, sie betreiben ihre Geschäfte professionell, aber es sind deutlich verbotene Geschäfte, (..) Missbrauch von Frauen, Drogenhandel, Waffen, all diese Dinge. Atmo Diskomeile dumpfe Musik aus einer Disko, Stimmen O-Ton Federau Die Hells Angels ? so unsere Erkenntnisse ? sind verantwortlich für den Bereich des Rotlichtviertels in Hannover, dass heißt, dass Personen aus dieser Rockergruppierung die Türsteherszene beherrschen, dort agieren und auch dort in Erscheinung treten. Erzähler: Frank Federau vom Landeskriminalamt Niedersachsen O-Ton Federau Wir wissen aus unseren Ermittlungen, dass es Personen aus dem Umfeld von Rockergruppierungen gibt, die im Bereich von Sicherheitsfirmen ihre Arbeit gefunden haben und dort auch aktiv werden, natürlich kann ich Ihnen kein Unternehmen namentlich nennen. Erzähler: Zwei Firmen in der weiteren Umgebung von Hannover sollen es sein, die mit den Hells Angels zusammen hängen. Die Firma GAB Security aus Walsrode veröffentlicht auf ihrer Website eine Reihe von Referenzen. Eine stammt vom Inhaber einer österreichischen Sicherheitsfirma. Zitator: Ich bestätige Herrn Frank Hanebuth ... Erzähler: Das ist der Präsident der Hells Angels in Hannover Zitator: und der GAB Security GmbH, wo Herr Hanebuth als Berater und Ausbilder tätig ist, die Zusammenarbeit seiner Mitarbeiter in internationalen Security-Projekten wie: Nordische Ski Weltmeisterschaft in Ramsau Tennisturniere in Wien, Mega-Events der österreichischen Bundesparteileitung der FPÖ, Spezialpersonenschutz, Ausbildungstätigkeiten in Israel. Als derzeitiger Geschäftsführer der "Pandora Technik GmbH ? Antiterrorprodukte" habe ich mit Herrn Frank Hanebuth in verschiedenen Spezialprojekten für Sicherheit in Dubai, Israel und Österreich zusammengearbeitet. O-Ton Federau Unser Erkenntnisstand ist so, dass wir hier in Hannover eines der größten Chapter haben. Wir haben (..) circa 40 Personen, die diesem engeren Zirkel zugerechnet werden. Da wissen wir auch, dass (..) durch diese Tätigkeit dort, für die Sicherheit zu sorgen, ein Entgelt gezahlt wird, auch offiziell gezahlt wird, und einige Personen davon ganz normal leben können. Erzähler: Beileibe nicht alle privaten Wachleute sind Rocker oder tendieren zur rechten Szene. Es gibt sogar Sicherheitsfirmen, deren Gründer in ihrer Jugend Hausbesetzer oder Punk-Musiker waren und sich damals mit Neonazis Schlägereien lieferten. Heute nutzen sie ihr linkes Image und bieten ihren Kunden garantiert nazifreies Sicherheitspersonal. Eine kleine Minderheit, etwa acht Prozent der Wachleute, sind Mitglieder der Gewerkschaft ver.di. 4. Marzahn-Szene Erzähler: Thomas und Mathias sind kräftige Männer Ende 20. Thomas trägt extrem dicke Muskeln zum kahlrasierten Schädel. Er arbeitet auch als Kaufhausdetektiv. Mathias sagt: O-Ton Matthias: Was machen wir fürn Sport. Jeder, was ihm Spaß macht. Viele Leute boxen, viele machen Wing tsung, Messerabwehr, Karate, jeder, was ihm Spaß macht. (..) Frage: Es gibt auch Firmen, die bieten so was an. Gibt's bei uns auch, bei uns wird Karate geschult. Wir treffen uns in regelmäßigen Abständen und machen Karate. (..) Das ist das, was die Firma macht, trotzdem macht jeder seinen Sachen noch selber. Die Firma ist da hinterher, dass sie sieht, wie fit ihre Mitarbeiter sind. Deswegen kommen in regelmäßigen Abständen so ... Sporttest möchte ich es nicht gerade nennen, aber wo man guckt, wer wo einsetzbar ist natürlich. Frage: Man wird überprüft, dass man körperlich dem Job gewachsen ist? Thomas: Das stimmt, ja. Frage: Gibt's einen Betriebsrat in Ihrer Firma? Thomas: Betriebsrat? Brauchen wir nicht. Bei uns herrscht Frieden. Bis jetzt ist es nicht nötig gewesen. Ich kenne keinen, der sich über irgendwas groß beschwert. Erzähler: Sagt Thomas, während Matthias im Auto telefoniert. O-Ton Matthias: Wir haben jetzt das Problem, dass die Kollegen gerade Ärger haben, deswegen fahren wir jetzt da unterstützend mit rüber. Los komm! Atmo Autofahrt Anruf (Radetzkymarsch) Thomas: Ja? Bitte, im Innenhof, die 4, ja? Alles klar. O-Ton Bodo Lützenberg Wir haben sehr schlechten Kontakt zu Jugendlichen, sowohl als Mieterbeirat, Bürgerinitiative und auch als Linke. Wir sind mehr und mehr alte Anwohner. Unsere Enkel wohnen nicht mehr hier, unsere Kinder auch nicht, weil die der Arbeit nachgezogen sind. Es gibt einen Austausch. Wir haben eine zunehmende Zahl von ganz jungen Ehen, allein erziehenden Müttern mit Kindern, die Jungendlichen, (..) die treffen sich mit der Bierflasche in der Hand, an der Ecke, wie wir das auch gemacht haben, nich. Erzähler: Ein kleiner Park zwischen stillen, dunklen Hochhäusern. Vier Sicherheitsleute sind schon da, als Thomas und Matthias hinzukommen. O-Ton Der Anführer: Ich lauf jetzt nirgenswohin. Wir wohnen hier, wir sind hier aufgewachsen. Stimmengewirr. Wachleute: Das ist sinnlos! Total sinnlos! Der Anführer: Ich bin der Älteste von allen. Erzähler: Matthias geht auf die Betrunkenen zu und redet auf sie ein. Atmo Geschrei Der Älteste: Ist gut, setz dich bei uns hin. Schritte, die sich entfernen Erzähler: Matthias und der Älteste der Betrunkenen gehen ein Stück beiseite und verhandeln. Die anderen Sicherheitsleute stehen in einer losen Reihe den Betrunkenen gegenüber. Atmo Explosives Geschrei. Dann entfernt sich die Gruppe hörbar. Beratung unter den Wachleuten Matthias: Die gehen in ihre Kneipe wieder zurück und bleiben da auch, das hat er mir versprochen. Oder wir schicken generell die Polizei. Oder warte. Warte noch eine Sekunde vielleicht erst mal. Atmo: Rufe der Betrunkenen von ferne. Anderer Wachmann: Die beiden anderen, nicht die mit denen du geredet hast, die waren eigentlich ... Thomas: So voller Drogen ... Frage: Wie haben Sie mit ihm geredet? Matthias: Reden, reden, reden! Ihn in unsere Lage versetzen, wir versetzen uns ja auch in seine, (..) er will nachher auch in Ruhe in seinem Bett liegen, wir auch, das funktioniert eigentlich immer ... . meistens. ( ... ) Wir wollen Respekt, die wollen Respekt, und dann ... Atmo Flasche zerschellt auf dem Pflaster ... passt das auch. (Ende der 4. Marzahn-Szene) Zitator: "Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus." Erzähler: Bei den Behörden der Bundesrepublik sind die gefährlichen Seiten des privaten Sicherheitswesens gut bekannt. Die Landeskriminalämter und der Verfassungsschutz beobachten, wie organisierte Kriminelle und Neonazis im Sicherheitsgewerbe Fuß fassen. Dennoch: Zitator: Private Sicherheitsdienstleister sind ein wichtiger Bestandteil der Sicherheitsarchitektur in Deutschland. Erzähler: Heißt es im "Programm Innere Sicherheit" der "Ständigen Konferenz der Innenminister". Und: Zitator: Die Polizei arbeitet konstruktiv mit privaten Sicherheitsdienstleistern zusammen. Erzähler: Dieses Programm stammt schon von 1998. Es wird von Jahr zu Jahr fortgeschrieben und von den Ländern und Stadtgemeinden umgesetzt: Die Polizei schließt Verträge mit Sicherheitsunternehmen, um die Zusammenarbeit im Einzelnen zu regeln. Frankfurt am Main und Düsseldorf waren Vorreiter, Hamburg und Hannover folgten. Viele solcher Verträge gibt es in Ostdeutschland. Aber bisher keinen einzigen in den Bundesländern Bayern, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. O-Ton Man sieht mich tagtäglich hier in Uniform rumlaufen, da bleibt es nicht aus, dass man bekannt ist, die Musiker, die kennen uns alle schon so lange, da werden wir gegrüßt. Erzähler: Zwei Jungen mit Schulheften kommen auf den Wachmann zu. O-Ton Junge: Wissen Sie, wie dieses Haus hier heißt, dieses Gebäude? A.: Ja, das ist die Bremer Bürgerschaft. Junge: Die Bürgerschaft? A.: Ja, genau! Junge: Okay, danke schön. Erzähler: In Bremen schloss die Polizei Ende 2009 einen Kooperationsvertrag mit privaten Sicherheitsunternehmen, musste ihn aber nach Protesten vorerst wieder aussetzen. Dieser Vertrag macht die privaten Wachleute zu Hilfspolizisten, die auf ihren Jacken und Autos den Schriftzug führen dürfen: "Wir unterstützen die Polizei". O-Ton A.: Guten Tag. Das Abstellen von Fahrrädern ist in der Passage nicht erlaubt. Frau: Okay, das werde ich mir merken. A.: Dankeschön. Erzähler: Der Wachmann hält eine Frau an, die durch die Passage radelt. Sie steigt ab. O-Ton Die können auch einfach weiterfahren. Aber wie gesagt: Die sehen eine Uniform und steigen dann ab. Erzähler: Seine Uniform ähnelt einer Polizeiuniform. Nur das Namensschild, das viele Polizisten tragen, fehlt. O-Ton Frage: Kann ich Ihren Namen erfahren? Das ist mir lieber, wenn nicht. Da wir ja einige Gruppen haben, die uns vom sehen her kennen, da könnte man privat auch Ärger bekommen. Erzähler: Die neuen Kooperationpartner der Polizei bevorzugen die Anonymität. Der Vertrag sieht vor, dass sie der Polizei melden, was sie auf ihren Patrouillen beobachten. Ein Entgelt bekommen sie dafür nicht, aber sie erhalten ständig Einblick ins Lagebild der Polizei. Die Staatsgewalt, die laut Grundgesetz vom Volke ausgehen, also demokratisch kontrollierbar sein soll, integriert nun private Wachleute, die nicht dem Gemeinwohl, sondern dem Gewinninteresse ihrer Firmen verpflichtet sind. O-Ton Göbel Genau darin liegt die Gefahr. Erzähler: Horst Göbel, Gewerkschaft der Polizei O-Ton Göbel Wir dürfen überhaupt gar nicht den Verdacht aufkommen lassen, (..) dass wir das vermischen. Wir dürfen hoheitliche Aufgaben nicht vermischen mit den Bedürfnissen von privaten Sicherheitsunternehmen. Erzähler: Vor einem Juweliergeschäft steht ein Wachmann, ganz in Schwarz gekleidet. Seine Pistole trägt er gut sichtbar am Gürtel. O-Ton Frage: Ist es Problem für Sie, Waffe zu tragen? (lacht) Die Frage ist schwer zu beantworten. Problem? Nein, Problem nicht. Ich bin dafür ja geschult worden. Kein Problem, nein. Frage: Werden Sie oft gefragt? Ja, des Öfteren, kommt vor. Die Reaktion darauf ist nicht immer positiv, aber wir sind darauf geschult, wir wissen, wie man damit umzugehen hat, wir sind keine Rambos, deshalb sollte man das etwas locker sehen. ( ... ) O-Ton Göbel Die Handlungen unserer Kollegen müssen jederzeit rechtlich überprüfbar sein. Bei den Menschen, die bei den privaten Sicherheitsdiensten arbeiten, die sind damit hoffnungslos überfordert. Wir haben es mit Menschen zu tun, die im Sicherheitsgewerbe für sehr viel weniger Geld arbeiten, (..) wir haben natürlich es dort auch zum Teil es mit Menschen zu tun, wo es problematisch ist, die im Sicherheitsbereich einzusetzen. Frage: Darf ich Sie auf den Thorshammer ansprechen? Nein, warum? Erzähler: Der Mann trägt um den Hals ein Abzeichen, kaum größer als ein Zwei-Euro-Stück. Es zeigt einen stilisierten Hammer, die Waffe des germanischen Donnergottes Thor. In der rechten Szene gilt der Thorshammer als Erkennungszeichen. O-Ton Jeder hat eine Religion, meine ist eben diese. Frage: Hat das was mit rechtsextrem zu tun? Das möchte ich mir verbitten und möchte, dass das Gespräch jetzt zu Ende ist. 5. Szene Marzahn Erzähler: In Berlin-Marzahn scheitern die Sicherheitsleute an den Betrunkenen. O-Ton Matthias: Jetzt kriegen sie sich gerade unternander , weil die anderen wollen für Ruhe sorgen, zwei, drei wollen immer noch stänkern. Erzähler: Schließlich rufen sie doch die Polizei. Drei Beamten kommen, erteilen den Betrunkenen Platzverweise und drohen ihnen mit Anzeigen. Sofort kehrt Ruhe ein, die Polizisten gehen zu ihrem Streifenwagen zurück. O-Ton Matthias: Ihr habt heut viel zu tun? Polizist: Freitag, in Marzahn, aber hallo! Matthias: Viel mit Alkohol? Polizisten: Wie immer, alles klar, tschüs. Matthias: Wir verstehen uns mit den Polizisten recht gut. Wenn wir sie rufen, hat es schon einen Grund. Weil wir nicht weiterkommen. Jetzt hier, mit der körperlichen Auseinandersetzung, das müssen wir ja auch nicht haben. Atmo Telefon (Radetzkymarsch) Erzähler: Es ist schon zwei Uhr durch, in einer knappen Stunde endet die Schicht der "Lärmpolizei". Die Zentrale ruft Thomas und Matthias zu einem neuen Einsatz. Wieder ist der Anlass: Ruhestörung durch Jugendliche. O-Ton Mathias: Ich bin seit sechs Jahren, seit sieben Jahren jetzt hier. Ich muss ehrlich sagen, es macht mir jeden Tag wieder neu Spaß. Klar hat man auch mal eine schlechte Phase, aber, ich mag den Beruf sehr, ich bin sehr zufrieden, hier arbeiten zu können. Atmo Telefon Absage: Wachleute ? Türsteher ? Neonazis Die private Sicherheitsbranche in Deutschland Von Michael Weisfeld Mit Karl-Rudolf Menke und Herbert Schäfer Ton und Technik: Ute Hesse und Sonja Röder Regie: Iris Drögekamp Redaktion: Wolfram Wessels Eine Produktion des Südwestrundfunks mit dem Deutschlandfunk 2010 36 36