DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Hörspiel/Hintergrund Kultur Dienstag, 03.08.2010 Redaktion: Hermann Theißen 19.15 ? 20.00 Uhr Ortserkundungen "Verzehr auf eigene Gefahr" Eine Essensausgabestelle in Berlin von Johanna Olausson URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. ? Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - LEO Schönen guten Morgen. LEUTE Guten Morgen. LEO Wir haben heute Besuch, wie Sie sehen können. Wo kommt ihr denn eigentlich her? KINDER Gemurmel- LEO Alles verstanden? LEUTE Ne. LEO Also noch mal für alle: Quenton Blake, Europaschule aus dem Hüttenweg. Liegt in Zehlendorf. Warum seit ihr heute her gekommen? Ihr habt gelesen, dass unser Auto ausgebrannt ist, mit dem wir immer die Lebensmittel holen. Das haben Sie vielleicht auch alle gelesen. Das stand nämlich im Gemeindebatt, dass der Lieferwagen ausgebrannt ist und wir uns jetzt ein bisschen behelfen müssen. Und da sind die Kinder natürlich auf die Idee gekommen. Was habt ihr gemacht? KINDER Wir haben Geld gespendet. LEO Geld gesammelt, ja? Wie viel ist denn zusammengekommen? GRETE Das sagt man nicht. Ganz viel. LEO Also, ein paar Reifen haben wir schon und ein Lenkrad. Also, dafür möchten wir uns ganz herzlich bedanken. Und ihr habt das jetzt nicht nur so als Scheck, wie man das ja sonst immer kriegt, sondern ihr habt es wunderbar verpackt. Und das legen wir hier vorne hin und dann könnt ihr euch das alles angucken, denn. Eure Aktion hat einen ganz kräftigen Applaus verdient. (Applaus) LEO Wir sagen auch ganz herzlich danke schön, denn ohne Auto kommen die Lebensmittel nicht hierher, die ihr ja mal mitnehmt dann, ja? MUSIK Ansage Verzehr auf eigene Gefahr Eine Essensausgabestelle in Berlin Ein Feature von Johanna Olausson Kapitel 1 "Im Krieg haben die Alles gegessen" Wie Pfarrer Hoffmann und die Seinen das Beste aus der Wegwerfgesellschaft holen HOFFMANN "Leib und Seele" ist eine Gemeinschaftsaktion der Kirchen in Berlin, Evangelischen, Katholischen, Freikirchen, des RBBs und der Berliner Tafel, ist 2005 ins Leben gerufen worden als Antwort auf die Hartz-IV-Gesetzgebung und hat das Ziel, Menschen, die unterhalb der Armutsgrenze leben, mit Lebensmitteln zu versorgen, die in Geschäften nicht mehr verkäuflich sind oder nicht mehr verkauft werden. ANGELIKA Um acht Uhr fangen wir an, also treffen wir uns hier. Denn wird besprochen, watt wir machen. Dann müssen wir anfangen zu sortieren, dann kommt der große Wagen, dann wird die ganze Ladung darüber gebracht und wir sortieren das. Bis zwölf, halb zwölf müssen wir fertig sein. HOFFMANN Also das heißt, in der Aktion werden Lebensmittel angesammelt, die die Supermärkte aussortieren, weil das Haltbarkeitsdatum so weit fortgeschritten ist, dass es niemand mehr kaufen würde, aber das Haltbarkeitsdatum noch nicht überschritten ist. Und diese Lebensmittel werden halt, wie in 45 anderen Ausgabenstellen, hier verteilt. HOFFMANN Alle Lidl-Filialen sind in einem von der Berliner Tafel organisierten Netzwerk drin. Dann gibt es ein Abkommen mit der Firma Kamps. ANGELIKA Das ist alles "Mumpe". "Mumpe" nennen wir "alles durcheinander". Und das muss jetzt sortiert werden. HOFFMANN So, das sind sozusagen die beiden Hauptsponsoren. Und das andere, sage ich jetzt mal, müssen die Kirchengemeinden eigentlich mehr oder weniger selber organisieren. ANGELIKA Also, von sämtlichen Kaufhäusern wird das zusammen gesammelt. Weil das Überschuss ist und damit, dass sie es nicht wegschmeißen, sparen sie einen Haufen Geld wegen die Entsorgung. Und wir, siehst du ja, können das sehr gut gebrauchen. HOFFMANN Ich heiße Andreas Hoffmann. Ich bin Pfarrer der Kirchengemeinde "An der Panke". In der Aktion selber sind ja die meisten Mitarbeiter eigentlich ursprünglich jetzt nicht aus der Kirchengemeinde, sondern sie sind damals über einen Aufruf der Berliner Tafel zu der Aktion gekommen und haben sich dann damals gemeldet. Und davon sind ja die meisten selber Hartz-IV-Empfänger. ANGELIKA Jeden Sonnabend bin ik hier. Außer wenn ik mal Urlaub habe. Urlaub in Anführungsstrichen natürlich. Wir sind eine gute Truppe. Macht schon Spaß, sehen Sie ja selber, hören Sie ja auch, wie wir miteinander umgehen: hart aber herzlich. MIKE Kommt man unter Leute, lernt nette kennen, lernt schlechte kennen, hässliche, raffgierige, und so weiter und sofort. Habe ich immer ein Auge drauf, wenn ich sage, ein Blumenstrauß, dann reicht einer. Da sitzen noch 300 Leute drin, und die werden immer ausverschämter. Und das passt mir nicht. Aber das kriegen wir alles in den Griff. HOFFMANN Es gibt einen harten Kern, die zum Teil auch schon von Anfang an dabei sind und die wirklich jeden Samstag dabei sind, und es gibt Menschen, die eben nur sporadisch kommen. --- STUDENTIN Also, ich bin Studentin, aber ich glaube, ich bin die einzige Studentin. MIKE Ich bin der Pappenheini, sieht man doch, oder? Na die Pappen, Karton alles klein. Na, wir müssen die ja zerdrücken. Es kostet ja immer Geld so ein Container. Wenn wir sie ganz reinstellen, dann reichen uns drei nicht. STUDENTIN Jetzt sortiere ich gerade die Orangen aus. Damit die Menschen eben nicht solche ekelhaften, verschimmelten Orangen mit im Netz haben. Eine Win-Win-Situation: Sie müssen nichts zahlen dafür, dass sie den Müll entsorgen und die Menschen können davon etwas besser leben in unserer Wegwerfgesellschaft. KRISTA Das ist Quark, Jogurt, ein bisschen Salat, und hier unten ist Wurst. Das ist eine Kiste für Kinder, aber das nicht. Das ist hier was mit Schnaps, Babynahrung da hinten, zweimal, ein bisschen Mehl, wer backt? Und die Nudeln. ANGELIKA Da müssen wir dann gucken wegen der Haltbarkeit. Datum mäßig. Was überschritten ist, müssen wir natürlich wegschmeißen. Und da ich hier jar nichts sehe, doch hier. Watt steht hier? Erster, nein elfter? Oh, weia. Zweiten zehnten, ne das kommt schon weg. KRISTA "Haltbarkeitsdatum ist abgelaufen, Verzehr auf eigene Gefahr". Man muss sich absichern, nicht? --- Aber manche meckern dann immer, dass das Datum abgelaufen ist. Es ist ja nicht so lange abgelaufen: ein oder zwei Tage. Es steht ja, alles ist mindesthaltbar, ne? Und dann muss man damit leben, ne? Ist das nicht so? Ich sage immer wieder, wenn ich sehe, was auf der Welt ist. Gestern hab ich wieder gesehen, ich glaube es war Indien, da sind sie am Wasser, an einem dreckigen Fluss, da nimmt der eine Wasserflasche, und füllt sich da Wasser rein, um davon zu kochen. Dann jammern sie hier, wenn es ein Tag abgelaufen ist. --- Wenn ein Druckstelle am Obst oder so ist, das kann man abschneiden, Schimmel ist was anderes. Im Krieg haben sie alles gegessen, waren sie froh, wenn sie eine Schimmelstelle hatten. Aber jetzt sind wir, nicht alle, viele verwöhnt, ne?. Dann meckern sie, wenn bloß manchmal nur drei Eier drin sind. Ich kann keine zehn geben, wenn 200 Leute da sind und ich nur so viel habe. Ich sage: Seien Sie froh, dann können sie Sonntag ein Ei essen. --- MUSIK Kapitel 2 "So lange es nicht stinkt, esse ich das" Warum die Leute schon um acht vor der Kirche stehen HOFFMANN Die stehen hier vor der Tür, vor der Kirchentür, vor dem Tor um acht, um neun und stehen bei Wind und Wetter auf einem Camping-Klappstuhl und warten, dass es elf Uhr dreißig wird. TYP Wegen der besten Plätze, aha, aha. (lachen) Nein, wegen den sozialen Kontakten, um es so auszudrücken. Wir stehen hier, weil wir gerne frieren und weil man sich mit Menschen unterhalten kann, die man nicht jeden Tag sieht. ROTHAARIGE FRAU Ich meine, man hat nichts dagegen, dass die Leute sich was mitnehmen. Bloß wenn es so aussieht ... . TYP Die machen ja einen guten Job. Die sollen ja auch mehr kriegen als die, die hier vorne sind oder die besseren Sachen von mir aus, aber nicht alles mitnehmen. Wenn die einen Karton Wurst haben, kommt nicht ein Gramm hier vorne raus. Das alte Brot und das gammelnde Gemüse, das rücken sie raus, ja. Und Bananen, wenn man die anfasst, fangen die an zu leben. Und das macht sich nicht gut, ja? --- ROTHARIGE FRAU Dass die Bananen auch so gespendet werden, dass sie verfault sind und schwarz sind, dass man die wirklich hochhebt und die lebt, das finde ich auch schon schlimm. Manche anderen Sachen auch, die sind vier, fünf Tage verfallen. Wurst oder Fisch, was für den Magen auch nicht gerade so angenehm ist. Und das kann man sich dann hier abholen, ja? Ich meine gut, das steht jedem frei, ja? Aber ich finde trotzdem ... TYP Außer das, was schon 14 Tage abgelaufen ist, rücken sie ja nichts raus. Was noch haltbar ist, nehmen sie sich nach hinten. Mir ist das egal, solange es nicht schimmelt und stinkt, esse ich das. Aber es ist nicht schön, was da abläuft. Es ist eine riesengroße Sauerei. HOFFMANN Jede Woche sage ich Ihnen, dass sie völlig blöd sind und dass es völlig reichen würde, wenn sie um 11.55 Uhr kommen. Aber sie stehen da, obwohl sie nicht früher drankommen deswegen. Und ich denke mal, dass das der Wunsch ist mit einander zu reden, ja? LEO Ganz langsam bitte. Gemach, gemach. Gemäßigt. MUSIK Kapitel 3 "Es gibt keine besten Plätze hier, es gibt nut ein bisserl Glück" Woher die freiwilligen Helfer von Pfarrer Hoffmann kommen LEO Ganz langsam bitte. Gemach, gemach. Gemäßigt. TYP Moin, moin ,moin. TYP Da wo die Ente zuerst hinzeigt, das sind die besten Plätze (lachen). Es gibt keine besten Plätze hier, es gibt nur ein bisserl Glück. ANGELIKA Das ist hier die Pankstraße - in Wedding. GRUNEWALD Es ist eben ein alter Schinkelbau, der Anfang 45 ausgebombt wurde und dann in den 50er-Jahren aufgebaut und in Betrieb genommen wurde. HOFFMANN Und man hat eben später diesen Glockenturm in der Form eines Kampaniles angebaut. Das soll die armen Menschen, die im kalten Norden sitzen, irgendwie so ein südländisches Feeling geben, ja? (lacht) ANGELIKA Sieht ziemlich kalt aus. FRAU SCHMIDT Suchen Sie sich in den Reihen ein Platz. Brauchen Sie jemand zum Dolmetschen? Eh, ja, hier ist die Essensausgabe. Brauchen sie jemand zum Dolmetschen, der Ihnen das übersetzt? FRAU Nein. FRAU SCHMIDT Sie verstehen deutsch? FRAU Ja. FRAU SCHMIDT Gut dann suchen Sie sich bitte einen Platz in den Stuhlreihen. Und wenn wir angefangen haben, dann komme ich noch mal beziehungsweise es kommt noch jemand zu Ihnen und erklärt es Ihnen dann genau. Ja? In den Stuhlreihen bitte einen Platz suchen. Hier sind welche und vorne sind auch noch welche frei. Nicht auf den Bänken. In den Stuhlreihen. Das ist was, was ich nicht verstehe, wenn ich frage, ob sie jemand zum Dolmetschen brauchen, ich weiß ja, wer welche Sprache spricht. Ja für mich ist das ja völlig egal, dann hole ich ihnen jemanden, aber wenn da jemand zu mir sagt: "nein", und ich sage: "Verstehen sie deutsch?", dann erwarte ich auch, dass er deutsch versteht. Also, das ist, wo ich immer denke: "eh, hallo?" - Aber Dolmetscher ist ein Wort, das kann ich fast auch in allen Sprachen. HOFFMANN Es gibt Ausgabestellen, die auch auf freiwilliger Basis eine Andacht anbieten vor der Ausgabe. - Und wir haben das hier auch nicht gemacht, gerade weil es eine Ausgabenstelle ist, wo eben sehr viele Menschen aus anderen Kulturen sind, wollten wir das nicht. - Aber ansonsten meinen wir eigentlich oder unsere Auffassung bei "Leib uns Seele" ist es, dass wir durch die Tat Menschen erreichen, nicht dadurch, dass wir denen eine Predigt halten, ja? Die Ausgabe selber ist sozusagen die Predigt, ja? (lacht) ANGELIKA Die Mitarbeiter das sind freiwillige Mitarbeiter, die auch Hartz IV beziehen oder Rente kriegen. Ja dat sind allet nur freiwillige, so wie ich auch. LEO Ich mache hier den Innendienst, quasi, die Organisation im Innendienst--- ANGELIKA Und ich bin mal bei bei Brot, bei Gemüse, mal bin ich draußen, mal mache ich die Rollstuhlfahrer. Also, ich mache immer so gemischt. RENTNER Ich bin ehrenamtlich tätig. Ich bin Rentner, also Pensionär. Ich war früher Lehrer. ANGELIKA Vorher war ich im Hennigsdorf im Stahlwerk. Ich war im Gleisbau, das heißt: Ich war bei den Lokomotiven. Ich habe Reparaturen gemacht, Gleisarbeiten. Aber das war schön. war schöne Arbeit, stressig aber ... Winterdienst hatten wir rund um die Uhr, zwölf Stunden. Dann hat das Stahlwerk zugemacht, naja wat soll ich machen. Naja, kiek mal, ich bin schon etliche Jahre raus. Ich bin auch nicht mehr die jüngste, aber wenn das alles noch wäre, dann wäre ich nicht hier, da wäre ich noch im Stahlwerk. Aber da es nicht mehr ist, kann man nichts tun. MUSIK ANGELIKA Naja, um halb zwölf kommen hier die Leute rein. GRUNEWALD Das sind alles Sozialbedürftige. Die müssen nachweisen, dass sie hier unter einem bestimmten Mindesteinkommen von 900 Euro monatlich liegen. MANFRED Also, ich bin auf jeden Fall erst mal der Bluesermann. (Lacht.) Ich höre gerne Rockmusik von den 60er und 70er-Jahren. Beispielsweise: Jimi Hendriks, The Doors, Janis Joplin. Wie sie alle damals so hießen in den Sechzigern, Siebzigern. Gute Mucke! Ich mache ja heute immer noch Luftgitarre, wa? (lacht) HOFFMANN Grundsätzlich sind berechtigt alle Menschen, die ein geringeres Einkommen haben als 900 Euro pro Person, 1300 pro zwei Personen und dann entsprechend für die Kinder geht es dann in 100 Euroschritten aufwärts. In den meisten Fällen ist das ja Hartz IV, also Arbeitslosengeld 2, aber es gibt auch Sozialhilfeempfänger, es gibt Studenten, es gibt Menschen, die halt ein geringfügiges Einkommen haben, Rentner, Asylbewerber. MANFRED Die holen sich wat zu essen, wa? Weil wir alle vorm Arbeitsamt hängen. Scheiß A-Amt. Weil die geben ja nichts raus an Arbeit. Brauchst du nur in die Sickingenstraße hinzugehen da, wa? Fragst du: "Kriegt man hier wat zum arbeiten?" ? "Haben wir nicht, müssen Sie selber suchen." - Humbug ist dat. Wer ist da Schuld? Die SPD und die Grünen! Grüne wähl ich nie wieder. Vor allem nicht hier. Joschka Fischer und wie heißt die Kühnerts, die blöde Kuh die! Tun sie alle so freakig,wa? Und haben meine Generation verraten, wa? Dat ist Verrat ist dat. Weil damals Rudi Dutschke und Ulrike Meinhof. Ja das war meine Generation. MUSIK Kapitel 4 "Bei uns ist es nicht so gut wie hier" Was Kellner, Maler und Tschetschenen in die Kirche führt SAM Ich bin Restaurantfachmann: Tellertaxi, Tablettschleuder, Kellner. Meine Mutter hatte schon eine Bar in Spanien und meine ganze Familie kommt aus der Gastronomie. MANFRED Maler und Lackierer. --- Ich war 15 Jahre in einer Firma hier in Wedding. Pleite gemacht - bumm. RENATE Mein Beruf? Spulerin im Textilbereich. Also das ist praktisch, wenn man die Spulen ... also Anfangsgarn von so riesen Spulen auf so lange macht. Das habe ich gemacht. Ich habe das erste Kind mit 18 Jahren bekommen und seitdem bin ich auch aus dem Beruf raus. Ein Schlaganfall während der Geburt und ein Herzinfarkt. --- Ich werde nächstes Jahr 50 Jahre. JUNGE Wir sind hier neue, wir haben hier eingezogen. JUNGE Meine Schwester ist vier Jahre alt, sie geht Kindergarten. Ich und meine Bruder, er ist sieben Jahre alt, mit meinem Bruder gehen wir Schule. Ich bin fünfte Klasse. Meine Mutter geht auch zur Schule. MUTTER Anrumerstraße Deutschkurs. SAM Ich stehe eigentlich relativ früh auf, so sieben, halb acht, acht. Kaffee machen, weiterlesen, noch im Bett weiter lesen, Kaffee tinken im Bett, Zigarette rauchen, aufstehen, Frühstück machen, putzen, dass war's, dann lege ich mich wieder hin und lese weiter. Ich lese halt gerne. Eigentlich stresslos, es ist fast wie Urlaub. (lacht) MANFRED Na, wenn schönes Wetter ist, mache ich gerne Radtouren, weiß du? --- Nie Faulenzen. Kneipe auf keinen Fall. Die Kumpels haben ja alle keine Lust, die gehen lieber in die Kneipe. Habe ich sie gefragt: "Habt ihr mal Lust eine schöne Radtour zu machen?" Sagen sie: "Ik hab kein Bock. Ik sitz lieber vorm Fernseher." Sag ik: "Tschüss." (lacht) JUNGE Auf Deutsch sagt er: "Wieheißt du?", bei uns Tschetschenien, Tschetschenische Sprache: ... Wir sind Muslime, ich muss Koran lernen auf Arabisch. Ich gehe deutsch lernen, danach komm ich zu Hause. Morgen muss ich Arabisch lernen. Jeden...Heute ist Samstag oder Somstag? SAM Das Problem ist: Die Leute, die mit Hierarchie in einem Job leben, denen ist halt besonders viel wert an der Position, die man hat. Man will diese Position auch entweder verteidigen oder erhöhen. --- Das ist wirklich Stress, also geistiger Stress, Weil ständig musst du aufpassen, was du sagst, wem du es sagst und wer um dich herum ist. Es können auch Spione sein. Es ist fast wie im Roman. Ich habe echt Dinger gesehen, wo ich gedacht habe: Wo ist hier die Kamera? Das ist nicht normal. --- MUTTER Meine große Familien, fünf Personen helfen Produkte gut. JUNGE (Übersetzt) Bei uns Tschetschenien alles ist kaputt. Bei uns nicht so gut, so wie hier. SAM Ich bin kein guter Arbeiter, weil ich lass mir von niemanden runtertreten. Soll ich mich schwarz anmalen und ketten mitnehmen oder was. --- JUNGE Ich mache die Schule fertig, dann gehen wir wieder zu unsere Land. MUTTER (fängt auf Russisch an, geht über in Tschetschenisch) JUNGE Sie sagt, meine Mutter will, ich hier so gut deutsch lerne. Bei uns ... so schwer nach Tschetschenien abfahren. Sie sagt: Wir lernen viel hier und sie sagt, noch nicht zu unsere Land gehen. Sie will noch nicht. MUTTER (seufzt) Hier gut. Kinder gut. Dlja Djetjei Karascho. JUNGE Sie sagt für Kinder hier bisschen gut. Bei uns Tschetschenien bisschen Problem. RENATE Es geht ja nicht. Ich habe Osteoporose, ich habe Gicht, ich habe Rheuma, ich bin schwer herzkrank, ich habe zu hohen Blutdruck, ich habe mit der Schilddrüse zu tun. (Also kann jeder wat gerne abhaben, ich gebe gerne mal wat ab.) Ich habe den da oben mal gefragt: Warum immer ich? Hättest du nicht an meine Geschwister auch was verteilen können? Sagt er: Nö, wenn schon denn schon, alles oder gar nichts. MUSIK Kapitel 5 "Die Ersten werden die Letzten sein oder auch nicht" Wie der Kreisel Ordnung schafft GRUNEWALD Wir fangen an! FRAU SCHMIDT Wir fangen an? Ok. GRUNEWALD Wir fangen an! (geht hinaus) Wir fangen an! HOFFMANN Wie haben ein Triesel, das ist so ein Kinderspielzeug. Hatte ich auch als Kind. Da macht man so drauf (kurbeln) und das dreht sich dann, also wie beim Roulette sozusagen. Ja, und da ist so eine Figur oder ein Tier oder so und da, wo es hinzeigt, da geht es los. FRAU SCHMIDT Bitte schön. ZWILLING Oh, jetzt geht es gleich los. STRASSENKÖTER Jetzt geht es gleich los. Jetzt geht es gleich los. FRAU SCHMIDT So einen wunderschönen guten Tag. ZWILLING Jetzt werden die Türen zugemacht in der Kirche. STRASSENKÖTER Jetzt kommt keiner mehr rein. ZWILLING Sodass keiner mehr rein oder raus kann. FRAU SCHMIDT Außer den üblichen Sachen für alle neue: Denken sie bitte daran, dass die Handys ausbleiben. Es wird nicht gegessen und getrunken. Wenn das Toilettenpapier auf der Toilette alle sein sollte, sagen sie bitte auch jemandem von uns Bescheid. JEMANDEN Ruhe. Psst. FRAU SCHMIDT So, dann können wir jetzt trudeln. Wir machen im Uhrzeigersinn ,ja? Im Uhrzeigersinn, ja? LEUTE Ja. LEO Ja, wir machen das immer so, weil die Leute immer dagegen sind es eigentlich entgegengesetzt dem Uhrzeigersinn zu machen. Frage ich halt vorher eigentlich meistens: Uhrzeigersinn? Dann sagen sie immer ja. FRAU SCHMIDT Alle sind hektisch und jeder will der erste sein. (Kurbeln, langes Klingeln) So und loslassen. Weg, weg, weg! (weiter Klingeln) FRAU SCHMIDT Sie halten die Biene nicht mit dem Finger fest. (dreckiges Lachen) TYP Hab ich ja jar nicht gemacht. MANN Nur beeinflussen will er se. FRAU SCHMIDT Uhrzeigersinn. Und Los. MUSIK LEO Und so geht es dann im Uhrzeigersinn los. Und das hat ja eigentlich den Sinn, dass wir hier keine Marken verteilen, sondern die Leute dann der Reihe nach kommen. Und das ist, denke ich, auch gerecht, weil man ja immer sagt: Die Ersten werden die Letzten sein oder zwischendrin. Der Sinn ist dann ja eigentlich, dass die Leute dann um zwölf hier sind. Wir fangen dann an und dann kann auch der zuletzt gekommen ist halt der Erste sein oder auch der Letzte ja oder mittendrin. So ist dat halt. MANFRED Jetzt weiß ich, wen sie damals 67 erschossen haben. Benno Ohnesorg war das. Benno Ohnesorg. STRASSENKÖTER Den Studenten. MANFRED Danach 68 war dat Rudi Dutschke. Haben sie im Kopf geschossen. STRASSENKÖTER Bitte nicht Bitte nicht. MANFRED Der Ganze Umweltschutz ist ja dadurch entstanden mit dem ganzen Baader Meinhof Kram. Sonst wären ja heute die Flüsse noch verdreckt. Ich weiß es doch noch von Wuppertal, wa? Was meinst du wie die Wupper verdreckt war?. Das hat gestunken. Wie eine Kloake war das, wa? Und heute ist es alles sauber. Ja, das war doch damals die alte Generation, die damals Ende der sechziger oder Anfang siebziger alle fünfzig schon waren. Das war die alte Kriegsgeneration. Die waren alle so verkrustet, mir denen konntest du gar nichts machen. Die haben immer geschwiegen. Und die wollten von damals nix erzählen, weil sie Angst hatten, es könnte was raus kommen, weil sie nämlich so. Drei Liter gehalten haben. wa? (Lacht.) STRASSENKÖTER Sie waren mit von der Partie. MANFRED (leise nah ans Mikro) Heil Hitler. (weiter weg) Drei Liter, weiß du? (lacht) MANFRED Heil Hitler drei Liter. (lacht) STRASSENKÖTER Das darf man ja heute nicht mehr sagen. MANFRED Ich sage immer drei Liter, weiß du? So jetzt rauchen wir erst mal eine. Kommst du mit oder rauchst du auch eine? MUSIK Kapitel 6 "Die da draußen können besser bescheißen" Warum wer arm ist, zumeist nach unten guckt GRUNEWALD Es ist ein sehr relativer Begriff: Armut. Wir müssen also, wenn wir von Armut sprechen, immer die relative Armut innerhalb unserer Gesellschaft sehen. Viele Leute, die eben knapp das nötigste zum Überleben haben finanziell, ja? Sonst würden sie sich hier auch nicht stundenlang hinsetzen und warten, dass sie mal eine Tüte oder ein Hackenporsche vollgepackt kriegen mit Lebensmitteln, ne? HOFFMANN Also ich glaube, das ist aber nur meine ganz persönliche Meinung, dass Armut nicht an der Höhe des finanziellen Einkommens hängt. Sondern es hat, glaube ich, sehr viel damit zu tun, wie man sich selbst versteht, ja? Ich kenne auch Menschen, die haben weniger als 900 Euro und leihen sich trotzdem Bücher aus der Bibliothek aus und lesen jeden Tag die Zeitung und gehen ins Theater und fühlen sich gar nicht arm ja. Und ich glaube es gibt Menschen, die haben bedeutend mehr als 900 Euro, und die sind ganz arm dran, ja? ROTHA DAME Natürlich hat es alles mit Geld zu tun. Mann ist gezwungen, in seiner Wohnung zu bleiben, weil man nicht weg kann, außer spazieren gehen oder was. Es fängt schon mit dem Fahrgeld an. ANGELIKA In die Regale guckst du ja nicht nach oben, du guckst nach unten. Das Billigste ist unten, das Teuerste ist oben. Du kannst ja gar nicht hoch gucken. Gucken kannst du schon, aber du kannst es dir nicht leisten. HOFFMANN Naja, weil wir ja sozusagen in so einem Zusammenhang leben - so unsinnig das vielleicht ist angesichts von 3,5 Millionen Arbeitslosen und ich glaube 7 Millionen Hartz-IV-Empfängern - ist es doch so, dass auch durch das, was ein im Fernsehen begegnet oder sonst wie, im Grunde doch sozusagen eine Welt erzeugt wird virtuell, wo die Menschen erfolgreich sind, wo sie selbständig sind, wo sie sozusagen von dem Lohn ihrer Arbeit leben können. Und das ist glaube ich der Grund, warum man denkt, eigentlich müsste es anders sein und eigentlich ist es eben meine Schuld, ja? RENATE Schuld ist praktisch jeder selber, ne? --- Wenn ich hier so manchmal die Jugendlichen sitzen sehe, die könnten arbeiten gehen, die sind nur zu faul. Warum soll ich arbeiten, wenn ich Geld vom Staat kriege? ANGELIKA Du wirst lachen, ich habe mich damals auch geschämt, aber das ist Schwachsinn. Dafür ist ja die Einrichtung da. Klar, das muss Überwindung kosten, hierherzukommen. RENATE Schämen? Teilweise auch. Tue ich auch, aber wenn dat nicht wäre, was wäre denn? GRUNEWALD Oftmals ist die finanzielle Armut auch mit einer naja sagen wir mal geistigen Schwäche verbunden. Wenn man sich so mit den Leuten unterhält, oftmals keine Ausbildung und weiß ich was. Das sind eben Leute, die nie gelernt haben, sich durchzuboxen und sich mal zu engagieren. SAM Durchboxen ist ein bisschen hart formuliert, weil jeden kann es treffen, kein Geld mehr zu haben. STRASSENKÖTER Ich würde mal sagen, die Leute draußen bescheißen besser. GRUNEWALD Meine Mutter war auch Rentnerin und die hat auch nicht viel mehr Geld gehabt. Aber sie wäre nie auf die Idee gekommen, solch eine Institution in Anspruch zu nehmen. Lieber hätte sie gehungert oder sowas. Dazu muss man sagen: Ich stamme aus Grunewald. Das ist mentalitätsbedingt. HOFFMANN Ich denke mal, dass es vielen Menschen unangenehm ist, alsodass viele Menschen sich halt nicht trauen oder dass da eine Schamschwelle ist, dass man sagt, ich möchte da auch nicht stigmatisiert sein und versuchen mit dem Geld auch so auszukommen. Mal abgesehen davon, ich gedenke mal, wenn alle Menschen, die hier leben und berechtigt wären, auch tatsächlich kommen würden, dann kämen wir wahrscheinlich nicht mit 45 Ausgabenstellen nicht aus. MUSIK STRASSENKÖTER Oh Mann. (Die Tür geht auf und wir sind auf der lauten Straße) TITEL Kapitel 7 "Gibt es eine Greencard für Hundeerzieher?" Warum der Straßenköter nicht bis Amerika kam STRASSENKÖTER Ich weiß noch, irgendwie hatte ich mich mal für die Greencard beworben. Ich wär doch fast in die Auswahl gekommen,ne? ---- Abends um zehne klingelnt das Telefon, ne? Ich denke: Wer ruft mich denn um zehne an? Immigration Office,ne? Hä? Ja wir wollten Ihnen gerade die Greencard übergeben. Was machen sie denn beruflich? Ich sage Hundetraining. Ah klasse, bei uns gibts genug Hunde und genug die Training gebrauchen können. Wann kommen sie denn rüber? Ich sage: Ich kann nicht rüber. Ich habe eine Partnerin, die ist hier, und ich kann ja nicht sagen: Gibt alles auf, was du hast, und wir gehen rüber, ne? Ja, wir haben eine Viertelstunde am Telefon gehangen, ne? MANFRED Das ist natürlich Scheiße,wa? STRASSENKÖTER Die haben ein Service die Leute. Du musst nicht warten. Die rufen dich an, ne? STRASSENKÖTER Damals kannte ich sie noch nicht,aber. FRAU SCHMIDT Kann jemand aus Türkisch übersetzen?! Das sieht jetzt schlecht aus. Sie übersetzen? Wunderbar. MUSIK Kapitel 8 "Ohne Kontrolle gibt es nichts" Warum in der Kirche Passierscheine ausgegeben werden LEO Also da sieht es ja aus, wie in einer Passierscheinstelle früher. Wenn man in die DDR einreisen wollte, brauchte man ein Passierschein. So nächste bitte. Das war genauso. Da musste man warten und dann wurde man aufgerufen und dann gab's Passierschein für die DDR, den man beantragen könnte - im christlichen Umfeld natürlich. Also in der Passierscheinstelle, da gab es kein Kreuz und kein Altar. GRUNEWALD Wenn die Veranstaltung vorbei ist, kommen die Tische weg und dann findet hier wieder Gottesdienst statt. ALTE FRAU Ich führe die Karteikarten, die zweiten. Eine hat der ... derjenige, der es abholt und eine ist hier als Gegenkontrolle. --- Name, Vorname, wie viele Personen, die berechtigt sind, erwachsene Kinder, der Bescheid, bis wann der gilt, Postleitzahl und hinten wird dann immer das laufende Datum eingetragen. Und auf der anderen Karte ist das gleiche drauf. Und das müssen die Leute dann vorzeigen und jede Woche wieder mitbringen und dann müssen sie für jeden Erwachsenen einen Euro bezahlen. HOFFMANN Ich zeichne jetzt nur die Karten ab und guck halt in der Liste nach, ob wir die Leute halt schon hier haben, ja? (klirr, Geld) SAM Schlechte Laune kriegt man wo anderes. Ja, ist doch so. Das Leben ist hart genug, warum soll man da auch noch schlechte Laune haben. So, mein letztes Geld. Bitte schön. ALTE DAME Danke schön (klirr) SAM Bitte schön, schönes Wochenende. --- HOFFMANN Bitte schön. MUSIK MANFRED Jetzt warten wir erst mal, bis die Reihe vorwärts geht. Bis an den nächst ... , ersten Stand, wo es Brot gibt. Dann gibt es Süßigkeitenstand, dann gibt es den Gemüsestand, und denn sind wir glaube ich draußen. Da gibt es Kartoffeln, Salat und die Flowers Powers. Die Blömstels. (Lacht)--- MUSIK Kapitel 9 "Drei Eier sind besser als gar keine" In die Tüte kommt, was da ist ANGELIKA Komm rann auf dem Meter hier. MANFRED Bin ja schon da. Was willst du denn? ANGELIKA Ich will jar nichts. Du willst wat von mir. Na komm aus der Hufe, Opa. MANFRED Brot Brot Brot Brot. ANGELIKA Na, wat für nen Brot. So eins? MANFRED Ja genau. ANGELIKA Ja, danke dir auch einen schönen Sonntag. MANFRED (Lacht.) Tschüüüüß. (von hinten: Nein, nein danke schön. Eine Frau lacht) ANGELIKA Naja, man muss manchmal wirklich die Männer darauf. Na ja logisch. Manche brauchen sowieso mal Dampf hier. Ja, ja, genau. ANGELIKA Sonst kommen sie jar nich aus der Hüfte. MANFRED Ja, ja. ANGELIKA Siechste, schon wieder ein Loch drin. Es geht weiter. MANFRED Warte, warte. Ich muss es neu ordnen hier. So. Mm. Helle oder dunkle? --- KRISTA Das sind 3 Eier. MUTTER aus Tschetschenien Pro Person? KRISTA Drei Eier! MUTTER Fünf Personen drei Eier? KRISTA Seien sie froh das sie was überhaupt kriegen. Wenn ich nichts habe, sind drei Einer für die Kinder sonntags drei Eier, ne? Ich habe doch nichts, wo soll ich das her holen? MUSIK MANFRED (Verkehr im Hintergrund) (Autohupen) Wenn man hier aus der Kirche raus kommt, dann ist das praktisch der Abschluss. Hier kommt man wieder zurück auf die Pankstraße und von hier aus gehen dann die Leute nach Hause, weil sie alles gekriegt haben. --- MUSIK Kapitel 10 Wenn alle Weintrauben haben wollen Warum Pfarrer Hoffmann an der Lebensfähigkeit des Systems zweifelt MANFRED Kann ich noch eine rote Weintraube? WEINTRAUBENFRAU Nee, es gibt noch so viele Leute. Ich muss schon noch ein bisschen hier ... Nein, auch nicht mit blinkern und so. MANFRED (Lacht.) WEINTRAUBENFRAU Da fall ich nicht darauf rein. MANFRED Oh. MITARBEITER Charme hat keine Chance bei dir. WEINTRAUBENFRAU Nein. Überhaupt, wenn noch 30 Leute da sind und die alle noch Weintrauben haben wollen. MANFRED Schönes Wochenende. WEINTRAUBENFRAU Aber nächste Mal, wenn wat da ist, kriegen sie eins mehr. MANFRED Schauen ma mal. MITARBEITER Sie können Erdbeeren haben. WEINTRAUBENFRAU Siehst du, und schon hat er was mehr gekriegt. MITARBEITER So. Nicht? WEINTRAUBENFRAU So macht man dat. MANFRED (Lacht) Schönes Wochenende.--- MIKE Auch ein Sträußlein Blümchen? FRAU Dann nimm ich die hier. Ah, sind die hübsch. Danke, von meinem Mann krieg ich keine. MIKE Lass dich scheiden, nimm mich. FRAU ich bin nicht mal verheiratet, also... MIKE Das ist ja noch schlimmer. Dann muss ich dir ja noch so viel beibringen. ANGELIKA Dem Nichtstuer. MIKE Dem Nichtsnutz. MHM Ich höre gar nicht zu. MIKE Menschen helfen Menschen - das ist die andere Firma, die Bekleidung sammeln und alle sowas und dann auch Wäscheausgabe und sowas machen. Jetzt was hier überbleibt, nimmt der Kollege Schnürschuh alles mit. Manchmal bleibt was übrig, ja. Nicht immer, aber immer öfter. MHM Ob hier was übrig bleibt, sehen wir wenn alle durchgegangen sind und dann sehen wir was übrig bleibt. Wenn nichts übrig bleibt, dann nehmen wir nichts mit, kein Thema. Wir haben ja selbst Anlaufstellen, die wir anfahren, um Ware abzuholen. Das tun wir nur denen den Gefallen, weil wenn hier was übrig bleibt, müssten die es wegschmeißen und das muss ja nicht sein. --- MIKE Die soll freitags anrufen. JUNGES MÄDCHEN AUS DEM STREICHELZOO Du siehst schlecht aus. Bist du krank? Hast du Vogelgrippe? Schweinegrippe? Maulwurfgrippe? MIKE Ich habe noch nicht gesoffen. JUNGES MÄDCHEN AUS DEM STREICHELZOO Ach daran liegts. Wo ist mein Schatz... MIKE Die haben so einen Kuschelzoo hier, der Luxemburger an der Uni gegenüber. So Esel, Enten und so was und dann holen sie immer so Reste, die wir sonst in die Tonne geben würden, holen die denn immer ab. Es ist auch noch mal entsorgt auf eine gute Art, sage ich mal dazu, wa? Du hast da Sabber hängen, siehst du. (Karton) ---- MANFRED Rhabarber oder was ist das? SILKE Ne, Sellerie. MANN (ruft von hinten) Sellerie! ANDEREN MANN (ruft von hinten) Das ist Sellerie. (Pfeifen) MANFRED Gut. Tschüüß. Tschüss. Tschüüüß. Ich bin schon weg. (Lachen von hinten) MANFRED Jetzt muss ich erst Mal eine Rauchen. FRAU (Von hinten) Männer! ANDERE FRAU Junge, junge, junge. HOFFMAN Es gibt ein relativ breit angelegtes soziales System, das heißt also unter Hartz IV kann ich eigentlich nicht fallen. Und das ist ja nicht selbstverständlich. Es gibt Länder auf der Welt, da wären die Menschen froh, wenn sie Hartz IV kriegen wurden, ja? Also es ist das Lebensexistenzminimum, das ist die Allgemeinheit bereit Leuten zu geben. Das stimmt, das ist richtig. Und das ist ja auch eine Form von Solidarität, aber das System insgesamt ist eigentlich darauf ausgerichtet, dass ich den anderen aussteche und dass ich besser bin als der andere. Ich bin mir auch sehr unsicher, ob es wirklich das System ist, was überlebensfähig ist auf Dauer, weil es ja, aber das führt sehr weit, auch im Grunde auf einen gigantischen Ressourcenverschleiß und Ressourcenverschwendung hinausläuft, von der man ja ? also jeder von uns weiß, dass diese Ressourcen in 50 Jahren verbraucht sind - spätestens vielleicht auch in 40, vielleicht auch erst in 60 - und das stört aber gar keinen. Es leben alle fleißig weiter so, ja? Also einschließlich auch der Pfarrer und so, ne? ANGELIKA So um halb drei sind die letzten raus. Ja und denn müssen wir hier überall saubermachen. Und dann haben wir Feierabend. Und das ist meistens dann zwischen drei und halb vier. Es ist ein langer Tag. SAM Ich versuche, die schwere Sache in den Rucksack, weil dann kann ich es besser auf dem Rücken verteilen. Wo ein Wille ist - ne, es geht schon ? ist auch ein Weg. Nachher wird es wohl Pasta geben mit Tomatensoße. RENATE Was willst du denn davon großartig kochen? Kannst ja nur Salat machen und Obst. Mehr hab ich auch nicht. Was solls? Aber schöne Blümchen einkassiert. MUTTER Guck mal: für fünf Personen drei Eier! (lacht) ANGELIKA Nach Feierabend, da wirst du lachen, da fahre ich nach Hause. Dann packe ich meine Sachen gleich in die Waschmaschine, gehe duschen, koch mir Kaffee, setz mich hin und rauche eine Zigarette und sage: Leck mich alle man am hm. --- MIKE(Karton kaputt) fertisch! (lacht)--- MANFRED Guck mal, jetzt ist klarer Himmel. Wenn klarer Himmel ist, steh ick so um halb sechse, sechse meistens immer auf. Und denn naja, und dann überlege ich mir: Heute fährst du raus mit dem Rad. Heut mal schön Radtour, weißt du? Das mache ich ganz gerne. Ich bin leidenschaftlicher Radfahrer, nicht nur Blueshörer auch (lacht) leidenschaftlicher Radfahrer. Muss sein. Schöne Radtour. Nach Wannsee. (Singt:) Pack die Badehose ein. (Lacht) MUSIK MANFRED Da muss ich mir auch mal eine CD von holen, von Conny Froboess. MANFRED (Singt:) Pack die Badehose ein. Absage Verzehr auf eigene Gefahr Eine Essensausgabestelle in Berlin Ein Feature von Johanna Olausson Sie hörten eine Produktion des Deutschlandfunks 2010 Sprecherin: Sigrid Burgholder Ton und Technik: Hendrik Manook und Beate Braun Regie: die Autorin Redaktion: Hermann Theißen. 3