COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Die Reportage 13. Januar 2013 Sun City - die Mutter aller Rentnerstädte von Tom Noga Regie Atmo 1 (Autofahrt) startet Erzähler Art Jenkins gleitet mit seinem Wagen durch eine Siedlung, die aussieht wie auf dem Reißbrett entworfen. Über breite, menschenleere Straßen, vorbei an uniformen, erdfarbenen Bungalows und klinisch sauberen Vorgärten. Die Fenster hat er hoch gekurbelt, die Klimaanlage voll aufgedreht - draußen sind es über 30 Grad. Es ist kurz nach sechs Uhr abends, und Art Jenkins' Schicht in Sun City, Arizona, hat gerade begonnen. O-Ton 1 Art Jenkins "I've got 3 cars out plus myself. We have basically divided into 3 divisions. Division 1 is the south end, division 2 is the center and division 3 is the far north. Sun City is 5,5 miles long and 2,5 miles wide and we probably have more police cars out in the streets than most any city in the United States." Länge: 0:28min Sprecher 1 Voice Over Art Jenkins "Außer mir sind noch drei weitere Wagen draußen. Wir haben Sun City in drei Sektion aufgeteilt: den Süden, das Zentrum und den Norden. Sun City knapp 9 Kilometer lang und 4 Kilometer breit - wir haben im Verhältnis zur Fläche wahrscheinlich die meisten Polizeiwagen von allen Städten der USA auf den Straßen." Regie Knacker am Ende von OT 1. Muss mit Atmo 2 (Funk) kaschiert werden. Erzähler Die Betonung liegt auf PolizeiWAGEN. Denn Art Jenkins patrouilliert zwar in einem echten Fahrzeug der Polizei, schwarz-weiß mit Sheriffstern an der Seite, mit Plexiglasscheibe zwischen Vorder- und Rücksitzen und Blaulicht auf dem Dach. Aber ein Gesetzeshüter ist er nicht. Er gehört der Sun City Posse an, einem Trupp Senioren, die in den Straßen ihrer Stadt Dienst schieben. Senioren wie Art Jenkins, 67 Jahre alt, ehemaliger Spediteur bei einer weltweit operierenden Reifenfirma, graues, immer noch volles Haar und stahlblaue Augen. O-Ton 2 Art Jenkins "So, if you've got a bad guy thinking of breaking into this car there and he sees this car come by, he will think twice about it. The whole concept is that we give the perception that there are mire police in town than there really are." Länge: 0:16min Sprecher 1 Voice Over Art Jenkins "Wenn ein böser Bube in das Auto da vorne einbrechen möchte und meinen Wagen sieht, überlegt er es sich noch einmal. Das ist die Idee dahinter: Wir erwecken den Eindruck, dass mehr Polizei unterwegs ist als in Wirklichkeit." Erzähler 160 Mann ist die Posse stark, erzählt Art Jenkins, während er aus der Siedlung auf eine vierspurige Hauptstraße biegt, sie hat 14 Streifenwagen und sechs QAP. Das steht für Qualified Armed Posseman - ein Mitglied des Trupps, das berechtigt ist, im Dienst eine Pistole bei sich zu führen. Art Jenkins ist unbewaffnet. O-Ton 3 Art Jenkins "I have no interest in carrying a gun." Länge: 0:03min Erzähler Wie alle Mitglieder der Posse verrichtet Art Jenkins seinen Dienst unentgeltlich. Normal, findet er, Sun City sei schließlich die City of Volunteers, die Stadt der Ehrenamtlichen, fast jeder Einwohner ist irgendwo aktiv. Zeit genug haben die Menschen, denn die meistens sind Rentner. Wer in Sun City leben möchte, muss mindestens 55 Jahre alt sein, Kinder sind nur als Besucher erwünscht - an maximal 90 Tagen im Jahr gestattet. Regie Atmo 1 (Autofahrt) startet Erzähler Art Jenkins kurvt über den Parkplatz eines Einkaufzentrum. Plötzlich wird er stutzig. Zwei Männer stehen an einem Geländewagen. Dass sie nicht hier her gehören, ist auf den ersten Blick klar: Sie sind Anfang 20. Regie Blende zu Atmo 3 (kids) startet Art: "Oh we are getting down here..." (Fährt auf Parkplatz, öffnet Fenster) Art: "Everything alright fellows?" (Gemurmel im Hintergrund, einer sagt: "Have a nice one") Art: "Yes Sir, you too." (Fährt an, schließt Fenster) Blende zu Atmo 1 ((Sprecher 1 Voice Over Art Jenkins "Da müssen wir mal nachgucken" "Alles klar, Jungs?" "Dann noch einen schönen Abend.")) Erzähler Die jungen Männer mögen nicht hierher gehören, andererseits hat Art Jenkins keine Handhabe, sie zu vertreiben. Sun City ist keine gated community, keine geschlossene Siedlung, zu der nur Bewohner und deren Gäste Zutritt haben. Mehrere Hauptverkehrsstraßen führen hindurch und Highway 60 - er verbindet Arizonas Hauptstadt Phoenix mit dem Westernkaff Wickenburg. Regie Atmo 1 (Autofahrt) startet Erzähler Art Jenkins zweigt in die nächste Wohngegend ab, vorbei an einem Golfplatz und einem künstlichen See. Die Häuser hier sind deutlich individueller, mal azurblau gestrichen, mal zinnoberort. In den Vorgärten dominiert, was Art Jenkins desert landscaping nennt: kein Grün, viele Steine, dazwischen Kakteen und ab und an ein Tierskelett. Regie Blende zu Atmo 4 (Terrasse Lovegroves) Erzähler In einem dieser Häuser wohnen die Lovegroves. Sie sitzen unter einem Sonnendach auf der Terrasse und genießen den Blick auf den Golfplatz. Paul Lovegrove ist klein mit dünnen Haaren und knolliger Nase. Er redet schnell und hastig - wenn er mal zu Wort kommt. Seine Frau Karen ist eine gemütliche Dame mit blondierten Haaren. Sie spricht bestimmt - keine Frage, wer in dieser Beziehung das Sagen hat. O-Ton 4 Karen Lovegrove "We came to Sun City in 1995 We were working full-time, thank God cause we were putting a lot on money in the house to make it ours. We could have left it and not done any changes at all but to us tit had good bones. It has block construction. All it needed was rip up the carpet and paint. Slowly we upgrade the kitchen and the bathrooms. We didn't care about the amount of money we put in because we had no plans to move, we are not doing it to sell it." Länge: 0:36min Sprecherin 2 Voice Over Karen Lovegrove "Wir sind seit 1995 in Sun City. Damals haben wir noch Vollzeit gearbeitet, Gott sei Dank, denn wir haben viel Geld in das Haus gesteckt, um es zu unserem zu machen. Wir hätten auch alles so lassen können, aber die Struktur ist gut, komplett aus Stein. Wir haben die Böden erneuert und gestrichen und nach und nach Küche und Bad auf den neuesten Stand gebracht. Dabei haben wir nicht aufs Geld geguckt, wir wussten ja, dass wir nie mehr umziehen würden, wir haben das nicht gemacht, um später zu verkaufen." Erzähler Und sie haben umgebaut, das Haus um den ehemaligen Patio erweitert und dort, wo der Garten war, die Terrasse errichtet. Nun haben sie drei Schafzimmer und zwei Bäder - Platz genug, wenn Kinder und Enkel zu Besuch kommen. Als sie nach Sun City gezogen sind, waren sie weit und breit die einzigen, die noch gearbeitet haben. Aber das Platzen der New- Economy-Blase 2001 und die aktuelle Wirtschaftskrise haben viele, der traditionell auf Aktien basierenden Rentenpläne in den USA zerstört. O-Ton 5 Karen Lovegrove "We see neighbors driving off and going to work. There's a guy at the far end of our cul-de-sac, he's gone for days and then his car be back, e has a disabled wife, I don't know what he does. And then there's another one on the corner." Länge: 0:18min Sprecherin 2 Voice Over Karen Lovegrove "Wir sehen Nachbarn morgens zur Arbeit fahren. Ein Typ am Ende der dieser Sackgasse ist tagelang weg, er hat eine behinderte Frau, keine Ahnung, was er macht. An der Ecke hier vorne wohnt auch einer, der oft weg ist." Erzähler Karen Lovegrove serviert Kaffee - dünn wie üblich in den USA. Das mit der Arbeit im Rentenalter ist normal in ihrer Generation. Pete war bis vor zwei Jahren bei einer Werbagentur in Phoenix beschäftigt, dann wurde sein Job gestrichen. Das Geld fehlt schon, andererseits fällt die Fahrerei weg, 50 Kilometer pro Strecke. Mit einem An- und Verkauf im Internet bessern die Lovegroves ihre Minirenten auf. Und Pete arbeitet als freier Grafiker, wann immer er etwas findet. Grund zur Klage? Karen Lovegrove schüttelt den Kopf. In Sun City ist alles nur ein paar Fahrminuten entfernt, die Freizeitanlage mit Bowlingbahn, Werk- und Bastelräumen, die Konzerthalle, das Einkaufzentrum. Billiger als in Phoenix, ihrer Heimatstadt, ist es auch: 90.000 Dollar haben sie für ihr Haus bezahlt, dort wäre es locker das Dreifache gewesen. Sorgen, dass ihre Wohngegend herunterkommt müssen sie sich auch nicht machen. Wer in Sun City lebt, unterwirft sich strengen Regeln. Festgelegt ist, wie viele Personen pro Haus erlaubt sind, wo Wäsche getrocknet werden darf, wie Außenanlagen auszusehen haben. O-Ton 6 Karen Lovegrove "We have a house two doors down from us, the woman lives in Colorado. She very seldom comes here. No one watches the house, no one take care of the yard, weeds grow. We have the right as homeowners to complain to the homeowners association. And they make her clean it up. They did it one and it cost her 600 dollars for them to come out and get weeds out of her yard. And we are about to complain again because she hasn't responded at all." Länge: 0:28min Sprecherin 2 Voice Over Karen Lovegrove "Die Frau zwei Türen weiter lebt die meiste Zeit in Colorado. Niemand passt auf ihr Haus auf, im Vorgarten wächst Unkraut. In solchen Fällen haben wir das Recht, uns bei der Vereinigung der Hauseigentümer von Sun City zu beschweren. Sie haben dafür gesorgt, dass der Vorgarten in Ordnung kam, das hat die Frau 600 Dollar gekostet. Jetzt sind wir kurz davor uns wieder zu beschweren, weil sie auf unsere Anrufe nicht reagiert." Erzähler Pete nickt. Letztes Jahr hat er selbst Hand angelegt, so sehr hat er sich durch den verwilderten Vorgarten in seinem ästhetischen Empfinden beleidigt gefühlt . Das kostet nicht nur Nerven. Es kostet auch Zeit und vor allem Geld. Und auf das Dankeschön wartete er noch immer. Und dann sind da die Nachbarn rechts, fällt Karen ihm ins Wort. Sie halten sich nur drinnen auf, der Garten verkommt. Lange hat Karen den Ärger ins sich hinein gefressen. Dann hat sie die Nachbarin eingeladen, damit diese mal sieht, worauf sie jeden Tag blickt. O-Ton 7 Karen Lovegrove "She said, oh my... Cause she had never been out and looked at it. They hired someone to clean up the yard, so you have to be open with your neighbors. It's pride in the neighborhood." Länge: 0:12min Sprecherin 2 Voice Over Karen Lovegrove "Sie war entsetzt, sie war ja nie draußen gewesen. Und sie hat jemanden fürs Aufräumen des Gartens angeheuert. Man muss seinen Nachbarn gegenüber offen sein, so entsteht Stolz auf die Nachbarschaft." Regie Blende zu Atmo 1 O-Ton 8 Art Jenkins "Isn't that exciting? It's almost like real police work in that you can drive around and do virtually nothing for hours and then it gets crazy on you." Länge: 0:10min Sprecher 1 Voice Over Art Jenkins "Wie aufregend, fast wie richtiger Polizeiarbeit, wo du auch stundenlang nichts zu tun hast und dann geht es plötzlich ab." Erzähler Nur dass es noch nicht abgegangen ist in der Schicht von posseman Art Jenkins. Ein medizinischer Notruf ist rein gekommen - den hat ein anderer Streifenwagen übernommen. Art Jenkins hat die Stadt vor über zwanzig Jahren kennen gelernt, er war damals in seinen 40ern und hat in Phoenix gelebt. O-Ton 9 Art Jenkins "Back then Sun City was kind of a joke, you know, a bunch of old people, Cadillacs and cataracts,. Blue hair ands white knuckles and those things. Then I moved to California and stayed there for a couple of years. By now I'm in my middle 50's and the more I think about it, the more attractive Sun City seems to be to me. So we bought a house, not intending to live around here for some time but just to have it. Seven months later I got downsized and I said, ok, no problem, I am going to live in Sun City." Länge: 0:36min Sprecher 1 Voice Over Art Jenkins "Damals war Sun City ein Witz für mich, ein Haufen alter Leute, Cadillacs und grauer Star, blaue Haare und adrige Hände, so was halt. Dann bin ich nach Kalifornien gezogen. Ein paar Jahre später, ich war Mitte 50, schien mir Sun City plötzlich ganz attraktiv. Wir haben ein Haus hier gekauft, ein paar Monate später wurde in meiner Firma Personal abgebaut. Und ich habe mir gesagt: Okay, dann lebe ich halt in Sun City" Erzähler Zehn Jahre ist das her. Und Sun City wäre das Paradies auf Erden, wenn Kinder und Enkel nicht so weit entfernt an der Ostküsten lebten. Mittwochs und samstags spielt Art Jenkins Golf - auf einem von elf Greens in der Rentnerstadt, montags geht er schwimmen - in einem von sieben Freizeitzentren. Seine Frau ist in der Häkel- und Bastelgruppe aktiv. Wer sich in Sun City langweilt, ist selber Schuld. Sagt Art Jenkins. Regie Blende zu Atmo 5 (fire) (Funk) Art. "We are going to a fire, 23614 103rd Avenue." Erzähler Ein Feuer. Art Jenkins gibt Gas. Blaulichtfahrten sind ihm nur erlaubt, wenn die Polizei sie anordnet. Einmal war das in acht Jahren bei der Posse der Fall, bei einer Geiselnahme. Bei der stellte sich später heraus: ein alter Mann hatte sich verirrt. Das war´s. Regie Atmo 5 bei 1:05 hoch ziehen Art. "It's maybe outside of Sun City. We are going to check it out." Blende zu Atmo 1 Erzähler Er fährt, exakt mit der erlaubten Höchstgeschwindigkeit von 35 Meilen pro Stunde, über einen vierspurigen Boulevard. Die Häuser hier sind größer, sie stehen nicht so dicht - eine gehobene Wohngegend. Art Jenkins beugt sich vor und sucht den Himmel ab. O-Ton 10 Art Jenkins "I'm looking for the flames. It's outside of Sun City, that fire. It shouldn't be too far outside of Sun City Oh well, I thought we'd have a little excitement." Länge: 0:20min Sprecher 1 Voice Over Art Jenkins "Ich gucke nach den Flammen, eigentlich sollte ich sie sehen... Dann ist das Feuer wohl außerhalb von Sun City, aber zu weit draußen sollte es auch nicht sein. Na ja, ich dachte wir hätten ein wenig Aufregung." Regie Blende zu Atmo 6 (Visitors Center). Soll kurz frei stehen Erzähler Paul Herrmans Büro ist klein und voll gestopft. Auf seinem Schreibtisch türmen sich Papiere, auf den Schränken Broschüren. An den Wänden Urkunden. Eine weist ihn als "Citizen of year 2010" aus. O-Ton 11 Paul Herrman "That was something the chamber of commerce..., I was voted the citizen of the year because a lot of people refer to me as Sun City's mayor. We don't have a mayor, we don't have a city council, we are juts an unincorporated community. But I've been doing my job for 12 years now and people are looking at me as being our mayor." Länge: 0:23min Sprecher 3 Voice Over Paul Herrman "Diese Auszeichnung wurde mir von unserer Handelskammer verliehen, weil ich als Bürgermeister von Sun City gelte. Fälschlicherweise, denn wir haben keinen Bürgermeister, auch keinen Stadtrat, genau genommen sind wir nicht einmal eine Stadt. Aber ich mach den Job seit 12 Jahren, und die Leute sehen mich als ihren Bürgermeister." Erzähler Offiziell leitet Paul Herrmann das Visitors Center, die erste Anlaufstelle für Leute, die hier hinziehen möchten. Sun City ist eine private Wohnsiedlung, Anfang der 1960er Jahre aus dem Boden gestampft von Del Webb, einem Investor, der als erster das Bedürfnis künftiger Generationen nach einem anderen, einem aktiven Lebensabend erkannte. Nach Fertigstellung überlässt er Sun City sich selbst. Höchstes Organ ist der Vorstand der Vereinigung der Hauseigentümer. Paul Herrman hat lediglich eine ausführende Funktion. Regie Atmo 6 als Trenner kurz hoch ziehen Erzähler Er schlägt eine Broschüre auf, die Geschichte von Sun City, vom Grand Opening am 1.Januar 1960, als die ersten Häuser der Öffentlichkeit präsentiert wurden bis ins Jahr 2012. 20.000 Einwohner zählt die Rentnerstadt heute, noch einmal so viele Menschen leben in den ebenfalls von del Webb entwickelten Nachbargemeinden Sun City West und Sun City Grand. Nach diesem Muster sind überall im Land Rentnersiedlungen entstanden, vor allem in Arizona und Florida. Der Markt ist groß, sagt Paul Herrman, aber auch hart umkämpft. O-Ton 12 Paul Herrman "Back in 1960 through 1970 until 1978 when we were built, dirt was cheap. Just the cost of land nowadays for these new developers is enormous. So you end up with, we have 7 recreation centers, Sun City West is don to 4, Sun City West to 2. Sun City West started in 1978 and they were built out in the mid 80's, Sun City Grand just built out a few years ago. The other thing is that most of the communities now they are all sitting inside cities, you don't find them in unincorporated communities anymore, so you are paying city taxes and government and all the rest of these things." Länge: 0:42min Sprecher 3 Voice Over Paul Herrman "In unserer Bauphase, in den 60ern und 70ern, bis 1978, war Brachland billig. Allein fürs Land müssen die Bauträger heute enorme Summen aufwenden. Und das hat Auswirkungen: Wir haben 7 Freizeitanlagen, Sun City West, in den 80ern fertig gestellt, hat 4, Sun City Grand, das vor ein paar Jahren ausgebaut war, nur noch 2. Außerdem gibt es kaum noch freies Land. Deshalb liegen die meisten neuen Rentnersiedlungen auf Stadtgebiet, man zahlt lokale Steuern, Abgaben für die Stadtverwaltung und ähnliche Dinge." Erzähler Paul Herrman ist groß und schlaksig, Haar und Bart sind millimeterkurz. Seine Worte untermalt er mit ausladenden Handbewegungen. Sun City kennt er seit den Gründungsjahren - schon seine Eltern haben ihre letzten Jahre hier verbracht. Im Grunde, sagt er, ist das Leben in Sun City günstig. Weil es keine Kinder gibt, fallen keine Schulsteuern an. Und weil die Bürger und Bürgerinnen sich ehrenamtlich engagieren, vom Visitors Center über die Posse bis zur Aufsicht in den Freizeitzentren, liegen die Kosten für die Benutzung aller Einrichtungen bei konkurrenzlos günstigen 444 Dollar - pro Haushalt und Jahr. Nur Golf kostet extra: fünf Dollar pro Runde. Das alles stellt Paul Herrman in Anzeigen heraus, die er in Seniorenzeitungen schaltet, und in den Broschüren die er herausgibt. O-Ton 13 Paul Herrman "We don't want people to look at us as being the bargain basement community, this is why we use the word value. We have the most to offer at the best value. Right now the houses are about 50.000 dollars off what thy were in 2005. If they buy this house today and put this extra 50.000 dollars into remodeling it they are finding that they end up with a much better quality home house than some of the homes being built in these new communities. Plus they have the best community from the standpoint of amenities and fees. So it's a win-win, and that's the story we are trying to get out there." Länge: 0:38min Sprecher 3 Voice Over Paul Herrman "Wir möchten nicht, dass die Leute uns als Schnäppchen sehen, wir bezeichnen uns lieber als preiswert. Nehmen Sie die Immobilienpreise: Unsere Häuser liegen heute rund 50.000 Dollar unter dem Höchststand im Jahr 2005. Wer jetzt kauft und diese 50.000 Dollar in den Umbau steckt, hat am Ende ein viel besseres Haus als in den meisten neueren Siedlungen. Und er hat das beste Gemeinwesen, was die Freizeitmöglichkeiten und Gebühren angeht. Das ist eine Konstellation, bei der man nur gewinnen kann." Regie Blende zu Atmo 1 O-Ton 14 Art Jenkins "9:30 at night, it's dark and she is just out the walking her do without any care in the world. What other city can you have enough confidence and security that you can do that?" Länge: 0:17min Sprecher 1 Voice Over Art Jenkins "Halb zehn abends, es ist dunkel, und die alte Dame dort führt ihren Hund aus, völlig sorglos. Wo sonst kann man das machen?" Erzähler Natürlich nirgends, jedenfalls nicht in amerikanischen Vorstadtsiedlungen mit ihren ausgestorbenen, schlecht beleuchteten Straßen. Art Jenkins gähnt. Es geht auf Mitternacht zu, seit sechs Stunden fährt er Streife, und es nichts passiert. Ein ganz normaler Abend für den posseman. O-Ton 15 Art Jenkins "The crime rate in Sun City is extremely low. What we get here for the vast majority is crimes of opportunity. People leave their garage doors open and somebody goes by and runs in and steals their golf clubs or chainsaw or whatever." Länge: 0:20min Sprecher 1 Voice Over Art Jenkins " Wir haben sehr wenig Kriminalität hier in Sun City, und wenn, dann sind es meist Gelegenheitsverbrechen: Die Leute lassen ihr Garagentor offen, jemand kommt vorbei und stiehlt die Golfausrüstung oder die Kettensäge." Erzähler Art Jenkins kurvt über Nebenstraßen, über denen wohltuende Schläfrigkeit liegt. Halt! Er setzt zurück. Regie Blende zu Atmo 7 (Grarage) Art (bei 0:12): "I'm gonna approach." Erzähler Tatsächlich, ein offenes Garagentor. Das muss er sich näher angucken. Er richtet den Suchscheinwerfer auf die Garage. Regie Atmo 7 bei 0:27min hochziehen Art: "If I wanted these golf clubs they'd be mine." Erzähler Die Golfausrüstung könnte er mitgehen lassen. Stattdessen steigt er aus und klingelt. Regie Atmo 7 bei 1:30min hochziehen Art: "Hi there, I hate to disturb you but I noticed that your garage door is open. And I wondered if you needed all those golf clubs in there." Sprecher 1 Voice Over Art Jenkins "Hallo, entschuldigen Sie die Störung, aber ihr Garagentor ist offen, und ich habe mich gefragt, ob Sie die Golfausrüstung da drin noch brauchen." Erzähler Die Hausbesitzerin lacht verlegen, natürlich braucht sie die Golfschläger noch. Tagsüber lässt sie das Garagentor meist offen, weil's drinnen sonst so stickig ist. Und jetzt, nach Einbruch der Dunkelheit, hat sie wohl vergessen, es zu schließen. Regie Atmo 7 bei 2:30min hochziehen. Einsteigen, Anlassen und Anfahren sollen frei stehen. Erzähler Wieder im Streifenwagen. Art Jenkins lächelt zufrieden. Das war seine gute Tat für den heutigen Abend. Regie Atmo 7 bei 2:47min hochziehen. Einsteigen, Anlassen und Anfahren Art: That was my good deed fort he night." Blende zu Atmo 8 (Tanz1). Soll kurz frei stehen Erzähler Sie gleiten übers Parkett, wie jeden Mittwochnachmittag. Wange an Wange, eng umschlungen. Zur Musik aus einer weit entfernten Zeit, einer Zeit, als sie noch jung waren. Die Paare um sich herum, vielleicht ein Dutzend, scheinen sie nicht wahr zu nehmen. Und sie haben sich fein gemacht: er im Smoking, sie im Abendkleid. Allein damit fallen sie bei diesem Tanztee aus dem Rahmen. Regie Atmo 8 als Trenner kurz hoch ziehen. Dann Blende zu Atmo 9 (Pause) Erzähler Pause im Festsaal der Freizeitanlage auf der Bell Road, der größten in Sun City. Die Tanzpaare gehen auseinander, man gruppiert sich neu, für ein Schwätzchen oder Softdrink. Diese beiden nicht. Sie sitzen abseits, tauschen verliebte Blicke. Cliff und Margie Ridgway sind seit März 2009 verheiratet. Kennen gelernt haben sie sich im Singles Club von Sun City. O-Ton 16 Cliff Ridgway "I sat around for about 3 years after my first wife died and then I went down there enjoying the place. There's always 15 women to one man, in this area. I saw this woman there, she was also a photographer and she maintained also the website for the singles club." Länge: 0:24min Sprecher 1 Voice Over Cliff Ridgway "Nach dem Tod meiner ersten Frau, saß ich drei Jahre herum, dann ging ich hin. Es gefiel mir gut, ein Mann kam auf 15 Frauen. Dort sah ich sie zum ersten mal. Sie war Fotografin und sie kümmerte sich um den Internetauftritt des Singles Club." O-Ton 17 Margie Ridgway "And then he emailed me. And then he asked if I would like to go out with him some time. I showed his picture to my sister in-law and her daughter and they said: "Oh he's handsome, go meet with him." So. When he came back he emailed me again and I said okay I go out with you. Then we started going out a little bit and he always emailed me. And I said: Why don't you call me on the phone?" Länge: 0:25min Sprecherin 4 Voice Over Margie Ridgway "Dann bekam ich eine E-Mail von ihm, ob ich mit ihm ausgehen wollte. Ich habe sein Bild meiner Schwägerin und ihrer Tochter gezeigt: "Der sieht aber gut aus", sagten sie, "mach das!" Als er das nächste mal fragte, haben wir uns verabredet. Wir sind dann ein paarmal mit einander ausgegangen, und er hat mir weiter E-Mails geschrieben. Ich sagte: Warum rufst Du mich nicht an?" O-Ton 18 Cliff Ridgway "I wanted to give her the opportunity to turn it down without embarrassment." Länge: 0:06min Sprecher 1 Voice Over Cliff Ridgway "Ich dachte, so könnte sie absagen, ohne Peinlichkeit." O-Ton 19 Margie Ridgway "Yes, he was a real gentleman, he really impressed me. I went to the singles club for 2 and a half years but I never dates anyone except for him. It just clicked. We started dating in September and then he gave me this ring as Christmas present. And then, January the 4th he came to my house, got on his knees and asked me to marry him. And I said: Yes! Yes! Yes!" Länge: 0:35min Sprecherin 4 Voice Over Margie Ridgway "Er ist ein wahrer Gentleman, das hat mich wirklich beeindruckt. Ich war zweieinhalb Jahre in den Singles Club gegangen ohne mich mit jemandem zu verabreden. Aber bei ihm hat's einfach gefunkt. Im September haben wir angefangen, miteinander auszugehen, zu Weihnachten hat er mir diesen Ring geschenkt. Und am 4. Januar ist er zu mir nach Hause gekommen, ist auf die Knie gefallen und hat mich gefragt, ob ich ihn heiraten wollte. Und ich habe gesagt: Ja! Ja! Ja!" Erzähler Cliff Ridgway ist 93, er lebt seit 1975 in Sun City. Damals führte eine staubige, zweispurige Straße von Phoenix in die Rentnerstadt, vorbei an Baumwollfeldern und Obstplantagen. Heute gehört Sun City zum Speckgürtel um Arizonas Hauptstadt. Margie ist 1998 mit ihrer Mutter hier her gezogen. Sie ist somit ein 2nd generation Sun Citizen. Regie Atmo 8 als Trenner kurz hoch ziehen. Dann Blende zu Atmo 9 (Pause) Erzähler Gemeinsam haben die Ridgways ein Haus gekauft. Und ein Apartment noch dazu, in Royal Oaks, einer Anlage für betreutes Wohnen ganz im Süden von Sun City. "Man muss vorsorgen", sagt Cliff. Wie schnell es gehen kann, hat Margie am eigenen Leib erfahren. Vor sieben Jahren erlitt sie einen Schlaganfall, einen leichten zwar, aber mit dem Sprechen hat sie seitdem Probleme. Und Cliff hat nach und nach festgestellt, dass es mit dem Sport nicht mehr funktioniert, erst mit Tennis, dann mit Golf, schließlich mit Schwimmen. Gemeinsam habe sie sich andere Aktivitäten gesucht: Einmal die Woche arbeiten sie ehrenamtlich im Visitors Center. Sie haben eine Karaokegruppe gegründet und veranstalten Orgelkonzerte in Sun City. Für beide ein neues Leben im hohen Alter. O-Ton 20 Margie Ridgway "You know, you live with your mother all of your life. And then you move in, that's like a dream, I mean, I could not believe this is really happening. Länge: 0:09min Sprecherin 4 Voice Over Margie Ridgway "Ich habe mein ganzes Leben mit meiner Mutter zusammen gelebt, und dann das. Es ist wie ein Traum, ich kann es immer noch nicht glauben." O-Ton 21 Cliff Ridgway (unübersetzt) "It was like a dream. Every day was like anew day. Still is, same way. Länge: 0:06min O-Ton 22 Margie Ridgway (unübersetzt) "We still feel like we are on our honeymoon." Länge: 0:03min O-Ton 23 Cliff Ridgway "Yes absolutely, it's as new as it was when we married. I think that God brought us together, I really do, because we could not have met just by chance, no way." Länge: 0:13min Sprecher 1 Voice Over Cliff Ridgway "Absolut, es ist so frisch, als hätten wir gerade erst geheiratet. Ich glaube, Gott hat uns zusammengeführt. Es kann kein Zufall sein, dass wir uns kennen gelernt haben." Regie Blende zu Atmo 1. Steht kurz frei Erzähler Art Jenkins Schicht neigt sich dem Ende zu. Viel ist nicht mehr passiert. Gut so, findet er. Und spricht das nicht für die Lebensqualität in Sun City? Im Grunde, sinniert er weiter, basiert Sun City auf einer Art Generationenvertrag. O-Ton 24 Art Jenkins "I may get a call to check on the welfare of a little old lady who lives around the corner here. I may get a call to take somebody home from the hospital who got in there in an ambulance earlier this morning. Somebody may call and say, I hear a noise in my attic. You've got a lot of people of advanced years who live alone. They need somebody to look out for them. I like to do it because I'm able to do it. And at some point I may not be able to do and then somebody would come along and do it for me." Länge: 0:34min Sprecher 1 Voie Over Art Jenkins "Mal werde ich gerufen, um nach dem Wohlergehen einer alten Dame zu gucken, mal um jemanden aus dem Krankenhaus abzuholen. Oder jemand hört Geräusche auf seinem Dachboden. Hier leben viele Menschen fortgeschrittenen Alters, die jemanden brauchen, der sich um sie kümmert. Ich mache das gerne. Wenn ich es später mal nicht mehr kann, wird jemand anders da sein, der sich um mich kümmert." Erzähler Er lenkt seinen Streifenwagen auf den Hof der Sun City Posse. Übermorgen wird er wieder hinter Steuer sitzen. Und wenn seine Schicht dann ähnlich ereignisarm verläuft, weiß Art Jenkins, dass alles in Ordnung ist. 1