* Deutschlandradio Kultur, Zeitfragen 19. September 2011, 19.30 Uhr Frontverschiebung Die Zukunft der deutschen Rüstungsindustrie Von Sonja Heizmann O-Ton: Christian-Peter Prinz zu Waldeck Die wehrtechnische Industrie steht in Deutschland vor einer grundlegenden Restrukturierung. Atmo: Moderator Flugshow / Atmo A400M For the first time ever in public, ladies and gentlemen, the magnificant Airbus Military A400M. O-Ton: Claus Günther, Wenn wir jetzt nicht beginnen können, die nächste Generation an Technologie zu entwickeln, dann werden wir in zehn Jahren keine Produkte haben, die wir dann vermarkten können. Wir werden einfach den Anschluss in der Welt verlieren. Atmo Hubschrauber / Atmo Moderator Flugshow Well, ladies and gentlemen, a very powerful shape in the skies ahead of us - the Franco-German Tiger. O-Ton: Prinz zu Waldeck Es ist die Frage des Überlebens -- wollen wir diese Industrie erhalten oder wollen wir sie nicht erhalten? Wenn wir sie erhalten wollen, müssen wir in den Export gehen. O-Ton: Katja Keul Die Gefahr, die natürlich besteht in Europa ist, dass der Druck der Industrie stark wird diese Rüstungsexportrichtlinien zu lockern und da ist natürlich auch politischer Druck erforderlich um dem standzuhalten. Atmo Moderator Flugshow Das Waffensystem Eurofighter ist ein hochleistungsfähiges Kampfflugzeug der 4.Generation mit der Fähigkeit zur vernetzten Operationsführung und zum Einsatz in der Luftverteidigungs-, wie auch in der Luftangriffsrolle. Atmo Moderator Flugshow Wir sollten ihn in wenigen Minuten von rechts einfliegen sehen... Atmo Anflug Eurofighter Sprecher vom Dienst Frontverschiebung Die Zukunft der deutschen Rüstungsindustrie Ein Feature von Sonja Heizmann Atmo Eurofighter Sprecher Der Eurofighter, das militärische Transportflugzeug A400M, der Kampfhubschrauber Tiger - alles Produkte des europäischen Rüstungsriesen EADS. 12,2 Milliarden Euro Jahresumsatz macht der Konzern mit deutsch-französischen Großaktionären im Verteidigungsgeschäft. Aber auch Rheinmetall, Krauss-Maffei Wegmann, Thyssen Krupp, Heckler & Koch, Daimler, Diehl und viele kleinere deutsche Unternehmen verdienen mit Rüstungsgütern. Mit Panzern, Drohnen, militärischen Transportfahrzeugen, Zieloptiken, U-Booten, Torpedos und Gewehren. Rund 80.000 Menschen beschäftigt die wehrtechnische Industrie in Deutschland. Atmo Messe Sprecherin Im Juni dieses Jahres präsentiert sich ein Teil dieser Rüstungskonzerne auf der "Paris Air Show" - einer der größten Luftfahrtmessen der Welt. In Halle 2A hat MTU Aero Engines einen Stand. Die Firma baut Triebwerke für zivile Flugzeuge und für den Eurofighter. O-Ton: Odilo Mühling Der Eurofighter und sein Triebwerk gehören zum Besten, was es derzeit in der Welt gibt. Und natürlich gibt es potenzielle Kunden, die natürlich auch hier auf die Air Show kommen, um zu schauen, was könnten wir denn an Produkten für unser Land brauchen. Sprecherin Odilo Mühling ist Pressesprecher von MTU Aero Engines. Seit Europäer ihre Wehretats kürzen, sind die potenziellen Kunden der deutschen Rüstungsindustrie Streitkräfte und Regierungen aus dem fernen Ausland. In Paris kommen täglich Delegationen auf den Stand von MTU Aero Engines - hoch dekorierte Offiziere aus Peru, Katar, Indonesien. Aber auch Politiker, unter anderem deutsche Staatssekretäre und Parlamentarier. Sie informieren sich über die neusten technologischen Entwicklungen in der Branche und hören sich die Belange der Industrie an. Derzeit treibt vor allem ein Thema die deutschen Waffenpr oduzenten um. Christian-Peter Prinz zu Waldeck, Geschäftsführer des Bundesverbandes der deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie: O-Ton: Christian-Peter Prinz zu Waldeck Das Hauptthema ist eindeutig die Strukturreform der Bundeswehr. Sprecher Noch ist die Bundeswehr wichtig für die Industrie. Als Käufer und als Referenzkunde für ausländische Interessenten. Nutzt die Bundeswehr das Gerät, gilt es als verlässlich. In den nächsten Jahren wird die Truppe aber um etwa ein Fünftel schrumpfen. Welche Rüstungsprogramme von Budgetkürzungen betroffen sein werden, steht noch nicht genau fest. Sicher ist, dass weniger Soldaten auch weniger Ausrüstung und Gerät brauchen. Atmo Messe Sprecherin Die Industrie sucht in diesen Tagen also noch mehr als sonst das Gespräch mit der Politik, sich auf Messen einem internationalen Publikum zu präsentieren und neue Kunden zu gewinnen ist noch wichtiger geworden. Das lässt sich eine Firma wie MTU Aero Engines dann schon etwas kosten. O-Ton: Odilo Mühling Also, wir haben hier so inklusive des gesamten Caterings, Messeaufbau und allem was dazu gehört, rund 100 Leute im Einsatz und das kostet deutlich über eine Million. Sprecherin EADS gibt noch mehr aus. Neben einem Stand hat der Konzern auf der Paris Air Show noch einen Ausstellungsbereich auf dem Außengelände und zwei sogenannte Chalets, eines für die Presse, eines für VIPs, wo nur geladene Gäste empfangen werden. Bei wachsender Konkurrenz muss man sich stärker von den anderen abheben, sagt Marcus Jungermann, Marketingleiter bei der EADS Rüstungsparte Cassidian: O-Ton: Marcus Jungermann Auch wir Europäer haben natürlich starken Wettbewerb, den wir spüren aus verschiedenen Ländern und das ist nicht immer nur USA, sondern das ist auch in zunehmender Weise der indische Markt, der chinesische Markt, der brasilianische Markt und Sie sehen auch zunehmend und das ist, glaube ich, auch ein Grund dafür, dass es mehr Aussteller gibt als je zuvor auf der Paris Air Show, dass einfach dort auch die Anzahl der Unternehmen, die am Markt anbieten und präsent sind, größer wird. Atmo Pressekonferenz Diehl Teil 1 Good morning everybody, lady and gentlemen, if I see correctly. Let us go right into the presentation: Sprecherin Ein paar Stände weiter, berichtet Claus Günther, Chef von Diehl Defence, internationalen Journalisten von der Entwicklung seiner Firma: Atmo Pressekonferenz Diehl Teil 2 Good morning everybody, lady and gentlemen, if I see correctly. Let us go right into the presentation: Diehl Defence had last year an extremely, extremely positive year... Sprecherin Der Hersteller von Munition und Flugkörpern hatte 2010 ein sehr erfolgreiches Jahr, erzielte sogar Rekordumsätze von 726 Millionen Euro. Daran kann das Rüstungsgeschäft der Diehl Gruppe in Zukunft nicht anknüpfen, so Günther. Sorge bereite ihm, dass es im letzten Jahr aufgrund der Kürzungen in den Verteidigungsetats fast keine Auftragseingänge gab. Atmo Pressekonferenz Diehl Teil 3 We are following the policy that most of our competitors also do, we are going international...abblenden. Sprecherin Jetzt verfolgt Diehl Defence dieselbe Strategie, wie die meisten seiner Konkurrenten, setzt auf Exporte und baut seine internationale Präsenz aus. Otfried Nassauer vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit, einem unabhängigen Institut zu Fragen, wie Militärstrategie, Rüstungsproduktion und Exportkontrolle: O-Ton: Nassauer Wenn man es realistisch betrachtet ist es so, dass es im Durchschnitt der deutschen Rüstungsindustrie gar nicht so schlecht geht, weil sie durch zusätzliche Exporte relativ viel von den absinkenden Beschaffungsverhältnissen bei der Bundeswehr hat kompensieren können und auch weiterhin kompensieren kann. Sprecher Dem Friedensforschungsinstitut SIPRI zufolge steht Deutschland weiterhin auf Platz 3 der weltweiten Rüstungsexporteure - nur die USA und Russland verkaufen mehr Wehrtechnik ins Ausland. Das deutsche Exportvolumen stieg im Zeitraum zwischen 2006 und 2010 gegenüber dem vorangegangenen Fünfjahreszeitraum um 96 Prozent. Bisher liefern deutsche Rüstungskonzerne zum größten Teil an europäische Länder. Das könnte sich aber bald ändern. Sprecherin Diehl macht in seiner Rüstungssparte zurzeit 35 Prozent der Umsätze im Ausland. Ein Wert, der in Zukunft steigen soll. Die Firma hat bereits internationale Joint-Ventures. Außerdem Büros in der Türkei, Thailand, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Indien und in Spanien eine Fertigungslinie. Ein weiteres Büro in Südamerika, höchstwahrscheinlich in Brasilien, ist geplant. Musik Sprecher Während andere sparen, hat Brasilien seine Militärausgaben von 2009 auf 2010 um 9,3 Prozent erhöht. Das südamerikanische Land kauft aber nicht nur Rüstungsgüter, sondern auch Sicherheitstechnik. Prinz zu Waldeck: O-Ton: Prinz zu Waldeck Brasilien hat jetzt die Fußballweltmeisterschaft, hat dann wenig später die Olympischen Spiele und hat einen ganz dringenden Nachholbedarf im Bereich Absicherung, Schutz. Also, Sicherung der Flughäfen, Sicherung der Grenzen, Sicherung der Sportstätten und dort sind deutsche Unternehmen sehr gut aufgestellt und auch sehr erfolgreich. Sprecher Durch die Unsicherheiten im Militärgeschäft setzen manche Firmen, wie z.B. die EADS Sparte Cassidian, jetzt auch auf Sicherheitskonzepte für Grenzen, Infrastruktur und Wege, sowie auf Lösungen im Kampf gegen Cyber-Kriminalität. Ziel der Firma ist eine Verdopplung ihrer Umsätze bis 2020, statt heute 25, sollen dann 60 Prozent außerhalb der Heimatländer erwirtschaftet werden. Auslandsmärkte werden also für Cassidian und seine deutsche Konkurrenz an Bedeutung gewinnen: O-Ton: Otfried Nassauer Auf der einen Seite der Nahe und Mittlere Osten, vor allem die ölreichen Staaten aus denen per Rüstungsexport ja in gewisser Weise Ölgelder, die man dorthin gezahlt hat, wieder repatriiert werden und auf diesem Markt versucht jetzt die deutsche Rüstungsindustrie verstärkt Fuß zu fassen und es ist auf der zweiten Ebene ein Markt, auf dem die Bundesrepublik schon lange präsent war, nämlich die Tigerstaaten Südostasiens und das sind natürlich die wachsenden Wirtschaftsmächte und auch strategischen Mächte, die sich zunehmend etwas leisten können. Musik Sprecher Otfried Nassauer spricht von Indien und China. Indien hat mittlerweile China als größten Waffenimporteur der Welt überholt. Das Land will nicht nur dem "Reich der Mitte" seine Macht demonstrieren, sondern auch dem Nachbarn Pakistan und gleichzeitig innere Konflikte abwehren können. Sprecherin Wer ein Stück vom internationalen Kuchen abhaben möchte, muss sich rechtzeitig positionieren. Das hat auch die Bundesregierung erkannt, berichtet das ARD-Magazin Monitor: Atmo 18. Februar 2010. Vom Luftwaffenstützpunkt Laage bei Rockstock brechen Eurofighter der Bundeswehr zu einer merkwürdigen Mission auf. Ohne Bundestagsmandat, aber mit gewaltigem Aufwand. Insgesamt sechs Eurofighter machen sich auf den Weg. Je zwei Flugzeuge bleiben als Reserve auf Kreta und der Arabischen Halbinsel zurück. Zwei Eurofighter fliegen weiter in ihr Einsatzland: nach Indien. Ein gewaltiger Aufwand - aber nicht für einen Militäreinsatz, sondern für Verkaufs-Werbung! Der Eurofighter Hersteller EADS Cassidian hatte darum gebeten." Atmo Eurofighter Sprecher Denn Indien will 126 Kampfjets kaufen. Mehrere internationale Firmen gehen ins Rennen für den milliardenschweren Auftrag. Auf einer Indienreise im Mai 2011 macht sich Bundeskanzlerin Angela Merkel für den Eurofighter stark: O-Ton: Angela Merkel Das ist kein Geheimnis, dass wir auch z.B. im Bereich des Eurofighters gute Angebote gemacht haben, also, Deutschland ist sehr daran interessiert die Verhandlungen und die Beziehungen zu Indien auszuweiten. Musik Sprecher Der Auftrag aus Indien wäre der größte für das Eurofighter-Konsortium außerhalb der Nato. Die Inder fordern allerdings vom Gewinner, dass er eine Endmontage für den Kampfjet auf dem Subkontinent einrichtet, schreibt die Financial Times Deutschland. Zudem will Indien Einblick in die Technologie des Fliegers. Eine Auflage ist auch, dass 50 Prozent des Auftragswertes von der Gewinnerfirma in indische Rüstungsunternehmen investiert werden müssen, so die Zeitung. Sprecherin Solche Technologie- und Know-how-Transfers sind durchaus üblich. Gang und gäbe sind auch Kompensationsgeschäfte für Rüstungsexporte, die nicht unbedingt mit Wehrtechnik zu tun haben Effekt Sonargeräusch U-Boot Beides - Rüstungsexporte und Kompensationsgeschäfte - können mit Korruption verbunden sein, weiß Nassauer, der sich seit mehr als 30 Jahren mit der Waffenindustrie beschäftigt: O-Ton: Otfried Nassauer Meistens ist es gut versteckt und geheim, aber es gibt in vielen Fällen so deutliche Hinweise, dass man davon ausgehen muss, dass das sehr häufig der Fall ist. Schauen Sie einfach auf die großen Beispiele: U-Boot Export nach Portugal hat eine solche Komponente, da untersucht die Staatsanwaltschaft Korruption, U-Boot Exporte nach Griechenland, genau dasselbe. Effekt Sonargeräusch U-Boot Sprecher In beiden Fällen hat die Staatsanwaltschaft München gegen zwei frühere Mitarbeiter des Rüstungslieferanten Ferrostaal aus Essen wegen gemeinschaftlicher Bestechung ausländischer Amtsträger Anklage erhoben. Für die Aufträge wurden in den Jahren 2000 bis 2007 insgesamt über 62 Millionen Euro bezahlt. Auch bei einem U-Boot Verkauf nach Südafrika steht Ferrostaal unter Schmiergeldverdacht. Atmo Eurofighter Sprecherin In den Kampf um den milliardenschweren Rüstungsauftrag aus Indien kommt Bewegung. Medien berichten: Der Eurofighter hat sich gegen Konkurrenten aus den USA, Schweden und Russland durchgesetzt, ein französisches Angebot ist aber noch im Rennen. Jetzt kämpfen zwei europäische Jets - der Eurofighter und die Rafale - um den Zuschlag. O-Ton: Prinz zu Waldeck Das ist eigentlich von der Logik her nicht so richtig nachzuvollziehen. Es muss à la longue geschafft werden, dass wir eine gemeinsame Rüstungsbasis schaffen, dass wir uns nicht noch gegenseitig in Konkurrenz laufen. Sprecherin Prinz zu Waldeck spricht von der gegenseitigen Beteiligung europäischer Firmen und von gleichen Wettbewerbsbedingungen. Sprecher: In Frankreich und Großbritannien aber dominieren ein paar große staatliche Unternehmen den Markt, während die deutschen Rüstungskonzerne in privater Hand sind, viele davon sind mittelständische Firmen. Sprecherin Rüstungsexperte Nassauer sieht eine europäische Konsolidierung als unausweichlich an: O-Ton: Otfried Nassauer Für alle diejenigen, die es heute gibt, wird es in Zukunft keinen Platz mehr geben, es wird mit Sicherheit Firmen geben, die aus dem Wettbewerb ausscheiden und es wird mit Sicherheit Rationalisierungsvorgänge geben, denn nur so kann es zu rationalen Beschaffungsvorgehen in den Armeen kommen, wo nicht jedes Land Kleinserien zu überhöhten Preisen bei seiner nationalen Industrie kauft, sondern man sich mal darauf einigt europaweit den Bedarf mit ein oder zwei Bestellungen zu regeln. Etwas, was man nicht mehr braucht, das muss man in jedem normalen Wirtschaftsbereich einfach irgendwann abbauen. Musik Sprecherin Nassauer geht davon aus, dass Zusammenschlüsse aufgrund der unterschiedlichen Strukturen in der europäischen Industrie noch Jahre brauchen werden. Atmo Messe Sprecherin Zurück zur Paris Air Show. Am Stand von Diehl Defence empfängt Bereichsvorstand Claus Günther den CDU Bundestagsabgeordneten Klaus-Peter Willsch. Atmo Begrüßung Willsch: Geht's gut? Günther: Ja, Sie sind mein letzter Termin, da muss es einem doch gut gehen. Sie sind sozusagen der Letzte. Willsch: Das Letzte. LACHEN Günther: Dann machen wir hier gleich weiter, bei den gefährlichen Dingen. Atmo Claus Günther erklärt Die Iris T ist bis heute state of the art, also, ich sag mal, das Modernste, was es an kurze Reichweiten Luft-zu-Luft-Lenkflugkörper auf der Welt gibt. Ist Bewaffnungsstandard am Eurofighter, Luftwaffe fliegt mit ihm, in Libyen fliegen unsere Alliierten zur Zeit air policing damit, wir haben in vier Länder bereits exportiert und sind dabei auch weitere anzugehen. Sprecherin Willsch hört Günther aufmerksam zu. In Berlin wird er im Haushaltsausschuss über seine Gespräche berichten. Sprecher Wehrtechnische Industrie und Politik sind schon immer eng miteinander verknüpft. Parlamentarier aus Wahlkreisen, in denen Rüstungsfirmen ihren Sitz haben, machen sich gerne für die Industrie stark. Sie wollen nicht nur Arbeitsplätze sichern, sondern auch Wählerstimmen. Gleichzeitig haben fast alle größeren Rüstungskonzerne ein sogenanntes "Kontaktbüro" in Berlin und beim Koblenzer Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung. Ministerien und Streitkräfte sind einerseits Kunden, die es zu pflegen gilt, aber auch Vermittler von Aufträgen im Ausland. Außerdem bestimmt die Politik über die Forschungs-und Entwicklungsgelder, die eine Firma erhält. Und nicht zuletzt, entscheidet sie über Exportgenehmigungen für Rüstungsgüter. Sprecherin Auf dem Stand von Diehl Defence erklärt Claus Günther seinem Besuch aus Berlin einen weiteren Lenkflugkörper: Atmo Claus Günther erklärt Das ist Zukunft -- agiler, bessere Auffassung, noch effektiver, mit einem viel kleineren Kaliber, wie Sie sehen, damit auch verladbar, verlastbar, verschießbar von allen möglichen kleineren Plattformen und das ist der Einstieg in die Technologie der Zukunft. Und wenn wir hier an der Stelle nicht auch in die Technologie investieren, laufen wir in Gefahr im weltweiten Technologiewettbewerb auf dem Gebiet hinten dran zu bleiben. Also, wir sind führend, in der Infrarotsuchkopftechnologie, sind wir führend auf der Welt, wenn wir das nicht weiter unterfüttern, hauen die Ingenieure ab, die Physiker ab, alle die, die da entsprechend sind und das ist das Problem dabei. Sprecherin Claus Günther spielt darauf an, dass Diehl Defence seit zwei Jahren auf einen Auftrag von der Bundesregierung zur Entwicklung seines neuen Lenkflugkörpers wartet. Also auf die Zusage von Geldern. Sprecher Die Rüstungsbranche ist eine High-Tech Industrie, die hohe Forschungs- und Entwicklungskosten hat. Denn für die Produkte im Rüstungsbereich gilt oft: Das Beste ist gerade gut genug. Die Gelder werden häufig und zu großen Teilen vom Staat bzw. vom Steuerzahler getragen. Sprecherin Die größte Summe bekommt EADS für Projekte, wie den Eurofighter, den Tiger oder den A400M. Otfried Nassauer: O-Ton: Otfried Nassauer Das sind Verträge, die laufen über 10, 20 Jahre und binden den Staatshaushalt, egal ob sie teurer werden oder nicht. Und sie werden in der Regel erstens länger, weil die Industrie nie pünktlich liefert, zweitens immer teurer und drittens leisten sie am Schluss bei weitem nicht das, was die Industrie versprochen hat. Und das ist eine Klage, die die anderen nicht offen führen können, die sie aber offen führen sollten, weil da liegt tatsächlich ein Ungleichgewicht und da liegt ein Grund dafür, dass die mittelständischen Firmen immer weniger vom Kuchen abbekommen, jedenfalls prozentual, was den Verteidigungshaushalt betrifft. Atmo Messe Sprecherin Hier und heute kann der Abgeordnete Willsch das Problem der fehlenden Forschungs- und Entwicklungsgelder von Diehl nicht lösen. Atmo Verabschiedung Willsch: Wir müssen schon wieder weiter... Günther: Sie müssen, ich weiß. Ich bedanke mich ganz herzlich, dass Sie da waren. Bis demnächst mal in Berlin. Willsch: Machen wir so. Günther: Ich denke, spätestens nächste Woche sehen wir uns beim Förderkreis Heer auf dem Parlamentsdach, oder? Willsch: Wir haben zurzeit Griechenland und Energie...Sondersitzungen. Günther: Ach, aber das ist doch immer schön da oben und wenn wir uns spät in der Nacht getroffen haben, aber getroffen haben wir uns da bisher immer, oder? Bis demnächst. Sprecherin Für Klaus-Peter Willsch war das der letzte Termin an diesem Tag. Sieben Stunden lang wurde er von Stand zu Stand geführt. Sein Resümee: O-Ton: Klaus-Peter Willsch Wichtig ist, dass wirklich von der Regierung her Gelegenheiten genutzt werden die eigenen Produkte ins Schaufenster zu stellen. Wir sind in der ganzen Welt mit Botschaften vertreten, haben dort Militärattachés, die auch den Kontakt halten zur örtlichen Armee, dieses ganze Netzwerk muss eingesetzt werden, um frühzeitig zu erkennen, wo gibt es welche Bedarfe und wo könnten wir uns als Deutsche positionieren, wo müssen wir, welche Partner mit dazu nehmen, um das anbieten zu können. Das machen andere etwas unbefangener und professioneller und da einen Beitrag zu leisten, dass das in Deutschland auch etwas unbefangener und professioneller läuft, bin ich gerne bereit. Sprecherin Andere sehen die Nähe zwischen der deutschen Politik und Industrie auch heute noch kritisch. Katja Keul, parlamentarische Geschäftsführerin der grünen Bundestagsfraktion und Mitglied im Verteidigungsausschuss: O-Ton: Keul Ich weiß gar nicht, ob das jetzt die Aufgabe der Politik ist, die Industrie zu erhalten, also man muss ihnen die Rahmenbedingungen vorgeben, das muss man politisch entscheiden, in welchem Rahmen will man unterstützen, in welchem Rahmen will man aber auch Anreize setzen um vielleicht umzuplanen. Ja, zu sagen, wenn ihr Kapazitäten nur im Bereich der Kriegswaffen habt und wir diese Märkte einfach auch nicht mehr haben, dann muss man vielleicht auch noch mal überlegen, ob man Anreize für Konversion setzt. Atmo Fabrik, darüber Musik Sprecherin Noch gibt es solche Anreize nicht. Auch wenn zahlreiche deutsche Produzenten von Wehrtechnik keine reinen Rüstungsbetriebe sind, sondern vielmehr Mischbetriebe, die einen Anteil an ziviler Produktion haben, der ausbaufähig wäre. Sprecherin Katja Keul und andere befürchten, dass Kürzungen im Verteidigungsetat und Streichungen infolge der Bundeswehrreform die deutsche Regierung dazu bewegen werden, mehr Rüstungsexporte zu genehmigen. Auch in Länder, die Menschenrechte missachten oder von zweifelhaften Regimen geführt werden. O-Ton: Otfried Nassauer Heute sind viele Firmen zwischen 60 bis 80 Prozent, vielleicht manchmal sogar über 80 Prozent in ihrem Umsatz exportabhängig und damit auch davon abhängig, dass die Bundesregierung entscheidet, dass sie den Export genehmigt, denn würde das nicht passieren, dann müssten sie gewaltig umstrukturieren. O-Ton: Katja Keul Ich sehe die Gefahr in der Tat darin, dass die jetzige Regierung durchaus dafür anfällig ist dem Druck der Industrie hier nachzugeben und umso wichtiger ist es, dass wir transparente Verfahren einfordern, damit wir das dann auch öffentlich machen können und erkennen können, wo Druck ausgeübt wird, um dem auch Widerstand leisten zu können. Musik Sprecherin Bereits heute besteht die Gefahr, dass Exporte deutscher Rüstungstechnik über europäische Länder abgewickelt werden, in denen es leichter ist eine Genehmigung zu bekommen. Der deutsche Export in EU- und NATO-Länder ist praktisch nicht beschränkt. Der Export von Rüstungsgütern in alle anderen Länder muss von den zuständigen Behörden genehmigt werden. Welches Gesetz greift, hängt vom Produkt ab. Für Kriegswaffen gilt: Der Export ist verboten, es sei denn, er wurde explizit genehmigt. 62 Güter zählen dazu: Sprecher: Lenkflugkörper, Kampfflugzeuge, Kriegsschiffe, Kampfpanzer, Rohrwaffen, Flammenwerfer, Torpedos, Kanonen, Mörser, Minen, Laserwaffen, Handgranaten, Bomben... Effekt Geschoss mit Wucht und Grollen Sprecherin Über besonders umstrittene Exporte entscheidet der Bundessicherheitsrat, ein Kabinettsausschuss unter Vorsitz der Kanzlerin. Seine Beratungen sind geheim. Das Parlament darf bei Rüstungsexporten nicht mitreden und erfährt von den Entscheidungen des Bundessicherheitsrats nur im Nachhinein. Einmal im Jahr berichtet die Bundesregierung über die Genehmigungen, die sie im Vorjahr erteilt oder abgelehnt hat. Als Richtlinie für den Bundessicherheitsrat gelten die sogenannten "Politischen Grundsätze". Darin heißt es, die Exportentscheidung soll von der Menschenrechtssituation und der politischen Lage des Empfängerlandes abhängig gemacht werden. Aber auch: Sprecher "Der Export von Kriegswaffen wird nicht genehmigt, es sei denn, dass im Einzelfall besondere außen-oder sicherheitspolitische Interessen der Bundesrepublik Deutschland...für eine ausnahmsweise zu erteilende Genehmigung sprechen. Atmo Leopard Panzerkolonne Sprecherin Einige Wochen nach der Paris Air Show sorgt folgende Nachricht für heftige Diskussionen: Atmo Tagesthemen Der Bundessicherheitsrat soll den Weg frei gemacht haben für den Export von Leopard 2 Kampfpanzern nach Saudi-Arabien. Nach einem Bericht des Nachrichtenmagazins "Der Spiegel" will das autoritär geführte Land mehr als 200 Panzer kaufen. Atmo Export deutscher Panzer Die Bundesregierung jedoch schweigt. Bundesaußenminister Guido Westerwelle: "Diese Sitzungen sind vertraulich, sie sind geheim." Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler: "Die Beschlüsse des Bundessicherheitsrates sind geheim." Hermann Gröhe, Generalsekretär CDU: "Das möchte ich nicht kommentieren." Saudi-Arabien habe das Regime in Bahrain beim Niederschlagen der Regierungsgegner unterstützt, empört sich die Opposition. Atmo 30 Gregor Gysi wird aufgerufen Der Kollege Gregor Gysi hat das Wort: Gysi: Saudi-Arabien ist einmarschiert in Bahrain, hat geschossen, und zwar auf die Demokratie- und Freiheitsbewegung. Es gab Tote. Viele Tote, es gibt viele Inhaftierte. Die Leute, die im Krankenhaus sitzen, zittern um ihr Leben. Und dann entscheiden Sie sich, dorthin Waffen zu liefern, anstatt eine gegenteilige Politik zu betreiben. Und jetzt machen Sie daraus auch noch so eine Geheimniskrämerei. Erklären Sie mir doch mal, was haben wir davon, außer dass die Rüstungslobby daran verdient? Sprecher Die Firma Krauss-Maffei Wegmann soll eine Voranfrage für den Export ihrer Leopard Panzer an die Bundesregierung gestellt haben. Hat der Bundessicherheitsrat darauf positiv geantwortet, so hat er verbindlich versprochen, später auch eine Genehmigung zu erteilen. Gegen ein Gesetz verstößt die Bundesregierung damit nicht, höchstens gegen die Vorgabe der "Politischen Grundsätze"eine verantwortungsvolle Genehmigungspolitik zu verfolgen. Diese Grundsätze sind aber erstens flexibel formuliert und zweitens rechtlich nicht bindend. Musik Sprecherin Saudi-Arabien ist schon länger guter Kunde der deutschen wehrtechnischen Industrie - bereits unter Rot-Grün lieferte Deutschland Rüstungsgüter in das Land. Der Export des Leopard Modells nach Saudi-Arabien ist vor allem deswegen umstritten, weil der Panzer mit seinem speziellen Waffensystem, seinem Räumschild und dem zusätzlichen Schutz gegen Panzerfäuste und Sprengsätze besonders gut für städtische Gebiete und den modernen Häuserkampf geeignet sein soll - also auch für Einsatz gegen Aufständische. Die Firma Heckler & Koch überließ 2008 dem Wüstenstaat eine Lizenz zur Herstellung des Sturmgewehrs "G 36", heißt es in Medienberichten. Jetzt bietet Saudi-Arabien das "G36" angeblich auch zum Export an. Ein solcher Weiterverkauf ist eigentlich nur mit Genehmigung der Bundesregierung zulässig. Das ARD-Magazin "Kontraste" berichtet, dass auch im Kampf gegen den ehemaligen Staatschef Gaddafi "G36" eingesetzt wurden. Große Mengen der Waffen seien den Kämpfern beim Sturm auf die Residenz Gaddafis in die Hand gefallen. Wie die Gewehre nach Libyen kamen ist bisher unklar. Geschäfte mit Saudi-Arabien macht auch MTU Aero Engines. Michael Schreyögg, Leiter Militärische Programme: O-Ton: Michael Schreyögg Die verschiedenen politischen Strömungen in den Ländern, wie Bahrain und noch dazu in einem Umfeld, das sehr, sehr stark vom Iran geprägt wird, zu verstehen, fällt mir natürlich schon schwer. Ich kann wirklich nur aus eigener Erfahrung sprechen, was ich sehe und was ich erlebe, wenn ich in Saudi-Arabien bin und das ist aus meiner Sicht ein sehr, sehr westliches, sehr sehr stabiles Land, in dem man sich auch absolut sicher fühlt. Atmo Messe Sprecherin Klaus-Peter Willsch von der CDU rechtfertigt die positiv beantwortete Voranfrage für den Panzerexport so: O-Ton: Klaus-Peter Willsch Wenn ich ein Land zu organisieren habe, mache ich das anders als das Herrscherhaus in Riad, aber das ist nicht der Kern von Außenpolitik. In der Außenpolitik geht es darum, dass wir unsere Interessen in der Welt wahren, fördern und ein Interesse an stabilen Verhältnissen im Mittleren Osten haben wir unbestreitbar, wohl sicher noch ein bisschen mehr seit wir uns entschieden haben in der Energiefrage wieder stärker auf fossile Energieträger zu setzen. Musik Sprecherin Kleinere Armeen und geringere Militärbudgets in Europa werden wohl kaum zu einer friedlicheren Welt beitragen. Statt weniger Rüstungsgüter zu verkaufen, werden deutsche Waffenkonzerne ihr Geschäft an andere Fronten verschieben. Dahin, wo neue Konflikte entstehen und neue Kunden warten. Wo Rohstoffe vorhanden sind und außen- und sicherheitspolitische Interessen liegen. Vielleicht wird die Nachfrage nach konventionellen Waffen sinken, aber Drohnen und Satelliten weisen den Weg zu neuen Kriegen. Die Stimmen der Opfer bleiben auch dabei ungehört. Musik Sprecher vom Dienst: Frontverschiebung Die Zukunft der deutschen Rüstungsindustrie Ein Feature von Sonja Heizmann Es sprach: Ton: Regie: Klaus-Michael Klingsporn Redaktion: Constanze Lehmann. Produktion: Deutschlandradio Kultur 2011 11 4