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Heute ist die Thomaskirche der Stolz der Stadt und als Wirkungsstätte Bachs und Heimat des Thomanerchores weltberühmt. Hier wurde der endgültige Bruch zwischen Katholiken und Protestanten vollzogen. Hier nun genug der Vorrede zu diesem geschichtsträchtigen Ort des Glaubens und der Musik. Claudia Altmann erzählt uns nun die ganze Geschichte. 800 Jahre Thomaskirche in knapp 19 Minuten. Bitte. -folgt Script Beitrag- Script Beitrag Atmo Glocken Sprecher Nur wenige Schritte vom alten Markt mitten im brodelnden Zentrum Leipzigs ist ein besonderer Ort der Besinnung. Das Gotteshaus mit seinen beige-grauen Natursteinen und dem weißen Turm ist der Stolz der Leipziger. Passant 1 Bekannt durch die Thomaner sowieso und ansonsten ist sie also hier Schmuckstück der Stadt. Erstens von außen, vom Aussehen, zweetens von der Inneneinrichtung und es gehört ganz einfach zu Leipzig. Passant 2 Die Thomaskirche ist was Wunderbares. Passantin Geschichtsträchtig. Es ist unsere Kultur. Es gehört zu Leipzig dazu. Leipzig ist ohne diese Kirche nicht denkbar eigentlich. Sprecher Das sah allerdings die Leipziger Bürgerschaft vor 800 Jahren ganz anders. Die Kunde, dass Markgraf Dietrich der Bedrängte ein Kloster nebst Kirche und Hospital gründen werde, wurde im Jahr 1212 als Angriff auf die gerade erlangten Marktrechte und ihren damit auch politisch wachsenden Einfluss gesehen. Als ein Jahr später der Bau losging, sahen die Aufgebrachten dem nicht tatenlos zu, wie der Chronist Johann Jacob Vogel später niederschrieb: Sprecher 2 Anno 1213: Bürgerschaft zu Leipzig hindert den Kloster-Bau zu S. Thomas. Markgraff Dietrichen wird nachgestellet ... die Bürgerschaft / welcher dieser Bau verdächtig / und zuwider war / fallen zu / zerstreuen Kalck und Steine / stecken das Holtz mit Feuer an / jagen auch Cunradum den Probst aus der Stadt. Sprecher Etliche Steine sollen in der Pleiße gelandet sein. Aber die Obrigkeit setzte sich durch und heute erinnern auf dem Flur des Pfarramtes neben der Kirche ein Dutzend heller Felsbrocken aus dem einstigen Augustiner Chorherrenkloster an die turbulenten Anfänge. Christian Wolff Also diese Steine, die ja damals wohl auch eben weggetragen wurden, die sehen ja schon so aus, dass sie vor Jahrhunderten zum Bau benutzt worden sind. Sprecher Für Pfarrer Christian Wolff ist die Episode symbolisch. Leipziger setzen sich gern äußeren Einflüssen zur Wehr und sind dann Feuer und Flamme, so die Erfahrung in seiner bisher 20jährigen Amtszeit. Andererseits hat die Stadt auch immer wichtige Impulse erhalten durch Leute, die von außen gekommen sind. Christian Wolff Wir betreten jetzt die Thomaskirche durch das so genannte Bachportal auf der Südseite. Und durch dieses Portal ist eben auch in seiner 27jährigen Amtszeit der Thomaskantor Bach immer in die Thomaskirche hineingekommen. Und es wird sicherlich so gewesen sein, dass auch seine Blicke durch die schlanken gotischen Säulen dieses dreischiffigen spätgotischen Langhauses nach oben gezogen wurden. Und dann blickt man eben in den Himmel auf Erden, also auf dieses wunderbare Netzrippengewölbe. Den Konfirmanden sage ich immer: Das ist die Lautsprecheranlage des Mittelalters. Also dieses Gewölbe verleiht der Thomaskirche diese wundervolle Akustik, die eben auch zur Bachzeit und lange davor den Raum zu einem besonderen gemacht hat. Sprecher Von Anbeginn stand dabei der Namensgeber Pate, der zweifelnde Jünger Thomas. Sein Abbild ziert die 1477 gegossene und damit älteste Glocke der Kirche, die Gloriosa. Seit dem Jahr 2000 ist er im Altarraum im Thomasfenster zu sehen. Es zeigt ihn, wie er seine Hände in die Wundmale Jesu legt, um zu begreifen, dass der auferstandene Christus mit dem gekreuzigten Jesus identisch ist. Ohne Zweifel gäbe es auch keine Erkenntnis. Es nimmt daher nicht Wunder, dass 1409 hier die Leipziger Universität gegründet wurde. Deshalb hat auch deren Pauliner-Hochaltar aus dem Jahr 1490 hier gleich unter dem Thomasfenster eine Bleibe gefunden. Als 1968 die Universitätskirche auf Anordnung der SED-Führung gesprengt wurde, war er kurz zuvor von Denkmalpflegern gerettet und im damaligen Dimitroff-Museum, dem heutigen Sitz des Bundesverwaltungsgerichtes eingelagert worden. Christian Wolff Er kam dann in Rudimenten in den Achtziger Jahren hier in die Thomaskirche und nach der friedlichen Revolution wurde er sorgfältig restauriert und steht jetzt als Leihgabe der Universität Leipzig hier und mahnt, dass Städte und Gesellschaften, die Kirchen, Synagogen, Moscheen zerstören aus ideologischen Gründen, nicht überlebensfähig sind. Sprecher Der Altar steht zugleich für die enge Bindung zwischen beiden Einrichtungen. Die Universität organisierte 1519 die so genannte Leipziger Disputation, das Streitgespräch, das entscheidend für die Reformation werden sollte. Dabei traf Martin Luther - bei seiner Anreise begleitet von 200 bewaffneten Wittenberger Studenten - auf seinen päpstlichen Widersacher Johannes Eck. Mehrere Tage wurde über das Primat des Papstes, den menschlichen Willen und göttliche Gnade sowie den Ablasshandel gestritten. Die Sprache kam auch auf Jan Hus. Der Mitstreiter Luthers war zuvor während des Konzils von Konstanz den Feuertod gestorben, weil er seine Theorien nicht widerrufen wollte. Als Luther in Leipzig ebenfalls einige dieser Thesen verteidigte und diese sogar als "christlich" bezeichnete, galt auch er endgültig als Ketzer. Zwar sahen sich Eck UND Luther als Sieger, als sie Leipzig verließen. Eines aber war klar: Luther hatte in der Thomaskirche den Bruch mit Rom vollständig vollzogen und seine Ideen fanden daraufhin immer mehr Verbreitung. Zwanzig Jahre später zog er wieder in Leipzig ein, diesmal um die Reformation in der stolzen Handelsstadt höchst selbst einzuführen. Es soll ein regelrechter Triumphzug gewesen sein. Als der Reformator dann am Pfingstsonntag beim Nachmittagsgottesdienst die Predigt hielt, soll die Thomaskirche völlig überfüllt gewesen sein. Einige hätten seinen Worten sogar von Leitern aus gelauscht, die man von außen an die Fenster gelehnt hatte. Binnen kurzer Zeit wurde Sachsen protestantisch. Von Johann Jacob Vogel in seinem Leipzigischen Geschicht-Buch so beschrieben: Sprecher 2: Anno 1540: Die Kirchen werden von dem Päbstische Sauerteig gesäubert. Um diese Zeit sind auch / die vielen Alltäre an allen Pfeilern/ so wohl in der Thomas- als Niclaus-Kirchen abgebrochen / und an derselben Statt Kirchen-Stühle gebauet worden. Ferner sind die Reliquien und Bilder der heiligen / an denen Kirch-Pfeilern und Alltären / welche das abergläubische Volck hiebevor mit höchster Ehrerbietung geehret / abgethan / die Taffeln und geweyete Wachs-Kertzen / wo sie gestanden / hinweg genommen: Die Sacristeyen / welche gegen Morgen gebauet / und durch eine Schiede-Wand von dem äussersten Theil derer Kirchen unterschieden waren/ eröffnet / und die Mauern umgerissen: Der Weyh-Kessel / Krug und Spreng-Wedel / das geweyhete Saltz / die Capseln und Behältnisse der Monstrantzen / das ewige Feuer in den hangenden Lampen / Fackeln / und dergleichen Dinge mehr heraus gethan / und Beyseite geräumet worden. Sprecher An der Stelle, wo sich damals die Kanzel befand ist heute eine Gedenktafel. Auf derselben Höhe blickt von hoch oben der Reformator herab. In dem an Farben reichen Lutherfenster ist er in der Mitte eingerahmt von Friedrich dem Weisen von Sachsen, dem politischen Förderer der Reformation und von seinem engen Mitstreiter Philip Melanchthon. Christian Wolff Ja, jetzt sind wir hier auf der Nordempore, die sich ebenso wie die Südempore durch das Langhaus zieht. Diese beiden Emporen wurden 1570 in die Thomaskirche eingebaut, also nach der Reformation. Man brauchte Platz. Die Thomaskirche war Predigerkirche und das interessante ist, dass die Emporenbrüstung von dem gleichen Baumeister gebaut wurde wie das Alte Rathaus, Hieronymus Lotter. Und architektonisch zeigt das eben auch die Verbindung zwischen Stadt und Kirche auf, die ja mit der Reformation auch in eine neue Phase eingetreten ist, denn mit der Auflösung der Klöster war verbunden, dass der gesamte Klosterbesitz - faktisch das Stadtgebiet - an die Stadt Leipzig ging und die Stadt Leipzig sich im Gegenzug dann verpflichtete für alle Zeiten für die Alimentation der Lehrer, der Pfarrer, der Chorknaben und des Thomaskantors aufzukommen. Musik Ein feste Burg ist unser Gott (Thomanerchor) Sprecher Fortan wurde neben der Liturgie und Predigt in deutscher Sprache auch die Musik zum festen Bestandteil des Gottesdienstes. Luther hat die religiöse Musik revolutioniert, sagt der heutige Thomaskantor Georg Christoph Biller. Georg Christoph Biller Er betrachtete Musik als etwas ganz wesentliches, weil es Dinge über die Sprache hinaus noch bewegen kann, die die Sprache nicht bewegt. Und die Predigt sollte ja sehr zentral im Gottesdienst werden und nachvollziehbar sein. Und dass der Mensch zu mindest gleichen Teilen aus Vernunft und Sinnlichkeit besteht, das war dem Luther völlig klar. Und deshalb kam sein Fokus so stark auf die Musik. Die Musik müsse einen größeren Anteil am Gottesdienst haben. Sprecher Aber die Sternstunde der Musik sollte der Thomaskirche noch bevorstehen. Atmo Kutschen Im Mai 1723 traf Johann Sebastian Bach mit sechs Kutschen, aus Köthen kommend, in Leipzig ein. Er war damals schon als guter Komponist, Klavier- und Orgelspieler bekannt. Ein Jahr lang hatten die Ratsherren nach einem geeigneten Musiker für das Amt gesucht. Vergeblich. Georg Philipp Telemann hatte schon zugesagt, aber nach einer beträchtlichen Gehaltserhöhung als Musikdirektor Hamburgs, änderte er seine Meinung. Unter diversen anderen Kandidaten einigte man sich schließlich auf Bach. Den Ratsherren war nicht bewusst, dass sie ein Genie eingestellt hatten. Der damalige Bürgermeister soll geäußert haben: " ... da man nun die besten nicht bekommen könne, müsse man mittlere nehmen ... ". In seinem Vertrag verpflichtete sich der damals 38jährige Bach unter anderem: Sprecher 2 ... , dass ich den Knaben in einem ehrbaren eingezogenen Leben und Wandel mit gutem Exempel vorleuchten, der Schule fleißig abwarten und die Knaben treulich informieren, dem Ehrwürdigem Ehrsamen Hochweisen Rath allen schuldigen Respekt und Gehorsam erweisen, zu Beibehaltung guter Ordnung in den Kirchen die Musik dergestalt einrichten, dass sie nicht zu lang währen, auch also beschaffen sein möge, damit sie nicht opernhaftig herauskomme, sondern die Zuhörer vielmehr zur Andacht aufmuntere, die Knaben freundlich und mit Behutsamkeit traktieren, dafern sie aber nicht folgen wollen, solche moderat züchtigen oder gehörigen melden wolle. Sprecher Obwohl Bach sein Amt vorbildlich ausfüllte, verlief die Zeit in Leipzig nicht reibungslos. Das Leben war teuer, die Familie groß, aber die Bezahlung schlecht. Außerdem mäkelten die Ratsherren an ihm herum und würdigten seine Musik nicht gebührend. Sein Bemühen, eine Stelle in Dresden als Hofkompositeur zu bekommen, blieben - zum Glück für Leipzig - erfolglos. Und so verbinden sich mit der Stadt und der Thomaskirche Hunderte heute weltweit berühmte Werke kirchlicher und weltlicher Musik. Musik Motette Der Geist hilft unser Schwachheit auf (Thomanerchor) Sprecher Bachs Arbeitsplatz in der Thomaskirche war auf der Westempore, von der sich der Blick auf den gesamten Innenraum der Kirche öffnet. Christian Wolff Von hier aus hat er eben auch die Kantaten aufgeführt, die er Sonntag für Sonntag komponiert hat. Sprecher Als Bach am 28. Juli 1750 starb, wurde er auf dem Johannisfriedhof begraben. Später wurden die Gebeine exhumiert und in einem Sarkophag in die Krypta der Johanniskirche gebracht, die bei der Bombardierung Leipzigs Ende 1943 fast vollständig zerstört wurde. Nach dem Krieg einigten sich Land, Stadt und Kirche darauf, dass Bach seine letzte Ruhe in seiner Wirkungsstätte, der Thomaskirche, finden soll. Christian Wolff Und dann hat man am 28. Juli 1949 einen Maurermeister mit dem Namen Aleki beauftragt, doch mal in der zerstörten Kirche zu sehen, in welchem Zustand sich denn eigentlich der Sarkophag befindet. Und der fand nun den Sarkophag geöffnet in der Krypta vor und hat dann die Zinkwanne mit den Gebeinen Bachs auf seine Schubkarre gestellt und die dann quer durch die Stadt gefahren. Und da ist überliefert, dass er dann hier beim Superintendenten auf dem südlichen Thomaskirchhof geklingelt hat und sich gemeldet hat mit den Worten: "N'Tach Herr Superintendent. Ich bring ´n Bachn." Sprecher Im Altarraum liegen seitdem seine Gebeine unter einer schlichten Bronzeplatte gen Osten, also in Richtung Auferstehung. Neben dem Denkmal vor der Kirche erinnert seit dem Jahr 2000 die Bachorgel an den großen Meister. Genau gegenüber auf der Empore der Südseite erhebt sich auch das "Bachfenster" mit dem Porträt des Komponisten. Sieben mehrere Meter hohe schlanke Fenster erinnern an historische Persönlichkeiten und Ereignisse, die mit dem Haus in Verbindung stehen. Neben dem für Bach wurde 1997 ein Fenster im Gedenken an Felix Mendelssohn Bartholdy eingebaut. 1889 hatten Leipziger Bürger den Einbau verhindert, weil man keinen - wie es hieß - Judenmusiker neben dem großen deutschen Nationalkomponisten haben wollte. Wie in diesem Fall gingen auch andere Auseinandersetzungen nicht spurlos an der Thomaskirche vorbei, weder gesellschaftliche noch kriegerische. Atmo Schlachtgetümmel Sprecher Während der Völkerschlacht bei Leipzig wurde die Kirche geschlossen und ab 1813 zwei Jahre lang zum Lazarett umfunktioniert. Christian Wolff Weit über Tausend sterbende, verletzte Soldaten haben sich hier in dem Kirchgebäude aufgehalten in dieser Zeit. Und danach wurde dann die Thomaskirche wieder hergerichtet, damit sie dann wieder gottesdienstlich genutzt werden konnte. Sprecher Und das wurde sie von immer mehr Menschen. Leipzig erlebte durch die industrielle Revolution einen regelrechten Boom als Manufaktur- und Handelszentrum. 1871 zählte sie 100.000 Einwohner. In jenem Jahr finden sich unter den vielen Namen im Taufregister auch drei berühmte: Christian Wolff (blättert im Taufregister) Karl Marx aus London und Friedrich Engels, Taufpaten von Karl Liebknecht, dem Sohn von Wilhelm Liebknecht. Sprecher Fünf Jahre zuvor hatte hier August Bebel die Putzmacherin Julie Otto geheiratet. Während der bürgerlichen Revolution 1848 hatte der Thomanerchor noch in einer überfüllten Thomaskirche bei der Trauerfeier für den bei Wien hingerichteten Leipziger Demokraten Robert Blum gesungen. Nun zum Ende des Jahrhunderts stand die Kirchenführung politisch auf der anderen Seite der Barrikaden. Christian Wolff Wenn man Predigten liest, die hier gehalten wurden Ende des 19. Jahrhunderts, die waren absolut kaisertreu und absolut gerichtet gegen die Sozialdemokratie. Wenn wir heute so predigen würden, das würde allein schon wegen dieser politischen Eindeutigkeit, mit der da von der Kanzel geredet wurde, zu großer Kritik und zu großen Auseinandersetzungen führen. Sprecher Auch in den Anfängen des Nationalsozialismus stand die Kirche zunächst hinter den neuen Machthabern. Allerdings gehörten mehrere Pfarrer dann der Bekennenden Kirche an. So wurde die Idee der Nazis, zentrale Hochzeitsfeiern für die SA durchzuführen, abgelehnt. Auch der Versuch, den Thomanerchor von der Kirche zu trennen, scheiterte. Das ist nach Ansicht von Pfarrer Wolff vor allem einem Umstand zu verdanken: Christian Wolff Die Tradition, also das, was unter den Noten steht, das hat eigentlich die Thomaskirche und auch die Thomaner davor bewahrt, dass sie völlig in die Fänge dieser ideologischen Fremdbestimmung geraten sind. Sprecher Das habe auch zu DDR-Zeiten gegolten. Christian Wolff Natürlich war die Thomaskirche immer - weil sie sich ja auf der Schnittstelle zwischen Stadt und Kirche bewegt - auch im Blick auf den Thomanerchor gehalten, eine, ja auch vermittlungsfähige Linie zu fahren im Blick auf die Stadt beziehungsweise den Staat. Sprecher In der Wendezeit spielte die Thomaskirche keine solch aktive Rolle wie die Nikolaikirche. Auseinandersetzungen in der Leitung des Hauses, wie man sich in diesen stürmischen Zeiten positionieren sollte, endeten damit, dass ab dem 9. Oktober 1989 auch hier Friedensgebete stattfanden. Auch Mitglieder der Thomaskirchengemeinde gehörten zu den 70.000 Demonstranten, die über den Leipziger Ring zogen. Heute muss sich die Thomaskirche in einer zunehmend säkularen Umgebung behaupten. Von den 530.000 Einwohnern Leipzigs sind 60.000 Protestanten. Das sind gerade mal zwölf Prozent der Bevölkerung. Bei ihrer Pflege von Muse und liturgischer Tradition verbreitet sie aber zugleich eine universelle Nachricht, so die Überzeugung von Thomaskantor Biller. Georg Christoph Biller Also wenn ich mich reinversetze in jemanden, für den Gott etwas ganz Abstraktes ist, wird aber doch die Botschaft verstanden werden: Menschlichkeit. Und das ist für unsere Zeit etwas ganz wesentliches, weil nicht das Gegenteil - die Unmenschlichkeit - die große Rolle spielt, sondern der Wohlstand, der auf Kosten der Menschlichkeit stattfindet. Musik Motette Fürchte Dich nicht Sprecher Als kulturhistorischer Ort und Stätte musikalisch höchsten Genusses genießt die Thomaskirche Weltruf. Als Geburtsort der Thomana - des Dreigestirns von Kirche, Schule und Chor - ist sie auch 800 Jahre nach ihrer Gründung ein Ort des Glaubens, des Geistes und der Musik. Musik Ein feste Burg (Schluss) -ENDE Beitrag- MOD 800 Jahre Thomaskirche. Claudia Altmann fasste uns die spannende Geschichte dieser Glaubens- und Musikinstitution zusammen. Morgen dann im Länderreport ab 13.07 Uhr setzen wir unsere Reihe "Die Kleine Sprachgeschichte" fort. Diesmal steht Berlinisch auf dem Programmzettel. Es gibt also viel zu erzählen. Am Mikrofon verabschiedet sich von Ihnen Claus Stephan Rehfeld. -ENDE Ablaufplan-