COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Länderreport 1.Dezember 2010 Nun hatten auch wir unsern "Willy" - 20 Jahre nach dem Tod von Amadeo Antonio Autor: Axel Flemming Red: Claudia Perez Musik Konstantin Wecker: Willy, bis zum ersten Refrain: "...heit werd a begrabn." Die Ballade des Liedermachers Konstantin Wecker stammt aus dem Jahr 1977. Der Freund des Liedermachers starb an den Folgen einer Kneipenschlägerei mit Rechtsradikalen. Aber im Jahr 1990, in der Nacht vom 24. auf den 25. November bekam der Song eine ungeahnte Aktualität. In Eberswalde, nordöstlich von Berlin hatten Jugendliche Amadeu Antonio Kiowa erschlagen. Am 6. Dezember 1990 starb Amadeu an seinen Verletzungen. Musik, Willy, nach dem Refrain Atmo Straßengeräusch, darauf Autor: Eberswalde, Eberswalder Str. 13. An einem gemauerten Zaunpfeiler hängt eine schwarze Marmortafel mit den schlichten Worten: "Amadeu Antonio, 1962 Quimbele Angola - 1990 Eberswalde. Opfer der rassistischen Gewalt." In dem geklinkerten Haus, das unter Denkmalschutz steht, geht das Leben weiter. Das Barnimer Berufskraftfahrerzentrum ist dort untergebracht. Neben "Schwarz-Rot-Gold" hängt auch die Flagge der USA an dem Gebäude, denn dort werden Oldtimer vermietet, hinter der Schaufensterscheibe auf der linken Seite steht ein alter Ford Mustang. Dahinter das Gebäude eines Pizza-Lieferservices. Eine junge Frau wartet darauf, dass der Nachmittags-Betrieb beginnt. Dass Amadeu Antonio hier, wo ehemals das Lokal "Hüttengasthof" stand, attackiert wurde, weiß sie nicht: "Achso, ja, da bin ich noch klein gewesen." Autor: Sie ist schwarz gekleidet, hat ein Piercing in der Unterlippe, eine Haartolle blond gefärbt und lebt gerne in der Kleinstadt mit ihren 41.000 Einwohnern. Mit der rechten Szene hat sie nichts zu tun, sagt sie. "Also in meinem Freundeskreis ist das halt nicht der Fall. Na gut, Glatzen. Hat ja nichts damit zu tun; also hat zwar viele Vorurteile, aber ich glaube, das ist nicht mehr so." Musik, Willy-Refrain, dann Klavier-Intro, darauf Autor: Der 24. November 1990 ist ein Sonnabend. Eine Gruppe junger Erwachsener trifft sich in der Wohnung eines stadtbekannten Neonazis: Skinheads aus der Umgebung und Jugendliche aus Eberswalde. Die Polizei beobachtet sie, als sie sich auf den Weg zu einer Diskothek machen, sieht erster Randale zu und dem Einbruch in einen türkischen Imbisswagen. Nach der Disko ziehen etwa 60 Leute weiter zum "Hüttengasthof". Sie sind auf Gewalt aus und wollen, wie sie es nennen "Neger aufklatschen". Die Polizei warnt den Wirt des "Hüttengasthofs", der sein Lokal dichtmacht. Amadeu Antonio läuft zusammen mit zwei Männern aus Mosambik und zwei weißen Frauen dem Mob entgegen. Der prügelt mit Latten und Baseballschläger auf sie ein, vier der Gruppe können verletzt fliehen - Amadeu Antonio nicht. Erst als ein Bus vorbeifährt, lassen sie von ihm ab, da ist er bereits bewusstlos. Und das bleibt er, bis er am 6. Dezember 1990 im Krankenhaus stirbt. Musik, Willy, nach dem Refrain Autor: "Bis heute frage ich mich, ob ich etwas hätte anders machen sollen", sagt Hans Mai, erster frei gewählter Bürgermeister von Eberswalde nach dem demokratischen Umbruch. Es ist eine andere Zeit damals, die DDR aufgelöst, die neuen Bundesländer frisch gegründet und der alten Bundesrepublik beigetreten, noch keine zwei Monate ist das her. Die Strukturen in Brandenburg stehen noch nicht, beispielsweise der Kontakt zwischen Bürgermeister und der Polizei: "Der bestand indirekt. Wir haben natürlich, wenn irgendwelche besonderen Ereignisse waren, haben wir natürlich Meldung auf den Tisch bekommen. Aber dass wir irgendwie regelmäßig zusammengearbeitet haben, gab's nicht. Die Polizei war auch so verunsichert, weil die ja noch die alten DDR-Strukturen hatten, aber neue Gesetze. Die wussten nicht was dürfen wir, was dürfen wir nicht, die haben sich dann also soweit wie möglich zurückgehalten, weil sie total verunsichert waren." Autor: Die ganze Zeit beobachten Zivilfahnder die Gewalt auf der Straße in Eberswalde, schreiten nicht ein, fordern aber Verstärkung an. 20 vollausgerüstete Polizisten kommen, allerdings erst gegen 1 Uhr. Eine Ermittlung wegen "Körperverletzung mit Todesfolge aufgrund unterlassener Hilfeleistung" gegen die Beamten später verläuft im Sande, Anklage wird nicht erhoben. "Ich hab am nächsten Morgen erfahren dass eine Prügelei war. Dies gab's aber öfter. Aber wie schwer die war, das sickerte erst allmählich durch, vom Hörensagen, von Zeitungsberichten, und dann verdichtete sich das immer mehr. Und richtig präsent wurde es erst, als Amadeu starb. Da hat man erst kapiert, wie schlimm dieser Vorfall insgesamt war. " Autor: Prügeleien sind an der Tagesordnung, selbst zwischen Neonazis und Angehörigen der sowjetischen Armee, die sich ihrer Haut allerdings zu wehren wissen. Die ehemaligen Vertragsarbeiter der DDR dagegen sind umso mehr geschockt, als sich herausstellt, dass hinter den offiziellen Reden über Völkerfreundschaft im Arbeiter- und Bauernstaat der alltägliche Rassismus lauert. Die vermeintliche internationalistische Freundschaft ist begrenzt. Es gibt einen nazistischen Untergrund, der in der DDR totgeschwiegen wird: "Das würde ich jetzt hinterher sagen. Ich hab in DDR-Zeiten von diesem Rassismus wenig gehört. Die Studien, die es ja gab, das durfte nicht öffentlich gemacht werden. Und in der Öffentlichkeit war man da relativ ahnungslos, wir wussten natürlich, dass wir uns mit den russischen Offizieren privat nicht treffen sollten und dass die Vertragsarbeiter abgeschirmt waren. Richtig bewusst geworden ist mir dieser Hintergrund von Nazismus in der Wendezeit, als das dann hochkam und dass es diese Studien von Jugendsozialforschern gab, das wussten wir nicht und das haben wir erst allmählich mitgekriegt." Musik, Willy, nach dem Refrain Autor: Jon Munjunga ist Arbeitskollege von Amadeu Antonio, wie er Vertragsarbeiter, angeworben aus Angola, zeitlich befristet und ohne Integrationsabsicht. Eingesetzt um unterbesetzte Arbeitsbereiche in der DDR zu verstärken. "Ich bin auch der Überlebende solcher Situation. Das hat unser Kollege Antonio Amadeu wirklich bis heute, dass wir nicht vergessen können, die Leute getötet haben. Antonio Amadeu war mein Arbeiterkollegen, und wir haben auf dem Schlachthof gearbeitet. Wir sind hier in Deutschland oder DDR damals gekommen, als Vertragsarbeiter." Autor: Sie lernen Deutsch und werden zum Fleischer ausgebildet, die Aufenthaltsgenehmigung beträgt maximal sechs Jahre, ein ständiger Aufenthalt ist nicht vorgesehen. Dann kommt der Mauerfall und damit für die Vertragsarbeiter die Möglichkeit nicht nur zwischen Fabrik und Wohnheim zu pendeln, raus aus dem Ghetto, aber sie bekommen kaum Kontakt mit der Bevölkerung. "Für uns Stadt Eberswalde, das war schon schlecht und schwer auf die Straße zu gehen, alleine war schon unmöglich. Am 25. komme ich in der Nacht so um 10 Uhr ins Wohnheim, dann höre ich, was diese Nacht passiert war, dass Kollege von uns liegt im Koma. Eine Woche lang wir haben gewartet, dass alles gut geht, aber dann am 6. Dezember wir bekommen so ein Hammer, dass unser Kollege ist tot." Autor: Erst im Januar 1991 berichten überregionale Zeitungen über das Ereignis. Später, 1994 gründet er den afrikanischen Kulturverein Palanca, der Mittler zwischen den Kulturen sein soll, ein besseres Miteinander von Deutschen und Ausländern erreichen will und auch schon erreicht hat. Aber die Angst steckt ihm immer noch, bis heute in den Knochen: "Ich fühle mich persönlich unsicher. Aber ich kann nicht vergleichen mit früher. Nach Tod von Antonio Amadeu, euer Kollege und Angst war groß, warum ihr seid noch in Eberswalde geblieben. Und wir beantworten: wir wollen in Eberswalde bleiben, wir versuchen alles zu machen, dass Stadt Eberswalde gehört ein Teil von unserer Welt. Wir haben unsern Verein gegründet. Wir wollen kämpfen, also nicht kämpfen, wir versuchen alles zu machen, das wir Teil von dieser Gesellschaft gehört." Musik, Willy, nach dem Refrain Autor: Es ist 2010. Im Rathaus von Eberswalde blickt Bürgermeister Friedhelm Boginski auf das große Gemälde, das seinen frühen Vorgänger aus dem Mittelalter zeigt. "Der Bürgermeister Stein empfängt 1743 die Ruhlaer Messerschmiede. Das waren die ersten Zuwanderer in der Stadt Eberswalde, die haben die Schicklersche Vorstadt gegründet. Ich hab ganz bewusst mir dies Bild ausgesucht, weil ich signalisieren will: bei mir sind Fremde in der Stadt herzlich willkommen. Und die begrüße ich - wenn's geht - auch persönlich. Da passt das ja zu Amadeu Antonio!" Autor: Er weiß um das Geschehen von 1990, er weiß, dass er immer wieder darauf angesprochen wird, der Name gehört zur Stadt; deshalb nennt er ihn ungefragt. Und vergessen kann er die Vorgänge sowieso nicht: "Wir Älteren können uns sehr gut an Anfang/Mitte der 90er Jahre in Eberswalde erinnern, als der rechtsradikale Mob diese Stadt - ich will nicht sagen: beherrscht hat - aber doch sehr stark dominant in dieser Stadt vorhanden war, wo wir mit Polizeischutz Schülerdiskotheken schützen mussten in Eberswalde, weil wir Angst hatten, dass dort politisch motivierte Schlägereien stattfinden und ähnliches." Autor: Boginski ist damals Schulleiter und erinnert sich an die beklemmende Situation. Viele seiner Mitbürger äußern noch vor der Bestürzung über den Angriff auf einen Menschen die Befürchtung, was das denn nach Außen für einen Eindruck mache. Aber die Diskussion in der Stadt beginnt; aus seiner Sicht etwas Positives: "Sie hat bewirkt, dass die demokratischen Kräfte in Eberswalde nach einer gewissen Lähmungsphase sich besonnen haben, dass sie aufgestanden sind dass sie gesagt haben: jetzt ist Schluss, das wollen wir hier nicht, und dass das enorme Auswirkungen auf die Stadt Eberswalde gehabt hat und zwar ohne die politische Führung der Stadt, sondern das waren wirklich Kräfte, die von unten kamen. Aktivisten, engagierte junge Leute, die sich im Netzwerk für ein tolerantes Eberswalde zusammengefunden haben. Die haben die Situation in Eberswalde analysiert und haben versucht Gegenmaßnahmen zu entwickeln." Autor: Dabei hilft, dass die Fachhochschule Eberswalde bewusst auf Fremde, auf Menschen von außen setzt. Boginskis Goethe-Realschule wird mehrfach für ihre Arbeit gegen Rassismus und für Toleranz ausgezeichnet. Ausruhen auf den Lorbeeren will er sich aber nicht: "Eberswalde ist nicht frei von rechtsradikalem Gedankengut. Das ist keine Stadt in Deutschland. Und ich kann auch nicht einschätzen, wieweit das verwurzelt ist. Deshalb stehe ich auch immer auf dem Standpunkt, wir müssen weiterkämpfen, wir müssen Obacht geben, wir müssen Haltung beweisen und wir müssen sie auch haben und das gehört auch alles dazu. Aber ich würde sagen, das Leben in Eberswalde ist wieder lebenswert." Musik, Willy, nach dem Refrain Autor: Die Täter von Eberswalde kommen recht glimpflich davon. Statt Mord wird schwere Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt - die Jugendlichen bekommen Haftstrafen zwischen zwei und vier Jahren. Statt in den rassistischen Gedanken, dem Hass auf die andere Hautfarbe, niedere Beweggründe zu sehen, verweist die Urteilsbegründung verharmlosend auf die "damaligen politischen und gesellschaftlichen Umstände". Annetta Kahane von der Amadeu-Antonio-Stiftung nennt Eberswalde dennoch eine Erfolgsgeschichte. Mithilfe von Stadt und öffentlicher Meinung gelingt es, Polizei und Initiativen, Kindergärten, Jugendämter und Schulen zu aktivieren und dort mehr interessante Projekte hinzubringen als anderswo in Brandenburg. "Eberswalde ist keine braune Stadt. Eberswalde ist eine Stadt, die ein Problembewusstsein hat, das bereit ist auch anzunehmen als Herausforderung auch was tut, auch Geld investiert, interessante Menschen angezogen hat, und da viel Mühe sich gegeben wird, dass die Nazis sich nicht fühlen wie die fische im Wasser, das ist in Eberswalde gelungen. Das heißt nicht, dass es da keine Nazis mehr gibt. Aber das bleibt nicht mehr unwidersprochen, sondern im Gegenteil: die stehen unter enormem Druck." Autor: Und Winfriede Schreiber, die Chefin des Verfassungsschutzes in Brandenburg ergänzt, im Lande bestehe kein Klima, das rechtsextremen Straftätern das Gefühl gibt, sie würden im Namen der schweigenden Mehrheit handeln. "Ich meine, dass Zivilgesellschaft, Polizei, Justiz, Verfassungsschutz natürlich auch sehr intensiv daran gearbeitet haben, das Bewusstsein dafür zu schärfen, dass alle Menschen in Freiheit und Frieden hier leben können. Dass wir tolerant sind und insofern glaube ich, dass niemand mehr zulassen will, dass irgendwer von der Kette gelassen sich fühlt oder fühlen darf." Autor: Das Land bekommt mit dem "Handlungskonzept tolerantes Brandenburg" Anerkennung bei Fachleuten; Umfragen zeigen, dass Jugendliche inzwischen weniger anfällig für rechtsextreme Einstellungen sind. Ein Schwarzer in Eberswalde drückt es fast spirituell aus, warum Amadeu für ihn nicht umsonst gestorben ist: "Ich will dass Amadeu, wo er ist, kann richtig wohl sein. Diese dumme Leute hat mich getötet, aber die Stadt ist von mein Name stark geworden. Dass Amerikaner wohnen da, Vietnamese, Chinese alle jetzt, Chinese, Vietnamese, Afrikaner, und das freut mich." Musik, Willy, bis zum Ende Länderreport (2) 01.12.2010 Nun hatten auch wir unsern "Willy" - Die Amadeu Antonio Stiftung in Berlin Autorin: Claudia van Laak Red.: Claudia Perez Neonazis ermordeten Amadeu Antonio vor 20 Jahren in Eberswalde, aber sein Tod - und der vieler anderer - blieb zum Glück nicht ohne Folgen. Die Politik brauchte zwar vergleichsweise lange, um zu reagieren - das erste Bundesprogramm gegen Rechtsextremismus wurde erst 10 Jahre später aufgelegt. Aber vor Ort begannen sich die Demokraten gegen rechte Gewalt zu wehren. So entstand einige Jahre nach dem Tod von Amadeu Antonio in Berlin eine Stiftung, die seinen Namen trägt - gegründet, um Zivilgesellschaft und demokratische Kultur in Ostdeutschland zu stärken. Claudia van Laak stellt ihre Arbeit vor. www.netz-gegen-nazis.de - das ist eine Internetseite, die die Amadeu-Antonio-Stiftung seit gut zwei Jahren betreibt. Das Web 2.0 gegen Neonazis nutzen, ran an die Alltagsprobleme vor Ort, persönliche Hilfestellungen geben, das ist das Ziel dieses Internetauftritts. Hier werden Fragen beantwortet wie: Welche ist die beliebteste Naziband Deutschlands, wer sind die "Autonomen Nationalisten"? oder: Woran erkennt man einen Nazi? Ratsuchende können Fragen stellen: Zitator 1: Meine Frage befasst sich mit dem Umgang von Nazis in der Bundeswehr. In meiner Stammeinheit ist ein, seinen Äußerungen nach eindeutig rechter Kamerad. Sollte man den betreffenden Kameraden melden? Doch wie mache ich das am besten, ohne den Ruf eines Kameradenschweins zu bekommen? Zitator 2: Wenn Du tatsächlich eine Straftat seinerseits beobachtet hast, also Benutzung verfassungsfeindlicher Symbole, Volksverhetzung, würde ich es an Deiner Stelle einfach zur Anzeige bringen. Zitator 3: Ich denke, es ist am besten, Kontakt zu dem betreffenden Kameraden zu suchen. Im persönlichen Gespräch erfährt man mit Sicherheit mehr über jemanden als durch beliebige Äußerungen am Rande. Politisch rechts zu sein ist ja in Deutschland nicht verboten. Zitator 1: Wenn ich mir eine halbe Stunde lang auf der Schießbahn Judenwitze anhören darf und Sätze a la "Das mit den Türken in Deutschland schaffen wir auch noch. Haben wir ja damals mit den 6 Millionen Juden auch geschafft", dann hat das nichts mehr mit politischer Anschauung zu tun, sondern ist menschenverachtend. Im Netz gegen Nazis erzählen Prominente wie Michael Ballack, Wladimir Kaminer und Theo Zwanziger in kurzen Videos, warum sie gegen Neonazis sind. Über eine interaktive Deutschlandkarte können sich Interessierte über braune Aktivitäten und Akteure in ihrem Heimatort informieren und natürlich über Initiativen, die sich dagegen wehren. Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu-Antonio- Stiftung: Wir haben von Anfang an gesagt, wir brauchen für die Menschen vor Ort, die sich mit Rechtsextremismus und anderen Sauereien auseinandersetzen, da brauchen wir Anerkennung, Unterstützung, Öffentlichkeit. Ermutigen, beraten, fördern - das bieten die 14 Mitarbeiter der Stiftung Initiativen vor Ort. Sie geben Hilfestellung bei der Pressearbeit, beraten in Rechtsfragen, vermitteln Kontakte. Nicht zuletzt: die Amadeu-Antonio-Stiftung hat bislang 450 Initiativen und Projekte finanziell unterstützt. Natürlich Geld sammeln und Geld geben. Mit schönen Worten allein kommt man da nicht weiter. Die Initiativen vor Ort in der Provinz haben natürlich das Interesse, relativ unkompliziert an Geld zu kommen, um etwas zu machen. Neben der Unterstützung lokaler Initiativen stellt die Stiftung auch Eigenes auf die Beine. Zwei Wanderausstellungen sind ausleihbar: "Das hat´s bei uns nicht gegeben" - über Antisemititismus in der DDR und "Man hat sich hierzulande daran gewöhnt" - Antisemitismus in Deutschland heute. Zukünftig will die Stiftung stärker als bislang Angebote für Kinder machen. Also alles was mit kleineren Kindern zu tun hat, ist besonders wichtig. Das gilt nicht nur für die Integration, aber auch da. Das gilt in besonderem Maße dort, wo sich Kinder im Nazi- Milieu befinden. Und darin sieht die Amadeu-Antonio-Stiftung derzeit die größte Gefahr. Die rechte Gewalt ist zurückgegangen, damit auch die Zahl der Todesopfer. Aber der Rechtsextremismus ist in die Parlamente gewandert, hat sich im Alltag eingenistet. In Dörfern dünn besiedelter Gegenden in Ostdeutschland haben sich Neonazis zu Lebensgemeinschaften zusammengeschlossen und bestimmen den Alltag im Dorf. 6