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O-Ton 1 Mosche 5.43 Der Lift, der Ruhigkeit, der Reinheit, der Geschmack, das erst mal dasindma du, im Sommer komm wir noch einmal ... , im Sommer kommen wir noch einmal Sprecher: Die beiden gehen am Regal mit reduzierten Skiartikeln vorbei, lassen auch den Ständer mit Outdoor-Hosen unbeachtet. Esther trägt keine Hosen. Sondern dunkle lange Röcke und langärmlige Blusen, so wie es ihr Glaube verlangt. Geräusch-take Sprecher: Mosche sucht Badelatschen, Größe 46. Die Verkäuferin bemüht ihr Englisch. Mosche lächelt. Auch mit ihm ist hier kein großes Kleidergeschäft zu machen: Der Mittzwanziger trägt schwarze Kippa, weißes Hemd, schwarze Hose, darüber hängen vier weiße Baumwollfäden. Sie sollen ihn jeden Tag an die Gebote der Tora erinnern. Atmo 4: Boys 46 ? Hamm wer nit Sprecher. Nein, Schuhgröße 46 gibt es leider nicht, bedauert die Verkäuferin. Mosche kauft stattdessen ein paar Turnschuhe. Auch die sind günstiger als in Israel, sagt er. Atmo 5 Alpenmedley Sprecher. Aus der Bambam-Bar gegenüber dröhnt ein Alpenmedley. Im Minutentakt kommen Familien die Dorfbahnstraße entlang. Atmo 1:Familie / Seilbahn / Riesenmurmeltier Ein mannshohes Murmeltier steht im Weg und breitet die Arme aus. Geht einige Schritte auf zwei Kleinkinder zu. Die weichen ängstlich zurück. Der Vater schiebt sie sanft nach vorne. Die Mutter greift zur Kamera. Atmo 1 hoch auf "Käsekuchen,lächeln" Sprecher: Die Familie geht weiter, die Dorfbahnstrasse entlang. Der Wanderhighway von Serfaus zieht sich knapp eineinhalb Kilometer vom Parkplatz am Dorfeingang bis zur Seilbahn. Einmal schnurgerade durch den 1100 Einwohner Ort. Vorbei an der Kirche, dem Supermarkt, unzähligen Pensionen. Und Hotels. Atmo 6 Beten / Dorfbahnstrasse Sprecher: Vor der "Alten Schmiede" bleiben viele Wanderer kurz stehen. Lauschen. Und blicken verwundert. Ein klassisches Familienhotel. Vier Stockwerke, Holzbalkone, Geranien-Blumenkästen, gelb verglaste Metall-Laternen, ein großes Familienwappen neben dem Eingang. Aus der Hotelbar klingt betendes Gemurmel. Ein Fenster steht offen. Schemenhaft sind Männergestalten sichtbar, sie bewegen im Takt des Gebetes die Oberkörper. Atmo hochziehen O-Ton 2: S. Purtscher 0.04 die Leute halt auf der Straße bleiben stehen und die Kinder fragen. Sprecher: Sonja Purtscher sitzt auf der Terrasse der "Alten Schmiede". Blickt herab auf die Dorfstraße. Die junge Hotelchefin in Jeans und Sweatshirt, hat das rotblonde Haar zum Zopf gebunden. Ein Piercing funkelt über ihrem Mund, ein anderes darunter. Im rechten Ohr glänzen etliche Ringe. Sonja Purtscher macht eine kurze Zigarettenpause, während ihre Gäste beten. An die Blicke von der Straße hat sich die 33jährige schon lange gewöhnt. Ebenso wie an das Getuschel. O-Ton3 S. Purtscher 0.08 Wer ist das ? Und Boah, warum schauen die so aus ?. Und sie bleiben stehen und schauen,,, Sprecher: Männer mit Schläfenlocken gibt es bei ihr zu sehen, die Kippa auf dem Kopf, Frauen in langen Röcken langärmeligen Blusen, manche mit Perücke. Viele Kinder. Orthodoxe Juden in der Alten Schmiede. Sie kommen aus Israel und machen Urlaub im Alpendorf. Ihr Lieblingsquartier: die "Alte Schmiede" von Sonja Purtscher. Das sorgt für Unruhe. Vor allem bei den anderen Vermietern;: O-Ton 4 S. Purtscher 0.20 13.41 Schlimm. Schlimm: habt ihr das nötig? Und für was macht ihr das?. Echt schlimm. ... . Hat es am Anfang geheißen, dass viele ausbleiben wegen den Juden, oben im Murmliwasser, da trauen sich die anderen Familien nicht mehr her, weil jüdische Familien spielen, also mittlerweile ich kann da nur noch lachen. .. Sprecher: Sonja Purtscher drückt die Zigarette aus. Schüttelt den Kopf. Zeit wieder an die Arbeit zu gehen. Im Gegensatz zu manch' anderem Vermieter hat sie gut zu tun. 6500 Betten warten in Serfaus auf Bergfreunde. Im Winter sind sie immer belegt. aber jetzt, im Sommer, ist reichlich Platz. Allerdings nicht in der Alten Schmiede. Die ist ausgebucht. Atmo 7: Hotel / Terasse /Arabisch Sprecher: Mosche und Hussein kommen aus dem Hotel. Unterhalten sich auf Arabisch. Mosche mit Kippa, Hussein ohne. Der eine orthodoxer Jude, der andere liberaler Muslim. Mosche 50 Jahre, geboren im Jemen, lebt in Tel Aviv. Und macht das erste Mal Urlaub in Tirol. Koscher Komplett in der Alten Schmiede. Hussein, 42 Jahre, geboren in Tunesien, deutsche Staatsangehörigkeit, lebt schon drei Jahre hier. Er ist der Freund von Sonja Purtscher. Atmo hochziehen Sprecher: Mosche atmet tief durch, breitet die Arme aus. Er genießt die kühle Gebirgsluft. Das Thermometer zeigt 20 Grad. Angenehm in langer Hose oder langem Rock. In Tel Aviv ist es jetzt mindestens doppelt so warm. Und stickig. Mosche zeigt nach links, nach rechts. O-Ton 5: arabisch/deutsch 0.22 12.19 So etwas gibt es in Israel nicht, das ist einfach traumhaft, als ob man in einem Buch blättert. Gott sei Dank dass er dieses Land so schön gemacht hat. (lachen) Sprecher: Satt grünes Gras wächst auf den Hängen, Kühe grasen gemächlich vor sich hin, Wolken hängen zwischen den Bergen, auf den Gipfeln funkelt Schnee in der Sonne. Atmo 8: Verabschiedung / arabisch Sprecher;: Mosche verabschiedet sich. Er will noch zur Liftstation. Einmal auf den Berg gondeln. Atmo 9: Rezeption O-Ton 6 Purtscher / Gäste 0.12 13.41 Gäste: Stricker ? P: Strickerl. G: Das ist richtig Stricker ? Ja, (lachen) Sprecher: Hinter der Rezeption kümmert sich Birgit Purtscher, die Mutter der Chefin, um zwei Ehepaare aus Tel-Aviv. Vorne links grüßen zwei ausgestopfte Murmeltiere. Hinten rechts eine pausbäckige Engelsstatue. Die resolute Mittsechzigerin schwenkt vier Gummibänder, daran baumelt die Serfaus-Card. Der Freifahrtschein für Gondeln und Wanderbus. Für alle, die hier oben Urlaub machen O-Ton 7 Purtscher / Gäste 0.10 Gäste: Das ist richtig Stricker ? P: Ja, das kann man auch sagen, Strick? Sprecher: Die Gäste nicken, lachen, hängen sich die Serfaus Card um den Hals. Machen sich auf den Weg zur Seilbahnstation. Birgit Purtscher schiebt einige Unterlagen zusammen. Seit fast vier Jahrzehnten ist ihre Familie im Urlauber-Geschäft. Sie macht 1974 den Anfang. Mit zwei Gästezimmern, Holzofen und Abwasserkübeln. Dann beginnt der Wintertourismus zu boomen, aus dem Bergdorf Serfaus wird ein Urlaubsort. Bauern werden zu Bettenbesitzern. Auch die Alte Schmiede wächst und wächst:. O-Ton 8 : B. Purtscher 0.19 12.13 Wir haben 140 Betten gehabt, dann durch das Alter haben wir gesagt, jetzt machen wir kleiner, dann sind wir auf 80 Betten zurück. Jeder macht mehr Betten, Betten bringen das Geld, wir haben reduziert und haben aus drei Zimmern eines gemacht, großzügig, Sprecher: Gleich neben ihrem Hotel drehen sich Baukräne. Wer kann vergrößert in Serfaus. Nur die Purtschers nicht. Die verringern die Zimmerzahl und vergrößern die Räume. Auslöser ist eine Anfrage vor einigen Jahren, erinnert sich Sonja Purtscher: O-Ton 2 : S. Purtscher Ne ganz normales Zimmeranfrage, man soll das Hotel beschreiben, die Zimmer, die Räumlichkeiten alles, ja, ich hab das gemacht , dann sind sie gekommen, das Hotel anschauen Sprecher: Erst später erfährt sie, dass der Reiseveranstalter ein komplettes Hotel für jüdisch- orthodoxe Touristen buchen will. Sonja Purtscher und ihre Mutter surfen im Internet. Versuchen die streng gläubige, jüdische Lebenswelt zu erkunden. O-Ton 3: S. Purtscher Und dann haben uns mal schlau gemacht. Und jeder: Boaah nein, das geht nicht. Und wir: auf was haben wir uns dann eingelassen. Mittlerweile alles halb so schlimm Atmo 10: Lobby Die orthodoxen Sommergäste brauchen Platz. Die Purtschers führen durch die großzügige Lobby mit Gebirgspanoramen an der Wand und dunklen Ledersesseln. Die wird problemlos am Schabbat, dem wöchentlichen Feiertag, zum Gebetsraum für die Frauen, erklären die beiden. Ein paar Schritte weiter: Die Hausbar - der Platz zum Beten für die Männer. O-Ton 9: B. Purtscher 0.13 24.55(Schritte) ... , das müssen wir immer umgestalten, das ist der Gebetsraum, also unsere Hausbar ist jetzt Gebetsraum Sprecher: Alkohol auslagern, Zapfanlage stilllegen, Kruzifix abhängen. Routine für die Purtschers. In der Sommersaison heißt es Beten statt Biertrinken. O-Ton 10: B. Purtscher 27.23( Schritte Vorlauf) Büffet wird halt ein bisschen umgestaltet, es wir halt alles gerichtet fürs Händewaschen überall, vor dem Essen,.. , Sprecher: Im ersten Stock: Speisesaal und Küche. Beides ebenso großzügig wie Lobby und Bar. Große Wärmebehälter mit hebräischer Aufschrift liefern heißes Wasser. Importgeräte aus Israel. Wie alle Küchenutensilien.. O-Ton 11 B. Purtscher also da haben wir nix zu tun, Besteck, Porzellan ist alles nicht von uns, wir räumen unser Zeug weg und die bringen das mit. Und alles koscher, ja ... Sprecher: Sie räumen aus, der israelische Reiseveranstalter räumt ein. So einfach ist das. Bei Glaubens- und Stilfragen hilft der mitreisende Rabbi. Oder seine Chefin. O-Ton 12 B. Purtscher 0.17 33.20 Dann habe ich gefragt, die Frau Feder, wegen grüßen, ja wie grüßen wir jetzt, man ist ja freundlich, wie grüßen wir jetzt: Und da sagt sie, ja wie sie mich begrüßt haben, "Grüß Gott", das ist das höchste für uns, das ist schön. Und so bleibts beim "Grüß Gott". Atmo 11: Lobby / Telefon Sprecher: In der Lobby gestikuliert Hanna Feder am Telefon. Die Mittsechzigerin wechselt vom Jiddischen ins Hebräische, streut ein paar englische Wörter ein. Im Rücken ein Alpengemälde, neben sich eine Engelsstatue. O-Ton 13 Feder 0.15 28.10 In die koschere Market waren wir von die erste Firmas, die haben angefangen so mit Aktivurlaub, dass die Leute kommen und wir erledigen Ausflüge,, so wenn sie kommen an, bis sie fahren weg, haben sie den ganzen Tag Programm. Sprecher: Seit zwanzig Jahren bietet Hanna Feder orthodoxen Pauschal-Urlaub an - ein gutes Geschäft. Feder kommt aus Bnei Brak, einer Stadt nordöstlich von Tel-Aviv. Hier regieren die orthodoxen Juden. Die strenge Auslegung der mehr als 600 jüdischen Ge- und Verbote bestimmen das Leben. Während des Schabbats, des wöchentlichen Feiertags, ruht sogar der Straßenverkehr. Doch auch Glaubensarbeit ist anstrengend: O-Ton 14 Feder 0.14 27.46 Heute die Leute leben mit einem starken Stress. Und zugehen auf Urlaub ist kein Luxus heute, das ist Teil vom Leben, das ist so wie kaufen Brot und Milch .., Sprecher: Vor allem im Sommer wollen die Leute weg, sagt sie. Wenn es in Israel heiß und stickig ist. Da ist Serfaus genau das Richtige: O-Ton 15 Feder 0.15 7.19 Serfaus die Höhe: es muss sein über 1200 Meter hoch, es soll sein kühl, ich schaue an die Küche, ob ich es kann machen getrennt für milchig und fleischig, ob es ist genug groß. Sprecher: Das braucht die Reiseveranstalterin schon: eine große Küche und große Räume. Sonst klappt es nicht mit dem koscheren Essen und dem Beten. Milch und Fleisch dürfen nicht in Berührung kommen und Männer und Frauen müssen getrennt beten. Auch im Wellnessbereich dürfen sich die Geschlechter nicht mischen. In der "Alten Schmiede" ist das alles kein Problem, es passt einfach alles, sagt Hanna Feder. Sie kümmert sich auch um die Lebensmittel-Logistik. Ein Container mit Nahrungsmitteln kommt aus Israel, der Rest wird in England und Belgien zugekauft. Die Tora, die heilige Gebetsrolle, hat sie schon vor Jahren den Purtschers anvertraut O-Ton 16:Feder 0.19 8.07 Die Tora ich lasse schon da von Jahr zu Jahr bleibt es da, im Hotel. Weil es ist kein Respekt von Thora, man soll es nicht hin und hertragen, es muss liegen auf einem Platz, dann ... bleibt es bei einem Jahr bei Frau Purtscher ... das ist schon gute Freundschaft auch, das ist nicht nur business. Atmo 12: Küche / Gang Sprecher: Ein Stockwerk höher sorgt Menachem Schechter für Ordnung. Der 66jährige eilt zwischen Speisesaal und Küche hin und her. Ein kleiner energischer Mann, mit langem grauem Bart, die Kippa auf dem Kopf. Einen Schlüssel am Hosenbund. Auf dem weißen Hemd einen Saucenfleck. Seit sieben Jahren wacht Rabbi Schechter über das leibliche und geistige Wohl der Koscher-Touristen in der Alten Schmiede. Kümmert sich jeden Sommer um Topf und Tora O-Ton 17: Schechter 0.18 18..38 Diese Seite, wo sind wir hier, das ist die milchige Abteilung, wie sie sehen mit dem Käse, der Milch, alles wird hier auf der Seite gemacht und diese Seite von dem Schrank, dort ist die Bäckerei, wir haben hier ... Sprecher: Links die fleischige Küche, rechts die milchige. Zwei Küchen nebeneinander. In einem großem Raum. Alles doppelt ausgestattet. Herde, Spülmaschinen, Geschirr, Besteck. Mal fürs Fleischige, mal fürs Milchige. So wie es vorgeschrieben ist. Schechter blättert im Buffetplan: Auf dem Programm: Vier Sorten Fleisch, vier Beilagen, fünf Salate. O-Ton 18 : Schechter 0.15 10.01 Gibts die Grünzeug. Das braucht man begucken, das kein Wurm ist in die Blätter, wir nehmen jedes Blättle extra und begucken, das nicht sein ein Wurm, Sprecher: Ein Wurm im Salatblatt, das geht gar nicht. Küchenhilfen untersuchen Blatt für Blatt. Bäcker und Koch kommen aus Israel. Die Hilfskräfte aus Ungarn und Rumänien. Sie können koscher kochen. Zumindest wenn Rabbi Schechter aufpasst. O-Ton 19: Schechter 0.12 19.44 Nicht alle sind religiös, er will hier trinken einen Cafe mit Milch, macht er einen Cafe mit Milch und er will reingehen in die fleischige Abteilung, das geht nicht Sprecher: Da blickt der freundliche Rabbi streng durch die Brille. So etwas wird bei ihm nicht vorkommen. O-Ton 20: Schechter 0.18 16.17 Ich brauche sein in die Küche eine ganze Zeit, ich habe keine Zeit herauszugehen in die Gass. Ich bin von ungefähr 6.30 Uhr in der früh bis elf in der Nacht in der Küche, nonstop ... (lacht) Atmo: 14 Dorfbahnstrasse. Sprecher: Zwischen Wanderern in kurzen Hosen laufen Kinder mit Kippa, begleitet von Frauen in langen Gewändern. Josef Schirgi eilt an ihnen vorbei, die Dorfstrasse entlang, da werben "Haus Germania", "Sport Hotel Ideal", "Hotel Rex"mit freien Zimmern. Atmo hochziehen Sprecher: Schirgi winkt mal nach rechts, nickt nach links. Den großen sportlichen Tourismusmanager kennen fast alle hier. Seit Jahren pflegt er das Image der Region Serfaus-Fiss-Ladis. Macht Werbung im Auftrag des Tourismusverbandes. O-Ton 25: Schirgi 0.12 5.30 Wir haben zum Glück auch sehr innovative Leute bei uns und das ist auch ein gewisser Mut da und Etwas Neues zu Probieren und es sind auch Flops erlaubt. Sprecher: Mut zu Neuem zeigen die Vermieter , die sich um die jüdisch-orthodoxen Touristen bemühen, die in die Sommerfrische kommen. Allerdings haben nicht alle ein glückliches Händchen. Vor drei Jahren wird Schirgi ungewollt vom Tourismus-Werber zum Krisenmanager. "Idylle mit braunen Tupfen" titelt die Süddeutsche Zeitung im Reiseteil. "Judenhassergemeinde" schreibt die Neue Presse. O-Ton 27: Schirgi 0.09 15,49 Mit solchen Dingen muss man leben, die Medien schreiben halt schlechte Meldlungen lieber als positive, Sprecher: Eine siebenköpfige jüdisch-orthodoxe Familie wollte Urlaub in Serfaus machen und eine Ferienwohnung buchen. Die war auch frei, aber für Juden nicht zu haben. Schlechte Erfahrungen habe man gemacht mit jüdischen Gästen, schrieben die Vermieter - und diese Botschaft verbreitet sich schneller als jede von Schirgis Presse-Mitteilungen. Der britische Guardian berichtet ebenso wie die italienische Corriere de la Sierra. Das österreichische Tourismusbüro aus New York ruft besorgt in Serfaus an, dann die Kollegen aus Sydney. O-Ton 28: Schirgi 0.16 17.31 Und wir haben natürlich mit dem Vermieter gesprochen, wie ist das vor sich gegangen, wir haben dann recherchiert, wie ist das mit dem Schabbat, auf was muss man aufpassen, bei der Ernährung Sprecher: Denn während des jüdischen Feiertages, dem Schabbat, war etwas schief gelaufen. Was und wie genau - darüber spricht keiner mehr. O-Ton 29: Schirgi 0.14 17. Ich hab mich einfach ein bisschen schlau gemacht, was sind einfach die Gewohnheiten der Gäste .. und da haben sich die Betriebe, die gesagt haben, wir möchten diese Gäste auch bei uns im Haus haben, die müssen sich dann eben auf ein paar Sachen einstellen, damit es für alle Seiten gut funktioniert... Sprecher: Seitdem hat sich die Lage beruhigt, sagt Schirgi. Einige Pensionen vermieten an jüdische Gäste, andere nicht. Weil der Aufwand zu groß ist. Die "Alte Schmiede" ist nach wie vor das einzige Hotel, das im Sommer komplett auf Koscher-Tourismus umstellt. Atmo 15: Rezeption / Lobby Sprecher: Freitag Abend, kurz vor halb sechs. Hanna eilt an der Rezeption vorbei. Der Pressewirbel vor drei Jahren hat ihrem Geschäft nicht geschadet O-Ton 29 0.12 (K?) 11.46 Mir hat das gemacht eine große Reklame. jetzt haben die Leute gehört, es gibt auch Serfaus, man kann auch dorthin fahren, nicht nur nach Davos und St. Moritz, Sprecher: Jetzt will sie auf ihr Zimmer, sich umziehen. Für den Schabbat. Sprecher: Sonja Purtscher blickt auf die Uhr. Der Sonnenuntergang rückt näher. Der Schabbat- Beginn. O-Ton 30 S. Purtscher 12.13 Am interessantesten ist der Schabbat, weil einfach überhaupt nichts gemacht wird. Nix. Die Raucher rauchen keine, es wird kein Auto gefahren, es wird kein Schuhband gebunden, nix, kein Feuer entzündet ... Sprecher: Und kein Lichtschalter betätigt. Denn auch der fällt bei den orthodoxen Gläubigen unter das Feuerverbot. Jetzt wird es Zeit, alles herzurichten. Die Hotelchefin eilt den Flur entlang und sucht Hussein, Sonja Purtscher stoppt vor der Herrentoilette. O-Ton 31 (Vorlauf... ) 0.05 In der Toilette, Tür auf, Tür zu, "Kommst du mal raus ?" ... Sprecher: Hussein kommt heraus. Einen Schraubenzieher in der Hand, einen Gast im Schlepptau. Der Mittdreißiger mit langen Schläfenlocken wirkt unruhig, gestikuliert. Hussein übersetzt. Ein Hemd soll gewaschen werden. Schnell vor dem Schabbat O-Ton 32 0.15 10.46 Hussein:Die Fragen wegen waschen: Gast: Nein, Bügeleisen darf ich nicht Purtscher: , ok, waschen,Gast: jetzt. Purtscher: , na dann, yala, yala, Sprecher: Der Gast sucht schnell das Hemd. Hussein geht wieder auf die Toilette. Greift zum Schraubenzieher. Atmo 17: Gang / Toilette O-Ton 33: Hussein 0.15 11.34 Das sind jetzt Bewegungsmelder, ... am Schabbat, bei denen darf auf keinen Fall mit Bewegung ein Licht ein oder ausgeschaltet werden. Da muss man halt die Anlage ändern für denen. ... Sprecher: Jeden Freitag dasselbe Spiel. Hussein legt die Bewegungsmelder im Hotel still, einen nach dem anderen. Sie fallen unter das Feuerverbot. Dann stellt er das Licht auf Dauerbetrieb. O-Ton 34: Hussein 0.14 12.48 So natürlich nicht nur Licht sondern auch (summ) die Handtrockner, Handtrockner muss man das ausschalten, ratsch patsch, bing, Sprecher: Bewegungsmelder und Handtrockner sind abgestellt, die erste Toilette ist nach fünf Minuten Schabbat-tauglich. Weiter geht es. Zu den nächsten Schaltern. O-Ton 35: Hussein 15.09 ok, (Schritte über Gänge), ... , dauert halt über 24 Stunden, 19.30 vorm essen wird alles ein -oder ausgeschaltet. Und nächste Tag um 23.00 Uhr, 22.30 wird alles wieder normalisiert.. Atmo 18: Schechter / Lobby 8.04 "Guten Abend”, gut Abend. (Rabbi Schechtner) Jetzt geht er alles schön herrichten im Gebetsraum Sprecher: Einen Stock tiefer kümmert sich Rabbi Schechter um die Hotelbar, die jetzt Gebetsraum ist. Langsam kommen die Gläubigen. Viele Männer tragen die traditionelle Pelzmütze. Die Frauen festliche dunkle Röcke, langärmlige Blusen. Die Kinder weiße Hemden, dunkle Hosen und Röcke. Alle gehen in den ersten Stock, zum Abendessen. Danach werden sie beten. Und singen. Atmo 19: Schritte / Hussein 24.00 Schritte, jau das wars, das war die Tour Atmo 20: Terrasse Sprecher: Hussein kommt von der Toiletten-Tour zurück, verstaut das Werkzeug im Büro. Macht es sich auf der Terrasse bequem. Sprecher: Sonja Purtscher kommt dazu. Zündet sich eine Zigarette an. Der Schabbat ist für sie fast so etwas wie ein Ruhetag, sagt sie. Die Gäste beten, kein Telefon klingelt. Der entspannte Höhepunkt der Woche. Den orthodoxen Gästen sei Dank... O-Ton 38: s. Purtscher 0.15 18.49 die sie sind was ganz anderes wie der all-inklusiv-Tourist. Sie kommen rein, es gibt ein Bitte, ein Danke, es gibt ein guten Morgen. Der andere Gast schaut auf die Uhr. Und fragt: Wie lange bekomme ich noch Bier an der Bar, ... ist so ... Sprecher: Die 33 jährige lächelt. Unten auf der Dorfstraße kommen noch einige Touristen von der Liftstation. Die letzten Sonnenstrahlen verschwinden hinter den Bergen. In der Alten Schmiede schieben die jüdisch-orthodoxen Frauen die Ledersessel in der Lobby zusammen. Zeit für ihr Abendgebet. 1 1