COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Länderreport / 14.07.2010 / WH vom 12.5.10 Wie geht's uns denn heute ? Honorarärztin im Einsatz in Prignitz Autor: Michael Böddeker Red.: C. Perez O-Ton / Atmo Dr. Dietz "Beim nächsten Patienten, da ist der Zucker auch noch nicht toll. ..." 9:30 Uhr, Kreiskrankenhaus Prignitz im brandenburgischen Perleberg. Marion Dietz ist diensthabende Ärztin, sie bringt gerade zusammen mit einer Medizinstudentin die Patientenakten auf den neusten Stand. O-Ton Dr. Dietz Michaela Phillip "Den hatten wir schon." Dr. Dietz "Den hatten wir, gell?" Michaela Phillip "Hm-hm." (blättert in der Akte) Dr. Dietz: "Dann kommen die, die wieder entlassen werden ..." Das Kreiskrankenhaus Prignitz ist nur ein Arbeitsplatz von Marion Dietz. Sie ist Honorarärztin, arbeitet mal in der Reha-Klinik und mal in der Gefäßchirurgie, meist in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern. Die 34jährige arbeitet seit ihrer Facharztprüfung als Honorarärztin. Sie hat keine Lust auf eine eigene Praxis, die Budgetvorgaben und Abrechnungsformulare schrecken sie ab. O-Ton Dietz "Und natürlich war das ein bisschen so was Angst erregendes, nämlich zu sagen: Ich werd selbstständig. (...) Man wusste so ab dem ersten Monat, es kommen nur Abbuchungen Abbuchungen Abbuchungen. (...) Mal sehen, ob mich überhaupt jemand nimmt. Seit fast zwei Jahren mache ich es jetzt, und bin sehr zufrieden. " Arbeit gibt es mittlerweile mehr als genug: in Stoßzeiten bekommt die Ärztin bis zu 40 Anfragen pro Tag. "Und man sieht einfach hier, dass diese Klinik permanent Honorarärzte sucht, und nicht mal permanent genug bekommt. Und die Entwicklung wird in meinen Augen noch zunehmen, die nächsten Jahre." (Atmo: Klingeln schon unterlegen) (Telefon) O-Ton Marion Dietz "Dietz, Station 1" Marion Dietz zieht das Telefon aus der Tasche ihres weißen Kittels. Es ist ein Kollege aus der Notaufnahme. Mehrere neue Fälle sind angekommen, er braucht Hilfe. Dietz macht sich auf den Weg. ATMO ("automatisches Türöffnen") Nur eine kurze Absprache mit dem Kollegen, dann kann es losgehen. Dietz: "Das ist der Arzt, der hier eigentlich zuständig ist (...) Ich helf Dir jetzt mal. Ich hab unten auch drei Zugänge, aber ..." - Arzt Notaufnahme "Also helfen ist gut..." (...) Dietz "Ich fang einfach mal an, dass ein bisschen Luft ist. Wo hast Du schon was gemacht?" - Arzt Notaufnahme "Also sie ist quasi schon weg..." (Atmo Notaufnahme unter Sprechertext) Weil die Abläufe in jedem Haus etwas anders sind, müssen sich Honorarärzte oft erst neu einarbeiten - manche Ärzte befürchten: zu Lasten der Qualität. Marion Dietz sieht das anders: durch die vielfältigen Tätigkeiten lerne sie mit jedem Einsatz dazu, und die Qualität verbessere sich. Dennoch: In manchen Krankenhäusern halten die festangestellten Ärzte ihre freiberuflichen Kollegen für Störenfriede, die das System ausnutzen, indem sie aus dem Ärztemangel Profit schlagen. Marion Dietz kennt solche Probleme nicht - und sagt, sie habe zu den festen Ärzten ein gutes Verhältnis: "Wie man in den Wald ruft, so schallt es hinaus. Wenn ich jetzt kollegial mich verhalt, (...) also ich kann gar nichts sagen, die sind alle super freundlich zu mir. Natürlich kriegt man auch mit, dass manche Honorarärzte wie ein Arrogantling kommen, künstlich Stunden in die Länge ziehen, indem sie hier rumtrödeln. Und dann noch nicht mal ihre Arbeit richtig machen. Dass die nicht beliebt sind, ist verständlich. Aber ich glaube, die wären es auch im festangestellten Rahmen nicht." Lange kann die Honorarärztin in der Notaufnahme nicht aushelfen. Auch auf ihrer eigenen Station warten bereits neue Fälle auf sie. Dietz "Dietz, hallo! Ich bin die Stationsärztin. Sie leben unter meiner Fuchtel." (...) Patient "Kommen wir auch wieder raus?" Der rundliche Mann mit Schnauzbart sitzt auf dem Bett und ist zu Scherzen aufgelegt. "Ich hab einen Herzklappenfehler. Die Ärztin hat festgestellt: Ich hab ein zu kleines Herz, aber ne zu große Klappe." Marion Dietz ist freundlich, lässt sich auf die Späße des Patienten ein, fragt aber ernsthaft und bestimmt nach seiner Krankheitsgeschichte. "Was nehmen Sie denn sonst noch für Tabletten? Sonst noch irgendwas?" Für diesen Patienten macht es keinen Unterschied, ob ihn eine Honorarärztin oder ein Arzt mit fester Anstellung behandelt. Marion Dietz bleibt mindestens für mehrere Wochen in einer Klinik, so dass sie ihre Patienten kontinuierlich betreuen kann. Hier, im Kreiskrankenhaus Prignitz war sie in diesem Jahr schon mehrere Monate tätig. "Sie bleiben ganz entspannt sitzen, und atmen mal mit offenem Mund kräftig ein und aus." (Atmen) Nach einer Viertelstunde ist die Ärztin mit der Erstuntersuchung fertig. Dietz "Haben Sie noch Fragen?" "Nein" "OK" "Wunschlos glücklich." "Gut." Marion Dietz geht zurück in ihr Dienstzimmer, dort wartet Büroarbeit. Nebenher erklärt sie die Vorteile der Arbeit als Honorarärztin: Sehr gute Bezahlung, Flexibilität, viel Abwechslung, ständige Weiterbildung. Und weil sie sich aussuchen kann, wo sie arbeitet, muss sie nirgendwo bleiben, wo es ihr nicht gefällt. Eine Erleichterung, gerade nach einem langen und anstrengenden Medizinstudium, in dem es ständig Anweisungen von Vorgesetzten gibt. " ,Leg mal da ne Nadel, nimm mal da Blut ab.' Und das verändert einen auch, (...) also 7 Jahre Studium plus Facharztausbildung 6 Jahre, sind das 13 Jahre, wo man eigentlich permanent hin- und hergeschubst wird. Und mit dem Facharzt hat man das nicht mehr, und als Honorararzt überhaupt nicht mehr. Weil ich jede Sekunde sagen könnte: Ich bin so nicht einverstanden, das ist nicht die Art und Weise wie ich arbeiten möchte - ich gehe." Am Nachmittag ist im Krankenhaus eine Betriebsversammlung. Weil Marion Dietz nicht fest angestellt ist, geht sie dort nicht hin. Sie wird anderweitig gebraucht. O-Ton (Telefonklingeln) "Dietz, Station 1"