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Sie sind die schnellsten deutschen Jugend-lichen auf dem Skeleton - einem extrem flachen Schlitten. O-Ton 2 (Kim) Wir laufen alle einhändig am Schlitten in gebückter Haltung und sprinten. Der Aufsprung ist dann ne Art Welle, wie beim break dance, und dann geht's los! SPRECHER Seit vier Jahren weiß Kim, wie es sich anfühlt, auf dem Bauch liegend - mit dem Kopf nach vorne - ins Tal zu rasen. Mit bis zu 120 Kilometern pro Stunde! Atmo 2: Rodel rattert durch den Eiskanal SPRECHER Obwohl Kim erst 15 und Jaqueline 16 Jahre alt sind, steuern beide sehr selbstbewusst ihren größten Wettkampf 2012 an. Genauso wie ihr bayerischer Teamkollege Sebastian Bernecker. O-Ton 3 Ich war eher ein unsportlicher Mensch: so typisch vor dem Computer hocken und Chips essen. Als mein Bruder mit Skeleton angefangen hat und erzählt hat, dass ihm dieser Sport total gefällt, habe ich vorbei geschaut. Und es hat mir sofort gefallen. Da es die ersten Winterspiele sind, hoffe ich, gleich mal beeindrucken zu können und ich hoffe auch Freunde kennen zulernen. SPRECHER Anders als bei den Wettkampf-erfahrenen Skeletonis steht es bei Richard Möldner. Der 16jährige Dresdner wurde erst kürzlich für den Bob angeworben: O-Ton 4 Ich habe vor fünf, sechs Wochen angefangen mit Bob fahren, praktisch Quereinsteiger, weil sie mich bei der Leichtathletik gefragt haben, ob ich dazu Lust habe, weil Werfer sind ja meistens schnell und haben Kraft, was ja gut fürs Bob ist. SPRECHER Im Speerwerfen ist Richard ein Ass, er wirft das B-Jugend-Gerät 63 Meter weit. Zu den Olympischen Jugendspielen fährt Möldner jedoch als Bob-Neuling! O-Ton 5 Motivierend ist natürlich, dass es ein großer Wettkampf ist, für mich eigentlich der allererste große Wettkampf. Dann möchte man natürlich alles geben und auch hin und gut sein. Und das motiviert unwahrscheinlich beim Training, da bringt man Leistungen, die man sonst nicht so bringt, wenn man dran denkt. SPRECHER In Innsbruck sitzt der blutjunge Anschieber hinter Bobpilot Philipp, der seine Olympia- Premiere noch gar nicht fassen kann! O-Ton 6 Ein großer Traum - einfach ne große Ehre, dran teilzunehmen! Ich bin ja selbst Neuling, von daher denke ich, dass die Chancen gleich sind. Ich fahre ja auch schon seit letztem Jahr. SPRECHER Man täusche sich nicht: Im Vergleich zu Richard ist der 18jährige Philipp schon ein alter Hase im Eiskanal! O-Ton 7 Starte für den WSV Königssee, bin zehn Jahre lang Skeleton gefahren und bin seit letztem Jahr beim Bob. SPRECHER Sein Bob-Trainer, Andre Lange, muss also ein Greenhorn und einen Routinier in kürzester Zeit zu einem Olympia-Gespann formen. O-Ton 8 Wir haben Anfang Oktober angefangen mit der Ausbildung, die sind aber schon leicht vorbelastet vom letzten Jahr. Der Philipp Mölder aus Bayern war da ein bissl aktiver, war Skeletonfahrer was man letztlich auch sieht, wenn er den Berg runter fährt. SPRECHER Dass sich alle Bobfahrer bis zu ihrem Olympia-Wettkampf gleich gut zu Recht finden, ist kaum zu erwarten. Hauptsache - keine Stürze! Egal, ob es um Bob, Rodel oder Skeleton geht: Die Sicherheit steht im Rennsport an erster Stelle. Der vierfache Bob- Olympiasieger Andre Lange weiß sehr gut, welche physische Belastung ein schwerer Bob für junge Fahrer mit sich bringt: O-Ton 9 Es gibt viele Kritiker dieser Gesamtgeschichte. Man hätte gerade im Vorfeld das ein oder andere Detail besser lösen können, gerade was das Schlittengewicht anbelangt, da sehen wir eigentlich die größten Probleme. Wenn es möglich gewesen wäre, irgendwie leichtere Geräte an den Start zu bringen, wäre es für einige Jugend einfacher gewesen. In Bewegung bringen ist das eine, beherrschen das andere. Es sind immerhin 360 Kilo, die da den Berg runterfahren mit der Besatzung. Und der Schlitten wiegt mindestens 170 Kilo. Das ist schon immens viel für dieses junge Alter! SPRECHER Deshalb gab es einige Sorgenfalten bei den Verantwortlichen des deutsche Bob- und Schlittensportverbandes. Der internatio-nale Bobverband war vorausgeprescht und hatte entschieden, den Zweierbob ins Jugendwettkampf-Programm von Innsbruck zu nehmen. An sich lag die bisherige Altersgrenze im Bobsport bei 18 Jahren. Insofern hätte es der deutsche Bobverband besser gefunden, für Jugendliche einen Bob zu nehmen, der 50 Kilo-gramm leichter ist und sich dadurch leichter steuern lässt. Aber so ein Gerät existiert allenfalls auf dem Reisbrett. Kurz vor den Jugendspielen kam noch hinzu, dass sich eine junge deutsche Bobpilotin verletzte. So entschied der erfolgsver-wöhnte Verband, keinen deutschen Damenbob nach Innsbruck zu entsenden. "Die Sicherheit geht vor dem Drang nach einer Goldmedaille!" hieß es im Verband. Während sich manche Trainer kritisch zum Wettkampfgerät Zweierbob äußern, fragen sich andere, ob Olympische Jugendspiele für den späteren Karriereweg junger Sportler gut sind? Skisprung-trainer Bastian Tielmann, Nationalcoach der Niederlande: Atmo 3: Skisprung (unterlegt) O-Ton 10 Wir probieren alle und es wird in fast allen Sportarten so sein, die Sportler langfristig aufzubauen, dass sie auch mit Mitte 20 und Ende 20 auch noch auf einem hohen Niveau sind und auch ihre Ambitionen und Motivation behalten. Und dann ist die Frage, ob es so gut ist, wenn jemand sich mit 16 Jahren Olympiasieger nennen darf. Atmo 4: Bob im Eiskanal SPRECHER Österreichs Bobtrainer Manfred Meier hingegen hält allerdings dagegen: O-Ton 11 Ich glaube, man muss ein bissl doch die Kirche im Dorf lassen. Das sind Jugendspiele, keine Kinderspiele und es ist ein Einstieg für uns. Und von der Wertigkeit ist es ja nicht das, was Erwachsenen-Olympische-Spiele sind. SPRECHER Mag der Stellenwert der Jugendspiele deutlich geringer sein als der der sogenannten "großen" Spiele: Der olympische Wettkampf versetzt die Jugendlichen schon in große Aufregung, wie Trainer wissen. O-Ton 12 (Tielmann) Es ist etwas schwierig, das so zu steuern, dass der Sportler sich einerseits drauf freut, aber andererseits das ganze aber nicht überdreht. SPRECHER Bei ehrgeizigen Athleten kann so etwas durchaus passieren. 400m-Läuferin Sonja Mosler jedenfalls haben die ersten Olympischen Sommerjugendspiele besonders angestachelt. O-Ton 13 Es hat mich super motiviert, ich sag mal, die negative Auswirkung war, dass ich im Training ab und zu über das Ziel hinausgeschossen bin. Da sollte man vielleicht noch mal drüber nachdenken, ob das hätte sein müssen. SPRECHER Die meisten Trainer, so scheint es, begrüßen das Großereignis Olympische Jugendspiele - schon allein aus Stolz, ihre Schützlinge dorthin zu bringen. Bernhard Lehmann, Bundes-trainer der Junioren im Bob- und Schlittensportverband: O-Ton 14 Dass man dann hier so eine Jugendolympiade organisiert und durchführt, das finde ich sehr sehr positiv, weil ja der Sportler auch von Emotionen lebt. Wenn er dann irgendwann sagen kann, ich war bei der Olympiade schon als Jugendlicher, dann ist das ein bisschen ein erhebendes Gefühl. Und ist für den Sportler dann auch wichtig, dass er weiter motiviert ist und sagt: Diese Sportart gefällt mir und das will ich dann auch bis zu den großen Olympischen Spielen weiter fortführen. Musik 1: The Best of Emerson, Lake & Palmer: St. 4, "Fanfare for the Common Man", London 1995; GEMA: LC 6448 SPRECHER Obwohl Olympische Jugendspiele weniger Teilnehmer und Wettkämpfe haben als die "großen Spiele", verbreiten sie dennoch ein besonderes Flair, das junge Sportler nachhaltig beeindruckt. Jonas Efferoth aus Leverkusen kann das bestäti-gen. Der Stabhochspringer durfte 2010 an den ersten Olympi-schen Jugendsommerspielen in Singapur teilnehmen. Zusammen mit 3500 anderen Athleten lebte der damals 17jährige im Olympi-schen Dorf. O-Ton 15 Das Olympische Gefühl, dieses Dabei-Sein! Ich spreche jetzt auch noch tierisch gerne darüber und schwärme auch noch von der Eröffnungsfeier, von der Abschlussfeier, von dem Zusammensein! Und wie das aufgebaut war, das komplette Drumherum! SPRECHER Dass solche Eindrücke entstehen, ist ganz im Sinne des Internationalen Olympischen Komitees (IOC). Bereits im Jahre 2001 hatte IOC-Präsident Jacques Rogge die Idee für Jugend-spiele: Dazu gab die Exekutive des IOC 2007 schließlich grünes Licht. 2010 fand die Jugendversion erstmals für Sommerwettbe-werbe statt. Sporthistoriker Professor Stefan Wassong: O-Ton 16 Das IOC hat sich ja auf seiner Session 2007 in Guatemala entschieden, die Olympischen Jugendspiele einzuführen. Die Abstimmung war einstimmig, es war ja auch das Lieblings-projekt des IOC-Präsidenten Jacques Rogge. Was dahinter steckte, war die Idee den Wettkampfsport weiter zu popu-larisieren und vor allem im Jugendbereich weiter zu popularisieren. SPRECHER Das IOC hatte gemerkt, dass die Olympischen Spiele nicht mehr den großen Anklang unter Jugendlichen fanden. Es musste etwas Innovatives, Jugendgemäßes her. Inzwischen gibt es im Jugendbereich große internationale Konkurrenzveranstaltungen. Beispielsweise die sogenannten X-Games, die der US- Fernsehsender ESPN seit 1994 regelmäßig veranstaltet. Dort geht es - beispielsweise im Schneemobil-Freistil-Fahren - spektakulärer zu als bei den Innsbrucker Spielen. Das IOC setzt andere Prioritäten. Es will nicht allein sein Image bei der Jugend aufpolieren, sagt der Kölner Sport-Ökonom Professor Christopf Breuer: O-Ton 17 Gleichzeitig muss man auch eine Strategie entwickeln, um abgelehnte Bewerberstädte für Olympische Sommerspiele und Winterspiele zu vertrösten. Und als ein solches Trostpflaster kann man die "Youth Olympic Games" ansehen. Neben diesen beiden Hauptzielen kann man noch Nebenziele sehen. Ein Nebenziel ist natürlich die Verstetigung der Einnahmen aus der Fernsehvermarktung. Zweites Nebenziel könnte gerade im Bereich der Jugendwinterspiele sein, dass man mehr Nationen zur Teilnahme an den Olympischen Winterspielen bewegen möchte. Da hinken die Winterspiele ja den Sommerspielen stark hinterher. Die meisten Teilnehmernationen kommen ja aus der westlichen Hemisphäre und bilden nicht den ganzen Globus ab. SPRECHER Ob sich all diese Erwartungen an die Spiele von Innsbruck erfüllen, weiß das IOC erst hinterher. Jedenfalls ist sein finanzielles Risiko gering. Den Löwenanteil der Kosten - geschätzte 23 Millionen Euro - tragen der Veranstalter Innsbruck, das Land Tirol und der Bund. Das IOC muss nur für Kost, Logis und Fahrtkosten der Sportler und Betreuer auf-kommen. Neue Sportstätten sind kaum nötig, weil Innsbruck bereits 1964 und 1976 Winterspiele ausgerichtet hat. Atmo 5: Innsbrucker Olympia-Fanfare 64? SPRECHER Insgesamt sind die Winterjugendspiele viel kleiner dimensio-niert als die Sommerspiele in Singapur. Dort war allein die Eröffnungsfeier teurer als die kompletten Innsbrucker Spiele! Nimmt man die Kosten der letzten Olympischen Winterspiele in Vancouver 2010 - das waren gut 5 Milliarden Euro - zum Maßstab, dann erscheint Innsbruck 2010 als ein kleines preis-günstiges Sportfest. Ferner unterscheiden sich die Jugendspiele des IOC von den üblichen Olympischen Spielen durch neue Wettkampfformate. Davon gibt es in Innsbruck 14 - unter anderem Mixt- Wett-bewerbe. Im Eiskunstlauf etwa oder beim Curling gibt es auch Nationen- übergreifende Teamwett-bewerbe. Das soll den olympischen Geist und die Völkerverstän-digung fördern - ganz im Sinne von Gründervater Pierre de Coubertin. Team-Wettkämpfe gab es bereits den Jugendsommer-spielen 2010 - zum Beispiel "Kontinental-Staffel"-Läufe. Atmo 6: Startschuss im Sprint SPRECHER Sprinterin Sonja Mosler lief 2010 in einer Staffel, die nicht die üblichen vier mal 100 Meter umfasste, sondern aus 100, 200, 300 und 400-Meter-Etappen bestand. O-Ton 18 Die 100 Meter ist eine Italienerin gelaufen, die 200 Meter eine Engländerin, die 300 Meter bin ich gelaufen und die 400 Meter ist dann eine Rümänin gelaufen, die sehr erfolgreich ist. Das Besondere fand ich eben, war, dass wir alle aus verschiedenen Ländern kamen und jeder hat seine spezielle Art des Trainings, des Aufwärmens bzw. der Motivation eingebracht. Es war wirklich eine tolle Erfahrung, mit den besten aus Europa zusammenzulaufen! SPRECHER Jugendspiele sind und bleiben Hochleistungs-Sportfeste. Das merkt man bereits an der Auswahl der Sportler. Sich für Singapur oder für Innsbruck zu qualifizieren, war mindestens so schwierig wie für die "großen" Olympischen Spiele. Nur ein Athlet darf pro Land und Disziplin starten. Bei den Spielen der Erwachsenen sind es meist drei Startplätze! Ausnahmen gab es für Innsbruck in solchen Disziplinen, wo sich ein Land mit zwei starken Athleten hervortat. Beispielsweise im Skeleton präsentiert Deutschland mit Jacqueline und Kim zwei Top-fahrerinnen. Fast alle Wettkämpfe umfassen nicht mehr als 20 bis 25 Teilnehmer. Atmo 7: Eishockey-Halle SPRECHER Auch das Eishockey-Turnier ist stark limitiert: Bei Jungen wie Mädchen sind jeweils nur fünf Teams vertreten. Die besten Eishockey-Nationen dürfen entweder ein Mädchen- oder Jungen-team nach Innsbruck schicken. Nur Gastgeber Österreich hatte das Privileg, zwei Teams zu nominieren. Deutschland wird vertreten durch ein Team aus 17jährigen Eishockey-Spielerinnen. Unter ihnen Valerie Offermann aus Wiehl: O-Ton 19 Ich bin natürlich total gespannt darauf, was mich alles so erwartet, wie viele Nationen da sein werden, die anderen - wie so drauf sind, auf jeden Fall Erfahrungen sammeln, auch den Konkurrenzkampf angucken, wie das abläuft, auf jeden Fall Spaß haben und vielleicht sogar noch ne Medaille gewinnen! SPRECHER Der Eishockey-Wettbewerb weist in Innsbruck noch eine Besonderheit auf. Dort werden nicht nur Medaillen für die beste Turniermannschaft vergeben! Es gibt auch Einzelmedaillen für Könner in einem Geschicklichkeitswettbewerb. Weil alle Wettkämpfe in Innsbruck im Grunde weniger Teilnehmer als sonst haben, stellt sich natürlich die Frage, was eine Medaille wert ist? Bei den Trainern scheiden sich die Geister: O-Ton 20 a (Andre Lange) Man geht das schon ordentlich an vom Sportlichen, man schiebt erstmal die Sicherheit der Leute voran. Dann kommt der sportliche Wert. O-Ton 20 b(Bastian Tielmann) Der sportliche Wert der Olympischen Jugendspiele ist eigent-lich nicht da, da pro Nation nur einer teilnehmen darf, das heißt im Skispringen werden 25 Jungs und 20 Mädchen teilneh-men. Das gleiche gilt für die Nordische Kombination. Insofern wird die Streuung auf der Schanze sehr groß sein. Und der sportliche Wert der Medaille ist eigentlich extrem klein. SPRECHER Die Kehrseite: Man kann bei den Jugendspielen leichter als anderswo Edelmetall gewinnen. O-Ton-21 (Tielmann) Das wird die einfachste olympische Medaille, die es jemals zu gewinnen gibt, leichter wird es nie wieder. Atmo 8: Sprungschanzen-Ansager: Schanze frei! SPRECHER Noch eine Besonderheit besitzt der Skisprung von Innsbruck: Während Frauen erst 2014 in Sotschi zum ersten Mal um Edel-metall kämpfen werden, dürfen jugendliche Adlerinnen schon zwei Jahre früher Olympia-Luft schnuppern. Ein weiteres Novum - der nationale Team-Wettbewerb: Ein Skispringer, eine Sprin-gerin und ein Athlet der Nordischen-Kombination kämpfen je-weils zusammen. Neben diesen kleinen und mittleren Abweichungen vom sportlichen Normalprogramm bei Olympia betont das IOC noch eine wichtige Differenz zu den etablierten Spielen: ein verbindliches Kultur- und Bildungsprogramm für Jugendliche. Das gab es bereits 2010 in Singapur, berichtet Stabhochspringer Jonas Efferoth: O-Ton 22 Es gab nen großen Platz in dem Olympischen Dorf, wo alle drei Tage oder vier Tage ein neues Thema aufgebaut wurde, die einzelnen Länder mit ihren unterschiedlichen Traditionen. Da konnte man in den einzelnen Häusern, die aufgebaut worden sind, konnte man Workshops durchlesen. Das war immer sehr informativ. Inhaltlich hat mir daran gefallen, dass man echt etwas über andere Länder erfährt. Das fand ich halt sehr interessant. SPRECHER Es gab auch Jugendliche, die weniger zufrieden waren und bezweifelt haben, dass die Mitmach-Aktionen in Singapur 2010 tatsächlich den Titel "Kultur- und Erziehungsprogramm" verdient haben. Vom Innsbrucker Rahmenprogramm wird erwartet, dass es mehr Substanz aufweist. Geplant ist, dass sich Jugend-liche über Umwelt und Naturschutz informieren und dazu eine praktische Lawinenschutzübung durchführen. Außerdem können sie Gespräche mit bekannten Sportlern führen. Die nennen sich üb-rigens "role models", erklärt Sporthistoriker Stefan Wassong: O-Ton 23 Man hat bewusst die "role models" gewählt, die auch nicht nur im Sport ihre Leistungen gebracht haben, sondern die auch im außersportlichen Leben ne ganz ansehnliche Erfolgsbilanz vorzuweisen haben. Das kann auch ganz motivierend auf jugend-liche Leistungssportler wirken, um eben auch zu zeigen, das ist möglich. SPRECHER Die Workshops mit bekannten Sportlern drehen sich um die Frage, wie man Sport und Berufskarriere unter einen Hut bringt. Viele Jugendliche interessiert das. Manche lassen sich einfach vom Programm überraschen. O-Ton 24 (Sebastian) Ich finde es toll, ein bisschen in der Kultur mitzumischen. (Philipp) Ich habe da jetzt noch keine größeren Vorstellungen, wie das dort abläuft, aber ich denke, dass man da vieles über andere Nationen erfahren kann. SPRECHER Kein Einzelfall. Bis drei Wochen vor den Winterspielen wussten viele gar nichts von einem Rahmenprogramm, berichtet Eis-hockeyspielerin Valerie Offermann: O-Ton 25 Keiner wusste das. Wir dachten, wir fahren nur dahin, um Eishockey zu spielen, und andere um Bob zu fahren. Natürlich wird das alles gemacht, um den Zusammenhalt zu stärken, um ein bisschen vom Sport wegzukommen und sich mal mit anderen Nationen auszutauschen. SPRECHER Dagegen wusste Skeletonfahrerin Jaqueline Lölling schon früh, was sie am Rahmenprogramm interessiert: O-Ton 26 Da kommen auch erfolgreiche Sportler dahin, die ja schon bei Olympia waren und die einem was zeigen. Und ich glaube, da ist zum Beispiel ein Workshop, wie man sich der Presse gegenüber verhält und auch vorbereitend auf die weitere Karriere. Dann sollte man das auch nutzen, wenn man die Chance hat. SPRECHER Junge Sportler sind gespannt auf ehemalige Olympiasieger, die in Innsbruck aus dem Nähkästchen plaudern. Wer würde nicht gern Stabhochsprunglegende Sergej Bubka "live" erleben? Oder von Skispringer Andreas Küttel etwas über die Höhen und Tiefen seiner Sportkarriere erfahren? Ähnliche Gespräche hat Sprinterin Sonja Mosler bereits bei den Jugendspielen in Singapur mitbekommen: O-Ton 27 Mit anderen aus meinem Team habe ich mit Britta Heidemann gesprochen, die ist Olympiasiegerin im Fechten geworden. Es war total interessant, mit einer so guten Sportlerin mal zu sprechen und Fragen stellen zu dürfen. Die Mehrheit ist ja nicht nur mit dem Sport beschäftigt, sondern hat ja auch in der Schule Verpflichtungen, deshalb richteten sich auch die meisten Fragen an Britta Heidemann eigentlich auch zum Thema Schule. Wie hat sie es geschafft, Schule und Sport bzw. Studium und Sport miteinander zu vereinbaren? Und da hat sie uns auch ein bisschen aus ihrer Vergangenheit erzählt. Ich finde es auch sehr beeindruckend, dass sie so ein gutes Abitur geschrieben hat! SPRECHER Für die Teilnehmer mag das informativ und ganz nett sein. Ob junge Athleten solche Workshops hingegen brauchen, um die vom IOC gewünschte Sportbegeisterung zu steigern, kann jedoch bezweifelt werden. Trainer Bastian Tielmann: O-Ton 28 Einerseits möchte man das ganze als ein kulturelles Event machen, andererseits hat man einen Altersbereich gewählt, wo die Athleten eigentlich schon so sehr Leistungssportler sind, dass man die nicht mehr großartig für ihre Disziplin oder für Sport an sich begeistern muss. Dann ist die Frage, inwiefern die mitten in der Saison eine solche Begegnungssache als toll wahrnehmen oder inwiefern sie sagen: "Das interessiert mich alles nicht, ich bin Leistungssportler und will die Medaille holen und alles andere interessiert mich nicht!" SPRECHER Wie groß die Bereitschaft des IOC ist, eine Diskussion über die Gefahren im Hochleistungssport zuzulassen, bleibt abzuwarten. Wer von Hochleistungskarriere spricht, kann jedenfalls das Thema Doping nicht ausklammern. Dazu Sporthistoriker Stefan Wassong: O-Ton 29 Ich glaube aber, dass die Youth Olympic Games durchaus als eine Chance gewertet werden können, um eben ganz bestimmte Gefahren im Hochleistungsport zu diskutieren. Stichwort "Gefahr Doping", Missbrauch von leistungsfördernden Substanzen, Stichwort aber auch "eine einseitige Orientierung auf den sportlichen Sieg" mit all den negativen Konsequenzen, die das haben kann. SPRECHER Gleichwohl sind junge Leistungssportler vor allem auf den eigenen Wettkampf konzentriert. Das war schon 2010 in Singapur so - bei Jonas Efferoth. Als der Leverkusener dort im Stabhochsprung Vierter wurde, beschäftige ihn die Frage, ob es einen Infostand über Dopingaufklärung gab, nur am Rande: O-Ton 30 Ich bin mir ziemlichsicher, dass es dazu etwas gab. Ich habe es nicht gesehen, aber ich denke, es wird vertreten gewesen sein wie überall. SPRECHER Auch in Innsbruck wird sich für viele Sportler ein Spagat ergeben - zwischen Wettkampfambition und Kulturprogramm. O-Ton 31 (S. Wassong) Da sehe ich auf jeden Fall ne Spannung. Das haben ja auch die ersten Auswertungen der Olympischen Sommerspiele für die Jugend in Singapur gezeigt. Eine Vertiefung von Bildungs- und Kulturaspekten war dort aufgrund der sportlichen Wettkämpfe nicht möglich. Das heißt, das Wettkämpfen um Medaillen war nach wie vor dominant vorhanden. Der Medaillenspiegel wurde weiterhin interpretiert. Dennoch ist es wichtig, dass es weiterhin Bildungsinitiativen gibt. SPRECHER Zumindest wird das Bildungs- und Kulturprogramm für Athleten als angenehmer Pausenfüller empfunden. Bob-Nachwuchs-Trainer Andre Lange: O-Ton 32 Olympia hat ja für uns Bobfahrer das Problem, dass wir zum Schluss dran sind, und wenn du zwei Wochen da rum hängst, und du siehst viele Kollegen, die ihre Rennen schon hatten und ihre Medaillen schon gewonnen haben und das genießen können, und du hast noch nicht mal angefangen. Da ist das auch ne wunderschöne Ablenkung so zwischendurch. Die Jugendlichen sollen was lernen und sollen tolle Eindrücke mitnehmen und der Leistungsgedanke an sich steht ja nur in zweiter Reihe. SPRECHER Letzteres ist leichter gesagt als getan. Es ist für 14- bis 18jährige noch schwerer als für Erwachsene, sich auf ein kul-turelles Rahmenprogramm einzulassen, wenn der große Wettkampf wartet. Dieser Spagat ist 400-Meter-Läuferin Sonja Mosler bei den Jugendsommerspielen in Singapur 2010 nicht gelungen. O-Ton 33 Ich war sehr auf meinen Wettkampf fokussiert, ich glaube, dass ist auch nicht ganz gut, wenn man nur an seinen Lauf denkt, im Grunde ist man auch in Singapur, um die Atmosphäre wahrzunehmen. Ich habe im Grunde genommen nur immer im Kopf den Lauf gehabt. Und drum herum habe ich alles ausgeblendet. MUSIK 2 "Run for life" (rechtefrei) SPRECHER Im Vordergrund bei ihr standen also die Gedanken an Höchst-leistung - an Sieg oder Niederlage in Singapur. Man fragt sich, welche Eindrücke die Jugendlichen nun aus Innsbruck mit nach Hause nehmen werden? Und wie sich die Spiele 2012 langfristig auswirken werden? Atmo 9: Bob rattert durch Eiskanal (unterlegt) SPRECHER Für Gastgeber Österreich jedenfalls zeigen die Spiele schon im Vorfeld eine nachhaltige Wirkung: Durch die gezielte Vor-bereitung wird sich das Bob-Team erheblich verjüngen. Der bisherige Altersdurchschnitt betrug bei den Weltcupfahrern stolze 35 Jahre! Dazu Nationaltrainer Manfred Meier: O-Ton 34 Auch mit den ersten Spielen in Innsbruck ist das eine Riesen-chance, ich denke auch für den Bobsport, weil er für den Athleten veraltet ist, die Toppiloten sind zwischen 35 und 40. Das hat auch mit dem hohen Antrittsalter zu tun, der Einstieg ist mit 18. Die Teilnehmer der ersten Jugendspiele sind ja 17, 18 Jahre und wenn die dran bleiben, kann der ein oder andere mit 22, 23 im Weltcup starten und eine gute Figur machen. SPRECHER Positive Wirkungen durch die Spiele erhofft sich Michael Scharf, Leiter des Olympia- Stützpunktes Rheinland, wenn auch in eine andere Richtung als Österreichs Bobtrainer. O-Ton 35 Ich denke, diese Olympischen Jugendspiele waren der Versuch von Rogge, auch ein bisschen wegzukommen von diesem, ich sag mal, "Höher schneller weiter" bei Olympischen Spielen, und bewusst noch mal einen Gegenpunkt zu setzen und zurück zu den Gedanken von Coubertin zu kommen, der ja einen ganzheitlichen Ansatz hatte, der nicht nur aus der sportlichen Leistung bestand, sondern auch aus Werten bestand, aus Völker-verständigung bestand, aus Fairness bestand. Diese Ideale sollen verstärkt im Bereich der Olympischen Jugendspiele eingearbeitet werden. Das macht auch für mich das sportliche Programm aus. Die versuchen ja auch Mannschaftswettkämpfe, teilweise in gemischten Nationen. Den Ansatz finde ich lohnenswert und gut, weil es nicht nur darum geht, Gladiato- renspiele für die Jugendlichen zu entwickeln - nach dem Motto: "Der beste kommt durch!" SPPRECHER Kritiker hingegen befürchten das Gegenteil: Dass der gladiato-renhafte Kampf um Höchstleistungen schon ins Jugendalter verlegt wird! Aus ihrer Sicht ist zweifelhaft, ob die Jugendspiele so etwas wie ein Kontrapunkt zu den großen Spielen sein könnten. Schon 2010 in Singapur hatte sich das IOC mächtig auf die Schultern geklopft. Den großen Worten folgten nicht unbedingt entsprechende Taten. Dazu Sportökonom Christoph Breuer: O-Ton 36 Nach außen hin ist es politisch klug für das IOC darzu-stellen, dass die Jugendspiele entkommerzialisierte Spiele sind, wo eben der Leistungsvergleich zwar ne Rolle spielt, aber nicht so wichtig sei. So wird immer behauptet. Und daneben andere Ziele wie soziale Ziele und Bildungsziele ne Rolle spielen. Die Jugendspiele in Singapur, wenn man die noch mal kritisch Revue passieren lässt und sich auch die Medienberichterstattung darüber anschaut, dann stellt man fest, dass dort - aller Behauptung des IOC zum Trotz - Medaillenspiegel eine Rolle spielten, welcher Sportler wie stark abgeschnitten hat? Man kann dort nicht diese Differenz zu den Olympischen Spielen erkennen, wie die Differenz behauptet wurde seitens des IOC. SPRECHER Bliebe noch das Doping-Gespenst: Sicherlich käme es beim Projekt Jugendspiele zu einem herben Imageverlust, wenn ein Dopingfall die Spiele 2012 überschatten würde. Doch so weit muss es gar nicht kommen. Ohnehin glaubt kaum jemand an eine "Heile-Welt-Variante" der "großen Spiele". Michael Scharf: O-Ton 37 Die Spiele sind Teil unserer Gesellschaft und die Gesell-schaft spiegelt eine breite Facette. Da spielt auch das Thema Doping - und das, was ich genauso schlimm finde, wenn Iraner nicht gegen Israelis antreten. Das ist schon öfters passiert und das passiert auch bei den Jugendspielen, das ist genau das Gegenteil von Völkerverständigung. Insofern ist meine Erwartungshaltung nicht, dass dort überhaupt keine gedopten Athleten auftauchen werden, und dass auch nicht alle Schwä-chen, die unsere Gesellschaft insgesamt hat, sich dort wider-spiegeln werden. Musik 3: Instrumental-Musik: "Run for Life" (rechtefrei) (1`50) 13