COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Ländersache Kultur (9a) Die Kulturpolitik der Bundesländer Hessen Autorin Petermann, Anke Redaktion Stucke, Julius Regie Wigger, Friederike Sprecherin Prelle, Uta Sendung 04.05.12 - 13.07 Uhr - M A N U S K R I P T B E I T R A G - Majestätisch lehnt er auf seiner Keule, der Herkules, acht Meter groß, getrieben aus millimeterdünnem Kupferblech. Zu seinen Füßen erstrecken sich - über eine steil abfallende Schneise im weitläufigen Bergpark Wilhelmshöhe - barocke Kaskaden und Bassins, umrahmt von künstlichen Felsen und Grotten. In der Sommersaison sind hier die 300 Jahre alten Wasserspiele mit meterhohen Fontänen jedes Mal eine kleine Sensation - hoch über der Stadt Kassel. (Küster) Es ist sozusagen eine Lebenswelt des 18. Jahrhunderts, die wir hier aufblättern. Wir führen in die barocken Vorstellungen von der Beherrschung der Natur, die hier gelebt wird mit den Wasserspielen Bernd Küster, Direktor der Museumslandschaft Hessen-Kassel. Das Wasser wird von Menschenhand in Form gebracht und muss sich dem Willen des Menschen fügen, und das hat der Landgraf Karl dann mit Genuss seinen Besuchern vorgeführt. Auf der anderen Seite haben wir in der Sammlungsgeschichte einen hohen Schwerpunkt an Sammlungskultur, die ins 18. Jahrhundert gehört. Ende des 18. Jahrhunderts kommt das Schloss dazu, und das rundet das Gesamtkunstwerk ab, und das ist wirklich welt-einmalig. Bei der UNESCO beantragte das Land Hessen, den Bergpark samt Herkules und Wasserspielen zum Weltkulturerbe zu erklären. Jahrzehntelang hatte man das Ensemble vernachlässigt, der Herkules rostete von innen, die Gebäude im Park verfielen. Nun investiert die hessische Landesregierung 200 Millionen Euro bis 2014, um die landgräfliche Kulturlandschaft aufzuwerten - eines der größten Kulturinvestitionsprogramme bundesweit. Da kommt Neid auf bei den internationalen Experten, mit denen Gerhard Weiß als Präsident des hessischen Landesamtes für Denkmalpflege nun regelmäßig in Kassel konferiert. Ja, wie sagte die österreichische Kollegin: Das ist ja hier wie im Schlaraffenland. Denn es war so, dass wir hier tatsächlich durch das Kulturinvestitionsprogramm des Landes die nahezu einmalige Situation haben, dass tatsächlich viel Geld in die Hand genommen wird, um die Museumslandschaft und ihre Bauten zu ertüchtigen und damit auch fit zu machen für das Welterbe. "Die kulturhistorischen Schätze müssen wir pflegen", so formuliert Hessens Kunstministerin Eva Kühne-Hörmann von der CDU die Linie der schwarzgelben Koalition. Historisch bedingt sei auch die Landesförderung für die hessischen Staatstheater. Die Residenzstädte Darmstadt, Wiesbaden und Kassel müssen ihre früheren Hoftheater nicht allein finanzieren. Auf Rosen gebettet seien die drei aber nicht, sagt der Kasseler Intendant Thomas Bockelmann. Das hat auch gerade ein Gutachten, das uns im Auftrag des Ministeriums durchleuchtet hat, bestätigt, dass wir strukturell eher unterfinanziert sind. In den letzten Jahren hat es auch immer mal wieder Probleme gegeben mit den Tariferhöhungen, die wir rausschwitzen sollten. Bei 85 % Personalkosten-Anteil an einem Etat geht das nicht, dann bluten die Häuser aus. Im Moment für 2012 gibt es eine Lösung, von der ich mir sehr wünsche, dass sie vielleicht auch in den nächsten Jahren weiter geht. Normalerweise ist das Haus finanziert mit 52 % vom Land und 48 % von der Stadt, und nur die Tariferhöhungen im kommenden Jahr werden getragen ein Drittel vom Land, ein Drittel von der Stadt und ein Drittel aus dem kommunalen Finanzausgleich. Das heißt: die Umlandgemeinden beteiligen sich an den Personalkosten der Staatstheater, von denen sie profitieren. Improvisieren gehört jedoch weiterhin dazu, meint der Intendant des Kasseler Staatstheaters mit Blick auf die Personalsituation: Mitte der 80er Jahre gab es hier 28 Sänger, derzeit gibt es 16, es gab mal 24 Tänzer, im Moment gibt's elf, es gab mal 39 Schauspieler, derzeit gibt's 22. Also die, die abends die Hauptlast der Aufführung tragen, die Menschen, sind weniger geworden. Das heißt, die arbeiten oft an der Grenze des roten Bereichs. Da muss man dann auch gucken, dass man ein Stück kleiner besetzt, damit zwischendurch einer dazu kommt, noch mal Luft zu holen. Aber, so tröstet sich der Theater-Intendant, anderen geht es schlechter. Da stimmen die oppositionellen Sozialdemokraten energisch zu. Michael Siebel, kulturpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Hessischen Landtag, kritisiert schon länger: die CDU-geführten Landesregierungen förderten die kulturhistorischen Leuchttürme üppig - und vernachlässigten unter anderem die soziokulturellen Zentren mit ihrer jüngeren und international geprägten Künstler- und Publikumsszene. Wir haben vorgeschlagen von der SPD, dass wir die soziokulturellen Zentren, das heißt die Orte, an den sich Migranten kulturell äußern können, an denen Frauenprojekte gemacht werden, dass diese in einer Drittelfinanzierung in Zukunft bedacht werden, ein Drittel durch die jeweilige Kommune, eine Drittel durchs Land, ein Drittel durch eigene Einnahmen. Dieses Landesdrittel ist bei weitem nicht erfüllt, wir haben immer wieder versucht, das durch Haushaltsanträge zu unterlegen, ... bislang erfolglos, bedauert der Sozialdemokrat. Er sieht darin eine verpasste Chance, soziale Teilhabe an Kultur zu stärken. Auch die in Hessen vergleichsweise starke freie Theater-Szene klagt. 280 Ensembles und 180 Einzelkünstler müssten sich mit einer Landesförderung von unter 600.000 Euro begnügen. Davon fließe ein Großteil in Kinder- und Jugendtheater, bemängelt Jan Deck vom Landesverband der professionellen Freien Theater, kurz Laprof. Der Laprof-Geschäftsführer fürchtet, dass die Freie Szene auf Dauer ausblutet, wenn Hessen bei deren Unterstützung weiter hinter den Nachbarländern Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg herhinkt. Wir haben uns natürlich sehr gefreut, dass unsere Kollegen in Baden- Württemberg erreicht haben, dass dort die Förderung um eine Million erhöht wurde. Man sieht ja in Baden-Württemberg, was das bedeutet: dass wahnsinnig viel mehr produziert wird, dass viel mehr Theater einfach gemacht wird und die Gruppen überregional einfach relevanter werden - das würden wir uns auch für Hessen wünschen. Doch leider gibt es kein Signal seitens der Landesregierung, dass das in Hessen auch passieren könnte. Projekte und Spielstätten zu fördern, meint Thomas Bockelmann, Intendant des Kasseler Staatstheaters, sei für die Politik bei weitem nicht so attraktiv wie in Neubauten oder die Sanierung des kulturellen Erbes zu investieren. Vielleicht, weil die Sachausgaben auch als Konjunkturprogramme für die lokale Wirtschaft wirken und sich Kommunal- und Landespolitiker gern im Glanz des Neuen oder Sanierten sonnen. Bei einer Feierstunde in Bad Homburg strahlt jedenfalls Kunstministerin Kühne- Hörmann: die Saalburg, das weltweit einzige wieder aufgebaute Römerkastell - auch ein kulturhistorischer Schatz, den sich das schwarz-gelb regierte Hessen viel Geld kosten lässt. Wir sind ja mit dem Limes UNESCO-Welterbe, und es gab ein Bundesprogramm, das sie UNESCO-Welterbestätten erlebbar machen soll, davon haben wir profitiert und noch mal hessisches Geld hinzugeben. Ich bin begeistert, wie schön die Gebäude saniert worden sind. Und wenn man die Bilder sieht, dass die Gebäude zugewachsen waren, dass nur Gerümpel vor der Tür stand und sie eigentlich fast zusammenfielen, dann ist das heute ein tolles Ergebnis. Das Römerkastell bei Bad Homburg wiederaufzubauen, hatte Kaiser Wilhelm II. bei einem Festbankett in Wiesbaden versprochen. "Das Geld schaff' ich", sprach der Regent markig, schritt zur Tat und drückte dem römischen Erbe Ende des 19. Jahrhunderts den eigenen Stempel auf. Skrupellose Kulturpolitik dieser Art ist heute in der Archäologie nicht mehr angesagt, weiß der hessische Landesarchäologe Egon Schallmeyer, ... eine Ausgrabung zu machen, um dann auf der Ausgrabung die Rekonstruktion zu wagen, wohl wissend, dass wir uns dem Original nähern, es aber nie erreichen werden, weil wir ja nie dabei waren. Es ist ja 2000 Jahre her. Aber was die Saalburg als Alleinstellungsmerkmal hat, ist, dass man hier tatsächlich ein Bild der Antike entworfen bekommt, mit dem man sich auseinandersetzen kann. Ob es wirklich stimmig ist, das muss dann in den Führungen als Vermittlungsarbeit geleistet werden. Aber die Leute haben eine Möglichkeit, die Antike in der dritten Dimension zu erleben. ... eingebettet in die frühlingsgrüne Taunuslandschaft. Anders als andere Länder betreibt Hessen kein landesarchäologisches Zentralmuseum, sondern hat sich entschieden, Kulturzeugnisse der Vor- und Frühgeschichte dezentral an den Fundorten zu präsentieren. Also, es funktioniert - gerade jetzt an diesen Beispielen Saalburg und Glauberg. Glauberg ist ja Fürstensitz mit diesen großartigen Gräbern der keltischen Herrscher am Ostrand der Wetterau, wo durchaus auch im Vorfeld der Planungen gesagt wurde: fährt da jemand hin? Wir haben jetzt 100.000 Besucher im ersten Jahr. Die Landschaft zieht an, der Bau in der Landschaft und natürlich dieses Thema Kelten in einer so reizvollen Umgebung. Ich denke, das Konzept geht deshalb auf. Von geplanten sechs auf neun Millionen Euro wuchsen die Kosten fürs Keltenmuseum am Glauberg, darüber murrte mancher in der Opposition. Doch der dezentralen Organisation der Landesarchäologie kann Michael Siebel, kulturpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, viel abgewinnen. Eine insgesamt stärker regional orientierte Museumslandschaft bewirke, dass Hessen nicht nur über die kulturellen Zentren der Städte wahrgenommen werde. - E N D E - 1