DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Hörspiel/Hintergrund Kultur Dienstag, 11.08.2009 Redaktion: Hermann Theißen 19.15 - 20.00 Uhr Ortserkundungen Goldrausch Oder: Vom Verschwinden eines Karpatendorfs Von Lavinia Laz?r und Carsten Dippel Co-Produktion RBB/DLF URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. ? Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - Atmo: Morgengeräusche auf Dorfplatz Vogelzwitschern, Hahn, Menschen im Hintergrund Erzähler: Früh am Morgen, wenn sich die Nebel lichten und die ersten Sonnenstrahlen ins Tal hereinbrechen, erwacht Ro?ia Montan?. Das uralte Goldgräberdorf liegt weit oben in den rumänischen Karpaten. Die einfach gekleideten Alten sind zuerst auf den Beinen. Die Dorfmitte rund um den alten Marktplatz füllt sich langsam mit Leben. Zwischen den sanften grünen Bergwiesen ragen schroffe schwarze Felsen hervor. Sie tragen jenes Edelmetall in sich, das Ro?ia Montan? von alters her berühmt gemacht hat. Atmo: Pferdewagen Ansage: Goldrausch. Vom Verschwinden eines Karpatendorfes. Feature von Lavinia Laz?r und Carsten Dippel Erzähler: Bis zu den Tagen der spanischen Conquistadores, die im fernen America nach dem El Dorado suchten, war die Gegend um Ro?ia Montan? die wichtigste Goldquelle des Abendlandes. Schon die Römer haben das Gold Dakiens tonnenweise gefördert. Später kamen die Habsburger und führten die römischen Stollen weiter. Das Gold von Verespatak, Goldbach, Ro?ia Montan? hat Generation um Generation ernährt. Cârnic, Cetate, Jig, Orlea wie die Berge hier alle heißen, sie sind durchlöchert wie ein Schweizer Käse. Eugen Cornea: Hier baut man seit über 2000 Jahren Gold ab. Aber man hat immer mit dem Gold gelebt. Neben der Arbeit in der Mine hatten die Leute einen Hof mit Kühen, Schweinen, Hühnern. Damit haben sie ihr Einkommen aufgebessert. Es gab sogar Leute in Ro?ia Montan?, die gar nicht zur Mine gingen. Sie lebten nur von der Landwirtschaft und verkauften ihre Produkte hier auf dem Markt. Der Bergmann konnte genauso gut die Sense schwingen und Kühe melken wie nach Gold graben. Früher war hier ein unglaubliches Leben. Jetzt ist alles anders. Wenn sich zwei Menschen in Ro?ia Montan? treffen, dann reden sie über was? ... Über die Goldleute! Lauthals: Warum wir für das Projekt sind? Wegen der Arbeitsplätze und so. Margit: Als sie kamen, habe ich mich gefreut. (lacht) Ich dachte, prima! Endlich kommt ein Investor. Eugen Cornea: Für Ro?ia Montan? ist dieses Projekt eine Atombombe! Andrei Jurca: Dieses Projekt ist einfach geil! Remus: Tja, ich weiß nicht. Ich fürchte, die werden wir nicht mehr los. Die sind wie die Pest. Atmo: LKWs, Hupe Erzähler: Es herrscht wieder Goldgräberstimmung in Ro?ia Montan?. Gabriel Resources, ein kanadisches Unternehmen, will aus den Bergen von Ro?ia Montan? dreihundert Tonnen Gold und 1.600 Tonnen Silber herausholen. Nicht mit Spitzhacke und Schubkarren. Mit gewaltigen Trucks, ein jeder zwanzig Tonnen Gestein schleppend, die Räder dreimal so groß wie ein Mann. Bald soll unter der Wucht des Dynamits das ganze Gebirgsmassiv verschwinden. Gabriel Resources will den größten offenen Tagebau Europas schaffen. Es winken Milliardengewinne. Remus : Die ganze Dorfstraße haben sie uns kaputtgemacht! Ständig fahren sie hoch und runter mit ihren Jeeps, Bulldozern und Baggern. Erzähler: Im Nachbartal von Ro?ia Montan? wohnt Remus Cenu?a. Kleine Weiden in saftigem Grün, alte Häuser mit knorrigen Holzvorbauten. Drei Kirchen hat Corna und kaum noch Einwohner. Remus: Die haben gebohrt, um das Grundstück zu testen. Hier ist ein Bohrloch, dort oben auf der Hügelspitze auch. Und weiter unten ist noch eins. Überall haben sie die Erde getestet. Für die Widerstandsstruktur. Damit sie ihren Damm bauen können. Erzähler: Stolz steht er da auf seinem liebevoll gepflegten Grundstück. Trotz der harten Arbeit hat er geschmeidige, weiche Züge. In seinem Hof: Blumenbeete, etwas Gemüse, eine kurz gemähte Wiese. Remus: Hier oben wird ein 182 m hoher Damm entstehen. Hier unten, wo mein Haus steht, hier wird der ganze Schlamm reinkommen. Dann werde ich Zyanidhonig haben. Erzähler: Der moderne Goldabbau ist ein schmutziges Geschäft. Das goldhaltige Gestein, in dem sich das Edelmetall oft nur in mikroskopisch kleinen Pünktchen findet, muss zunächst gesprengt werden. Gewaltige Laster befördern die Felsbrocken in eine Fabrik, wo sie zu kiesartigem Schutt zermalmt werden. Um daraus die wertvollen Erze zu extrahieren ist eine Giftwäsche nötig: Man kann Quecksilber nehmen oder das weltweit am häufigsten verwendete Zyanid. In großen Tanks werden Gold, Silber und noch manch andere Erze dank der Blausäure ausgewaschen. Bei einem durchschnittlichen Goldgehalt von 1,3 Gramm pro Tonne Gestein wie in Ro?ia Montan? müssen ganze Berge aus dem Weg geräumt werden. Übrig bleibt ein hoch toxischer Gesteinsschlamm, der endgelagert werden muss. Remus: Hier werden sie die Aufbereitungsanlage bauen. Von da oben, aus Ro?ia, wird eine Leitung gelegt, die den ganzen Schlamm in dieses Tal hier schütten wird. Nur noch die Hügelspitzen werden rausgucken. Das ist alles, was von meinem Dorf übrigbleiben wird. Ich bin Zimmermann. Es gab Zeiten, seitdem die hier zu Gange sind, da hatte ich noch nicht einmal Geld, um meinen Strom zu bezahlen. Es war sehr schwer. Denn die haben die Bevölkerung verjagt. Alle meine Kunden waren hier im Corna-Tal. Aber ich habe nie daran gedacht zu gehen. Niemals! Denn ich bin hier geboren und meine Eltern sind hier begraben. Atmo: Remus spielt auf einem Blatt; im Kuhstall Erzähler: Auf einer Anhöhe in Ro?ia Montan?, hinter einem verlassenen Hof steht eine hölzerne Hütte. 3 mal 4 Meter. Man muss den Kopf einziehen, wenn man in die schwüle, staubige Luft des kleinen Stalls tritt. Dichtgedrängt sehnen sich Eugens Kühe ihrer allmorgendlichen Toilette entgegen. Pflege muss sein, sonst schmeckt die Milch nicht. Die Kühe mögen es, wenn Eugen ihnen am Morgen die Zitzen der prallen Euter wäscht. Eugen Cornea: Ich mache das, damit sich keine Keime in die Milch schleichen. Erzähler: Sind sie sauber, drückt seine Hand mit rhythmischen Bewegungen fest an den Zitzen, bis der erste Milchstrahl in eine kleine Tasse trifft. Die Milch schäumt sofort. Von Zeit zu Zeit schüttet er sie in eine größere Aluminiumkanne um. Gut eine Stunde dauert das Melken der drei Kühe. Wenn die Tiere müde werden, singt Mitzi, Eugens Frau, ihnen ein Lied. Dann entspannt sich ihr Euter und die Milch spritzt wieder in die Tasse. Atmo: Mitzi singt ein Lied. Erzähler: Jetzt erst dürfen die Tiere hinaus ins Freie. Erzähler: Eugen Cornea steht jeden Morgen um fünf Uhr auf. Als erstes geht er mit Mitzi zu den Kühen. Danach wird gefrühstückt. Brot mit Speck und Zwiebeln. Eugen Cornea: Mein einziges Ziel im Leben war es, meine Kinder richtig zu erziehen. Ich habe mir keine Autos gekauft oder Schlösser gebaut. Ich habe ein bescheidenes Haus, aber aus meinen Kindern soll was werden. Denn ich hatte eine harte Kindheit. Mit 14 bin ich Waise geworden und wir waren sieben Geschwister. Da gab es Zeiten, in denen wir wochenlang nicht ein Stück Brot auf dem Tisch hatten. Wir aßen nur Polenta, Brot konnten wir uns nicht leisten. Wenn ich es so schwer hatte, dann habe ich mir gesagt, sollen mindestens meine Kinder glücklich sein. Dafür habe ich gekämpft. Nun ja, als ich endlich in Rente gegangen bin, und meine Frau und ich hofften, zur Ruhe zu kommen, kamen plötzlich diese hier. Das war das größte Unglück für Ro?ia Montan?. Jetzt haben die sich hier breit gemacht und piesacken uns tagtäglich. Erzähler: Das harte Leben merkt man ihm kaum an. Wenn er bei seiner Familie ist, wirkt Eugen jung und glücklich. Früher hat er als Topograph für die staatliche Minenfirma gearbeitet. Jetzt ist er ein leidenschaftlicher Gegner des Projekts. Er ist Rentner, arbeitet aber im Informationsbüro der Soros-Stiftung und erklärt Touristen, was das Projekt von Gabriel Resources bedeutet. Eugen Cornea: Wenn ich von den Kühen komme, muss ich mich erstmal waschen und umziehen. Ich kann doch so nicht ins Büro gehen und nach Kuh stinken. Mitzi: Nach Ochse! Eugen Cornea: Na, oder nach Ochse. Erzähler: Eugen geht zur Arbeit. Unterm Arm zwei große, mit frischer Milch gefüllte Plastikflaschen. Bevor er das Soros-Büro aufschließt, verteilt er die Flaschen an Freunde. Stephanie: Mhm, danke für die Milch! Eugen Cornea: Vergiss nicht, die zu kochen. Ich habe sie heute früh gemolken. Stephanie: Ok, Zeno. Wenn es kühler wird, komme ich vorbei. Erzähler: Stephanie Roth kam vor sieben Jahren nach Ro?ia Montan? und schloss sich den Projektgegnern an. Bauern und Grundstücksbesitzer hatten sich zwei Jahre zuvor zusammengetan, um ihre Rechte gegen Gabriel Resources zu verteidigen. Sie gründeten einen Verein und tauften ihn "Alburnus Maior", nach dem alten lateinischen Namen der Siedlung. Stephanie leitet Kampagnen, kümmert sich um Gerichtsprozesse, schreibt Pressemitteilungen. Eigentlich war sie nur gekommen, um für einen Artikel zu recherchieren. Doch die Geschichten der Leute aus Ro?ia ließen sie nicht mehr los. Sie kam zurück und ist bis heute geblieben. Stephanie: Wenn Du Ungerechtigkeit siehst, da kannst nicht einfach nach Hause gehen und sagen, das ist mir Wurscht! Weil das Projekt von Gabriel Resources ist ja genau da, wo heut das Dorf und die Menschen und die Kirchen und die Friedhöfe und die Berge und die Kühe und die Wiesen sind. Genau da drauf wollen die ihr Projekt stellen. Das heißt: Alles, was jetzt dort ist, muss weg! Weil es darf ja keiner in einem industriellen Gebiet wohnen und schon gar nicht in einem, wo du 50 Tonnen am Tag hochsprengst, Blausäure verwendest, ja, und Lastkraftwagen hast, die 50 Tonnen fahren. Da kann ja keiner drin wohnen. Erzähler: Wer die Landstraße von Abrud nach rechts ins Tal einbiegt, wird von einem Banner empfangen: "Willkommen in Ro?ia Montan?! Gabriel Resources." Die Straße windet sich Kilometer um Kilometer hinauf, vorbei an einfachen Bauernhäusern und prächtigen Höfen ehemaliger Minenbesitzer. Die kunstvoll verzierten Fassaden zeugen noch heute vom einstigen Reichtum des Ortes. Doch viele Häuser sind in einem ruinösen Zustand. Die Dächer eingeknickt, Türen und Fenster eingeschlagen, die Wände zerbrochen. An fast jedem prangt ein grünes Schild mit dem schwungvollen Namenszug von Gabriel Resources. Nur wenige tragen gelbe Schilder mit der Aufschrift: "Dieses Eigentum ist nicht zu verkaufen." Es sind die Schilder von Alburnus Maior. Jedes Haus ist markiert. Atmo: Marktplatz Erzähler: Auf der Pia?a Veche ist nicht mehr so viel los wie früher, als hier jede Woche Markt war. Aber noch immer ist der Platz im oberen Ortsteil der beherrschende Punkt, an dem alle Fäden zusammenlaufen. Das gesamte Terrain ist mit unsichtbaren Trennlinien abgesteckt. Es gibt Bänke hüben und drüben. Und je nachdem, ob man für oder gegen das Projekt ist, sitzt man auf der einen oder anderen Seite. Die Goldfirma hat gleich mehrere Häuser bezogen. In einem sitzt ihr Infozentrum. In den umliegenden hat sie Archäologen, Geologen und Umweltingenieure untergebracht. Auch Pro Ro?ia und Pro Dreptatea sitzen dort in eigenen Häusern. Sie nennen sich selbstständige NGOs, sind aber beide von Gabriel finanziert. Dagegen nimmt sich das Revier der Projektgegner bescheiden aus. Aber das kleine Soros-Büro ist immerhin das erste, was man sieht, wenn man auf den Platz kommt. Atmo: Leute unterhalten sich auf der Bank Erzähler: Wenn sich Eugen, Margit, Rodica und Sorin auf der Bank vor dem Soros-Büro treffen, reden sie gern über ihre Ernte, über Marmeladen und über den letzten Dorftratsch. Aber es dauert nicht lang, und sie sind wieder beim Projekt. Frau auf der Bank: Soll doch der Teufel sie holen, damit sie für immer hier verschwinden! Wir wollen kein Gold! Erzähler: In Sorins Haus ist das Soros-Büro untergebracht. Gleich nebenan hat seine Frau einen kleinen Tante Emma-Laden. Für Gabriel ist das Ganze ein Stachel im Fleische. Sorin: Ich kann mich ganz genau erinnern, als die Firma herkam. Es waren zwei junge Geologen aus Australien. Das war 1996. Zwei junge Männer, die kein Wort Rumänisch konnten, die nicht wussten, dass der Winter in Ro?ia Montan? kalt ist. Sie waren einfach in T-Shirts und Jeans gekommen! Wir wussten weder wer sie sind, noch was sie wollten. Sie hatten einen kleinen Jeep und fuhren damit jeden Tag in den Tagebau von Ro?ia Min. Sie haben immer wieder Messungen gemacht und auf den Steinen irgendwelche Nummern hinterlassen. Eines Tages sind sie in Urlaub gefahren, und sind statt zu zweit zu viert zurückgekehrt. Und langsam, langsam sind sie immer mehr geworden. Erzähler: Was Sorin nicht ahnen konnte: Der Grund, weshalb sich eine kanadische Firma in das kleine Karpatendorf verirrte, hatte einen Namen: Frank Timi?. Er ist als rumänisches Waisenkind 1978 über den Eisernen Vorhang geklettert, später nach Australien gegangen und dort auf den Geschmack des Goldes gekommen. Als der Eiserne Vorhang fiel, erinnerte Timi? sich: Da war doch was in meiner Heimat! Gruber: Nach 1990 waren wir richtig arm. Wir wussten gar nicht, wie arm wir waren. Erzähler: Gheorghe Gruber ist Chef der firmentreuen NGO Pro Dreptatea. Gruber: Damals hieß es immer, wir brauchen ausländisches Kapital. Es hieß, wenn ein Ausländer kommt, zeigen Sie ihm alles. Die Mine, die Arbeiten, die Pläne ... Von den Investoren, die hierher gekommen sind, haben wir Gabriel Resources ausgesucht, weil der Präsident der Firma Rumäne war. Und so wurde 1997 das Joint Venture Ro?ia Montan? Gold Corporation gegründet. Erzähler: Was Herr Gruber nicht erwähnt: Zu jener Zeit war er Direktor der staatlichen Mine Ro?ia Min. Als solcher lud ihn Frank Timi? nach Australien ein. (Flüstern:) "Komm Gheorghe, ich zeig Dir was." Atmo: Wild-West-Stimmung Erzähler: Vor ihren Augen eröffnen sich plötzlich kupferrote Terrassen, so weit das Auge reicht. Eine gewaltige Grube, mehrere Hundert Meter tief. Die Super Pit, eine der größten Goldminen der Welt. "Stell Dir vor, Gheorghe: Das kann auch die Zukunft von Ro?ia Montan? sein!" Gruber: Ich bin begeistert, wissen Sie warum? Es wird hier so eine spannende Zone entstehen. Hier, wo jetzt noch die Berge stehen, werden riesige offene Tagebaue sein. Und dann die großen Gerätschaften! Riesige Bagger, die mit ihrer Schaufel 13 Kubikmeter fassen können! EIN-HUNDERT-FÜNFZIG-TONNEN-KIPPER! Das ist beeindruckend. Als ich sie gesehen habe - obwohl ich an große Maschinen gewöhnt war - fing ich an zu vibrieren. Und der Tagebau mit seinen Terrassen ist echt spektakulär. Wahnsinn, wozu der Mensch fähig ist! Erzähler: Nach der Australien-Reise lud Gheorghe Gruber Frank Timi? nach Ro?ia Montan? ein. Eines Tages saßen sie mit dem Bürgermeister und dem Präfekten der Region zusammen, tranken Zuika und entwarfen in vertrauter Runde die Zukunft von Ro?ia Montan?. Atmo: Gläser, Anstoßen, "S?n?tate!" Erzähler: Einige Monate später landete auf dem Flughafen von Toronto eine rumänische Maschine. An Bord ein brisantes Gepäckstück. Eugen Cornea: Herr Gruber ist der größte Verräter von Ro?ia Montan?! Nach seiner Australienreise hat er ganz einfach die gesamte geologische Dokumentation aus dem Besitz der staatlichen Minenfirma den Kanadiern vermacht. Alle Pläne, Karten und geologischen Aufzeichnungen, von 1787 an. Seitdem haben wir keine komplette Dokumentation unserer Bergbaugeschichte hier vor Ort mehr. Als Belohnung wurde Herr Gruber Chef der Ro?ia Montan? Gold Corporation. Sorin: Eines Tages sagte mir einer der australischen Geologen. "Sorin, komm, ich zeig Dir was." Er führte mich auf den alten Platz und sagte: "Siehst du diesen Berg?" Ich sagte "Ja." "In 25 Jahren wird er nicht mehr hier sein." Ich sagte "Wie?" "Er wird verschwinden. Und auch der Ort Ro?ia Montan? wird verschwinden, denn alle Häuser müssen aufgekauft werden." Das war das erste Alarmzeichen, dass es in Ro?ia Montan? dreckig zugeht. Erzähler: Die Firma hat eine Konzession zum Goldabbau für 25 Jahre über das ganze Gebiet erhalten. Im Jahr 2004 hat sie angefangen, Häuser und Land zu kaufen, obwohl sie weder vom Umwelt- noch vom Kulturministerium eine Genehmigung hatte. Remus: Sie sind hier mit lauter Bonbons gekommen. Sie haben sogar Teams angeheuert, um den Schnee zu schippen. Bis dahin hat niemand bei uns im Dorf den Alten den Schnee weggefegt oder sie beschenkt. Sie haben ihnen Öl mitgebracht, Zucker, Nudeln, alle möglichen Lebensmittel. Immer, wenn die Firmenleute kamen, dachte man, sie sind der Weihnachtsmann. Die Leute haben sich kaufen lassen. Und nun haben sie die Tragödie. Sie müssen ihre Häuser räumen. Erst jetzt wird ihnen klar, was sie da gemacht haben. Erzähler: Inzwischen haben fast 80 Prozent der Dorfbewohner verkauft. Sicher, das Geschäft ihres Lebens gemacht zu haben. Stephanie: Das sind Deppen! Du musst Dir überlegen, in Arie?eni, das ist ja nicht weit weg von hier, das ist mittlerweile sehr touristisch, da kostet mittlerweile der Quadratmeter Land 120 Euro. Hier in Ro?ia Montan?, bis vor einem Jahr, hast du 50 Cent für deinen Squaremeter gekriegt und jetzt kriegst du einen Euro. Da sag ich immer den Leuten, sagt mal: Ihr spinnt! Weil, ihr sitzt ja nicht nur auf Land, ihr sitzt auf einer Goldmine! Aber ich nehme an, die Leute sind unsicher, die Minenfirma sagt, dass das europäische Preise sind oder was auch immer. Also das ist ja Stehlen! Die Minenfirma stiehlt den Menschen ja eigentlich das Land. Diebe sind das! Also das, was sie hier machen, die Definition von Gabriel Resources also rundum (lacht), das sind einfach Diebe. EINFACH DIEBE! Atmo: Wiese. Erzähler: Die Sonne steht hoch. Mit frischem Gesicht und kesser Baskenmütze schaut Bauer Urs, einen Grashalm kauend, nach seinen Kühen. Bauer Urs: Wir wissen nicht genau, was sie vorhaben. Aber eine Sache ist klar. Hier wird kein Mensch mehr leben können! Als die alte Mine noch im Betrieb war, wurden 50, 100, sagen wir 300 kg auf einmal gesprengt. Da sprang bei mir die Haustür auf! Aber wie wird es sein, wenn sie Tausende Tonnen Dynamit einsetzen? Tja dann bebt alles nur noch... Wo soll man dann noch leben? Hier kann keiner mehr leben. Erzähler: Die Firma baut der Familie Urs gerade ein Haus in der Provinzhauptstadt Alba Iulia. Von seinen Kühen muss sich Bauer Urs bald verabschieden. Zwei Stunden dauert die Fahrt nach Alba Iulia. Die Provinzhauptstadt liegt in einer Senke. Wenn die Sonne brennt, steht die Hitze in der Stadt. Ganz am Stadtrand, nicht leicht zu finden, und von nichts umgeben als einer Hühnerfarm wird es sein: Ein Teil des neuen Ro?ia Montan?. Ein plattes Feld, 4 ha groß, Einfamilienhäuser wie Ufos auf dem noch sandigen Grund. An jedem wird gezimmert, Bagger fahren umher. Das Baugelände von Gabriel Resources ist streng bewacht. Atmo: Baustelle: Hämmern, Säge Erzähler: Stolz führt C?t?lin Hosu, Pressesprecher von Gabriel, Besucher auf die Baustelle. Hosu: We are very happy of these two resettlement sites because as you can see 127 families are moving from one place to another. So basically you can keep the same neighbours for the people, the same social network, the same social structure. That's why we are encouraging the resettlement instead of relocation. Erzähler: "Resettlement und Relocation:" Die Gold Corporation hat sich ein ausgeklügeltes Konzept ausgedacht. Wer sein Haus und sein Land verkaufen will, bekommt entweder Geld in die Hand gedrückt oder ihm wird ein neues Haus in Alba Iulia oder Piatra Alb? - am Rande vom jetzigen Ro?ia Montan? - gebaut. In den Resettlement-Zonen, wie dieser in Alba Iulia, sollen modern ausgestattete Einfamilienhäuser errichtet werden. Hosu: For some of them - for many of them - it was a once in a lifetime opportunity to leave Ro?ia Montan? to get access to a better living standard. So, it was their choice. Atmo: Schweinegrunzen, Heuwenden Eugen David: Heute bin ich mit dem Sensen fertig geworden. Ich muss das Heu jetzt einsammeln, von der Wiese in den Hof bringen und dann Mieten bauen. Damit die Tiere im Winter genug zu fressen haben. Danach beginnt die Erntezeit. Ich sammle Obst - Äpfel, Birnen, Pflaumen - und dann ernte ich Kartoffeln. (lacht) So ist das Leben auf dem Bauernhof. Erzähler: Eugen ist Bio-Bauer. Neben der reinen Körperkraft kommen noch eine Sense, eine Harke und ein Pferdewagen zum Einsatz. Und natürlich die Familie. Seine Frau. Seine Tochter. Selbst die Schwiegermutter. Eugen David: Soweit ich zurückdenken kann, habe ich immer zweierlei Beschäftigungen gehabt. Die Landwirtschaft und die Arbeit für die Mine. Aber meine Hauptbeschäftigung war nicht die Mine, sondern der Hof meiner Eltern im Nachbartal. Durch den Hof kann ich ein Leben lang meinen Lebensunterhalt sichern. Einen Job bei einer Firma hat man heute, morgen vielleicht aber nicht mehr. Das Land wird immer die Existenz des Menschen sichern. Ohne Land ist der Mensch verloren. Erzähler: Für den Bau der großen Autobahnverbindung zwischen Budapest und Bukarest hat der rumänische Staat etliche Bauern enteignet. Im Fall von Ro?ia Montan? ist eine Enteignung ausgeschlossen. Denn hier geht es nicht um ein nationales Ziel, sondern um das Interesse eines privaten Unternehmens. Eugen David: Solange noch ein Mensch in Ro?ia Montan? wohnt, kann das Projekt nicht kommen. Ein einziger Mensch muss bleiben. Das ist eine Besonderheit dieses Projektes. Hosu: I don't think that 2 Prozent of the community can go against the other 98 Prozent because we're living in a democratic country. We're not gonna force anyone, we're not gonna expropriate anyone, we are buying properties, they are selling properties. People that two years ago were not selling they were kinda shouting at us, "I don't wanna see you near my property!? now they sold, already. What I'm trying to tell you is that people is changing their mind. Margit: Wenn ich noch zehn Jahre lebe, oder seien es nur fünf oder drei: Ich gehe nicht weg. Egal was passiert, ich gehe nicht weg. Sie können mich mit dem Bulldozer wegschieben oder mich erschießen. Ich gehe nicht! Erzähler: Margit Buran kommt jeden Morgen auf den Friedhof der römisch-katholischen Kirche. Im Schatten hoher Tannen spricht sie das Vaterunser auf Ungarisch. Atmo: Friedhof, Vaterunser Margit: Jeden Tag gehe ich zu den Verstorbenen. Zuerst besuche ich meine Mutter, ich bete und erzähle. Ich erzähle ihr alles. Was ich gemacht habe, was ich noch vorhabe. Danach gehe ich runter zu meinem Sohn, meinem Mann und einem der Brüder. Ihnen erzähle ich auch alles, selbst was wir heute für einen Wochentag haben. Das ist mein Trost. Das ist alles, was mir noch geblieben ist. Erzähler: Auch wenn sie jetzt im Alter nicht mehr gut sieht, hat sie bisher den Weg zum Friedhof nicht einmal verfehlt. Jeder Schritt ist eingeübt. Margit: Also ich tausche mein Dorf nicht gegen alle Städte der Welt ein. Hier bin ich geboren und ich will nirgendwo anders sein. Ich muss kämpfen für die Toten aus den Gräbern, die sich nicht wehren können. Ich beschütze sie, solange ich lebe! Eugen Cornea: Hier gucken sie mal, dieser Riss in der Kirche ... Zwischen dem Cetate-Tagebau und der römisch-katholischen Kirche sind etwa 450 m Luftlinie. Als dort mit viereinhalb Tonnen Dynamit gesprengt wurde, ist ein gewaltiger Riss entstanden. Die Kirche ist beinahe eingestürzt. Was ist denn, wenn man aus einem Abstand von 50 m oder 35 m, 67 Tonnen in die Luft jagt? Wie soll die Kirche da noch stehen bleiben? Seien wir doch realistisch! Erzähler: Laut Plan der Firma soll der alte Dorfkern erhalten bleiben. Eine friedliche Oase inmitten einer mehrstufig aufgerissenen Tagebauwüste. Zu diesem "geschützten Gebiet" gehört auch Eugen Corneas Anwesen. Doch wieviel Nähe zum Tagebau vertragen die alten Häuser? Eugen Cornea: Sie haben mir gesagt, dass sie mich in meinem Haus mit nichts stören. Ich könne dort wohnen bleiben. Also wenn ich hier bleibe, und sie mir einen Tagebau über den Kopf setzen, dann stürzen doch die Felsbrocken hinunter und bringen mich um, in meinen eigenen vier Wänden! Das ganze Land unter meinen Füßen ist voller Gold. Und dieses Gold kriegen sie nur, wenn sie hier einen einzigen großen Tagebau machen. Ein Riesenloch, mit Stufen, mit allem drum und dran. Sie müssen alles wegschaufeln. Alles! Hosu: Ich bin mir nicht ganz sicher, was der Mindestabstand zwischen dem Tagebau und der geschützten Zone ist. Ich weiß, dass der Abstand variiert zwischen etwa dreißig Metern und einem Kilometer. Erzähler: C?t?lin Hosu legt sein Lineal an einer Projektskizze an. Vom Ergebnis ist er selbst verblüfft. Nur knapp 40 Meter? Kann das stimmen? Er möchte sich lieber noch mal versichern und ruft bei seinen Experten an. Hosu: Hallo du. Du, ich hab' da mal eine Frage. Sag mal, weißt du, wie groß der Mindestabstand zwischen dem Tagebau und der geschützten Zone ist? (Pause.) Die geschützte Zone. (Pause.) Ah, gut, gut. Ich ruf ihn an. Ja, gut, danke. Ich werde noch einen Anruf machen und es sofort erfahren. Hallo, bist du im Büro? Hey, sag mal: Was ist denn der Mindestabstand zwischen dem Cârnic-Tagebau und der geschützten Zone? (Pause.) Weißt du auch nicht? Aha. (Pause.) Gut. Gut, gut. Erzähler: Catalin Hosu braucht drei Anrufe, um nichts Genaueres herauszufinden. Er legt sich schließlich fest auf 37 Meter. 37 Meter zwischen der schlichten, weißen Barockkirche und den Sprengarbeiten am Cârnic, 37 Meter zwischen Friedhof und Tagebau, 37 Meter zwischen Margits Bank und den lärmenden Caterpillar-Monstern. Gesetzlich vorgeschrieben ist ein Mindestabstand von 300 Metern. Eugen Cornea: Eigentlich wollen sie die Zone gar nicht schützen, sondern einen Riesentagebau hinsetzen. Nicht vier Krater, sondern einen einzigen. Tiefe 400 Meter, Breite 8 km. Erzähler: Eugen Cornea hat Erfahrung mit der Gestaltung von Großtagebauen. In den Siebzigern hat er als Topograph in einem Nachbartal von Ro?ia Montan? eine Kupfermine projektiert. Eugen Cornea: Die Mine in Ro?ia Poieni ist topographisch gesehen absolut korrekt gebaut. Die Stufen sind regelmäßig, die Form perfekt kreisförmig. Aber wenn ich jetzt die Zeit zurückdrehen könnte, würde ich nicht noch mal so einen Tagebau machen. Es ist für die Umwelt eine große Belastung. Erzähler: Parallel zur Kupfermine hatten die Kommunisten den ersten größeren Goldtagebau begonnen. Stück für Stück wurde der Berg Cetate mit seinen zahlreichen römischen Stollen seines Goldes beraubt. Das halb abgetragene Massiv gehört zum Panorama von Ro?ia Montan?. Dann kam Ceau?escus gefürchtetes Goldprogramm: Alles Gold des Landes sollte für die protzige Palastherrlichkeit in Bukarest gefördert werden. Um jeden Preis. Für Ro?ia Montan? hieß das nichts weniger als eine zehnfache Steigerung der Produktion. Gruber: Alle vier Berge, die die Gold Corporation jetzt besitzt, hätten wir schon 88 in Angriff genommen. Wir hätten den ganzen Ort umgesiedelt und in Piatra Alb? ein neues Zentrum mit zweistöckigen Blocks gebaut. Alle wären umgesiedelt worden - ohne Kommentar. Auch die Fabrik hätten wir genau dort aufgebaut, wo Gabriel das heute vorhat. Es fehlte nur noch das Enteignungsdekret. Wenn sich die Ereignisse von 89 nur um wenige Monate verspätet hätten, dann wäre das Projekt längst begonnen worden. Erzähler: Was vom Cetate noch übrig ist, will Gabriel weiter abtragen. Gern erzählt die Firma, ihr Minenprojekt berühre nicht im Geringsten das architektonische Geflecht des 2000 Jahre alten Minenortes. Die "geschützte Zone" wird eine ganz normale Wohngegend sein. Eugen Cornea: Wenn alles so einfach ist, warum hat Gabriel die Leute dann nicht in die geschützte Zone umgesiedelt? Erzähler: Doch diese Frage haben sich die meisten, die weggezogen sind, gar nicht erst gestellt. Sorin: Die Firma hat eine sehr schlaue Kampagne geführt. Sie haben den Menschen gesagt: Ihr werdet woanders viel besser leben. In Ro?ia Montan? gibt es keine Lebensqualität - ihr habt kein Bad, keine Küche, ich weiß nicht, was sie denen noch alles eingetrichtert haben. Davon haben sich die Leute beeindrucken lassen: Stell dir vor, man baut dir ein neues Haus. Du musst nur ein Papier unterschreiben. Und ab heute bist du glücklich. Erzähler: Damit die Leute auch wirklich umziehen, hat die Firma ein bisschen nachgeholfen. So wurde im Jahr 2002 ein Raumgestaltungsplan aufgelegt und Ro?ia Montan? damit zur Industriezone erklärt. Seitdem darf sich kein anderes Unternehmen dort ansiedeln. Es zählt einzig das Projekt von Gabriel Resources. Ioan Rusu: Wir sind völlig blockiert. Selbst wenn wir eine kleine Firma haben und diese ausbauen wollen, können wir nichts bewegen. Denn das Rathaus erteilt überhaupt keine Genehmigungen irgendeiner Art. Die Bevölkerung von Ro?ia Montan? ist doch einfach Kanonenfutter für diese Firma! Erzähler: Für Alburnus Maior gehört Ro?ia Montan? auf die UNESCO-Liste des Weltkulturerbes. Römische Bergwerksstollen in dieser Menge und Qualität gibt es schließlich kein zweites Mal auf der Welt. Erst recht keinen Ort, der eine zweitausendjährige Minengeschichte aufweist und sie in seiner Architektur wiederspiegelt. Seit Jahren wird daher auch außerhalb des Dorfes um seinen Erhalt gekämpft. Atmo: Römische Bergwerksstollen Eugen David: Unsere Hauptstrategie bei Alburnus ist der Tourismus. Und nebenbei können gern auch Firmen kommen. Jede Investition ist willkommen, die Ro?ia Montan? nicht zerstört. Erzähler: Andrei Jurca, Zahnarzt und Chef von Pro Ro?ia, sieht das anders. Andrei Jurca: Was? Tourismus? Nein! Um Tourismus zu betreiben, braucht man eine Infrastruktur. Man braucht Hotels. Man braucht Restaurants. Man kommt doch nicht her für einen römischen Stollen und zwei Steine! NEIN! Tourismus kann man nur im Nachhinein machen. Wenn all die Entdeckungen, die die Firma bei den archäologischen Ausgrabungen gemacht hat, in ein Museum gestellt werden. Stephanie: Die Minenfirma hat ja den Leuten die Möglichkeit weggenommen, sich einen Job zu finden, seit 2002, wo sie die Raumgestaltungspläne geändert haben. Aber wenn Du hier einen Bürgermeister hättest, der sagen würde, ok ich bin Bürgermeister, ich bin von allen gewählt, lass es uns doch so machen, wir geben einfach jedem die Möglichkeit, wir geben der Minenfirma die Möglichkeit und wir geben Geschäften und Leuten, die sich hier was aufbauen wollen die Möglichkeit, dann bin ich mir sicher, dass nach 3-4 Jahren hier Geschäfte wären, und Aktivität hier wär' und dann würde ja das Argument für die Mine von Tag zu Tag an Wert verlieren. Erzähler Doch das eigentliche Drama hat nicht mit der Schließung der staatlichen Mine angefangen. Das eigentliche Drama begann 1948, als den Leuten ihre privaten Minen weggenommen wurden. Damals hieß es "Nationalisierung". Es war nichts anderes als Enteignung. Petri: Die alten Minen meiner Familie existieren noch. In diesem Bergmassiv, im Cârnic. Eine von ihnen verlief sogar bis zum Tannensee. Eine, denn wir hatten sehr viele Minenteile ... Wir hatten auch Angestellte. Mein Opa war Direktor. Erzähler: Ion Petri zerrt vergilbte Papiere hervor. Lauter Urkunden mit schönen Stempeln und geschwungenen Signaturen. Vom vielen Blättern längst eingerissen. Petri: Das ist eine von ihnen. Ich habe sehr sehr viele. Unheimlich viele. Alles offizielle Dokumente. Das ist alles, was uns geblieben ist. Den Rest hat uns der rumänische Staat genommen. Erzähler: Der ganze Familienstolz findet Platz in einer Plastiktüte. Es gibt auch in Rumänien ein Gesetz, das festlegt, enteignete Güter den ursprünglichen Besitzern zurückzugeben. Im Fall der Minen ist bislang nichts dergleichen passiert. Für Petri ist Gabriels Konzession wie eine zweite Enteignung. Atmo: Kinder beim Fußballspielen Eugen Cornea: Die Firma hat ganze Familien geteilt. Es gab eine Frau mit zwei Kindern, die einfach hinter dem Rücken der Mutter das Familienhaus verkauft haben. Sie waren hinter dem Geld her, wollten fettere Autos. Wie reagiert man da, wenn die eigenen Kinder einem sagen: "Wir haben das Haus verkauft, in einem Monat musst du ausziehen!" Das Haus, das du mit deinen eigenen Händen errichtet hast. Worin du ein Leben lang gelebt hast, im Dorf deiner Eltern und Großeltern. Woran dein Herz und deine Seele hängen. Und dein Kind verkauft einfach dein Haus... Sorin: Meine Familie ist schon lange geteilt. Seitdem man angefangen hat, vor ihrer Nase mit den Geldscheinen zu wedeln. Meine gesamte Familie hat ihre Häuser verkauft ohne Gewissensbisse. Am wenigsten erwartet hatte ich es vom Arzt, Andrei Jurca. Er ist mein Onkel, bei dem ich aufgewachsen bin. Man hat meinem Onkel dann vorgeschlagen, die Präsidentschaft von Pro Ro?ia zu übernehmen. Ich habe ihn mehr als meine Mutter respektiert, aber jetzt sind wir Todfeinde geworden. Stephanie: Wenn Du mit den Menschen sprichst, die aus Ro?ia Montan? weggegangen sind, ja: Es möchten viele wieder zurückkommen und es gibt unheimlich tragische Geschichten von Menschen, die weggegangen sind, sich erhangen haben, die einen Herzinfarkt einen Monat danach gemacht haben. Glück, behaupte ich, hat's keinem gebracht. Sorin: Es war von Anfang an klar, dass wir nicht alle zusammenbleiben würden. Das Geld und die Habgier haben uns geteilt. Jeder hat das getan, was er für richtig hielt. Eugen Cornea: Auch wenn das Projekt scheitern sollte, sie haben die Gemeinde zerstört. Hosu: Im besten Fall werden wir in einem Jahr die Genehmigungen bekommen, um anzufangen. Danach brauchen wir zwei Jahre, um den Tagebau und die Industriewege zu bauen und 16 Jahre, um das Gold abzubauen. Im schlimmsten Fall im Jahr 3000. Wir sind hier um dieses Projekt zu machen, ob es zwei Jahre oder fünf oder acht dauert. Darum sind wir da. Stephanie: Ich denke, dass Ro?ia Montan? gerettet ist. Ich denke nicht, dass das Projekt jemals gemacht werden kann. Eugen David: Die Firma verliert jeden Tag Geld, wir gewinnen immer mehr mit jedem Tag. Kein Geld, sondern den Kampf. (lacht) So ist es. Und Gabriel weiß es. Absage: Goldrausch. Vom Verschwinden eines Karpatendorfes. Feature von Lavinia Laz?r und Carsten Dippel. Es sprachen: Winnie Böwe, Marian Funk, Ingo Hülsmann, Eva-Maria Kurz und Friedhelm Ptok. Ton: Bernd Bechthold und Venke Decker Regieassistenz: Dörte Fiedler Regie: Beatrix Ackers Redaktion: Renate Jurzik Produktion: Rundfunk Berlin-Brandenburg mit dem Deutschlandfunk 2009. 23