COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Die kleine Sprachgeschichte. Nordfriesisch Oder: warum die da so anders sprechen. Autor Peter Nissen Red. Claus Stephan Rehfeld Sdg. 23.08.2011 - 13.07 Uhr Länge 18'02" Sprecher AUT = Peter Nissen Sprecherinnen AA = Antje Arfsten KH = Dr. Karin Haug Moderation Dass es im äußersten Norden der Bundesrepublik eine Landschaft mit dem Namen Nordfriesland gibt, ist vielen Menschen bekannt. Dass es dort Nordfriesen gibt - oder zumindest gegeben haben muss - wissen manche aus der Lektüre deutscher Balladen und Novellen von Detlev von Liliencron bis hin zu Theodor Storm. Dass einige dieser Nordfriesen allerdings eine dem Deutschen nicht sonderlich nahe stehende eigene Sprache sprechen, ist heute nur wenigen bekannt. Das war nicht immer so. Als die russische Zarin Katharina die Große vor knapp zweihundertfünfzig Jahren ein Universalwörterbuch aller Sprachen der Welt in Auftrag gab, da wählten die damit betrauten Wissenschaftler zwar "nur" 200 Sprachen aus, aber für sie gehörte Nordfriesisch selbstverständlich dazu. Weshalb, wieso, warum? Peter Nissen notierte dies und anderes eifrig in seiner Kleinen Sprachgeschichte. Nordfriesisch. -folgt Script Beitrag- Script Beitrag AUT Die Existenz des Friesischen sei eines der bestgehüteten Geheimnisse der Bundesrepublik. KH Das meinte augenzwinkernd Prof. Bo Sjölin, der ab 1978 in Kiel den ersten Lehrstuhl für Friesische Philologie an einer deutschen Universität innehatte. AA Fresk. En hiamelkhaid uun Tjiisklun. U, naan duch! AUT "Friesisch. Ein Geheimnis in Deutschland. So, so." Das war "Fering", eine der neun noch gesprochenen Varianten des Friesischen. Es leitet sich ab vom Namen der Nordseeinsel Föhr, denn die heißt auf "Fering" ... AA Feer. AUT Danke, Antje Arfsten. AA Deer ai for! AUT "Da nicht für. Dafür nicht. Nicht der Rede wert." Das war "Mooring", eine andere der neun nordfriesischen Mundarten, diesmal vom Festland. KH Ja, sie sprechen da wirklich anders. Warum? AUT Wir haben eine gute Viertelstunde Zeit, ein paar Zipfel der Decke, die auf diesem Geheimnis liegt, zu lüften. Also erste Frage ... KH Wo wohnen die Nordfriesen eigentlich? AA Bai e weestsiie. KH An der Westsee. Aha! AUT Alle anderen nennen sie Nordsee. Nur die Nordfriesen nennen sie Westsee, manche jedenfalls. KH Korrekt. Für die Nordfriesen liegt die Nordsee wirklich westlich. AUT Auf Friesisch stimmt die Weltsicht also. Die See, die westlich liegt, heißt ,Westsee'. KH Der deutsche Name ,Nordsee' ergibt keinen Sinn, denn nördlich Nordfrieslands ist nur Land - Dänemark. AUT Und dann heißt es "di weestsiie", also friesisch "di", deutsch "der", "der Westsee". KH Die sprechen da wirklich anders. AUT Aber warum? KH Weil sie's können und weil sie's wollen. Mehrsprachigkeit wird von vielen Nordfriesen als ihre spezielle Form des kulturellen Reichtums empfunden. AUT Ein Reichtum, der allen zugänglich ist ... KH ... und von keiner Vermögenssteuer erfasst wird. AUT Aber zurück zur Frage: Wo wohnen die Nordfriesen? KH Ganz im Norden der Bundesrepublik. Und dort wiederum ganz im Westen. Auf Inseln und Halligen, aber auch auf einem schmalen Streifen des Festlands ... AA Bai e weestsiie. AUT Danke. An der Nordsee. Und auch in der Nordsee auf Helgoland wohnen Nordfriesen. Sie nennen sich ... AA Halunner. KH Die auf der Insel Sylt ... AA Sölringen. AUT ... die auf Amrum ... AA Öömrangen. AUT ... und auf dem Festland ... AA Frasche, Freesche, Fräiske AUT ... und "friisk" ist als Sammelbegriff für alle Nordfriesen eine Neubildung aus den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts, die alle Siedlungsgebiete und alle Sprachvarianten umfasst. KH Diese Neubildung war notwendig, denn man brauchte ein friesisches Wort für das Nordfriesische Institut in Bredstedt, damit es auch einen friesischen Namen erhalten konnte. AA At Nordfriisk Instituut KH Und an eben diesem Nordfriisk Institut arbeitet Antje Arfsten - als Lektorin für Nordfriesisch. Und die Nordfriesen sprechen alle Nordfriesisch? AA Nej. KH Nein? Was denn? AA A miasten snaake tjiisk. AUT Die meisten deutsch. AA Högen snaake uk deensk. AUT Einige Dänisch. AA Enkelten uk sünnejysk. AUT Süderjütisch. Das gehört zur dänischen Sprachgruppe. AA An maning uk plaattjiisk. AUT Viele auch Plattdeutsch. Und Friesisch? AA Dön öödern. AUT Die anderen. Wie viele Menschen sind das? AA Witj ham ei. AUT Weiß man nicht. KH Es werden wohl etwa 10.000 sein, die Nordfriesisch sprechen und vielleicht noch einmal genau so viele, die es verstehen. AUT In Nordfriesland werden also fünf Sprachen gesprochen. Manche Menschen sprechen tagtäglich mehrere dieser Sprachen. KH Fünf eingesessene Sprachen nebeneinander auf so einem kleinen Raum, das ist - bislang unbestritten - heute einmalig in Europa. AUT Hochdeutsch und Plattdeutsch gehören dabei zur deutschen Sprachgruppe. Dänisch und Sünnejysk gehören zur dänischen Sprachfamilie. KH Nordfriesland liegt in einer Grenzregion: Es liegt in Deutschland, grenzt aber seit 1920, seit einer Volksabstimmung nach dem Ersten Weltkrieg, direkt an Dänemark. AUT Und es gehört auch erst seit 1866, seit der Annexion der Herzogtümer Schleswig und Holstein durch Preußen überhaupt zum deutschen Staatsverband. KH Vorher gehörte Nordfriesland staatsrechtlich teilweise zu Dänemark, teilweise zum Herzogtum Schleswig, die Insel Helgoland im 19. Jahrhundert sogar zu England. AUT Und die fünfte Sprache in Nordfriesland, Nordfriesisch, gehört - last but not least - zur friesischen Sprachfamilie. Diese Familie hat drei Mitglieder. Das zweite, das Ostfriesische, ganz im Nordwesten des heutigen Bundeslandes Niedersachsen ist in Ostfriesland selbst aber ausgestorben und wird nur noch von einigen hundert Menschen im südlich Ostfrieslands gelegenen Saterland gesprochen. Sie nennen ihre Sprache dort ... AA Seeltersk. KH Die meisten Friesen leben aber heute in der niederländischen Provinz Fryslan. Dort sprechen einige hunderttausend Menschen diesen dritten Zweig der friesischen Sprachfamilie ... AA Frysk. AUT Aus deutscher Perspektive "Westfriesland" und "Westfriesisch" genannt. KH Die nächste Verwandte dieser dreigliedrigen friesischen Sprachfamilie ist nicht, wie man vielleicht denken könnte, das Deutsche oder vielleicht das Dänische, nein, es ist das Englische. Als Beleg mögen zum Beispiel die Wochentage auf mooringer Friesisch dienen: AA Moundi, täisdi, weensdi, törsdi, fraidi, saneene, saandi. AUT "Weensdi, törsdi" - wer nicht weiß, dass es friesisch ist, könnte es glatt für einen englischen Dialekt halten. KH Und dabei wohnen die Sprecher dieser beiden Sprachen - Englisch und Friesisch - schon seit 1.400 Jahren, seit nämlich die Angeln und Sachsen nach Großbritannien zogen, nicht mehr als Nachbarn nebeneinander. Und trotzdem können sie einen Teil des jeweils anderen Wortschatzes sofort verstehen. AUT Haben sich die beiden Sprachen vielleicht nicht besonders weiterentwickelt? KH Weit gefehlt. Gerade das Nordfriesische war in seiner Entwicklung hoch dynamisch. Allein die einzelnen Mundarten des Nordfriesischen haben sich untereinander so weit voneinander weg bewegt, dass sie gegenseitig kaum noch verständlich sind. Nehmen wir einen "Tisch". Auf dem Festland nennt man ihn ... AA Scheew. KH Auf der Insel Föhr ... AA Boosel. AUT Auf der Insel Sylt ... AA Staal. KH Und auf der Insel Helgoland ... AA Taffel. AUT Im Falle des Tisches könnten sich also schon die Nordfriesen untereinander den Untertitel dieser Sendung zurufen: "Warum sprechen die da so anders?" KH Ja, warum? Zum einen sind die Nordfriesen wohl in mindestens zwei Wellen von der südlichen Nordsee nach Nordfriesland eingewandert. Die erste Welle kam vermutlich ab etwa dem Jahr 700 und besiedelte die heutigen nordfriesischen Inseln, die zweite Welle kam einige hundert Jahre später und errichtete ihre Wohnplätze in den Marschgebieten und am Rande der sandigen Geest. AUT Eine überzeugende Erklärung für die heutigen starken Unterschiede zwischen den einzelnen nordfriesischen Mundarten bietet der zeitverschobene Siedlungs-Termin allein aber noch nicht. Da muss es noch mehr Ursachen gegeben haben. KH Ein weiterer Grund mag sein, dass die Nordfriesen in ihrem neuen Siedlungsgebiet widrige landschaftliche Verhältnisse vorfanden. Der Verkehr zwischen den Inseln, aber auch zwischen den Siedlungen in den der Küste vorgelagerten sumpfigen, von Wasserläufen durchzogenen Marschgebieten war mühselig und manchmal auch gefährlich. AUT Ein dritter Grund lag wohl darin, dass die Nordfriesen unterschiedlich stark dem Einfluss anderer Sprachen ausgesetzt waren. KH Im Helgoländischen Friesisch erkennt man viele Spuren des Plattdeutschen. Das verwundert nicht, denn durch Seefahrt und Fischfang trafen Sprecher dieser Sprachen häufig aufeinander. Auf dem Festland standen die Friesen immer im engen Kontakt mit dem Jütischen und Dänischen. Sie übernahmen und übernehmen aus diesen Sprachen gern einzelne Wörter, aber manchmal auch sprachliche Strukturen, von denen man eigentlich denken möchte, sie seien von zentraler Bedeutung und gehörten zum unveräußerlichen Kernbestand einer Sprache - die Verneinung etwa: AA Dåt wal ik ai! AUT Gut. Wohl kaum ein Däne wird darauf kommen, dass hinter dem "ai" in "Dåt wal ik ai!" das ihm vertraute "ikke" steckt, aber Deutsche oder Engländer erwarten zu Recht, dass eine Verneinung mit einem "n" beginnt. "Nein, nie, nicht" oder "no, never, not". Und dann kommen die Festlandsnordfriesen daher und sagen zwar "nåån" aber "uler" und "ai". KH Sie gehen bis heute geschmeidig und unverkrampft damit um, wenn es gilt, Neues und Fremdes in ihre Sprache einzubinden. Wegen der vielfältigen verwandtschaftlichen Beziehungen zu ausgewanderten Föhrern in den USA heißt ein Ausguss auf Föhr wie im Amerikanischen ... AA Sink. AUT Geschmeidig und unverkrampft und gleichzeitig von unglaublichem Beharrungsvermögen. Es gibt immer noch - oder schon wieder - Nordfriesen, die den Dualis beherrschen und auch gern verwenden. KH Der Dualis - die Zweizahl - unterscheidet bei den Personalpronomen in der Mehrzahl, "wir" und "ihr", ob es sich dabei um zwei oder um mehr Personen handelt. Sagt eine Nordfriesin ... AA Wat gunge nü tu hüs. KH ... dann meint sie ausdrücklich: "Wir beide, wir zwei gehen jetzt nach Hause." Sagt sie: AA We gunge nü tu hüs. KH ... dann sind es wohl mindestens drei, die sich da gemeinsam auf den Heimweg machen. AUT Unter anderem wegen solcher Relikte wie den Dualis ist das Interesse von Sprachwissenschaftlern am Nordfriesischen durchaus vorhanden. Für sie ist die Existenz des Friesischen nicht unbedingt eines der "bestgehüteten Geheimnisse der Bundesrepublik". KH So unterschiedlich die fünf einheimischen Sprachen auch sind, die in Nordfriesland gesprochen werden, einiges haben sie auch gemeinsam. So würde in keiner dieser fünf Sprachen jemand auf die Idee kommen, einem Personennamen einen Artikel voranzustellen. AUT ... also ,der Momme' oder ,die Güde' sagen ... KH Menschen sind keine Gegenstände oder Sachen und vertragen keinen Artikel. AUT Man sagt schließlich auch nicht ,Der Gott hat die Welt in sechs Tagen erschaffen'. KH Dass es eine Landschaft mit dem Namen Nordfriesland gibt, damit sind vermutlich die meisten Deutschen vertraut. Man kennt es nicht zuletzt aus den nationalen Wettervorhersagen, denn schließlich nimmt fast jedes Island- Tief, wenn es denn unbedingt Deutschland erkalten lassen will, seinen Weg über die "nordfriesischen Inseln" an der nordwestlichsten Ecke der Republik. AUT Und dass etwa Sylt, Föhr, Amrum und auch St. Peter-Ording mit ihren Stränden im Sommer zum Bade-Urlaub einladen, wird vielen sogar aus eigener Anschauung bekannt sein. KH Auch, dass es Menschen gibt - oder zumindest mal gegeben haben muss -, die sich Nordfriesen nennen, wird vielen Bundesbürgern aus der Literatur bekannt sein. AUT Die Figur des Hauke Haien aus Theodor Storms "Der Schimmelreiter" zum Beispiel. Die Novelle gehörte in vielen Schulen lange zur Pflichtlektüre. Oder Pidder Lüng, der Friese aus Detlev von Liliencrons gleichnamiger Ballade, dem der Musiker Achim Reichel vor gut dreißig Jahren durch seine Vertonung wieder zu neuem Ruhm verhalf. Vielleicht erinnert sich der eine oder andere an Pidder Lüngs Wahlspruch: AA Leewer duad üüs Slaaw. AUT "Lieber tot als Sklave". Typisierungen aus der Literatur prägen für viele Deutsche bis heute ihr Bild von den Nordfriesen: "Hohes, hartes Friesengewächs" schrieb Otto Ernst etwa den Seenot-Rettern in seiner Ballade "Nis Randers" zu. KH (outriert) "Krachen und Heulen und berstende Nacht, Dunkel und Flammen in rasender Jagd - Ein Schrei durch die Brandung!" AUT (lakonisch) Wir kürzen's ab: "Sagt Mutter, 's ist Uwe!" KH Die Landschaft Nordfriesland und deren Bewohner sind also vielen bekannt. Die Existenz der friesischen Sprache ist es aber kaum. Und dass es auch eine kleine Literatur in friesischer Sprache gibt, wohl noch weniger Menschen. AUT Der Kinderbuchautor James Krüss verfasste seine Bücher auf Hochdeutsch. Es war sein Broterwerb. Daneben schrieb er gelegentlich aber auch Gedichte in seiner Muttersprache, dem Halunner von der Insel Helgoland. Davon hätte er niemals leben können. Ein paar Hundert Insulaner als potenzielle Leserschaft reichen nicht. KH Schon am Ende des 18. Jahrhunderts schrieb der Sylter Küster und ehemalige Kapitän Jap Peter Hansen eine Komödie: AA Di Söl'ring Pir'rersdai AUT "Der Sylter Petritag", erstmals als Buch gedruckt 1809. KH Aufgeführt wird die Komödie nur alle paar Jahrzehnte mal. Das potenzielle Publikum, das Sölring versteht, ist für häufigere Umsetzungen zu gering. AUT Und ins Hochdeutsche übersetzt wurde das Stück bislang nicht. Es birgt auch Tücken. Hansen spielt in der Komödie damit, dass Inselfremde Sölring nur unzureichend beherrschen und ihre jütische oder plattdeutsche sprachliche Herkunft deutlich anklingen lassen. Wie will man das angemessen auf deutsche Sprachverhältnisse übertragen? KH Ein dritter und letzter Name aus der nordfriesischen Literatur: Jens Emil Mungard von der Insel Sylt: AA Ströntistel es min bloom, Ströntistel neem's uk mi. Jü gröört üp dünemsön, Ik üp des leewents-strön, En proter haa wat biid! AUT Die Stranddistel ist meine Blume, Stranddistel nennen sie auch mich. Sie wächst auf Dünensand, Ich auf diesem Lebens-Strand, Und Stacheln haben wir beide! KH Jens Mungard hatte Stacheln - seine Gedichte. Er setzte sie ein - gegen Missstände, die er auf seiner Heimatinsel zu erkennen glaubte, aber auch gegen die Nationalsozialisten. AUT Und die erteilten Jens Mungard 1938 Schreibverbot. Er ignorierte es. KH Sie nahmen ihn in Haft und brachten ihn ins Konzentrationslager Sachsenhausen. Dort starb er 55-jährig im Jahr 1940. AUT Es gibt also Literatur in nordfriesischer Sprache. Doch gelesen wird sie kaum. Auch nicht von Nordfriesen selbst. Nicht einmal von denen, für die Nordfriesisch Muttersprache ist. Die meisten sind nämlich Analphabeten in ihrer eigenen Muttersprache. KH Es gibt zwar an einigen Schulen Unterricht auf Friesisch, aber zumeist nur wenige Stunden und halbwegs kontinuierlich auch nur an Grundschulen. AUT Bei diesem Unterricht steht in der Regel auch eher Sprechen und Singen im Mittelpunkt und weniger Schreiben und Lesen. KH Den vorherrschenden Analphabetismus in der eigenen Muttersprache kann man den Nordfriesen also kaum vorwerfen. AUT Es ist allerdings möglich, diese Fertigkeiten auch im außerschulischen Bereich zu erwerben - in Abendkursen verschiedener friesischer Vereine und Volkshochschulen, an den Universitäten in Flensburg und Kiel oder durch gedruckte Lehrbücher, denen seit einigen Jahren gelegentlich auch CDs mit Hörbeispielen und Übungen beiliegen. Zusp. 1 Friesischer Sprachkurs, Track 1 15" KH Seit 10 Jahren ruft die NDR 1 Welle Nord des Norddeutschen Rundfunks in Kiel seine Hörer alle zwei Jahre zu einem friesischen Schreibwettbewerb auf: AA Ferteel iinjsen! AUT "Erzähl doch mal!" KH Die Einsendezahlen scheinen mit im Durchschnitt etwa 50 Kurzgeschichten pro Wettbewerb recht gering. Doch gehen wir von der vermuteten Zahl von etwa 10.000 Sprechern des Nordfriesischen aus, dann nimmt jeder 200. von ihnen teil. AUT Umgerechnet auf die Bevölkerung der Bundesrepublik müssten 400.000 Menschen auf einen vergleichbaren Aufruf zum Schreiben einer hochdeutschen Kurzgeschichte reagieren. Kaum vorstellbar. KH Im vergangenen Jahr hatte der Friesenrat, der Dachverband vieler friesischer Vereine und Verbände, zu einem Musikwettstreit aufgerufen. AA Musiikweedstrid 2010. AUT Ein großer Erfolg. Es gab sagenhafte 27 Bewerbungen. Umgerechnet auf Deutschland und Deutsch wären das vergleichbar etwa 215.000 Teilnehmer. KH Den ersten Preis bei diesem Wettbewerb in der Kategorie "Text und Komposition" gewann mit Ginger Redcliff übrigens eine 20-jährige Schauspielschülerin aus München. Ginger Redcliff wurde in London geboren und wuchs in Wunsiedel in Oberfranken auf. Nordfriesland kennt sie nur von gelegentlichen Ferienaufenthalten bei ihren Großeltern. AUT In Oberfranken konnte Ginger Redcliff nur mit ihrer Mutter und später ihrer jüngeren Schwester Friesisch sprechen. Friesisch ist also wahrlich ihre Muttersprache. KH Nordfriesisch ist eine Sprache, die ihren Rückhalt weniger in Medien, Schule, Kirche oder anderen öffentlichen Räumen findet, als in einzelnen Familien. AUT Auch das mag ein Grund sein, dass die Existenz der friesischen Sprache eines der bestgehüteten Geheimnisse der Bundesrepublik ist. KH Manchmal mag es einem sogar so erscheinen, als ob schon historisch das Interesse an der friesischen Sprache außerhalb Deutschlands größer war als innerhalb. AUT Die russische Zarin Katharina II, genannt die Große, hatte ein starkes Interesse an den Wissenschaften und besonders auch an den Sprachen. Sie gab deshalb die Erstellung eines speziellen Wörterbuches in Auftrag: AA Linguarum totius orbis vocabularia comparativa AUT Also ein vergleichendes Wörterbuch aller Sprachen dieser Welt. KH Der von Katharina der Großen beauftragte deutsche Naturforscher und Geograph Peter Simon Pallas erstellte eine Liste von 273 Wörtern in 200 europäischen und asiatischen Sprachen. Und Nordfriesisch gehörte für ihn wie selbstverständlich dazu. AUT Das Buch, dessen erster Teil 1787 gedruckt wurde, hat der Kieler Frisist Prof. Jarich Hoekstra übrigens erst in diesem Frühjahr in einer St. Petersburger Bibliothek für die Friesen wiederentdeckt. Es war bislang von Friesen und Forschern übersehen worden - entweder, weil niemand sich vorstellen konnte, dass in einem im 18. Jahrhundert in Russland gedruckten Buch eine wertvolle Quelle für die friesische Sprachforschung stecken könnte, oder schlicht wegen der Tatsache, dass es in kyrillischer Schrift gedruckt wurde. KH Auch in Dänemark ist das Interesse an der friesischen Sprache recht früh erwacht. Schon 1817 wurde eine Preisfrage gestellt. AA Die "Kongelige Danske Videnskabernes Selskab" ... KH ... die "Königliche Dänische Akademie der Wissenschaften" wollte Genaueres über die nordfriesische Sprache und ihr Verhältnis zu anderen Sprachen erfahren. AUT Von der Preisfrage fühlten sich mehrere Nordfriesen angesprochen. KH Der Pastor Nicolaus Outzen erstellte ein umfangreiches Glossarium ... AUT ... der Lehrer und Magnetiseur Bende Bendsen verfasste eine erste Grammatik des Nordfriesischen ... KH ... und beides sind bis heute wichtige Beiträge zur Erforschung der Sprache. AUT In Deutschland wurde die erste ordentliche Professur für Friesisch, wie eingangs erwähnt, erst 1978 eingerichtet, eine zweite kurz darauf in Flensburg. KH Letztere ist aber seit vielen Jahren wieder unbesetzt. Das Lehrangebot an der Universität dort wird zur Zeit behelfsweise durch zwei Honorarprofessoren gewährleistet. AUT Dabei gäbe es noch zahlreiche Geheimnisse des wundersamen Nordfriesischen in der Bundesrepublik zu lüften. AA Det meest wel sai. -ENDE SCRIPT- -1-