Deutschlandradio Kultur Länderreport Kleine sächsische Sprachgeschichte - Oder: Warum die da so anders sprechen - Autor Matthias Biskupek Red. Claus Stephan Rehfeld Sdg. 20.05.2010 - 13.07 Uhr Länge 19'01" Regie Roswitha Graf Sprecher Matthias Biskupek / Olaf Oehlstrom Moderation Erst siechte der Sozialismus. Nun siecht der Kapitalismus. Das Sächsische ist die Sprache der Siecher. Die Feinheiten des Sächsischen - oft entgehen sie dem Ohr des Unkundigen. Das klangschöne erschließt sich ihm nicht, die wurschdsche Sprache als Überbleibsel der polnisch-sächsischen Liason erkennt er nicht. Schnell wird übersehen: Sächsisch ist die echte Mittlersprache zwischen Ober- und Niederdeutsch, zwischen germanisch und sla- wisch. Somit steht also die Import-Export-Nation Sachsen für sprachliche Zu- und Ab- wanderung. Fertsch! Jedenfalls die Anmoderation, den längeren Rest teilt uns nun Mathi- as Biskupek mit. -folgt Script Beitrag- Script Beitrag M 01 Ladein un grieschisch gansde lern un wär de Geschend noch so fern un wär es gar im Land der Wildn Da gannsde dir deine Sprache bildn Mit Pillman, Ploetz und Langenscheidt (Sächsische Hymne, Hans Reimann singt) AUT Herr Reimann, ein Sachse. M02 Und haste nisch genieschend Zeit Dann rat isch dir in aller Güte Nimm Ullsteins Worte in der Tüte Doch keiner, mag er noch so ring' wird dausend Worde sächsisch bring. AUT Die sächsische Hymne, halb hochdeutsch. M03 Ja mir hab'm schon manchen so erschreckt Dasser wie dod zusammenbrach Denn unsern sächs'schen Dialekt, Den macht uns keiner nach. AUT Auch Hans Reimann kann man nicht kopieren. Der gebürtige Leipziger und Sprach-Papst fühlte und wusste, wie diese eigenständige Sprache, der immer eine eigenständige Denk- weise innewohnt, zwischen Feinsinn und Grobheit pendelt. Das hat mit der verwickelten sächsischen Geschichte zu tun. E 01 (Frau) "Ich duu ooch immer erschd frachn: Was däde denne meine Oma daderzu gesaacht hamm?" AUT Sachsen gelten, wie andere deutsche Stämme, als Fußkranke der Völkerwanderung. Irgendwann blieben sie im Gebiet der Mark Meißen einfach sitzen, also rechts und links der Elbe, wo sie lieblich plätschert. In sanft auf- und absteigender Landschaft. E 02 (Frau) "Desderwechn simmir melodisch, manche sagen ja: mir singen, besonder wemmer aus Drädsn sinn." AUT Zu lokalen Besonderheiten später. Wir sind bei der Ur- und Frühgeschichte unserer Sprach- werdung. Im Gebiet des heutigen Sachsen, bis weit westlich der Saale und hinauf gen Norden, ein- schließlich Berlin, was so gesehen ursächsisch ist, siedelten vom 5. bis 12. Jahrhundert slawi- sche Stämme. Sorben oder Wenden, Milzener, Lutizen, wie sie alle hießen. Die hatte eben- falls die Völkerwanderung hier zurückgelassen. Wer durch sächsische Lande fährt, merkt das bis heute. SPR "Albritz, Ainitzsch, Aberwitz; Bannewitz und Bobritzsch; Chemnitz, Colditz, Crimmitschau; Dennheritz und Doberschütz; Kötzschenbroda, Limmritz, Lommatzsch; Malschwitz, Motzen, Mutzschen-Miltitz; Oberlungwitz, Niederwürschnitz; Pretzschen, Praatzsch und Pratzewitz; Potschappel und Oschatz, Radibor und Räckelwitz; Weischlitz, Wilsdruff, Wurzen; Zschadraß, Zschopau, Zwenkau-Zschachwitz. AUT Zugewanderte und Einheimische siedelten zunächst neben-, später miteinander. Deutschneu- dorf oder Windischengasse zeugen bis heute davon. Doch irgendwann hatte die deutsche Sprache gesiegt, beziehungsweise jene merkwürdigen Verständigungsrufe, die bis heute den Sachsen kennzeichnen. E 03 (Frau) "Oorr nee! - Escha. - Noor? - Gloobbsch ni! - Euja! - Ei entschuldschense. - Nu... - Er verbibbsch. - Gusche!! - Ruischsch! AUT Sie hören, besonders an den Zischlauten, die Verwandtschaft zum Slawischen? Es musste erst ein großer Sachse kommen und die deutsche Schriftsprache weltweit einführen. Dazu bediente er sich des Meißner Kanzleideutschs, in das er die lateinische Bibel übertrug. Martin Luther. E 04 (Frau): "Ludder war ä Düringer. Oder ä Anhaldiner. Von Eisenach oder Eislähm." AUT Da sind wir beim Lokalproblem. Man kann sächsisch weder als Gebirgsdialekt, noch als Spra- che der sumpfigen Ebenen charakterisieren. Sächsisch erstreckt sich viel weiter, als das Bundesland Sachsen, auch wenn man in Thüringen, Halle oder Wittenberg das nicht wahr- haben möchte. E 05 (Frau) "Daderbei leiden die, wenn der Berliner oder der Wessi alle in een Dobb steggd. Für de Berliner is alles underhalb von Könichswusterhausen sächsisch und für die Wessis alles, was mah DDR war." AUT Einigen wir uns wissenschaftlich: Da gibt es das Thüringisch-Obersächsisch beziehungsweise das Ostmitteldeutsch. Und das wiederum wird eingeteilt in Werra-Saale-Dialekte, in Elbe- Neisse-Dialekte, in Obere-Elbe-Dialekte ... E 06 (Frau) Mei sächsisch duhsch da aber ni finden. AUT Das ist das Problem, bzw. wir hören hier schon anschaulich ein Sprach-Bau-Problem: der Sachse umschreibt gern mit to do, wie wir es im internationalen Englisch formulieren. E 07 (Frau) Mir duhn machen. Mir duhn frachn. Mir duhn an der Däte duten. AUT Wir tun uns jetzt beeilen bei der Sprachwerdung. Luther nutzte Meißner Kanzleideutsch zur Bibelübersetzung. Mitteldeutschland lag damals wirklich in der Mitte Deutschlands. Handel und Wanderungen zogen durch. So gelangte unsere Schriftsprache von Sachsen aus in alle Himmelsrichtungen, rauf und runter, rüber und nüber. Aus dem Sächsischen wurde die hochdeutsche Schriftsprache. E 08 (Frau) Nur dass die alles egah annders aussprechn duhn. AUT Richtig. Der Sachse hat die Angewohnheit, zusammenzuziehen, oder auf sächsisch: zamm- mährn: "Haben wir" heißt: E 09 (Frau) Hammer AUT "Bleiben wir" heißt E 10 (Frau) Bleimer AUT Mit den Vokalen treibt er Schindluder. Es gibt kein reines A, E, I, O oder U, sondern vor allem Diphtonge. Der sächssche Diphtong weht ieberall gans samfd dursch unsre Schbroache. E 11 (Frau) Aber mantschemah o ni. De Schborgasse is ähm keene Schborgosse und ooch geene Schbaarkasse. Daderdran merken mir, wenn uns eener nachmachen will. An der Schborgas- se. AUT Allerdings gibt es auch starke Vokal-Veränderungen. Zum Beispiel im Erzgebirgischen. E 12 (Frau) Wo de Hasen Hosen haaßen und de Hosen Husen haaßn. AUT Ich übersetze: Wo die Hasen, also die Mümmelmänner, Hosen heißen und die Hosen, also die untere Oberbekleidung, Husen genannt werden. E 13 (Frau) Saach isch doch?: Wo de Hasen Hosen haßn und de Hosen Husen haßn. Das gieht zängsdängeläng. AUT Wenn wir einmal dabei sind: Zengstdengeleng ist hart an der Grenze des Sächsischen an- gesiedelt, manche kennen dieses Wort gar nicht, obwohl es von "Ende", "zengst", kommt. Die Straße entlang, die Straße zengsthin. Die Straße immer in einer Richtung, zengstdengeleng. E 14 (Frau) Das giehd zengstdingenunner, zengsdinnenauf, immer zengstdingerim. AUT Wir merken "zengsdingerim", zu deutsch: allseitig. Hosen haßn Husen, das zeigt sprachliche Nähe zu Bayern und Böhmen, wodurch sich sächsisch wieder mal als echte Mittlersprache zeigt. Der Sachse ist der geborene Anpasser nach allen Seiten und Himmelsrichtungen. E 15 (Frau) Desderwechn versuchmer ooch pesonters fein zu reeten, und saachenn Karasche fir de Audomobilhüdde und Tuschen fürs Saubermachen under dor Brause und Anektote für Anektote. AUT Weshalb der Sachse bis heute von anderen deutschen Mundart-Sprechern verspottet wird. Angeblich pflegt er den unbeliebtesten Dialekt zwischen Nordsee und Alpen. Was politisch- historische Ursachen hat. E 16 (Ulbricht, sächselnd) Aber indem sie jetzt den Zusammenschluß in landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften, der vor acht Jahren begann, beendet haben, eröffnen sich für die Bauernschaft der Deutschen Demokratischen Republik die großen Perspektiven des stetig wachsenden materiellen und kulturellen Wohlstandes. AUT Nein, das hat viel früher begonnen. Noch Ende des 18. Jahrhunderts galt besonders die Leip- ziger Sprache als edel. Ist durch Goethe bezeugt. Der schämte sich für sein hessisches Ge- babbel im feinen Leipzig. Doch kaum hundert Jahre später konnte der Dichter Grillparzer, ein Österreicher, über uns Sachsen behaupten: SPE Die Sprache dieser Leute beleidigt mein Ohr. Sie hören sich an, als ob Frösche quaken. E 16 (Frau) So ä Gwoarg. Mir machen de Gusche uff, unn duhn de Schbroache rausloofn lassn. Ä Frosch im Dimbl däde sich daderbei dauernd verschluggn. AUT Sachsen haben die Angewohnheit, ständig dazwischenzuquaken. Die phonetischen und mor- phologischen Feinheiten des Sächsischen sind noch gar nicht an der Reihe. Wir waren beim unbeliebten sächsischen Dialekt stehen geblieben. Sachsens Glanz und Preußens Gloria, das bestimmte die Politik im zentralen Europa des 18. Jahrhunderts. Kurfürst August hatte sich die polnische Krone aufgesetzt - die innige Ver- bindung des Sächsischen zum Polnischen kam mithin politisch zum Ausdruck. Das ließ später Friedrich Zwo im verfeindeten Preußen nicht ruhen. Er zog mit seinen Armeen während des Siebenjährigen Kriegs so oft durch das immer wieder aufblühende Sachsen, bis die Sachsen vergebliche Arbeit auf ihre Weise kommentierten: E 17 (Frau) Duhn mir das fiern Aldn Friddsn machen?! AUT Preußens Gloria triumphierte über Sachsens Glanz. Die einst beliebte sächsische Vorbild- sprache wurde zur verlachten Verlierersprache. So fühlt sich der Sachse bis heute unter frem- den Dialekten unwohl. Und pflegt seine Definition von Heimat: E 18 (Frau) Heimad is dord, wo de säggssch redn gannsd - unn geener lachd AUT In westdeutschen Landen passt sich der Sachse an. Bloß nicht sächseln, nicht in Düsseldorf und nicht in höheren Positionen. 1990 erschien in einer Dresdner Tageszeitung diese An- zeige: SPR Sächsischer Dialekt in der freien Marktwirtschaft? Undenkbar! Nehmen Sie Sprachunterricht. AUT Doch auch die Literatur hatte ihren Anteil am Abstieg des Sächsischen von der Hochsprache zum Dummbatz-Dialekt. Während der Zeit des Biedermeier trat ein Herr Fritz Bliemchen in Glossen und Humoresken auf, ein waschechter und spießbürgerlicher Sachse. Das Zentral- organ solcher Geschichten war "Die Gartenlaube", eine Zeitschrift, die bezeichnenderweise in Leipzig herausgegeben wurde. Offensichtlich neigt der Sachse zum Masochismus. E 19 (Frau) So ä Word dädn mir Masoschismus aussprechen,w eil mir Fremdwörter gerne hamm. Die driggn mir an unsre Brusd. Mir sachn fier uns selber fischelant. AUT Gemeint ist wendig, was vom französischen vigilant kommt. So wie in Leipzig einst die Mütter ihre Töchter warnten: E 20 (Frau) Mach mir ja geene Fisematentschen?! AUT Was seinen Ursprung in der Aufforderung der napoleonischen Besatzungssoldaten an die einheimischen Mädchen hatte: "Visitez ma tente - besuchen Sie mein Zelt". E 21 (Frau) Fisematentschen ehmd. Abor was mir mit der italjänschen Sprache veranstaldn gönn: Mir gehen in de Draddooorja, und brilln: Zweemah Bruschedda unn dann noch Gnoddschi und ännen ladde madschaahdo! AUT Was wiederum von fast willenloser Anpassung des sächsischen Dialekts an die jeweils herrschenden Verhältnisse zeugt. Ich wollte eigentlich jetzt zum Beginn des zwanzigsten Jahr- hundert kommen, der Blütezeit von Sachsenfremd- und -Selbstverspottung in Kabaretts, oder, wie man in Sachsen sagt: Im Gabareeh. Doch weil mir hier bei jeder Unterbrechung meines Gedankenganges die Grundregel der sächsischen Sprache ins Ohr tönt, mag die hier stehen: E 22 (Frau) De Weeschn besiechen de Hardn! AUT Weil harte Konsonanten wie P oder K oder T zur korrekten Aussprache ein winziges H be- nötigen, eine Behauchung, der Sachse solches aber, vermutlich aus ganz pragmatischen Ein- sparungsgründen, verschmäht, muss er aus harten Konsonanten samt und sonders weiche machen. E 23 (Frau) Bei uns is de Babbe uns Babbier ehmd weesch. Unn wemmer so richdsch gabudd is, muss mer das ehmd weesch aussprechn: gabudd. Und wemmer eemah in de Gisde hubbm missn, isses ooch scheener, wenn se weesch is. Gisde. Nur bei der Karasche bleim mir harde, wie ich ja pereiz zur Erwähnung pringen gonnde. AUT Sinn se ferdsch!? E 24 (Frau) Ferdsch binsch noch lange nich. Genn Sie die scheene Geschichte mit der Lehm, die Lehm, das Lehm? AUT Ich weiß. Der Sachse spricht "der Lehm", "die Löwen" und "das Leben" alles gleich aus. E 25 Nu. Der Lehm, die Lehm, das Lähm. AUT Darf ich wieder zur Wissenschaft kommen? Obwohl doch das Sächsische Grundlage der Schriftsprache ist, steht der Sachse bis heute mit der Orthographie auf Kriegsfuß. Im Deutschen Reich galten Rechtschreibleistungen im Landkreis Rochlitz als besonders schlecht. Dieser Kreis liegt exakt zwischen den großen sächsischen Sprachzentren Dresden, Chemnitz und Leipzig. Wie soll man als Sachse aber auch das glorreiche "Siegen" und das Kränkeln, das "Siechen" sprachlich unterscheiden? E 26 (Frau) Mir duhn immer siechen. Weil mir uff der Seide der Siecher stehn. Dor Gumbel ausm Schachde griechd! Gliggauf, dor Sozschalismuss siechd!! AUT Wir sind im zwanzigsten Jahrhundert angelangt, als das Kabarett der Zentren München und Berlin sich eine Zielscheibe dazwischen suchte. Die Sachsen. Und immer wieder auf unsrer wunderschönen Mittlersprache zwischen Ober- und Niederdeutsch rumhackte. Alle haben sich dran beteiligt: Der Berliner Tucholsky, der preußische Münchner Erich Mühsam, der Magde- burger Erich Weinert und vor allem die Sachsen Erich Kästner, Joachim Ringelnatz und natür- lich Lene Voigt. SPR Sächs'sches Ginsdlrblud Scheen isses, wenn een de Muhsen Manchesma freindlich umschmuhsn Midd ihre Geddrgesichdr, (So was gennd ähmd bloß ä Dischdr) (Quelle: Das große Lene Voigt Buch, Hrsg. von M. und W.U. Schütte, Sachsenbuch, Leipzig, 1991) AUT Das ist das Seltsame an dieser Sprache. Alle deutsche Welt ließe den Pegasus in die Lüfte springen, beim Sachsen hubbd er. De Bimml ist keine Glocke sondern die Straßenbahn. Ä Späggdäggl bezeichnet die gute alte Schirmmütze und der Nischl ist der Kopf darunter. Die sächsische Lexik hält Überraschungen bereit, wo man sich, wie in Fremdsprachen, schnell falsche Freunde einhandelt. Zwischen "gäägsch" und "Gaggsch" sind die hörbaren Unterschiede gering: "gäägsch" bezeichnet aber blass, farblos, und "ä Gaggsch" ist ein feiner Spaß unter Freunden. Kenner und Liebhaber der sächsischen Sprache umschreiben be- sondere Wörter: E 27 CD 2 (die einzelnen Abschnitten müssen nach den angegebenen Sekunden innerhalb des Takes - Gesamtlänge 3,40 min - geschnitten werden) Dambern, das bedeutet, das ma ehm noch ä bissl ausdaudld Buuzln - buuzln ist nämlich wemmer früh, wemmer noch ä bissl Zeit hat oder ooch wemmer keene Zeit hadd, mer will noch nich rischdsch uffstehn unn mal will äh bissl liegen bleiben, sich noch mah rumdrehn, bissl einhuschln - so. Ffür jemanden, der sehr schnell fährt, das nennt sich dann schlaazn - der is widder in de Kur- ve geschlaazt. Kliddscher - Kliddscher sinn faktisch eine Delikatesse aus geriebener Kartoffel, gebroaten. Dann gibt's ja noch de Fußbank, die in Sachsen Hiddsche heeßd, dann hammern Asch, der eichendlich nur da is , de Wäsche einzeweischn. Und zum Wischn in der Wohnung nimmt mer ja den Hader, den Scheuerhader. De Bäbe, das is ä Sandkuchen und wird geschrieben babbsches B, A, Binkl Binkl drieber, babbsches B, E. Jemand, der sich ni guud benimmd, oder der sich schlechd benimmd also, is ä Luumich. Bäbenäbbl --- Sandkasten ä Kinderspielzeug, änne Sandkasdnform - Bäbenäbbl. Didschn - wenn - ja Guchn oder auch Bröddschn in dän Gaffee reingedidschd wird, rein- gesteckt wird, dann sachd man dazu: Wir diddschn heude. AUT Richtig in die Haare können sich die verschiedenen Sachsen-Arten kommen, wenn sie auf ihr sprachliches Singsang angesprochen werden. Singen duhn immer die andern. E 28 Also ich würde behaubdn, de Dresdner sing' ni so stark. Die Düringer die sing' ja ganz stark. Ich finde, je weider du rüber gehst nach Leipzig, Chemnidds, um so mehr wird gesung. AUT Schon werden regionale und mentale Unterschiede hörbar. Jeder Sachse besteht auf seinem ganz persönlichen Singsang, seiner eigenen Sprachschlud- rigkeit und seinem individuellen Wortschatz. Um Leipzig herum beschwören die Leute, dass der Marienkäfer in Wirklichkeit "Motschekiebchn" heißt. Einige Kilometer weiter gen Süden heißt er aber "Himmelmiezl". "Bemme" und "Gelumbe" für Brotscheibe und Krimskrams sollten längst Weltkulturerbe sein. Verweisen wir noch auf eine weitere der vielen grammatischen Be- sonderheiten. Der Bach ist in südmeißnischen Teilen Sachsens weiblich. Also E 29 (Frau) De Bach. AUT Eine typische Adverbialbestimmung, also eine Umstandsbestimmung des Ortes lautet auf sächsisch folglich: E 30 (Frau) Gehma bei de Bach. AUT Nun müssen Sie sich nur noch vorstellen, dass große Geister der Vergangenheit so gespro- chen haben sollen. Der eben erwähnte Bach, Johann Sebastian. Richard Wagner, Leipziger, in Dresden aufgewachsen. Oder Lessing, Leibniz, Fichte, Nietzsche. Gottfried Silbermann und Ludwig Renn. Clara Zetkin und Clara Schumann. Karl May! Die edle Wilde, die rote Squaw spricht in sächsischer Anmutung: E 31 (Frau) Huoch! Mir hamm geschbrochn! AUT Kaum zu glauben, dass der Sachse mit solcher Sprache je ungemütlich werden kann. Dabei charakterisieren ihn drei Adjektive umfassend: E 32 Frau) Helle, heeflich, heemdüggsch! AUT Und wer das nicht glaubt, mag zum guten Schluss Erich Kästner hören, dargeboten vom Kabarett academixer im Jahre 1984: Als einer mal über den Dialekt lachte: E 33 Wir sinn nich so gemiedlich, wie wir schprechen. (Gelächter) Wir hamm, wenns sein muß, Dinnamit im Bluhd. (Gelächter) Da kennse Gift droff nähm, daß wir uns rächen! Na, Ihr Gesichtde merkt sich ja ganz gud. (Gelächter) Wir wärn Ihn' schon noch mal de Knochen brechn. (Gelächter) Nur Muhd! (LP Dr Saggse - Mänsch und Miedos, Seite 1, Take 2) -ENDE Beitrag- 1