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Der Borkenkäfer kann uns ja 2 oder 3 Bäume anknabbern, aber in dem Moment, wo er flächendeckend frisst, dann haben wir auch ein Recht, so sehen wir das. Regie: Musik hoch 3. O-Ton: Marita Haller, Stadtführerin Zwiesel Ich bin schon der Meinung, dass wir uns zu schlecht verkaufen, ich weiß nicht, woher das Billig-Image des Bayerischen Wald kommt, wir haben bereits elektrisches Licht, bereits vor München, und jetzt schauen Sie sich um, die herrlichste Region, wir brauchen uns nicht zu verstecken. Regie: Musik hoch 4. O-Ton: Rudi Schmid, Künstler Und eines Tages hatte ich dann eine Idee, wir hatten in der Nähe in einem alten Bauernhaus ein Galerie, eine Kuhstallgalerie und da träumte ich schon, da war eine schöne Scheune dabei, und da träumte ich von einer Scheune, die innen mit Glas ausgemalt ist. Regie: Musik hoch SpvD: Grün ohne Grenzen ? Der Bayerische Wald. Eine DeutschlandRundfahrt mit Nana Brink. Atmo: Gruppe geht im Wald 5. O-Ton: Kurt Schurzinger, Theatergruppe Dobernigl Wir unternehmen eine kleine Zeitreise in das späte 19. JHD, in eine Zeit also, als die Winter noch etwas härter waren und das Leben auch noch strenger war und wir wollen Sie entführen in die damalige Zeit?und Sie ein bisschen hineinschnuppern lassen Atmo: Gruppe geht im Wald Autor: Eine Gruppe Touristen schart sich um Kurt Schurzinger auf dem Watzlik-Pfad. Leise rauscht der Bach auf dem Wanderweg nahe Zwiesel im Nationalpark Bayerischer Wald. Schurzinger, früher einmal Englisch- und Erdkundelehrer, trägt einen Janker, Lederstiefel und Schlapphut. Für zweieinhalb Stunden schlüpft er in die Rolle eines Waldbauern. Zusammen mit ein paar Freunden und Kollegen hat Schurzinger die Theatergruppe Dobernigl gegründet. Ihre Spezialität: Geschichten aus dem Bayerischen Wald. Ihre Kulisse: Der Wald, in dem die Geschichten spielen. Ihr Name: Ein einheimisches Gewächs. 6. O-Ton: Kurt Schurzinger, Theatergruppe Dobernigl Was ist denn Dobernigl? Ein Dobernigl ist etwas ganz besonderes, etwas sehr beliebtes, bei den Italienern heißt es Porcini, bei den Leuten im unteren Bayerischen Wald heißt es eben Dobernigl,das ist auf Hochdeutsch der beliebte Steinpilz und weil es ein edles Gewächs ist und aus der Erde wächst, können wir den Namen nehmen, was sehr erdverbundenes.. und deshalb auch dieser Name Dobernigl...(Atmo) Autor: Erdverbunden sind sie alle ? und eigenwillig. Schurzinger hat seinen Job als Lehrer aufgegeben und führt nun Touristen durch den Wald. Auch für Oliver Endres, den angehenden Sozialpädagogen, ist der Wald eine Herzensangelegenheit. 7. O-Ton: Oliver Endres, Theatergruppe Dobernigl Ich bin wirklich gern draußen und die Rolle des Försters zu spielen ist wirklich eine schöne Rolle, da geht einem das Herz auf, Wald ist etwas Beruhigendes, eine erleuchtender Ort auch, die Sinne werden angeregt, man hört viele Geräusche, das Rauschen des Baches, wenn ein Ast kracht? anders als alle Zivilisationen, immer wieder neue Blicke, grad hier im Urwald zu stehen. Atmo: Wald mit gurgelndem Bach Autor: Besonders gern gehen die Dobernigls mit ihren Besuchern in den Watzlik-Hain. Seit Jahrhunderten hat der Mensch den Wald hier in Ruhe gelassen. Ein Urwald?.. 8. O-Ton: Antje Laux Wo die Bäume ganz alt werden können und wenn sie dann vom Wind umgeworfen werden, dann fallen sie halt um und bilden dann das Totholz, man sieht auch hier ganz viel Totholz liegen und das Holz bleibt dann auch im Wald, wird nicht herausgeholt, dann kommen die Pilze und Horden an Insekten und zersetzen das dann mit der Zeit. Das ist hier der Urwald im Bayerischen Wald. Atmo: Wald mit gurgelndem Bach 9. O-Ton: Sprecher Denn in den Wäldern sind Dinge, über die nachzudenken man jahrelang im Moos liegen könnte. Autor: So schrieb der Schriftsteller Franz Kafka auf einer Postkarte von einer Böhmerwaldreise 1918 an seinen Freund Max Brod. Der schwermütige Großstädter war fasziniert vom ?grünen Meer?, das zu seiner Zeit als Böhmerwald bekannt war. Erst nach dem zweiten Weltkrieg bürgerte sich für den deutschen Teil der Name Bayerischer Wald ein. Die Mittelgebirgsregion zwischen Böhmen und Bayern ist eines der größten zusammenhängenden Waldgebiete auf unserem Kontinent. 10. O-Ton: Sprecher Waldwoge hinter Waldwoge, bis eine die letzte ist und den Himmel schneidet. Autor: Keiner hat das ?grüne Dach Europas? farbiger gezeichnet als der Biedermeierdichter Adalbert Stifter in seinen ?Sagen und Legenden aus dem Böhmerwald?. Der Wald als Schauplatz von Geister- und Gruselgeschichten, als Arbeitsplatz von Waldarbeitern und Bauern und als Zufluchtsort vor Kriegswirren. Ein Wald mit mehrhundertjährigen Bäumen, schneereichen Wintern und kurzen Sommern, in dem nur die zählebigsten Pflanzen eine Heimat finden. Ein Wald, der da war, seit Menschengedenken: Immergrün, ewig karg, endlos weit. Atmo: Wald mit Vogelgezwitscher 11. O-Ton: Oliver Endres, Dobernigl Woidler oder Waidler, wie sie sagen, so bezeichnen sich die Einheimischen selber, der Wald hat die Menschen schon immer geprägt über die Jahrhunderte und fast das er wie ein Waldmensch geworden ist, so sagen die Menschen, dass sie aus dem Wald sind, mit dem Wald leben, im Wald leben und der Woid, der Woidler, ist halt ein und das selbe schon? hat man das Gefühl ja. Autor: Der Wald bestimmte den Lebensrhythmus, - zumindest bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. Holz und Quarz, die beiden wertvollsten Rohstoffe im Bayerischen Wald, brachten allerdings nur einen bescheidenen Wohlstand. 12. O-Ton: Oliver Endres, Dobernigl Das Armenhaus Europas, wie jetzt Portugal, so war es im Bayerischen Wald lange, bis denn Ende des 19. Jahrhunderts der Tourismus aufkam und dann viele Touristen auch aus Berlin kamen und hier im Bayerischen Wald ihre Frischluft zu schnuppern und bis dahin war es eine arme, karge Gegend und die einzige privilegierte Kaste waren die Glasmacher, vielleicht 1000 Leute, die ihre eigene Zunft hatten, ihre eigene Kleidung, ihre eigenen Rechte, der Rest waren arme Waldbauern und Holzdrifter, die einfach geschaut haben, dass sie irgendwie klar kamen.. Atmo: Gehen durch matschigen Grund im Wald ? Holzhacken im Hintergrund 13. O-Ton: Schurzinger als Waldbauer Da Woid, der bringt mi um, da Woid is koid, do woxt nix, da kimmt nix, da kriagst nix aussa, aus?m Bodn. Autor: Der Wald ist kalt, da wächst nichts, da kommt nichts, - so flucht der Waldbauer unter einer mächtigen Fichte. Weil sie nicht umfallen will. Damals vor 200 Jahren braucht er das Holz zum Überleben. Die Fichte steht immer noch. Sie gehört zu den Urwaldriesen im Bayerischen Wald ? nur heute bangen viele, dass sie nicht umfallen möge. Wie so viele ihrer Nachbarn, die ein kleines Insekt zu Fall gebracht hat: der Borkenkäfer. Der vier Millimeter kleine Käfer frisst sich in die Seele des Bayerischen Waldes. Ein Krieg tobt um sein Käferdasein: Ist er der Totengräber oder der Geburtshelfer für einen neuen Wald? Der Orkan Kyrill verwüstete im Januar 2007 weite Teile des Waldes. Seit es Wetter-Aufzeichnungen gibt, sind Stürme im Bayerischen Wald aktenkundig. 14 (a). O-Ton: Oliver Endres, Dobernigl Am 28. Oktober 1870 kam ein noch gewaltigerer Windsturm, dem ersteren an Zerstörungskraft weit überlegen. Es soll eine wahre Höllennacht gewesen sein; unter furchtbarem Getöse sind ganze Waldstrecken entwurzelt und an ganzen Berglehnen fand man statt der herrlichen Urwälder nur mehr die Kadaver der Bäume. Die Großartigkeit des Windbruchs lässt sich nicht schildern; es ist das ein Grauen erregendes, zugleich aber Achtung gebietendes Bild von den entfesselten Naturgewalten. Musik 1 Symphonie Nr. 6 F-Dur op. 68 ? Pastorale Allegro ma non troppo Komponist : Ludwig van Beethoven Interpreten : Berliner Philharmoniker, Dgt : Claudio Abbado Deutsche Grammophon, LC 0173 Bestell-Nr. 469 003-2 14 (b). O-Ton: Rudi Schmid, Künstler Wir sind jetzt mitten im Bayerischen Wald, das hier drüben ist der Pröller, so ein Skigebiet, Viechtach ist mittlerer Bayerischen Wald? und daraus geht?s dann Deggendorf und da raus nach Straubing?.es ist einfach schön hier, das einzige was mir nicht gefällt ist die Kälte, aber da hauen wir dann immer mal ab. Musik 2 It?s easy K: JJ Cale, I: JJ Cale & Eric Clapton Reprise Records, LC 00322 Bestell-Nr. 244 418-2 Autor: Der ?König von Rauhbühl? steht auf seinem Anwesen und blickt in die Ferne. Ein dunkelgrünes Band aus welligen Berghügeln zieht sich von links nach rechts. Dazwischen schmiegen sich kleine Gehöfte an eine kurvige Straße. Der König, dessen Haar schon grau ist, aber der Gang energisch, zieht seinen Filzhut aus der Stirn. Ja, kalt ist es hier oben im Bayerischen Wald, aber das muss man aushalten. Man muss sich einrichten, sagt er. Der König von Rauhbühl, - Raubühl, so heißt der kleine Ort -, hat sich sein Reich geschaffen, - in einer Scheune. 15. O-Ton: Rudi Schmid Das entwickelt sich einfach, ich habe mich 68 selbstständig gemacht als freischaffender Künstler, ja dann hungert man so vor sich hin? (lacht)?und eines Tages hatte ich dann eine Idee, wir hatten in der Nähe in einem alten Bauernhaus ein Galerie, eine Kuhstallgalerie? und da träumte ich dann schon, da war eine schöne Scheune dabei, und da träumte ich dann von einer Scheune, die innen mit Glas ausgemalt ist. Musik 2: It?s easy Autor: Im bürgerlichen Leben heißt der König von Rauhbühl Rudi Schmid, geboren 1938 in Deggendorf als eines von zehn Kindern eines armen Hilfsarbeiters. Aber was heißt schon bürgerlich. 16. O-Ton: Rudi Schmid Ich war von klein auf ein Dickschädel, ich habe mir schon als Kind nichts gefallen lassen und wir waren sehr arm, wir waren 10 Kinder zu hause, Läuse und Flöhe hatten wir und die waren unterernährt, und ich habe mich von klein auf intensiv mit Zeichnen und Formen beschäftigt, natürlich eben in dem Rahmen, wie ich es mir leisten konnte, meine ersten Zeichnungen sind auf Zeitungsrändern entstanden und vor dem Haus habe ich dann mit Lehm geformt, ? nicht der Beruf ist ausschlaggebend, sondern das Engagement. Autor: Bei seiner Kunst. Und seinem Traum, der Gläsernen Scheune. Schon aus der Ferne sieht man das Gebäude, auf dessen Turmspitze ein Gesicht mit einem Schlapphut thront. Hinter der schneeweißen, runden Hausfassade verbirgt sich das eigentliche Königreich der Künstlerdynastie Schmid. 17. O-Ton: Rudi Schmid und Barbara Thöner, Tochter Hier unten war nur Dreck, da haben wir 50 Tonnen Erdreich raus gegraben und alles aufgebaut, wir bauen auch alles selbst, es ist nicht so, dass ich nur den künstlerischen Teil mache, sondern wir graben, betonieren, mauern, zimmern, ich habe den ganzen Anbau mit meinem Schwiegersohn angefertigt, der ist gelernter Koch?Hier war Geräteschuppen, Hühnerstall, und da draußen war der Kuhstall und es war eigentlich der Dreck? und jetzt ist es unsere Galerie, wo nur die Werke aus der Familie gezeigt werden. Musik 2: It?s easy Autor: Im Foyer stehen in hell ausgeleuchteten Vitrinen die kunstvoll gestalteten Gläser der Söhne. Auch sie Künstler, wie Tochter Barbara, die an ihrem dritten Buch schreibt und die Gläserne Scheune managt. Kunst gehört zum Alltag. Ist überall, selbst auf der Treppe, an deren Ende ein Fisch in den Himmel wächst. 18. O-Ton: Rudolf Schmid (Geht Treppe hoch)?Das Leben kommt aus dem Meer und das ist ein Fisch, da wächst der Baum raus, das hat meine Tochter gemacht?.jetzt gehen wir zur nächsten Glaswand?.das war ein Silo und das haben wir zum Turm mit Treppe umfunktioniert. Autor: Am Ende der Treppe sieht man die erste von vielen, meterhohen Glaswänden, bemalt mit Motiven aus der Sagenwelt des Bayerischen Waldes. Der ?Mühlhiasl? hat es Schmid besonders angetan. Die Legende um den widerspenstigen Weissager erscheint wie ein gigantischer knallbunter Comicstrip auf einer Glaswand so groß wie ein Kirchenfenster. 19. O-Ton: Rudi Schmid Das ist eine symbolische Darstellung um den Mühlhiasl, die Hausaussage hier in der Mitte, der Sensenmann mit den schwarzen Vögeln soll die schlimmen Visionen symbolisieren, rechts oben der grüne Laubteil steht für das positive, hier dann in der Mitte das Gesicht mit dem Zwirbelbart, damit wollte ich zeigen, die Weisheit, die Lebensweisheit? enthalten sind in diesen Visionen. Autor: Mit dem ?Mühlhiasl? hat der Künstler wohl auch sich selbst dargestellt. Der ?Künstler-Rudi? aus dem Bayerischen Wald, - eigenwillig, obrigkeitsfern und in seinem Trotz bisweilen schwer erträglich für seine Umwelt. Vielleicht trägt er deshalb seinen Cowboyhut auch beim Arbeiten. 20. O-Ton: Rudi Schmid (Gehen in Werkstatt)? Werkstatt und Künstlerwohnung?kommen Sie bitte rein (Tür auf)? so schauen Künstlerwohnungen aus. Autor: Glasmalerei an den Wänden, Skizzen und Bilder, dazwischen ein kleines Sofa, die Holz- und Glaswerkstatt, alles geht ineinander über. Es riecht nach frischem Holz und chemischen Stoffen für die Glasmalerei. 21. O-Ton: Rudi Schmid (bearbeitet Holzstele)?meist so die gröberen Sachen haut man dann mit den Schlegel raus?.und die feineren Sachen werden dann mit den Eisen in der Hand geformt?.ich verwende jetzt hier Lindenholz, das Tor oben in der Scheune ist Fichtenholz?.als ich damals das Tor am Schnitzen war, wollte ich gar nicht mehr malen?aber das ist körperlich sehr anstrengend?.(Atmo dran) Autor: Mittlerweile konzentriert sich Rudi Schmid nur noch auf seine künstlerische Tätigkeit. Das Geschäftliche erledigt Tochter Barbara. Die ?Gläserne Scheune? ist ein mittelständisches Unternehmen geworden, mit vielen tausend Besuchern im Jahr. 22. O-Ton: Barbara Thöner und Rudi Schmid Ja ein Familienunternehmen, seit dem Jahr 2000, es ist wie in jedem Geschäft auch, man muss eine Buchführung machen? Steuern zahlen, nicht so wie viele denken, die Künstler vergraben das im Garten?.warum nicht? Irgendwann muss ich ja den Löffel abgeben?kriegen eine monatliche Rente?von meiner staatlichen Rente könnte ich nicht leben. Autor: Der ?König von Raubühl? bekommt jetzt Rente. Den Spitznamen hat er übrigens von seiner Tochter. Sie hat kürzlich ein Buch über den ?König von Rauhbühl? geschrieben. Klingt ein wenig nach Rosamunde Pilcher aus dem Bayerischen Wald. 23. O-Ton: Rudi Schmid Wir hatten keine Mark Bargeld, als wir hier anfingen, nur Schulden aufgebaut und die Leute haben rundherum gelacht, na gesponnen hat er immer schon, und inzwischen lachen wir halt, wir haben Besucher aus der ganzen Welt, bis aus Australien, Südafrika?.meine Tochter hat mir erst kürzlich gesagt, Papa manchmal bist du richtig verrückt?.(lacht).. Musik 3: Solitary man I:Johnny Cash, K: Neil Diamond Universal, LC-Nr. 01846 Bestell-Nr. 986133-4 Atmo: Gehen durchs Gehölz Autor: Watzlik-Hain im Nationalpark Bayerischer Wald. Zwischen den dunkelgrünen Baumriesen steht Oliver Endres von der Theatergruppe Dobernigl in seinem Förstergewand. Er zeigt auf eine kahle Stelle im Wald. 24. O-Ton: Oliver Endres, Theatergruppe Dobernigl Der Wald schon immer vom Sturm gebeutelt war, nicht erst der Kyrill im Jahr 2007, der wirklich große Landstriche weggefegt hat, das war ein Lufthauch im Vergleich zu denen, wie es früher war, die ältesten Berichten reichen bis 1752 zurück, - und Arber, Falkenstein, Rachel und Lusen wurden kahl geweht, und dann ? schon dann ? kam nämlich die große Käferkalamität, der so genannte Borkenkäfer. Atmo: Vogelgezwitscher Autor: Für einen Moment hält die Gruppe, die den Ausführungen des Theater-Försters lauscht, den Atem an. Die Theaterleute kennen ihre Wald-Kulisse. Man sieht riesige Fichten, umgeknickt wie Streichhölzer. Große Schneisen, gefüllt mit totem Holz, ziehen sich durch das Waldmeer. Bei näherem Hinsehen entdeckt man an der Rinde der toten Bäume dunkelbraune Muster, - wie Blumenrispen ranken sie sich spiralförmig entlang des Stamms. 25. O-Ton: Antje Laux, Waldzeit e.V. Also der Borkenkäfer darf in den Kerngebieten des Nationalparks tatsächlich fressen, soviel er mag und sich vermehren, was er dann auch tut?der Baum ist auf jeden Fall geschwächt, sonst hätte der Borkenkäfer keine Chance, den Baum zu befallen, weil ein gesunder Baum, der stößt soviel Harzmengen aus, dass der Borkenkäfer sich nicht einbohren kann und so fängt der Kreislauf von Werden und Vergehen an. Atmo: Gruppe geht im Wald Autor: Ein Kreislauf, den viele nicht verstehen, wie Antje Laux vom Verein Waldzeit erzählt. Sie macht Führungen durch den Nationalpark und begleitet die Theatergruppe Dobernigl oft. Sie blickt dann in die fragenden Gesichter der Zuschauer. 26. O-Ton: Antje Laux, Waldzeit e.V. Der Mensch neigt dazu, man ist es überhaupt nicht mehr gewohnt, dass die Bäume so liegen bleiben dürfen, andernorts wird halt aufgeräumt, muss aufgeräumt werden und das ist das Besondere hier im Bayerischen Wald, also im Nationalpark Bayerischer Wald, dass hier nicht aufgeräumt wird und dann sieht man, was passiert mit dem ganzen umgefallenen Holz, wenn die Pilze kommen, riesige Baumpilze kann man hier finden, eine unheimliche Vielzahl von Pilzarten, damit auch viele verschiedene Farben, ganz morsches Holz, das ganz gelb ist, tolle Moose und Flechten, alles wild durcheinander. Musik 4: Sound of war I: Earl Chinna Smith, K: Cole/Barrett Delta Music, LC-Nr. 03843 Bestell-Nr. 38115 Autor: Die Borkenkäfer, lateinisch Scolytinae, sind eine Unterfamilie der Rüsselkäfer. Ihr Siegeszug im Nationalpark Bayerischer Wald traten die vier Millimeter kleinen Käfer Mitte der 90er Jahre an. Ihre Taktik: Sie bohren Brutgänge ? der Fachmann nennt das ?Rammelkammern? - in die Rinde oder das Holz eines Baumes. Ihre Opfer: bevorzugt Fichten, die fast ausschließlich in den Hochlagen des Bayerischen Waldes zu finden sind. Das Ergebnis: Der Märchenwald verwandelte sich an vielen Stellen in ein Meer von hölzernen Skeletten. Ein Anblick, den Reinhold Weinberger, Förster im Nationalpark, manchmal schwer ertragen kann. 27. O-Ton: Reinhold Weinberger, Förster Sicher tuts weh, und wenn er ganz starke Bäume umwirft! Es ist ja so, dass man an dem hängt, wenn man weiß, ein Baum ist 200 Jahre alt oder 300 ?Das ist ja das Problem vom Wald, wenn jedes Jahr auf einer Wiese, die nicht gemäht wird, ist es ganz normal, bei uns im Bayerischen Wald, dass im Herbst und Winter der Schnee drauf fällt, dass das alte Gras umgedrückt wird und dass im Frühjahr neues Gras kommt? beim Wald ist es anders? die Zeit von Geburt bis zum Tod kann da 300 Jahre dauern, des können wir nicht beobachten und deshalb ist der Eindruck, den ein alter, absterbende Baum auf den Menschen macht viel dramatischer, den werde ich nicht mehr erleben, dass der so groß wird. Musik 4: Sound of war Autor: Seit dem Auftauchen des kleines Insekts tobt der Borkenkäferkrieg im Bayerischen Wald. Auf den ersten Blick scheinen die Fronten klar. Hier der Nationalpark, da die privaten Waldbauern. Hier die eigensinnigen Naturschützer, dort die profitorientierte Holzindustrie. In Wahrheit jedoch geht es um mehr. Der Zwist berührt die Seele der Menschen im Bayerischen Wald: Wie soll ?unser Wald? der Zukunft aussehen ? und wer bestimmt das? 28. O-Ton: Reinhold Weinberger, Förster (gehen)?was auch ganz typisch ist, da kein menschlicher Eingriff stattfindet, kann sich auch die Waldzusammensetzung entwickelt sich natürlich, d.h. wenn gewissen Lichtverhältnisse vorherrschen, wenn sehr viel Licht rein kommt, dann kommt Fichte, wenn gewisse Beschattung ist, dann kommt Buche oder Tanne, wenn der Wildstand entsprechend ist und wie wir hier sehen, wird in der nächsten Generation die Buche dominieren, das kommt daher, dass der alte Wald, diese mächtigen Tannen, Fichten und Buchen so viel Schatten gemacht haben, dass es optimal war für die Buche.? was heißt ein Traum? Es ist immer wieder faszinierend, wenn man sieht, wie sich Natur selber entwickelt und was halt hier ganz symptomatisch ist, dass andere Lebewesen wie in einem normalen Wirtschaftswald, hier ihr Auskommen finden, ob das Pilze sind?.eine große Anzahl von Insekten, die alle auf diese Totholz, diese abgestorbenen Bäume angewiesen sind. Musik 4: Sound of war Autor: Im Nationalpark Bayerischer Wald, der 1970 als erster deutscher Nationalpark gegründet wurde, herrscht seit längerem die Philosophie: Der Mensch soll die Natur in Ruhe lassen. In 70 Prozent der Fläche greift die Nationalparkverwaltung nicht ein, - auch nicht gegen den Borkenkäfer. Während die Waldbauern verpflichtet sind, jeden Baum mit Käferbefall sofort zu beseitigen, wird der Borkenkäfer nur in einem 500 Meter breiten Streifen zu angrenzenden Privatwäldern bekämpft, um ein Übergreifen zu verhindern. Im Nationalpark herrschen eben andere Regeln, wie Rainer Pöhlmann, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit im Nationalpark, erklärt. 29. O-Ton: Rainer Pöhlmann, PR Nationalpark Das ist sicher auch manchmal schwierig zu verstehen, nur es liegt daran, dass die Waldbauern tatsächlich verpflichtet sind, das zu machen, während im Nationalpark ein Gesetz dagegen spricht, das ist eine andere Welt, im Nationalpark gehört der Borkenkäfer zu dem natürlichen Spektrum von Tierarten, ist im Prinzip genauso viel wert wie ein kapitaler Hirsch oder eine schöne Blume, - man muss sagen, er ist sogar deutlich mehr verantwortlich dafür, wie Wälder sich entwickeln, weil er einfach der Fichte, die im Laufe der letzten 2 Jahrhunderte weit über ihr Verbreitungsgebiet angebaut wurde, dass er das wieder zurücknimmt und diese Frage ist für viele einfach nicht? will nicht kapiert werden, dass im Nationalpark einfach andere Regeln gelten. Autor: Für die Waldbäuerin Maxi Seidl, die in Lohberg, der waldreichsten Gemeinde Bayerns wohnt, ist das in der Tat schwer zu verstehen. Über 90 Prozent der Gemeinde im Lamer Winkel liegt im Wald. Seit Jahrhunderten hier in der Gegend verwurzelt, bewirtschaftet die Familie der Bäuerin 70 Hektar Wald. Ihr Mann geht regelmäßig auf Käferpatrouille. 30. O-Ton: Maxi Seidl, Bäuerin Der fährt über den Arber drüber und sagt sofort, wo irgendwo ein Käferbaum ist, oder 2 oder 3 und zwei Wochen später sind es schon 20 Bäume, und ein halbes Jahr später ist es ein ganzes Käfernest und es ist immer noch nicht aufgearbeitet?Wir sind verpflichtet dazu, diesen Käferbaum zu schlagen und rauszuarbeiten aus dem Wald und das wird auch praktiziert bei uns Waldbauern im Lamer Winkel, aber in dem Moment, wo die Flächen größer sind, dann werden die Nester größer und dann ist halt außer Kontrolle. Autor: Außer Kontrolle bedeutet: Einkommensverluste für die Waldbauern. Maxi Seidl, die meistens barfuss läuft, ist alles andere als eine Naturfeindin. Auf dem Tisch stehen selbst gemachte Marmeladen, Kräutertee und Lammsalami aus der eigenen Produktion, - ohne Zusatzstoffe, versteht sich. 31. O-Ton: Maxi Seidl, Bäuerin Der rückt schon näher der Nationalpark, es ist halt ein Zwist, ja?.der Borkenkäfer ist halt bei uns bedingt beliebt?. ich mein, wie leben ja auch mit dem Luchs, der Luchs holt sich drei Schafe und das gönnen wir ihm ja, aber in dem Moment, wo er 5 oder 10 Schafe, dann hätten wir auch mit dem Luchs ein Problem. Der Borkenkäfer kann uns ja 2 oder 3 Bäume anknabbern, aber in dem Moment, wo er halt flächendeckend frisst, dann haben wir auch ein Recht, so sehen wir das. Musik 4: Sound of war 32. O-Ton: Rainer Pöhlmann, PR Nationalpark Dieses Bild eines vom Wind zu Boden geworfenen Waldes, das ist nicht in unseren Köpfen geprägt, das empfindet man als Katastrophe, in der Natur gibt es solche Katastrophen nicht, sondern einfach nur natürliche Ereignisse und die Natur hilft sich selber wieder. Autor: Rainer Pöhlmann vom Nationalpark spricht aus, was viele Einheimische und Besucher des Nationalparks mit Kopfschütteln registrieren. Wie kann man zusehen, dass ein kleiner Käfer einen ganzen Wald auffrisst? Einen Wald, der doch Teil der deutschen Seele ist, in dem Märchen und Göttersagen ihren Ursprung haben und der als Inbegriff einer heilen Welt gesehen wird. Vielleicht muss man Förster sein, um zu begreifen dass zwischen den vermodernden Bäumen längst neues Leben wächst. 33. O-Ton: Reinhold Weinberger, Förster Es klingt für manche fast provozierend, wenn man sagt, der Borkenkäfer ist der Geburtshelfer des neuen Waldes, aber der Borkenkäfer schafft jetzt bei der Fichte das Licht für eine neue Generation, die Fichte braucht Licht und schafft die Fichte nur, wenn mal eine Sturm kommt oder eine Schneedruck oder dass der Borkenkäfer eben mal einen Teil raus frisst, dann kommt ein neuer Wald. Musik 5: Symphonie Nr. 6 F-Dur op. 68 ? Pastorale Allegro ma non troppo Komponist : Ludwig van Beethoven Interpreten : Berliner Philharmoniker, Dgt : Claudio Abbado Deutsche Grammophon, LC 0173 Bestell-Nr. 469 003-2 Atmo: Zusammenfluss von Großer und Kleiner Regen Autor: Die Stadt Zwiesel ist eines der touristischen Zentren des Bayerischen Waldes. Ein kleines Städtchen mit aufgeräumten Straßen, sauberen Häusern, - und einem idyllischen Stadtpark. Atmo: Zusammenfluss von Großer und Kleiner Regen 34. O-Ton: Marita Haller, Stadtführerin Der große Regen, der entspringt am Böhmischen Berg, am Panzer und in Zwiesel vereinigen sich der Große Regen und der Kleinen Regen, die fließen in Form einer Gabel aufeinander zu und wegen dieser Gabelform oder auch Zwiesal, zwei Flüssen, hat Zwiesel den Namen bekommen. Atmo: Zusammenfluss von Großer und Kleiner Regen Autor: Marita Haller ist Stadtführerin in Zwiesel, - eine drahtige Frau um die 50, voller Energie und Tatendrang. Sie sammelt Geschichten. Der grüne Glasstein in ihrer Hand hat auch eine Geschichte. 35. O-Ton: Marita Haller, Stadtführerin Unser Stadtpark ist ein Paradies für Kinder, denn der große Regen schwemmt immer Glassteinchen, die schon Jahrzehnte im Sand, im Flusssand sind, immer aus und die suchen die Kinder mit Begeisterung?.jetzt habe ich gerade so ein rund geschliffenes Steinchen in der Farbe Grün?.gleich links daneben ist die Glashütte, und früher hat man ja noch nicht diese Vorschriften gehabt, wenn schlechtes Glas war, hat mans in den Fluss gekippt, so wars halt. Autor: Zwiesel ist heute noch ein Zentrum der Glasindustrie, auch wenn viele Glashütten mittlerweile leer stehen. Erst auf den zweiten Blick sieht man, dass Zwiesel bessere Zeiten gesehen hat. Seit ein paar Jahren droht auch das zweite Standbein der Stadt zu kippen: der Tourismus. 36. O-Ton: Marita Haller, Stadtführerin Ich bin schon der Meinung, dass wir uns so schlecht verkaufen, ich weiß nicht, woher das Billig-Image des Bayerischen Wald kommt, wir haben bereits elektrisches Licht, bereits vor München, und jetzt schauen Sie sich um, die herrlichste Region, wir brauchen uns nicht zu verstecken. Es ist ein Imageproblem. Wir waren früher, 2 Weltkrieg, das Armenhaus von ganz Deutschland, für uns würde in ganz Deutschland gesammelt, das wir was zu essen haben und dieses Image haftet uns immer noch an. Wir sind keine reiche Region, aber eine wunderbare Erholungsregion, das wissen die Wenigsten. Autor: Der Bürgermeister von Zwiesel, Robert Zettner, weiß das ganz genau. Und ist trotzdem oft machtlos. 37. O-Ton: Robert Zettner, Bürgermeister Was uns nicht gut tut ist die jahrelange Diskussion über Billigtourismus im Bayerischen Wald, es war die Kampagne, ja machts billig Urlaub, fahrts in den Bayerischen Wald, so ein Billigimage hat immer den Touch dabei, was billig ist, ist nicht gut, das taugt nichts?.diejenigen, die sich etwas leisten können, die machen woanders Urlaub, diese Image hängt uns leider hinter her, entspricht aber nicht den tatsächlichen Gegebenheiten?aber es dauert halt. Autor: Vor allem dauert es, bis mehr Geld von der Landesregierung kommt. Robert Zettner, CSU-Bürgermeister, spricht es nicht aus, aber für überregionale Image-Kampagnen fehlt die Unterstützung der Zentrale. Musik 6: Norwegian Wood I: The Beatles, K: J. Lennon/P. McCartney Parlophone, LC 00299 Bestell-Nr. 83 448-2 Autor: Zwiesel ist weit weg von München. Derweil versucht man sich vor Ort selbst zu behelfen. Heidi Hackl, zweite Bürgermeisterin in der Stadt und selbst Besitzerin einer Ferienpension, setzt auf das Zauberwort ?sanfter Tourismus?. 38. O-Ton: Heidi Hackl, 2. Bürgermeisterin Der sanfte Tourismus im Bayerischen Wald ist ja schon natürlich gegeben durch diese riesigen Waldgebieten, - bei uns gemäßigte Temperaturen, sanftes, gemäßigtes Klima, nicht nur dass wir keine Großhotels haben, sondern kleine, die sich sehr um den Gast bemühen, weil es familiären Charakter hat, des ist das, was Menschen heute anspricht, wir brauchen nicht große Animation und Animateure, wir haben Führer, die Trendsportarten anbieten, aber trotzdem auf gemäßigten Wegen?Wellness ist der Überbegriff, aber bei und kommt Aktivness dazu, sich bewegen, etwas für die Gesundheit tun. Autor: Etwa 30 Kilometer weiter sitzt Elfriede Küffner in ihrem kleinen Büro und schüttelt bei solchen Worten den Kopf. Seit über 30 Jahren betreibt sie das ?Haus Talblick? mit Ferienwohnungen. Die ?Wellness? liegt vor ihrer Haustür: Der Lamer Winkel mit seinen sanften, bewaldeten Hügeln, kleinen Bächen und unzähligen Wanderwegen. Dennoch steht Elfriede Küffners Haus meistens leer. 39. O-Ton: Elfriede Küffner, Haus Talblick Gäste wollen heute einfach ein Programm haben, kommen an, und vor allem die Jungen, die fliegen einfach ins Ausland, weil es billig ist?Es kommen nur noch alte Stammgäste, die kommen jetzt schon 20 Jahre oder noch länger und die sind jetzt in einem Alter, wo sie zum Teil nicht mehr verreisen können oder der Partner weg gestorben ist, wird alles weniger? Ich hab das von Herzen gern gemacht, das war für mich richtig schön, für die Gäste da zu sein, ja und met denen auch Zeit zu verbringen und dann macht man das auch lieber, wenn man sieht, die Arbeit, die ist was wert und dann tut man des gern, aber jetzt, wenn man immer das Gefühl hat, wenn ich nichts mache, dann wäre es genauso, des ist ein wenig enttäuschend. Autor: Ähnlich geht es auch der Bäuerin Maxi Seidl, die auf ihrem Hof im Lamer Winkel noch drei Ferienwohnungen unterhält. 40. O-Ton: Maxi Seidl, Bäuerin (Treppen hoch)?.es ist halt nimmer up to date, dann sind massive Birkenmöbel von meiner Mutter, ich kann?s doch nicht weg schmeißen? ich bin halt nimmer in der Kategorie drin, das Verkehrsamt sagt, alle Möbel, die älter sind als 10 Jahre, die kriegen einen Minuspunkt, als man muss Punkte sammeln und dann kriegt man einen Stern, also es gibt Punkte für die Aussicht, die da ist, aber es gibt Punktabzug für die alten Möbel, als was soll ich mich da in die Kategorie reinquälen. Autor: Seit 1923 hat Maxi Seidls Großvater auf dem Hof Zimmer an Feriengäste verpachtet. Die Waldbäuerin ist unverdrossen und macht weiter, auch wenn die Gäste nicht mehr so zahlreich kommen. Schon lange bevor es den Begriff sanfter Tourismus gab, wollte sie ihren Gästen das bieten, was sie selbst lebt. 41. O-Ton: Maxi Seidl, Bäuerin Wir haben den Schwerpunkt auf Tradition nach wie vor? wir haben den Pfarrer Kneip in unser Konzept mit eingebaut? wir bieten also das Programm von Pfarrer Kneip an, Barfuss laufen im Sommer, Barfuss laufen im Schnee, wir haben die Kneipeinrichtungen in den Duschen und in der Sauna und der Schwerpunkt ist auf der Ernährung, wir haben die Vollkornprodukte zum Frühstück, die eigene Lammsalami und den Rettich aus dem eigenen Hausgarten. Autor: Mittlerweile setzt man im Lamer Winkel ganz auf den sanften Tourismus. Nur ein paar Kilometer von Maxi Seidls Hof, gleich am Straßenrand, steigt Caroline Stautner aus dem Auto. 42. O-Ton: Caroline Stautner, Gebietsbetreuerin Steigen aus Auto aus?.da vorne ist das Naturschutzgebietsschild?. (stapfen durch Matsch)?..und die Gemeinde Arrach ist in der Ökoregion dabei, das ist ein Naturschutzgebiet, das Arracher Moor, eines der letzten Moore in Nordbayern und man wollte das für die Besucher zugänglich machen, das war ein Anliegen, dass man die Besucher nicht aussperrt?und dafür hat man einen Steg angelegt? weil man halt sagt, Naturschutzgebiet, das wollen die Leute ja auch sehen, also keine Schranke machen und ?Ihr dürft hier nicht rein?, bloß von außen reinschauen, sondern man wollte den Leute ja die Möglichkeit geben, das Besondere zu sehen, dafür ist der Steg gebaut werden. Autor: Seit dem Frühjahr läuft sie nun mit Besuchern über den Steg durch das Moor, in dem der Sonnentau, die Kreuzotter und der Biber wieder heimisch sind. Das Projekt ist Teil der Ökoregion Arrach-Lam-Lohberg und Caroline Stautner ist die amtlich bestellte Gebietsbetreuerin. Für sie ist das Moor, das früher niemanden interessierte, ein gelungenes Beispiel für die Idee eines sanften Tourismus. 43. O-Ton: Caroline Stautner, Gebietsbetreuerin Das war auch ein Ziel in der Ökoregion, dass man sagt, man möchte jetzt nicht nur Wertschöpfung aus der Region ziehen, sondern es ist ja auch ein touristisches Highlight hier bei uns im Bayerischen Wald, dass man hier auch sanften Tourismus betreibt, dass man versucht, den Leuten auch die Natur, die Arten, die hier vorkommen, das Gebiet nahe zubringen und gleichzeitig auch, wenn die Leute wissen, was sie hier besonderes haben, dass sie auch aufpassen auf die Natur, man sagt immer, was man kennt, das schätzt und schützt man auch und das ist unsere Philosophie vom Naturpark? gehen anders damit um. Musik 7: Sometimes I feel like a motherless child I: Ramsey Lewis Trio, K: trad. Verve, LC-Nr. 00383 Bestell-Nr. 543 763-2 Atmo: Spazieren im Unterholz Autor: Der Watzlik-Hain im Nationalpark Bayerischer Wald. Die Theatergruppe Dobernigl führt die Zuschauer durchs Unterholz und erzählt Geschichten von den Bewohnern des Bayerischen Waldes. Hinter einem bemoosten Baumriesen taucht plötzlich der Waldbauer auf und schimpft vor sich hin. 44. O-Ton: Kurt Schurzinger (Waldbauer) Da Woid, der bringt mi um, da Woid is koid, do woxt nix, da kimmt nix, da kriagst nix aussa, aus?m Bodn. Autor: Der Bauer flucht über den Wald, wo nichts wächst und er Hunger leiden muss. Und nirgendwo ein Funken Hoffnung ist. 45. O-Ton: Oliver Endres (Anwerber) und Kurt Schurzinger (Waldbauer) Gemach, werter Herr. ? Ich möcht euch helfen. So hört mir doch zu! Habt`s scho amal von Amerika ghört, da wo grad so viel von euch Waldlern hingehn? Kennst scho die Gschichtn von denen, die so arm waren und noch viel ärmer als wie Du? Und die drüben so viel Wohlstand erreicht hamm, dass denen die Fleischtöpf niemals leer wern! ...Wer bistn na du, dass du mia des Goldne vom Himme vasprichst? ?Daas man auswandern soll?...vom gelobten Land erzählst? Atmo: Beifall von der Gruppe 46. O-Ton: Lied Ist die Zeit und Stunde da, wo wir reisen nach Amerika, die Wagen stehen schon vor der Türe, mit Weib und Kind marschieren wir?Und trinken eine Flasche Wein und lassen Deutschland, Deutschland sein. Atmo: Gehen durchs Unterholz Autor: Über 1.600 arme Waldbauernfamilien aus dem Bayerischen Wald sind Mitte des 19. Jahrhunderts nach Amerika ausgewandert. Mehr als aus jeder anderen Gegend in Bayern. Heute noch findet man in den Telefonbüchern von Detroit oder Chicago die Namen Plattling oder Küffner. Die Not hat sie getrieben, - und plötzlich erscheint der Wald alles andere als eine Idylle. Die Auswanderergeschichte ist eine von vielen, die die Theatergruppe Dobernigl während ihrer szenischen Wanderung erzählt. Hinter jedem Baum steckt eine Geschichte. Für den ehemaligen Lehrer Kurt Schurzinger, der den Waldbauern spielt, ist aus der Leidenschaft Theater mittlerweile ein Beruf geworden. 47. O-Ton: Kurt Schurzinger Ich bin so ein Grenzgänger, ich bin geboren im flachen Teil Niederbayerns, habe eine besondere Neigung zum Bayerischen Wald, mein Vater ist im Bayerischen Wald aufgewachsen und das war auch ein waldverbundener Mensch und das ist mir geblieben, also ich bin sehr gern im Wald, ich bin gerne draußen und sofern ist das Theater im Freien zu machen, eine ideale Kombination, ich kann draußen sein und meiner zweiten Leidenschaft, Theaterspielen, frönen. Autor: Die Theatergruppe Dobernigl hat mit ihren ?Szenischen Spaziergängen? durch den Bayrischen Wald einen durchschlagenden Erfolg. Zusammen mit dem Verein Waldzeit gehören sie zu einem Verbund von Initiativen und Projekten im Nationalpark, die den Besuchern den Urwald nahe bringen wollen. Einen Wald, der nicht immer aussieht wie ein Märchenwald aus dem Bilderbuch. Wo der Borkenkäfer fressen darf, ein Orkan namens Kyrill hundertjährige Bäume entwurzelt und ? der Mensch einfach nur daneben steht und zuschaut. Nicht ganz einfach zu verstehen, wie Antje Laux vom Verein Waldzeit, weiß. 48. O-Ton: Antje Laux, Waldzeit e.V. Man hat vielleicht am Anfang Schwierigkeiten, sich auf dieses Waldbild einzulassen, weil es einfach so ungewohnt ist, aber man hat eine Vielzahl von Entdeckungsmöglichkeiten, und es ist auf jeden Fall kein langweiliger Wald, er bietet Neues, Abenteuer und eben diese Ursprünglichkeit, also für mich ist es schon der Inbegriff von Wald. Atmo: Irrwurz kommt durchs Unterholz Autor: Im Nationalpark Bayerischer Wald entsteht derzeit die größte Waldwildnis zwischen dem Atlantik und dem Ural. Wie der Urwald in fünfzig oder hundert Jahren aussehen wird, - keiner weiß es. Man muss schon das Gespür eines Waldgeistes haben, um zu erahnen, was der Wald zu bieten hat - so wie die ?Irrwurz?, eine Gestalt aus der Sagenwelt des Bayerischen Waldes. Mit Zweigen und Blättern getarnt, schlüpft sie plötzlich aus dem Unterholz und erklärt den erstaunten Besuchern die Wirkung ihrer Kräuter. 49. O-Ton: Gerti Gehr (Irrwurz) Griaßt ehng Gott Leitl´n, wo kummts denn her? Do im Wold herin wer´ns scheinbar immer mehr. I bin d´Irrwurz, i lieb und acht d´Natur und in allem wos i do sech, g´spier i ehrm dazua. Des gibt mir Vertrauen und Ruah. I bin am Suacha und am Schau´n, dua do im Wold herin meine Kräfte aufbau´n. Autor: Zu den sagenhaften Kräften der Irrwurz, hinter der die Schauspielerin Gerti Gehr steckt, gehört das Wissen um die Wirkung von Löwenzahn, Bärwurz und Sauerampfer, - Kräuter, die gerne auch als Unkraut angesehen werden. Aber im Wald gibt es kein Unkraut, wie die Irrwurz erzählt, nur Kraut, das am falschen Platz wächst. Immerhin hat der Waldgeist ?Irrwurz? zum Schluss für die Besucher noch das richtige Kraut zur Hand. 50. O-Ton: Irrwurz und Besucher (Beifall)?.einen Fruchtigen?.nur gute Sachen....nehmt sich jeder ein Glaserl a jeder?.Prost?zum Wohl?alles Gute und Schöne! Musik SpvD: Grün ohne Grenzen ? Der Bayerische Wald. Eine DeutschlandRundfahrt von Nana Brink. 1 1