COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Nicht mal eine Blaskapelle "Europas größer Heimatverein" in Düsseldorf ist heillos zerstritten Autor Peter Seifert Red. Claus Stephan Rehfeld Sdg. 12.09.2012 - 13.07 Uhr Länge 14.57 Minuten Moderation Halb Düsseldorf lacht sich tot, wie sich dieser Tage 'Europas größter Heimatverein', die Düsseldorfer Jonges, ca. 3.000 Mitglieder, ausgerechnet vor den Feiern zum 80.Gründungsjubiläum, zerfetzt. Vor einem halben Jahr entbrannte der Streit auf Vorstandsebene. Freundschaften zerbrechen seitdem und die (vergebliche) Suche nach einem Notvorstand beschäftigt die Gerichte. Momentan wäre keiner befugt, auch nur eine Blaskapelle zur Jubiläumsfeier zu verpflichten. Ein wirklich buntes Thema, mit dem sich der Autor allerdings kaum beliebt machen würde. Klaus Seifert begab sich dennoch unter die streitenden Parteien. -folgt Script Beitrag- Script Beitrag Autor: Dies ist eine wahre Geschichte von 2.700 Freunden, die sich ‚janz doll', wie man hier im Rheinland sagt, auf den 2. September 2012 gefreut hatten: Da wollten sie ihr 80. Vereinsjubiläum feiern. Im großen Rahmen, mit lokaler Prominenz, mit Altbier, Sang und klingendem Spiel. Doch es kam anders. Plötzlich war ihr Vorstand so zerstritten, dass der Verein nicht mal mehr eine Blaskapelle hätte verpflichten können. - Ein Blick auf die Szene: Das Drama handelt von Freundschaft, Neid und Missgunst, beleidigter Eitelkeit bis zum vermeintlichen Griff in die Kasse. Die Hauptdarsteller sind sieben gestandene Männer mit merkwürdigen Titeln wie Baas, Vizebaas oder Stadtbildpfleger. Irgendwie Einfluss nehmen auch ein besorgter Oberbürgermeister, Manager von namhaften Sponsoren-Firmen und die engagierte Lokalpresse. Praktisch ohne Stimme sind normale Vereinsmitglieder. Und wörtlich genommen: Wie könnten Frauen je Mitglied werden? Der Ort der Handlung ist eine kleine, stets fröhliche ‚Weltstadt': Düsseldorf. Wer verstehen will, wie es zur großen Krise kam, muss den Verein und seine Rituale aus der Nähe anschauen. Das gefühlte Durchschnittsalter liegt bei den Düsseldorfer Jonges deutlich über 60 Jahren. Meist Männer, die es geschafft haben: Handwerksmeister, Freiberufler, mittelständische Unternehmer, bürgerlich, konservativ. Als reiner Männerverein brauchen die Jonges Damen nur bei besonderen Anlässen - zur Dekoration. Nicht untypisch in solchen Populationen sind Hahnenkämpfe um Rang und Würden in einer eigentlich gar nicht mehr wichtigen Hierarchie. JongesLied Ausblenden nach ...Düsseldorfer Jong. Autor: (über Hallengemurmel) Nirgends auf der schönen Welt, mir das Leben so gefällt, als wo ich meine Heimat fand, als ein Düsseldorfer Junge. Dieses Bekenntnis, 1932 gedichtet, holprig übersetzt, befügelte einen Verein mit heute gut zweieinhalb- tausend Mitgliedern. Er ist der wohl größte Heimatverein Europas: Die Düsseldorfer Jonges. Detlef Parr, ExBaas Also, die Düsseldorfer Jonges sind zunächst einmal ein reiner Männerverein. Das ist eine Eigenart, die sowohl postiv als auch negativ sich entwickeln kann. Und er ist ein Verein, der sehr eng mit Düsseldorf (eben) verbunden ist - sozial, kulturell, im Bereich der Geschichte. Ein Heimatverein erster Güte. Autor: ... sagt Detlef Parr, langjähriger Bundestagsabgeordneter, der dem Verein bis zu seinem erzwungenen Rücktritt im Mai vorstand. War er zu naiv, fühlte er sich nur von lauter lieben Jongens umgeben? Detlef Parr, ExBaas Es geht um Geselligkeit, weil man sich natürlich sehr oft trifft. Zumindest ist der Dienstag der Anlaufpunkt: Henkelsaal, Ratinger Straße, Kultmeile Düsseldorfs, da treffen wir uns, und da treffen sich die Tischgemein- schaften und das hat viel mit Geselligkeit zu tun. Autor: Stichwort Tischgemeinschaften. Etwa 400 Mitglieder treffen sich jeden Dienstag bei den Jonges. Die meisten gehören einem ‚Tisch' an. Vereine im Verein, ein Minenfeld. Mit oft niedlichen Namen. Hans Moritz: Hans Moritz: Der älteste Tisch, der bei uns existiert, ist der 2. Löschzug. Gegründet praktisch mit dem Verein, ich glaub im gleichen Jahr, und dann ham wir die nette alde Heere, dann ham wer die Stachelditzes, dann ham mer die Hechte, dann ham mer de Schhlossturm, die Reserve ... Autor: An den 46 Tischen geht es nicht nur um Brauchtumspflege. Gern auch schon mal um hilfreiche Geschäfts- kontakte. Werner Daemann ist seit 1959 dabei. Als Tischbaas kennt er sich aus, und er klärt auf. Im nahen Köln heißen nützliche Netzwerke seit jeher ‚Klüngel'. Heißt das Wort dafür in Düsseldorf ‚Jonges'? Sein Beispiel: Der ‚Jonges Preis'. Werner Daemisch, Tischbaas: Dat typische Beispiel is ja der so jenannte Jonges-Preis. En Haus, beziehungsweise das Ratinger Tor in Düsseldorf wird angestrichen, und das Ganze wird zum Jonges-Preis durchgeführt. Sowas gibt es auch. Der Jonges-Preis ist also for nothing. Das Gleiche gibt es auch, wenn man Gerüste aufstellt für die Düsseldorfer Jonges, dann wird sowas auch bedeutend preiswerter und so weiter. Autor: So weit der freimütige Baas der Tischgemeinschaft ‚De Buhmänner'. Danke! Die Heimatabende verlaufen eigentlich immer harmonisch: Getreu der Zielsetzung tauscht man Lob und Ehren aus. Seinen ersten großen Empfang erlebt der frisch geschossene Schützenkönig bei den Düsseldorfer Jonges, Stichwort Brauchtumspflege: Detlev Parr, im Vorjahr noch Baas: Die Schützen in unserer Stadt sind eine starke Kraft, verwurzelt in einer jahrhundertelangen Tradition - und doch modern. Eine Bürgerbewegung, auf die wir stolz sein dürfen, liebe Jonges. (Beifall, Tusch) Autor: Die Laudatio auf das Königspaar wird auf Düsseldorfer Platt gehalten. Von einem Mann, dem man das vom Namen her eher nicht zugetraut hätte: Mario Tranti. Hier beschreibt er die Spannung vor dem Königsschuss. Mario Tranti, Baas der Mundartfreunde: ... dann kütt bedächtig, nit zu schnell,/ zum Stand der Zierens Michael. / Denn wie lautet sin' Devise: nimm dich Ziet un ziel präzise. / Dat dät de och - da mäkt et Platsch, / un de Plaat fliegt in der Matsch. / Andreas Hofer Kompanie jubelt laut wie lang nit mie: / Unser Hauptmann, der da steht, / is stolze Schützenmajestät. (Beifall / Tusch) Autor: Dies war eine von zwei Veranstaltungen im Jahr, auf denen die Jonges Damen den Zutritt gewähren: Der Schützenqueen und der Karnevalsprinzessin. Die heißt übrigens in jedem Jahr Venetia und ist die ‚Königin des Winterbrauchtums'. Allerdings: ganz frauenfrei sind auch die gewöhnlichen Jongesabende nicht. Wer von seinem Altbierglas aufschaut, der sieht: Das Servicepersonal ist meist erfreulich weiblich. Wo bleibt nun der versprochene Zoff? Er übermannte die Jonges quasi aus heiterem Himmel. Werner Daemann: Was ist passiert? Noch im März 2012 gab's eine Hauptversammlung, wo alles ‚Friede, Freude, Eierkuchen' erschien. Keiner hat etwas geahnt, außer dem Vorstand, der natürlich nichts gesagt hat... Und vier Wochen später treten vier Vorstandsmitglieder zurück! Autor: Damit nahm das Verhängnis seinen Lauf. Werner Daemann: Werner Daemann: Das war natürlich ein Knall, die Presse hat dadrüber geschrieben, und sofort wurde eine Versammlung (in der Altstadt) einberufen ... Der so genannte Baas, also der Präsident des Vereins, hat dann seine Sicht der Dinge vorgetragen. Dies wurde ihm natürlich schwer angekreidet, weil die vier Zurückgetretenen nicht eingeladen waren. Autor: Nach endlosen Sitzungen wurde auch noch der Restvorstand zum Rücktritt genötigt. Damit war der gesamte Vorstand weg und die Düsseldorfer Jonges nicht mehr geschäftsfähig. Die ersehnte glanzvolle Gala zum 80. Vereinsjubiläum war Illusion, weil niemand mehr einen Scheck ausstellen durfte. Und sei es für eine Blaskapelle. Werner Daemann: Also, ein großer Verein mit 2.700 Mitgliedern ohne Vorstand, ohne alles. Nichts klappte da mehr - also vollkommen Schluss, Aus, Ende. Nichts mehr, der Verein hatte nichts mehr. Es konnte keine Rechnung bezahlt werden, es konnte nichts mehr gemacht werden. Autor: Erstaunlich, wie das passieren konnte, obwohl die Jonges jede Menge Juristen, Finanzfachleute und Unternehmensberater in ihren Reihen haben ... Seit Ende Juli hat der Verein einen Notvorstand. Doch selbst der wurde erst im dritten Anlauf vom Amtsgericht eingesetzt. Vorher hatten Gruppen konkurrierende Vorschläge gemacht und sich erst unter gerichtlichem Druck zusammengerauft. Die Notvorstände bereiten nun eine außerordentliche Hauptversammlung vor, auf der den Jonges auch mehrere Kandidaten pro Amt zur Wahl stehen werden. Danach könnte der große Heimatverein wieder Segel setzen. Ob es rheinauf oder abwärts geht, das wird die Zukunft zeigen. Bleibt die Frage nach der Ursache des Streits. In intensiven Gesprächen mit fast allen Beteiligten bleibt unklar, was die Streithähne sich in irgendeiner Sache vorwerfen. Der Angegriffene, Ex Baas Detlef Parr, hat nur Vermutungen anzubieten. Detlef Parr: Materielle Interessen, also auch das kann ich leider nicht ausschließen, weil es natürlich innerhalb der 7bener Vorstandsmannschaft noch beruflich aktive Mitglieder gibt oder gab, die natürlich auch eigene Interessen hatten. Autor: Ohne Beweise klingt das nicht ganz fair. Aber in der Jongeskrise wird schon mal gern ausgeteilt. Der schlimmste Vorwurf betrifft natürlich einen mutmaßlichen Griff in die Vereinskasse. Detlef Parr: Ich habe konkrete Vorwürfe bekommen im Hinblick auf den Umgang mit Geld. Diese Vorwürfe hab ich prüfen lassen von Dritter Seite, sehr genau. Das gesamte Jahr 2011 ist minutiös überprüft worden und an den Vorwürfen ist nichts hängen geblieben. Das waren die einzigen Vorwürfe, die Substanz hatten. Alle anderen Vorwürfe beziehen sich auf mein Verhalten, meinen Führungsstil. Autor: In der Lokalpresse konnte man über die ‚Chorknabenaffäre' lesen. Werner Daemann: Werner Daemann: Wir hatten schon einmal bei den Düsseldorfer Jonges den Knabenchor Hösel. Dieser sollte eine Spende erhalten über 1.300 Euro. Von der Tischgemeinschaft Flimmflämmchen, wo der Baas, Detlef Parr, Mitglied dran ist. Um dieses nun zu beschleunigen, wurde Geld aus der Kasse der Düsseldorfer Jonges genommen, um diese 1.300 Euro diesem - Jugendchor oder Kinderchor zu übergeben. Autor: Ist das nun ein Buchungsfehler oder die nachträgliche Korrektur einer Verfehlung? Werner Daemann: Weil aber der Verein kein Geld normalerweise auszahlt an solche Sachen, wurde dem Detlef Parr das ganze vorgehalten. Die Tischgemeinschaft Flimmflämmchen zahlte daraufhin erneut 1.300 Euro an den Knabenchor. Und der Knabenchor hat vor drei Wochen 1.300 Euro an den Verein zurückbezahlt. Das wird unter anderem auch vorgeworfen. Autor: Erleben wir hier in der Krise der Düsseldorfer Jonges nur Machtspielchen oder - schlimmer noch - postpubertären Infantilismus? Konkret gefragt: Streiten sich hier gestandene Männer wie einst im Sandkasten um ein Schäufelchen? Detzlef Parr: Es kommt alles zusammen, es sind natürlich Machtspielchen. Spätpubertärer Infantilismus, das betrifft im Grunde genommen die Psychologie. Und ich muss sagen: Narzistische Kränkungen waren ja im Grunde genommen auch Auslöser dieser Befindlichkeiten. Insbesondere des Stadtbildpflegers. Der Baas war also zwar der Vorsitzende, aber nicht mehr und nicht weniger. Autor: Bei der Motivsuche kommen wir auf wenig Fakten, kein erkennbares Motiv für den Königsmord, aber viele persönliche Eitelkeiten. Selbstverständlich haben wir den mutmaßlichen Anführer der Vorstandsrevolte, den mehrfach erwähnten Stadtbildpfleger im Vorstandsrang gefragt, ob er sich zur Krise seines Heimatvereins vor dem Mikrofon äußern möchte. Rolf Töpfer hat per eMail geantwortet. Zitat: "Der Sache dienlich ist es m.E., die momentane Entwicklung positiv zu begleiten, damit der Verein in ruhige Fahrwasser zurückkehrt. Deshalb sollte es keine Gegenseiten geben, sondern möglichst viele Beteiligte, die den Jonges helfen, sich aufzustellen. Hierzu möchte ich wenn gewünscht als Mitglied mitwirken, denn mich verbindet nach wie vor viel Herzblut mit dem Verein. Menschliche Auseinandersetzungen sollten hierbei zurückstehen, man sollte souverän die Vereinsziele unterstützen." Zitat Ende. Auch mit dem Notvorstand haben wir gute, informative Gespräche geführt. Wolfgang Rolshoven und Dietmar Schönhoff werden den Verein wohl in eine - zumindest juristisch gesicherte Zukunft führen. Da sie auch selbst für den Vorstand kandidieren, kann man ihnen wie allen Kandidaten nur eine ruhige Hand und viel Erfolg wünschen. Atmo Füchschen Autor, darüber: Abseits der Führungsebene ist das Vereinsleben der Düsseldorfer Jonges kaum gestört. Hier, beim Altbier in einer beliebten Hausbrauerei, nur ein paar Schritte bis zum Sitzungssal, hat die Tischgemeinschaft ‚De Buhmänner' für jeden Dienstag einen Stammtisch reserviert. Zun Vorglühen würden die ganz Jungen sagen. Wie sehen Sie, entspannt beim Bier, die Krise ihres Vereins? Tischfreund: Es wird viel geredet und nix ist dahinter. Einige Leute wollen sich profilieren. Ich halt mich da in der Sache ganz raus. Dat is das Beste, was man machen kann. Autor: Und als Rheinländer hat man bekanntlich ‚die Ruhe weg'. Tischfreund: Ich bin Düsseldorfer, ... als Düsseldorfer muss man dabei sein. Dat gehört sich so ... um auch mitreden zu können ... als Düsseldorfer ist man bei de Jungs. Autor: Darauf noch eine Runde vom leckeren Altbier. De Buhmänner prosten sich zu, rufen: HaBu... Was auch immer das bedeuten soll. O-Ton: ... Wir danken unserem Werner für die Runde... HaBu, HaBu, HaBu ... Das sind die Buhmänner. -ENDE Beitrag- - 2 -