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Deutschlandradio Kultur, Zeitfragen
11. Februar 2008, 19.30 Uhr
Geschichte im Tetrapack?
Über Denk- und Gedenkstätten in deutschen Landen
Von Michael Frantzen



O-Ton
Wir merken spätestens seit der Diskussion um die neue Bundesgedenkstättenkonzeption, 
dass der Wind, der den Gedenkstätten, insbesondere den NS-Gedenkstätten ins Gesicht 
weht, zunehmend schärfer wird.

O-Ton
Kann man überhaupt diese beiden Diktaturen in einen Topf werfen? Oder sollte man das 
lieber getrennt behandeln?

O-Ton						
Jede Gegenwart schreibt sich ihre Vergangenheit entsprechend ihren Bedürfnissen.


Zitator oder Sprecher vom Dienst 
Geschichte im Tetrapack?
Über Denk- und Gedenkstätten in deutschen Landen
Von Michael Frantzen


Atmo: Klaviermusik, Applaus u. Beginn der Rede Bundestagspräsident Lammert
Regie: Wegblenden

Sprecherin
Großer Bahnhof im Paul-Löbe-Haus des Berliner Parlamentsviertels. 
Bundestagspräsident Norbert Lammert hat es sich nicht nehmen lassen, an diesem 
sonnigen Januarmorgen die Ausstellung über das Ghetto Theresienstadt persönlich zu 
eröffnen. Bundestagsabgeordnete sind gekommen, der tschechische Botschafter - und 
acht Frauen, die das Ghetto überlebten - damals, vor mehr als sechzig Jahren. 

Sprecher
Die Ausstellungseröffnung ist Teil des Begleitprogramms des Gedenktages für die Opfer 
des Nationalsozialismus am 27. Januar, dem Jahrestag der Befreiung des 
Vernichtungslagers Auschwitz-Birkenau. 

Überall im Land Gedenkveranstaltungen. Vor dreißig Jahren wäre das noch unvorstellbar 
gewesen. Doch die Zeiten haben sich geändert: Erinnerung hat Konjunktur in 
Deutschland, historische Museen vermelden Besucherrekorde - genau wie die KZ-
Gedenkstätten.

Sprecher
Beispiel Mittelbau-Dora. Letztes Jahr haben zwanzig Prozent mehr Interessierte die 
thüringische KZ-Gedenkstätte besucht als im Vorjahr. Alles in Ordnung also?

Sprecherin
Nicht ganz. Die Besucherzahlen mögen zwar seit drei Jahren kontinuierlich steigen, der 
Etat der gemeinsamen Stiftung der KZ-Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora 
aber hat nicht Schritt gehalten mit diesem Wachstum. Sechs Millionen Euro stehen der 
Stiftung im Jahr zur Verfügung und bis Ende letzten Jahres sah es so aus, als würde sich 
2008 erneut eine Lücke von einer halben Million Euro im Etat auftun; bis Anfang dieses 
Jahres doch noch 400.000 Euro vom zuständigen Bundeskulturstaatsministerium 
überwiesen wurden. 

O-Ton: 
Das, was wir jetzt zusätzlich für dieses Jahr bekommen haben, ist ein Teil dessen, was 
wir zum Stopfen unserer Löcher brauchten. So muss man das sehen. Das ist im Grunde 
von Jahr zu Jahr enger geworden, weil der Haushalt im Wesentlichen seit den 90er 
Jahren gedeckelt geblieben ist. Und gleichzeitig aber Ausgaben gestiegen sind.

Sprecherin
So wie Jens-Christian Wagner von der Gedenkstätte Mittelbau-Dora geht es den meisten 
Leitern der KZ-Gedenkstätten in Deutschland: Sie müssen den Mangel verwalten - und 
wichtige Projekte auf Eis legen. So lässt die Erschließung des Außengeländes der 
Gedenkstätte Mittelbau-Dora immer noch auf sich warten, genau wie in Buchenwald die 
Überarbeitung der Dauerausstellung zur Geschichte des KZs. 

Sprecher
Auch die Gedenkstätte Dachau steht schon seit vielen Jahren finanziell mit dem Rücken 
zur Wand. Lange Zeit blieb das der Öffentlichkeit verborgen - bis Pieter Dietz de Loos, 
Präsident des Internationalen Dachau-Komitees, im Mai letzten Jahres ein Tabu brach - 
und Eintrittsgeld für den Besuch der KZ-Gedenkstätte forderte. 

Sprecherin
Mit seiner Forderung durchgesetzt hat sich de Loos nicht. Doch der "Hilferuf", wie es die 
Süddeutsche Zeitung formulierte, schlug Wellen im deutschen Feuilleton. So schlimm ist 
es um die KZ-Gedenkstätten bestellt?!

Sprecher
"Ist es." Volkhard Knigge, der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der KZ-Gedenkstätten, 
nickt. 

O-Ton
Das größte Problem meiner Meinung nach ist, jetzt Gedenkstätten nicht zu 
Fassadengedenkstätten verkommen zu lassen. Also, zu Gedenkstätten, die nach außen 
durchaus prächtig aussehen, aber es gibt keine Arbeitsinfrastruktur. Es gibt zu wenige 
hauptberufliche Pädagogen. Es gibt zu wenig Archiv, zu wenig Bibliothek. Museen sind ja 
im Grunde wie Eisberge. Das Wichtigste liegt unter Wasser. Fassadengedenkstätten 
sehen hübsch aus, aber sie können beim besten Willen nicht nachhaltig arbeiten.

Sprecherin
Die KZ-Gedenkstätten werden von Bund und Ländern finanziert, zuständig beim Bund ist 
der Beauftragte für Kultur und Medien. Bernd Neumann also. Der erfahrene CDU-
Landespolitiker aus Bremen, der sich vor seinem Amtsantritt im November 2005 in 
Sachen Kulturpolitik allenfalls als Filmexperte einen Namen gemacht hatte, lässt sich die 
Förderung der Gedenkstätten dieses Jahr zwanzig Millionen Euro kosten - bei einem 
Gesamtetat von 1.1 Milliarden Euro.  Der Bundesetat für Orte der Erinnerung an NS-
Diktatur und Holocaust wurde verdoppelt. Das kommt hauptsächlich den westdeutschen 
KZ-Gedenkstätten Dachau, Bergen-Belsen, Neuengamme und Flossenbürg zugute: Sie 
werden jetzt vom Bund gefördert - und damit den KZ-Gedenkstätten in den neuen 
Bundesländern gleich gestellt, die schon seit der Wiedervereinigung Geld vom Bund 
erhalten.   

Sprecher
Bei den KZ-Gedenkstätten ist das mit Wohlwollen registriert worden. "Zumindest ein 
positiver Aspekt der Fortschreibung der Gedenkstättenkonzeption aus dem 
Kulturstaatsministerium" - meint Volkhard Knigge. Die Konzeption, laut Neumann eine 
"durchdachte und solide Diskussionsgrundlage", wurde im Juli vergangenen Jahres 
erstmals der Öffentlichkeit präsentiert und im November im Bundestags-Kulturausschuss 
angehört.  

Sprecherin
Der Bundeskulturstaatsminister hat sich Zeit gelassen mit der Überarbeitung des 
Gedenkstättenkonzepts von 1999 - viel Zeit. Mehr als anderthalb Jahre.  Die 
Gedenkpolitik: Sie spielte kaum eine Rolle, sieht man einmal davon ab, dass sein 
damaliger Stellvertreter Helmut Schäfer Mitte 2006 für einen Eklat sorgte, als er bei einer 
Gedenkveranstaltung des Konzentrationslagers Buchenwald lang und breit über die 
Vertreibung der Deutschen redete, ohne auch nur eine Silbe über die anwesenden KZ-
Opfer zu verlieren.     

Sprecherin
"Alles nur ein Missverständnis" - entschuldigte sich Neumann. Missverständlich finden 
viele Historiker auch die Stoßrichtung der neuen Gedenkstättenkonzeption. 

Zitator
"Ziel der Bundesregierung ist es, die erinnerungspolitische Aufarbeitung des SED-
Unrechts zu verstärken." 

Sprecherin
Acht Seiten umfasst der Abschnitt zum "Geschichtsverbund SED-Unrecht", der zur "NS-
Terrorherrschaft" schmale zwei. DDR-Bürgerrechtler Günter Nooke hat damit keine 
Probleme, im Gegenteil: Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung rührt 
schon seit Jahren die Werbetrommel für eine Akzentverschiebung beim nationalen 
Gedenken. Mehr Erinnerung an den roten Terror, weniger an den braunen - auf diese 
Formel lässt sich Nookes Bundestagsantrag zur Erinnerungspolitik vom November 2003 
bringen, der breite Unterstützung in der Union fand: Zu den Mitunterzeichern gehörten 
Angela Merkel, Norbert Lammert und: Bernd Neumann.

Sprecher
Damals scheiterte Nooke noch an der rot-grünen Mehrheit. 

O-Ton
Wenn sie es vergleichen mit Gedenkstätten, die sich mit der nationalsozialistischen 
Verbrechensgeschichte befassen, dann muss man schon sagen, dass es noch 
erheblichen Nachholbedarf gibt. Und insofern teile ich die Auffassung des Staatsministers 
Neumann, dass hier, was SED-Diktatur, DDR-Geschichte angeht, im verstärkten Maße 
dieses auch nachgeholt werden sollte.

Sprecher
Sollte es?! Darüber gehen die Meinungen auseinander. So konstatiert die Publizistin 
Franziska Augstein in der Süddeutschen Zeitung:

Sprecherin  
"In der Tat ist sehr viel Geld in die Beschäftigung mit der DDR-Geschichte gesteckt 
worden. Museen und Gedenkstätten wurden eingerichtet, Forschung und Lehre großzügig 
bezuschusst."

Sprecher
Wenn schon Nachholbedarf, dann nicht im finanziellen, sondern im inhaltlichen - 
konstatiert Stefan Wolle vom Forschungsverbund "SED-Staat" an der Freien Universität 
Berlin. 

O-Ton
Diese musealen Darstellungen, die es zum Teil ja auch schon gibt, auf privater Ebene, die 
schwanken dann immer so ein bisschen zwischen DDR-Verherrlichung und einer 
absoluten Dämonisierung der DDR. Ebenso wenig wie man das Leben in der DDR auf die 
Unterdrückung und die Repression reduzieren kann, mindestens genauso falsch wäre es 
auch, das Leben in der DDR zu verniedlichen und durch die rosarote Brille der Ostalgie zu 
sehen, wo man die DDR reduziert aufs Sandmännchen, Pitti Platsch und Schnatterinchen.


Sprecherin
Meint der SED-Fachmann, der "ganz gut leben kann" mit dem Neumannschen Konzept. 
Viele NS-Experten aber haben Bauchschmerzen. Ziehen die NS-Gedenkstätten auf lange 
Sicht den Kürzeren? Ist das zusätzliche Geld dieses Jahr nur ein Placebo, eine Art 
Nebelkerze, um davon abzulenken, dass eine Akzentverschiebung ins Haus steht - zu 
Gunsten der Gedenkstätten, die an das SED-Regime erinnern?  

Sprecher
Akzentverschiebung?! "Ach wo!" Schallt es einem aus dem Hause Neumann entgegen. 
Offiziell äußern will sich der Minister zwar nicht, weil: Noch werde ja im Kulturausschuss 
des Bundestages über das Konzept beraten, ergo wolle er sich nicht öffentlich in die 
Diskussion einmischen. Aber: An den Vorwürfen sei nichts dran, wird versichert, man 
müsse sich nur einmal die Präambel des Konzepts anschauen, um den Vorwurf "ad 
absurdum" zu führen.
Zitator
"Die Erinnerung an die NS-Herrschaft wird durch das Wissen um die Singularität des 
Holocaust bestimmt."

Sprecherin
Hehre Worte. Für Salomon Korn aber, den stellvertretenden Vorsitzenden des Zentralrats 
der Juden in Deutschland, nur eine "fromme Präambel", die vom eigentlichen Inhalt 
ablenken will; "ein Lippenbekenntnis" - sekundiert Martin Sabrow, Direktor des Potsdamer 
Zentrums für zeithistorische Forschung.

O-Ton: 
Ich habe auch nach der Lektüre des Neumann-Papiers gelegentlich den Eindruck gehabt, 
dass hier eine gewisse Ritualisierung der Auseinandersetzung mit der NS-Herrschaft und 
NS-Gesellschaft stattfindet. Alleine der Begriff der NS-Terrorherrschaft macht das 
deutlich. Die nationalsozialistische Herrschaft war in kleineren Teilen und besonders zu 
Beginn und besonders zum Ende des Krieges von sehr starkem Terror geprägt. Sie war 
aber in so sehr starkem Maße auch einen Konsens-Diktatur gewesen, in der die 
Vernichtungsdynamik der Führung ja durch die Zustimmung der Gesellschaft 
vorangetrieben wurde. Wer diesen Zusammenhang nicht sieht, ist auch hier wieder auf 
der Seite der Verharmloser von Diktaturen.

Sprecherin
Bernd Neumann: Ein Verharmloser von Diktaturen?! Des Nationalsozialismus und des 
Holocaust? Günter Nooke schlägt die Hände über den Kopf. Da ist sein Parteifreund aber 
gründlich missverstanden worden.  

O-Ton: 
Die Einzigartigkeit und Singularität des Holocaust will niemand und hat niemand irgendwo 
in Frage gestellt.

Sprecherin
Betont der ehemalige Bürgerrechtler, nur um fast im gleichen Atemzug hinzuzufügen:


O-Ton
Es gibt ja heute übrigens Leute, die dann auch vielleicht politisch Unverdächtige sind, wie 
Sloterdijk, der in seinem Buch "Zeit und Zorn" ja geschrieben hat, dass die Opfer des 
"Klassismus" weit höher sind als die des "Rassismus". Und dass das die breite 
Öffentlichkeit bisher noch gar nicht realisiert hat. Das meint natürlich Russland, China, 
Kambodscha. Es ist nicht so, dass die Zahlen, die Toten, die im Namen des 
Kommunismus oder einer Klassen-Ideologie, umgebracht wurden, nur so verschwindend 
gering sind.
O-Ton
Aber es entsteht schon der Eindruck, dass es halt einen starken Bezug gibt auf die Frage 
totalitärer Systeme, also auf dieses Totalitarismus-Theorem. Und davon ausgehend 
eigentlich mehr die Ähnlichkeiten dieser Systeme fokussiert; also Nationalsozialismus und 
DDR-Diktatur. Und weniger die Unterschiede.

Sprecherin
Erik Meyer, Politikwissenschaftler am Sonderforschungsbereich Erinnerungskulturen der 
Justus-Liebig-Universität Gießen, ist nicht der einzige, der Nooke und Neumann einen 
Hang zur "Totalitarismustheorie" attestiert. Wenn man so will, betreiben die beiden 
geschichtswissenschaftliches Recycling. Die "vergleichende Diktaturforschung" ist ein 
alter Hut aus dem Westdeutschland der 50er Jahre, als brauner und roter Terror unter der 
Rubrik "Totalitarismus" subsumiert wurden. Große Akzeptanz fand die Theorie nie, 
spätestens in den 80er Jahren landete sie auf dem Abstellgleis der 
Geschichtswissenschaft.

Sprecher
Mit der Wiedervereinigung aber feierte die "Totalitarismustheorie" eine Renaissance, 
fordern "neue und alte Anhänger der Gleichsetzung von Rot und Braun ostentativ eine 
neue Akzeptanz", wie der Historiker Thomas Hofmann in der Wochenzeitung "Freitag" 
feststellte. Stefan Wolle vom "Forschungsverbund SED-Staat" ist einer von ihnen.  

O-Ton:
Die Ebene des Vergleiches liegt in den staatlichen Strukturen, im Einparteiensystem; in 
der Art und Weise der Gleichschaltung der Presse; in dem Wahrheitsanspruch eben einer 
Partei, ob es jetzt die SED war oder die NSDAP; in der Aufhebung staatsbürgerlicher 
Freiheiten und bürgerlichen Grundrechten. Das sind durchaus die Parallelen, die dazu 
geführt haben, dass man mit Fug und Recht versucht hat, diese beiden Gesellschaften als 
totalitär zusammen zu fassen und zu rubrizieren.

Sprecherin
Vergleiche ja, aber keine Gleichsetzung von Nationalsozialismus und SED-
Unrechtsregime - auf diese offizielle Sprachregelung haben sich Bernd Neumann und 
seine Unterstützer geeinigt. 

Zitator
"Dem Völkermord an den europäischen Juden als Menschheitsverbrechen bisher nicht 
gekannten Ausmaßes kommt in der deutschen Erinnerungskultur unvergleichliche 
Bedeutung zu."

Sprecherin
Heißt es im Vorwort des Gedenkstättenkonzepts. Einerseits.

Sprecher
Andererseits schlägt das Konzept im nächsten Satz den Bogen zur SED-Diktatur.

Zitator
"Parallel dazu ist es die Aufgabe von Staat und Gesellschaft, an das Unrecht der SED-
Diktatur zu erinnern."

Sprecherin
Singularität und Parallelität fast im selben Atemzug: Passt das zusammen? "Tut es nicht" 
- meint Volkhard Knigge. 

O-Ton: 
Dann fragt man sich natürlich: Was ist damit gemeint? Und wenn man so etwas kritisiert, 
da sagt man damit ja nicht: Die Auseinandersetzung mit der DDR soll nicht stattfinden. 
Sondern man sagt: Sie soll auf angemessen fachwissenschaftlichen und ethischen 
Niveau stattfinden. Es soll akzeptiert werden, was ist der Ort der einen Diktatur in der 
deutschen Geschichte, der Nationalsozialismus kommt nun aus der deutschen 
Geschichte; er ist die autochtone Diktatur, er ist nicht von außen aufgezwungen worden. 
Er ist breitestens unterstützt worden. Er hat Leichenberge hinterlassen. Die DDR hat 
Aktenberge hinterlassen; hat Repressionserfahrung hinterlassen, war aber keine 
Vernichtungsdiktatur.

Sprecherin
Damit auch ja das rechte Bild der DDR entsteht, will Bernd Neumann das Thema Alltag 
berücksichtigen,

Zitator
"...um einer Verklärung und Verharmlosung der SED-Diktatur und jeder "Ostalgie" 
entschieden entgegenzuwirken. Darstellungswürdig sind nicht nur die vermeintlichen 
"Bindungskräfte" der DDR, sondern das "Angst-Anpassungssyndrom des Alltags."

Sprecherin
Neumanns Diktum ist ziemlich genau das Gegenteil dessen, was eine in der Endphase 
von Rot-Grün eingesetzte Experten-Kommission unter Leitung von Martin Sabrow vor gut 
zwei Jahren an Vorschlägen zur Professionalisierung der "DDR-Aufarbeitung" auf den 
Tisch legte.  

Zitator
"Die spannungsreiche Wechselbeziehung von Herrschaft und Gesellschaft, zwischen 
Akzeptanz und Auflehnung, missmutiger Loyalität und Nischenglück wird durch den 
Tunnelblick auf die Staatssicherheit nicht deutlich."


Sprecherin
Keine inhaltliche Beschränkung auf den Repressionsapparat der DDR, stattdessen 
Einbeziehung des Alltags - Sabrows Vorschlag stieß beim Kulturstaatsminister auf keine 
allzu große Gegenliebe. Ähnlich auch das Credo seiner Mitstreiter bei der 
Bundestagsanhörung im November. Da sah Horst Müller, Direktor des Münchner Instituts 
für Zeitgeschichte, ein "weichgespültes DDR-Bild" am Horizont heraufziehen; beschwor 
Hubertus Knabe, der Leiter der Gedenkstätte Hohenschönhausen, die Gefahr eines 
"Erinnerungskombinats für staatlich geförderte Ostalgie."

Sprecher 
Martin Sabrow ist damit nicht einverstanden. Der Leiter des zeithistorischen Zentrums hält 
wenig von einer: 
 
O-Ton: 
...volkspädagogisch inspirierten und von besten Motiven getragenen Überlegung, DAS 
Bild der SED-Diktatur DEN Menschen zu implementieren. Wir dürfen schließlich nicht 
vergessen, dass für eine bedeutende Minderheit der heutigen Bundesbürger die DDR 
zugleich das gelebte Leben ist. Und wir müssten anerkennen, dass es eben die Frage 
nach dem richtigen Leben in den falschen Verhältnissen gibt. Und das sie in mancher 
Hinsicht von einer tragischen Ausweglosigkeit auch sein kann. Aber wir können diese 
Ausweglosigkeit nicht dadurch aufheben, dass wir ein staatlich verordnetes Gedenken 
totalisieren.

Sprecher
Erik Meyer, der Erinnerungsexperte von der Universität Gießen, hat in der letzten Zeit 
häufiger beobachtet, wie sich der Staat bei der Erinnerungsarbeit einmischt.     

O-Ton: 
Ich halte das für unvermeidlich. Denn insofern er als Geldgeber fungiert, ist es natürlich 
notwendig, dass er auch Förderkriterien etc. aufstellt. Und in dem Maße, in dem staatliche 
Mittel, Zuwendungen, vergeben werden, ist es auch unvermeidlich, dass der Staat sich da 
in dem Sinne positioniert. Die Frage ist nur, in wieweit er tatsächlich die Autonomie 
hinsichtlich der Formulierung von Geschichtsbildern, von Einsichten, die daraus folgern, 
beeinflusst.


1.	Atmo: Klaviermusik
Regie: Wegblenden

Sprecherin
Gut eine halbe Stunde dauert die Ausstellungseröffnung im Paul-Löbe-Haus  schon, 
gleich sind noch einige Zeitzeuginnen aus dem Kreis der Mädchen vom "Zimmer 28" des 
Theresienstädter Ghettos an der Reihe - mit ihren Reden. Sie kommen aus Israel, den 
USA, Österreich und Tschechien; betagte Damen, die damals - als Kinder - durch die Hilfe 
erwachsener Häftlinge "in Zeiten extremster Inhumanität vor der Entwertung des Guten 
gerettet wurden", wie es im Begleitheft der Ausstellung heißt. 

Sprecher
Auch Günter Morsch, der Direktor der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, hat 
schon häufiger Besuch gehabt von Holocaust-Überlebenden. Viele kehren an 
Gedenktagen wie dem 27. Januar zurück an den Ort des Schreckens - nach 
Sachsenhausen, Ravensbrück oder Brandenburg. 

Sprecherin
Ähnlich wie in Buchenwald ist das allgemeine Interesse an den Brandenburger KZ-
Gedenkstätten in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, zuletzt auf mehr als 350.000 
Besucher im Jahr; ähnlich auch die finanzielle Situation. Ähnlich dürftig. Der 
Stiftungshaushalt ist schon seit Jahren eingefroren, deshalb musste Morsch letztes Jahr 
den Stellenpool um fünf Prozent kürzen - das dritte Mal in 15 Jahren.   

O-Ton: 
Wir haben etwa jeden zweiten Besucherwunsch, der uns erreicht hat,...den mussten wir 
leider abschlägig bescheiden. Und das tut weh. Das liegt in der Hauptsache daran, dass 
die Mitarbeiterzahlen im pädagogischen Bereich einfach zu gering sind. Wir haben hier in 
Sachsenhausen fünf ständige Mitarbeiter in der pädagogischen Abteilung. Das ist 
eindeutig zu wenig.

Sprecherin
Aussicht auf Linderung durch das neue Gedenkstättenkonzept verspricht sich Morsch 
nicht - weder finanziell noch inhaltlich. Der Entwurf, meint der Historiker, atme doch sehr 
den Geist der alten Bundesrepublik.    

O-Ton: 
In der Bundesrepublik Deutschland waren die Gedenkstätten immer schon marginalisiert. 
Eigentlich hat es ja lange Zeit gar keine zentrale Gedenkstättenförderung gegeben. Das 
war Sache der Länder, der Kreise, der Vereine, privater Vereine. Und so sind gerade in 
Westdeutschland die Gedenkstätten sehr stark marginalisiert gewesen. Also, wenn sie an 
Dachau oder Bergen-Belsen denken - das hat der historischen Bedeutung nicht im 
Mindesten entsprochen, was dort gemacht worden ist. Das hat sich durch die deutsche 
Einheit geändert - das will man auch deutlich sagen, nicht?! Da sind Sachsenhausen und 
Buchenwald vorangegangen. Und da sind andere jetzt nachgefolgt wie Bergen-Belsen, 
Flossenbürg und Dachau. Und diese Tradition aus Westdeutschland - die hält uns 
strukturell gefangen.

Sprecherin
"Ich war's nicht, der Führer war's." Getreu diesem Credo unternahmen viele 
Westdeutsche nach Ende des Zweiten Weltkriegs ihre ersten Gehversuche in der 
Demokratie; versuchten sie davon abzulenken, dass sie keine fünf Jahre zuvor noch Adolf 
Hitler zugejubelt hatten; stilisierten sie sich zu Opfern: des Führers; der 
Nationalsozialisten; der "Umstände."

Sprecher
Vergangene Zeiten - und doch will Jens-Christian Wagner in der letzten Zeit eine 
Neuauflage dieses "Opfersyndroms" entdeckt haben.     

O-Ton: 
Das hat allgemein mit einer Veränderung des erinnerungskulturellen Diskurses in der 
Bundesrepublik Deutschland zu tun, meines Erachtens. Wir sehen zunehmend in der 
öffentlichen Diskussion Deutsche wieder mehr als Opfer. Da passt es nicht wirklich hinein, 
wenn an NS-Verbrechen in dem Rahmen erinnert wird, wie wir es in den Gedenkstätten 
für nötig erachten. Zum Beispiel geht es da um die Diskussion, was das Zentrum gegen 
Vertreibung anbelangt. Denken sie an die Diskussion um den Luftkrieg, die vor zwei 
Jahren begonnen hat. Das zieht sich sozusagen als roter Faden durch die 
geschichtskulturelle Debatte der letzten zwei, drei Jahre. Das merkt man sehr stark. Im 
gewissen Sinne kann man hier einen Rückfall in die 50er Jahre Westdeutschlands 
konstatieren.


2.	Atmo: Klaviermusik
Regie: Wegblenden

Sprecherin
Jens-Christian Wagner findet es gut, dass es Veranstaltungen wie die 
Ausstellungseröffnung in den Abgeordnetenräumen des Deutschen Bundestages gibt - 
auch wenn ihn manchmal das Gefühl beschleicht, hier werde aus Pflichterfüllung 
Erinnerungspolitik betrieben. Alles nur Symbolik. 
Genau wie beim Gedenkstättenkonzept: Zwei dünne Seiten voller Gemeinplätze zur NS-
Geschichte, garniert mit einer Prise Lob für die geleistete Arbeit der KZ-Gedenkstätten. 

O-Ton: 
Wenn man dieses Papier so liest, dann denkt man: Aha, im NS-Bereich, also im Bereich 
der KZ-Gedenkstätten, ist alles prima; sind wir bestens aufgestellt. Das ist ja nicht der 
Fall. Über unsere finanziell-strukturelle Defizite habe ich bereits besprochen - hier vor Ort 
in den Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Und das betrifft die West-
Gedenkstätten fast noch mehr. Denken Sie an die Gedenkstätte Dachau mit 
Hunderttausenden von Besuchern im Jahr, die eine pädagogische Mitarbeiterin hat. 
Das kann einfach nicht funktionieren.


Sprecher
Doch vielleicht ändert sich daran ja jetzt etwas, da  Dachau auch vom Bund institutionell 
gefördert wird. Dass die westdeutschen KZ-Gedenkstätten nun genau wie die 
ostdeutschen vom Bund gefördert würden - das sei schon ein Fortschritt, meint Günter 
Morsch; weise in die Zukunft. 

Sprecherin
Wie es mit den KZ-Gedenkstätten aber perspektivisch weiter gehen soll - inhaltlich und 
strukturell - dazu vermisst Morsch Antworten von der Politik. Im  Konzept des 
Kulturstaatsministers jedenfalls hat er sie nicht gefunden. 

"Typisch Politiker" - meint Morsch lakonisch. Für die meisten seien KZ-Gedenkstätten 
immer noch vor allem eines: Friedhöfe. 

O-Ton:  
Wo man mal hingeht und trauert. Und möglicherweise auch die Politik mal nen Kranz 
abwirft. Aber so ist das ja schon lange nicht mehr. Das sind nicht nur Friedhöfe, das sind 
offene Lernorte, zeithistorische Museen. Auch - Entschuldigung für das Wort - 
spannende Orte. Die Geschichte erzählen; wo man Geschichte entdecken kann; wo's 
zahlreiche professionelle Ausstellungen gibt. Und dieses Bild der Modernisierung und 
Professionalisierung - dieses Bild hat sich noch nicht so in der Öffentlichkeit und so wie 
ich den Eindruck habe, auch in der breiten Politik-Öffentlichkeit noch nicht so 
durchgesetzt.

Sprecher:

Volkhard Knigge, der Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der KZ-Gedenkstätten:

O-Ton: 
In der Politik ist mein Eindruck, denkt man doch in vielem noch: Erinnerungskultur - das 
ist eben doch nicht viel mehr als Totengedenken. Und eben Pietät vor Opfern. Und 
historisch entkernte Pietät, Pietät ohne Warum-Fragen und nach Verantwortung und 
Mitverantwortung- die bildet nicht, die erzieht nicht, die schafft kein demokratisches 
Bewusstsein.

Sprecherin
Historisch entkernte Pietät statt kritisches Geschichtsbewusstsein: Ist das der Trend der 
Zeit? Läuft eine staatlich-paternalistisch dominierte Erinnerungskultur Gefahr, zu einer 
leeren Hülle zu werden? Zu diesem Schluss kann man kommen, wenn man Bernd 
Neumanns Gedenkstättenkonzept liest. Neumann möchte das Gedenken in Denkmale 
und Gedenkstätten verpacken. Am besten luftdicht, hübsch normiert, Geschichte im 
Tetrapack. 
 
O-Ton: 
Was man absehen kann, ist, dass die erinnerungskulturellen Einrichtungen, dass die 
Frage von Denkmalen und anderen Formen der Repräsentation der Erinnerung - dass 
das quantitativ noch zunehmen wird. Wir haben jetzt mehrere Projekte, die in dieser 
Hinsicht vorgeschlagen wurden. Ein Freiheits- und Einheitsdenkmal; das Zentrum gegen 
Vertreibungen; das Ehrenmal der Bundeswehr. Also, ich glaube, rein quantitativ wird 
dieser Bereich zunehmen.

Sprecherin
Erwartet Erik Meyer von der Universität Gießen.
In spätestens zwanzig Jahren werden die  Zeitzeugen des Holocaust verstorben sein. Wie 
die Schoa einem Publikum vermittelt werden soll, das nicht mehr aus erster Hand - von 
den Überlebenden - erfahren kann, was der Holocaust eigentlich bedeutete: Kein Wort 
darüber in Neumanns Konzept. Genauso wenig wie über die Frage, ob angesichts des 
biologischen Ablebens der Zeitzeugen Prioritäten zugunsten der KZ-Gedenkstätten 
gesetzt werden sollten, wie es unlängst Salomon Korn forderte. Auch dazu nichts.
 
Sprecher
Bei den KZ-Gedenkstätten ist der anstehende Generationswechsel dagegen schon seit 
längerem Thema. Denn: Nicht nur die Opfer werden bald sterben, sondern auch die Täter.    


O-Ton: 
Das alte Betroffenheits-Konzept funktioniert nicht mehr. Leute meiner Generation - die 
sind natürlich groß geworden im Konflikt mit ihren Eltern über die NS-Zeit. Wenn wir an 
diese Orte gehen, dann haben wir tatsächlich einen persönlichen Bezug zu diesen Orten 
- aufgrund dieser Konflikte mit der Eltern-Generation. Die nachfolgenden Generationen 
haben diesen Konflikt nicht mehr. Das ist keine Frage der persönlichen Betroffenheit 
mehr. Deshalb können wir pädagogische Konzepte nicht mehr auf konservative 
Betroffenheitskonzepte abstellen, sondern müssen tatsächlich moderne, pädagogische 
Konzepte, die vor allen etwas mit Selbstlernen, Autodidaktik, zu tun haben, anwenden.

Sprecher
An Bernd Neumann scheint das spurlos vorüber gegangen zu sein. Aber es ist ja auch 
nicht gerade sein Steckenpferd. Mit der finanziellen Förderung der vier westdeutschen 
KZ-Gedenkstätten scheint der Bund seine Pflicht getan zu haben. Thema abgehakt. Jetzt 
müssen neue Prioritäten her; hat aufgrund des "Nachholbedarfs" die Aufarbeitung des 
SED-Unrechts Vorrang; soll Deutschland wieder ein unverkrampfteres Verhältnis zu 
seiner Geschichte entwickeln. Meint Neumanns Parteifreund Günter Nooke. 

O-Ton
Ich hab ein Interesse daran, deutsche Geschichte weder auf die zwölf Jahre 
Nationalsozialismus noch auf die deutsche Teilung oder gar die DDR zu fokussieren. Ich 
glaube, zum nationalen Gedächtnis gehört eben sehr, sehr viel mehr. Nur mit Negativ-
Geschichte kann man den Zusammenhalt einer Nation oder der Menschen in einem Staat 
nicht organisieren.

Sprecherin
Eigentlich sollte der Bundestag jetzt schon, im Februar, über Neumanns Konzept 
abstimmen. Doch es gibt noch "Klärungsbedarf", heißt es aus dem Kulturausschuss. Nun 
ist von April die Rede. 

Sprecher
Zwar ist mit Neumanns rechter Hand, Ministerialdirektor Schäfer, Anfang des Jahres 
derjenige aufs Altenteil geschickt worden, der dem Konzept seinen Stempel aufgedrückt 
hatte: Doch dass die "durchdachte und solide Diskussionsgrundlage" noch einmal von 
Grund auf überarbeitet wird, erwarten die wenigsten. Allenfalls ein paar kosmetische 
Korrekturen, die eine oder andere Formulierung hier und da, mehr nicht.

Sprecherin
Und so wird die "Fortschreibung der Gedenkstättenkonzeption" wohl das bleiben, was sie 
ist: Der Versuch eines Paradigmenwechsels. Fragt sich nur, ob das dem Thema 
angemessen ist? Volkhard Knigge hat da so seine Zweifel.  

O-Ton: 
Es geht hier nicht um Gedenkstättenkonkurrenz oder Opferkonkurrenz. Sondern es geht 
um solides, geschichtswissenschaftlich und ethisch verantwortbares historisches 
Geschichtsbewusstsein der Bundesrepublik.



Zitator :
Geschichte im Tetrapack?
Über Denk- und Gedenkstätten in deutschen Landen
Eine Sendung von Michael Frantzen
Es sprachen: Nadja Schulz-Berlinghoff, Viktor Neumann und Norbert Schwarz
Technik: Ralf Perz
Regie: Beate Ziegs
Redaktion: Constanze Lehmann
Produktion: Deutschlandradio Kultur 2008

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