COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur / Die Reportage Titel: Unter Bayern - Asylbewerber in der bayerischen Provinz Autor: Ernst-Ludwig von Aster ________________________________________________________________ Geräusch-take Büro: 1´00 Schmidt/Yussuf im Gespräch "Gibt es einen Brief ? " "Nein es gibt keine Post ... " Sprecher: Geduldig wartet Yussuf vor dem Schreibtisch. Johann Schmidt blättert in einem Stapel Unterlagen, schüttelt energisch den Kopf. Nein, es gibt keine Post. Seit drei Tagen schon nicht. Für das Asylbewerberheim Schöllnstein, Postleitzahl 94547, Niederbayern. Yussuf nickt resigniert, verlässt das Büro. Geräusch-take hoch: "So jetzt muss ich zuerst Lebensmittel ausgeben", Telefon klingelt Sprecher: Das Telefon auf den Schreibtisch klingelt. Hausmeister Schmidt nimmt ab. "Nein, die Chefin ist noch nicht da", sagt er. Er wird Bescheid geben, wenn sie kommt. Der hagere 57jährige mit den blitzenden Goldzähnen blickt auf die Uhr. Greift zu Schlüssel und Lederjacke. Es ist halb zehn. Noch 30 Minuten bleiben bis zur Lebensmittelausgabe. Geräusch-take: Schritte über Hof 0.38 Ich habe die Hälfte vorbereitet, ich muss noch Fleisch und so machen, und dann um zehn geht es los, dann kommen die Leute alle" Geräusch-take Hof-Atmo 3.00 Sprecher: Johann Schmidt eilt über den Hof. Links ein einstöckiges Appartementhaus mit 55 Bewohnern, rechts eins mit 28. Weiße Wände, schwere Holztreppen. Am Ende eine alte Scheune, heute Garage und Lagerschuppen. Auf dem Dach funkeln Solarzellen in der Wintersonne. Daneben eine Satelllitenschüssel. Geräusch-take: Schritte über Hof 0.58 Geräusch-take Hof-Atmo 3.00 Sprecher: An den Pfeilern einer schweren Holztrepppe rostet ein Münzfernsprecher. Aus D- Mark Zeiten. "Polizei 110", "Feuerwehr 112", "Rotes Kreuz 1922" informiert ein vergilbter Zettel. Schmidt bleibt stehen, schüttelt missmutig den Kopf. Vor Wohnung Nummer 2 brennt das Außenlicht. Der Hausmeister rüttelt an der Türklinke. Take 1: 0.16 5.39 Tschirmari komm bitte: Die ganze Woche sage ich euch, das Licht brennt die ganze Nacht. Warum ? Schraube ich das weg. Sie haben dann Außenlicht keine. Wissen sie, was das kostet? Sprecher: Johann Schmidt, Ende 50, geboren in Kasachstan, Spätaussiedler, deutscher Staatsbürger, angestellt bei der niederbayerischen Gemeinde Deggendorf, schimpft. Tschimari geboren in Afghanistan, Mitte 20, geflohen aus Kabul, Asylbewerber in Niederbayern, seit vier Monaten im Örtchen Schöllnstein, nickt verschlafen. Take 2 0.12 5.39 ... Sie haben kein Verständnis. Die ganze Woche, zwei, dreimal die Woche komme ich und sage: ausschalten, ausschalten, bitte, bitte, wie oft muss ich das sagen. Sie sind alles erwachsene Personen, das gibt's doch nicht.. Sprecher: Tschimari nickt, flüstert "okay". Schaltet das Licht aus. Und schließt die Haustür. Johann Schmidt schüttelt den Kopf. Und ahnt schon, das er morgen wieder schimpfen muss. Geräusch-take hoch Sprecher: Seit gut eineinhalb Jahren sorgt Johann Schmidt für Ordnung in dem Asylbewerberheim Schöllnstein. So eine Gemeinschaftsunterkunft soll in Bayern Zitat, "die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland zur fördern". So steht es in der "Verordnung zur Durchführung des Asylverfahrensgesetzes". In Schöllnstein bedeuted das: 80 Asylbewerber leben oben auf dem Hügel. Und unten, im idyllisch gelegenen Dorf zwischen Donau und bayerischem Wald, wohnen knapp 70 Niederbayern. Geräusch-take: Schlüssel /Kühlraum 1.13 Geräusch-take: Kühlraum / Packen 1.35 Sprecher: Schmidt fingert einen Schlüssel aus der dicken braunen Lederjacke, öffnet eine schwere Holztür. Dahinter surrren große Kühltruhen. Brot, Obst und Gemüse stapeln sich in den Regalen. Der Hausmeister greift zu einer großen grauen Plastikkiste. Studiert den blauen Zettel an der Seite: Eine Lebensmittel-Bestellliste. Auszufüllen von jedem Asylbewerber. Take 3 0.10 0.102/ 1.36 Das müssen wir alles auseinandersortieren, jedes ist 20,30 Kilo. Familien, 5 Stück, das ist alles komplett, ... , Sprecher: Rindfleisch, Lammfleisch, Hühnerfleisch, Nudeln, Gemüse, Tee, Brötchen - zweimal die Woche rollt ein LKW auf den Hof. Bringt Nachschub fürs Asylbewerberheim. Denn unten im Ort gibt es nichts zu kaufen. Geräusch-take: Hof / Lebensmittel-Ausgabe 1.30 Sprecher: Nach und nach öffnen sich die Türen. Abdi, Ibrahim, Aleksander, Gulao, Katarina, und Yussuf gehen zur Lebensmittelausgabe. Unterhalten sich auf Afghanisch, in verschiedenen afrikanischen Sprachen, auf Russisch. Mohammad wartet in Jogging- Anzug und Badelatschen auf seine Nahrungsration. Take 4 5.00 This is he biggest problem is ... Sprecher drüber Sprecher: "Das größte Problem ist, dass es hier keinen Dolmetscher gibt", sagt der 19jährige Afghane. "Wir können doch kein Deutsch". Er ist einer der wenigen, die Englisch sprechen. Das versteht im Dorf aber auch kaum jemand. Geräusch-take hochziehen Sprecher: Johann Schmidt schiebt eine Kiste nach der anderen über den Tresen, jeder Asylbewerber quittiert den Empfang. Take 5: "Morgen", das ist deine: Sprecher: Mohammad unterschreibt, packt seine Kiste, schleppt sie zur Wohnung Nummer drei. Die liegt nur ein paar Schritte entfernt. Geräusch-take: Appartement 1.09 Take: 6 6.58 Schritte rein // This us about five people here ... . In one room here is a family, he has 3 child, there are all living in one room Sprecher drüber Sprecher: "Wir leben hier zu fünft", sagt der 19jährige. In einem kleinen Vorraum stapeln sich Lebensmittel, neben Elektroherd und Kühlschrank. Take 7 Nachlauf 0.40 8.01 All have kitchen like this. This is a little cultural we all together eat, this 5 people eat together, we cook together.. Sprecher drüber: Sprecher: "Wir kochen und essen zusammen", erzählt Mohammad. Das gehört bei uns in Afghanistan zur Kultur". Neugierig blicken seine Mitbewohner um die Ecke, aus dem Wohnzimmer, das gleichzeitig ihr Schlafzimmer ist. Geräusch-take Sprecher: Durch eine große Panoramscheibe fällt der Blick auf den niederbayerischen Wald. Weiße Wände, helles Laminat. Fünf Betten, daneben metallgraue Kleiderspinde. In der Mitte des Raumes ein Esstisch. Vor der Panoramscheibe flimmert ein kleiner Fernseher. Obendrauf hockt Snoopy als Plüschtier. Geräusch-take: Afghanisches TV 1.40 Sprecher: Musik und Nachrichten aus Afghanistan flimmern über den Bildschirm. Per Satellit. Tag und Nacht. Bombenanschläge in Kabul, Masar-i-Scharif und Kandahar. Rückzug der internationalen Schutz-Truppen bis 2014. Die jungen Männer sitzen auf den Betten. Im Vordergrund Afghanistan. Im Hintergrund der bayerische Wald. Take 8 / Übersetzung 14.41 They grew up in big cities ... But it is so difficult Übersetzung: Sie sind alle in großen Städten aufgewachsen. In Kabul, in Afghanistan, in Peschawar in Pakistan. Da leben Millionen Menschen. Und nun sitzen wir hier in einem kleinen Ort mit gerade mal 7 oder 8 Häusern. Hier gibt es nichts zu tun. Gar nichts. Wir schlafen und essen. Manchmal spielen wir Karten. Das ist alles sehr schwierig Sprecher: Immer mehr Männer kommen herein, wollen ihre Geschichte erzählen. Mohammad soll übersetzen. Wie immer. Der 19jährige winkt ab. Fasst lieber zusammen. Geräusch-take :Raum / Afghanisches Durcheinander 1.33 Take 9 45.18 From all of us ... .,,,we need acitivities. . Sprecher drüber Sprecher: "Wir alle fordern die deutsche Regierung auf, uns von hier wegzubringen", sagt Mohammad, "irgendwohin in die Nähe einer Stadt. Wo wir etwas machen können. Arbeiten oder Sport treiben". Doch seit eineinhalb Jahren passiert nichts. Geräusch-take: Hof / Schritte 0.40 Geräusch-take Hof 3.00 Sprecher: Draussen eilt Gabi Stark über den Hof, die Outdoorjacke bis oben zugeknöpft. Seit fast 30 Jahren leitet sie in Niederbayern Asylbewerber-Unterkünfte. Schöllnstein ist ihre letzte Station vor der Rente. Und für sie eine der schönsten. Take 10 18 0.29 Das Panorama ist ja traumhaft, unten die Ortschaft, das Heim liegt sehr schön, im Sommer ist natürlich herrlich, für Kinder, der Spielplatz vor der Tür, Fahhradfahren, schaukeln, für Kinder ist ideal ... Sprecher: ... und vom Nebenhügel leuchtet das goldene Kreuz der Barockkirche "Maria Heimsuchung", das Dorf liegt schläfrig im Tal. Schöllnstein - Ein Postkartenpanorama. Doch selbst für Erholungsfreunde liegt der Ort zu weit abgelegen. Kaum ein Tourist verirrt sich in den vergangenen Jahren hierher - trotz Ferienwohnanlage. Nur der bayerische Staat sorgt gelegentlich für Kundschaft. Quartiert erst DDR-Flüchtlinge ein, dann Spätaussiedler. Zuletzt Asylbewerber. Die aber, davon ist auch Heimleiterin Stark überzeugt, sind eigentlich in einer Stadt viel besser aufgehoben. Take 11 14.52 Natürlich, weil die Leute dann besser integriert werden können in der Stadt, darum wenn eine Möglichkeit besteht, bin ich mir ganz sicher, wird das Heim zugemacht. Aber es muss dann andere Häuser geben ... . Sprecher: Doch die gibt es nicht. In Niederbayern. Wo eine neue Unterkunft aufgemacht werden soll, protestiert die Bevölkerung. Schon eineinhalb Jahre leben deshalb 70 Niederbayern neben 80 Asylbewerbern. In einem winzigen Ort. Wo man sich nicht aus dem Weg gehen kann. Spannungen aber, sagt Gabi Stark, gibt es nicht. Take 12 22 1.41 Die Dorfbewohner sind nett zu den Leuten hier. Die wissen, das hier nix passiert. Wie es früher geheißen hat, mein Gott, wenn der Asylbewerber jetzt da ist, dann wird geklaut, das stimmt überhaupt nicht. Geräusch-take: Schritte bergab / Dorf- und Landatmo 1.10 Sprecher: Gut 200 Meter bergab sind es bis zum Ortskern. Ein paar Dutzend Häuser. Einige frisch renoviert, andere hätten es nötig. Ein paar stehen leer. Keine Straßennamen. Kein Laden. Kein Arzt. Eine Bushaltestelle. Auf dem Holzständer mit amtlichen Bekanntmachungen wächst eine dicke grüne Moosschicht. Geräusch-take hochziehen Sprecher: Vor Haus Nummer 15 parkt ein alter Traktor. Das Küchenfenster steht offen, gibt den Blick frei auf schwere alte Holzbalken, die sich unter der Decke entlangziehen. Geräusch-take: alte Dielen knarren, Küche, Standuhr 1.50 Sprecher: Johann Schadenfroh füllt mit seiner Statur fast den Türrahmen aus. Grüßt mit festem Handschlag, bittet an den großen Küchentisch. Schiebt Leselupe, Zeitungen und Strickzeug bei Seite. Seine Frau steht am Herd. Nickt zur Begrüßung. Take 13 5.04 Setzen sie sich da hin ... das ist schon ziemlich alt. Sprecher: Der alte Landwirt faltet die Hände. Stützt die Ellenbogen auf den Tisch. Er ist in Schöllnstein geboren. Take 14 12.43 Sämtliche Berufe waren hier, das war der Schmied, das war eine Sägemühle, ein Schuster, Kolonialwarengeschäfte ham wir drei gehabt, das hat sich natürlich alles zerschlagen, die sind alle weg. Sprecher: Und Asylbewerber gekommen. Schadenfroh holt tief Luft. Er soll sich nicht aufregen, hat seine Frau gesagt. Take 15: 0.18 8.51 Wir wurden gar nicht informiert. Man hat gesagt, es sollte, es kann, es könnte. Und was wirklich im Busch war, das haben wie erst erfahren, als die Leute da waren. ... Das war das Schlimme an der Sache. Da kam ein Bus angefahren mit Leuten, dann wurden sie angekarrt. Sprecher: Einen Reisebus hatten die Schöllnsteiner schon lange nicht mehr in ihrem Ort gesehen. Als der dann oben auf dem Hügel hielt und plötzlich dunkelhäutige Menschen auf der Dorfstraße auftauchten, wurde es manchem mulmig. Take 16 0.18 Und dann hat es doch Schwierigkeiten gegeben. Die Leute haben angerufen beim Bürgermeister, was das sein sollte. Da haben sie die große Anschleppung zurückgestellt und haben sie mit kleinen Bussen angefahren, damit das nicht mehr so tragisch ausgesehen hat, das Ganze. Der riesige Bus und ein Haufen Leute. Sprecher: Seine Frau blickt mahnend vom Herd herüber. Doch ihr Mann bleibt ruhig. Take 17 0.13 9.35 Ich möchte eins sagen: Wir haben doch gegen die Leute überhaupt nix, und wir haben bis jetzt auch noch keine Schwierigkeiten gehabt damit. Sprecher: Gestern erst war er wieder oben, hat das Heim besucht. Er schaut öfter vorbei. Will wissen, was dort los ist. Auch wenn es mit der Sprache schwierig ist. Take 18 0.16 Sicher hat man Kontakt zu den Leuten. Mitunter ist immer wieder eine dabei, der nicht direkt Deutsch versteht, aber manche bemühen sich, manche probieren´s, und wir probieren´s auch mit Hand und Fuß. So tragisch wäre das gar nicht ... Sprecher: Tragisch findet er etwas ganz anderes, sagt er. Langsam beginnt sich sein Gesicht zu röten. Take: 19 0.16 Wo die da angekarrt worden sind, da war der Regierungspräsident da und da hat´s geheißen: Mit den Leuten gar nicht erst irgrendwie in Kontakt treten, damit sie nicht glauben, sie können sich hier breit machen. Das war damals die Aussage vom Regierungspräsident. Sprecher: Schöllnsteins Pfarrer warnt vor Zuständen wie auf der italienischen Mittelmeerinsel Lampedusa. Die Regierung von Niederbayern beruhigt: "Alles nur vorübergehend". Schadenfroh schüttelt den Kopf. Seit eineinhalb Jahren leben nun Asylbewerber auf dem Hügel. Mittlerweile schweigt der örtliche Pfarrer. Und vom Regierungspräsidenten haben die Schöllnsteiner auch lange nichts mehr gehört. Take 20 0.23 Und das wird auch ewig bleiben. Neulich haben wir im Radio gehört, dass noch mehr Leute ankommen. Warum sagt man dann "vorübergehend". Das ist das, was mir stinkt, mich ärgert. Sprecher: Schadenfroh kramt einen Artikel aus dem Zeitungsstapel. Ein Bericht aus der benachbarten Kreisstadt Vilshofen. Dort protestieren Einwohner und Kommunalpolitiker gegen den Umbau einer leerstehenden Diskothek. 80 Asylbewerber sollen dort untergebracht werden. Take 21 0.24 Die haben 17.000 Einwohner und denen sind 80 zuviel, da frage ich mich, was ist denn das bei uns? Wir haben 70 Einwohner und das sind mindestens 80 da oben. Da muss man doch mal anfangen von der Regierung und dergleichen darüber nachzudenken, ob das richtig ist. Geräusch-take: Tür/Flur/Büro 1.58 Sprecher: 80 Kilometer südwestlich, in Landshut, legt Heinz Grunwald einen dünnen Stapel DIN-A 4 Seiten auf den Besprechungstisch. Streicht sich noch einmal über die dezente Krawatte. Lehnt sich zurück. Hinter ihm hängen Fotografien asiatischer Langboote, moderne Vasen zieren die Regale. Take: 22 0.09 Ich kann den Zugang nicht gestalten. Ich muss wenn morgen einer kommt, den unterbringen, und wenn morgen hundert kommen, die auch unterbringen ... . Sprecher: Das gehört zu seinem Job. Als Regierungspräsident von Niederbayern. Als oberster Beamter der Region. Über ihm steht die Landesregierung. Unter ihm stehen die Landkreise und Kommunen. Monatlich bekommt er aus München Asylbewerber zugewiesen. Berechnet nach einem exakten Schlüssel. Take 23 0.17 Jetzt wo der Anstieg wieder kommt, brauchen wir wieder neue Einrichtungen. Die alten sind zum Großteil nicht verfügbar.Das heißt, es ist immer ein Aquisitionsproblem und ja, wir haben sicherlich jetzt 50, 60 Prozent mehr Asylbewerber als im Jahr 2006. Sprecher: Nach der bayerischen "Verordnung zur Durchführung des Asylverfahrensgesetzes", sollen die Unterkünfte auch dazu dienen, Zitat, "die Bereitschaft zur Rückkehr in das Heimatland zur fördern". So gesehen ist Schöllnstein für Grunwald ein doppelter Glücksfall: 80 Plätze, abgelegen, und schnell verfügbar. Von privat zu mieten. Take: 24 0.19 Ich habe da gesagt, das ist eine Notsituation, die wir haben. Das heißt, uns werden ganz kurzfristig Menschen avisiert, die unterzubringen sind und da müssen wir dann halt unter allen Umständen Unterkünfte für die finden. Sprecher: Grunwald lächelt. Etwas verkniffen. Er hat nicht mit soviel Asylbewerbern gerechnet. Die Regierung im Freistaat Bayern nicht. Und die Bundesregierung auch nicht. Jahrelang vertrauen sie alle auf die sogenannte Dublin-2-Verordung. Die regelt, dass Asylbewerber ihren Antrag in dem EU-Staat stellen müssen, den sie zuerst betreten. Deutschland - in der Mitte Europas - rechnete da mit keinem großen Ansturm. Länder und Kommunen schlossen ihre Heime, bauten Personal ab. All das fehlt heute: Take 26 Ich habe auch mal in Landshut gesagt, wenn Landshut vergleichbar belastet wäre wie Schöllnstein, dann müssten in Landshut 100.000 Asylbewerber sein bei 65.000 Einwohner. Geräusch-take: Schöllnstein / Strasse / Schritte 1.03 Sprecher: Schöllnstein, Mittwoch Morgen, kurz vor halb neun. Dick eingemummelt stapfen Dutzende Asylbewerber durch den Schneeregen die Dorfstrasse hinunter. Vorbei am bemoosten Holzständer mit amtlichen Bekanntmachungen. Ein Stück weiter wartet mit laufendem Motor ein Reisebus. Geräusch-take: Bus / Schöllnstein / einsteigen 1.20 Sprecher: Schnell füllen sich die Plätze. Einmal die Woche fährt der Bus die Flüchtlinge umsonst in die Kreisstadt Deggendorf. Geräusch-take: Sprecher: Mohammad und Amir stemmen einen alten Kinderwagen durch den hinteren Eingang. Die Mutter trägt die dreieinhalbmonatige Sarina im Arm, der Vater hält den vierjährigen Ismael an der Hand. Take 27/ Übersetzung I am going to ... ... .Schöllenstein with the children ... Übersetzung: Ich fahre nach Deggendorf, weil meine Tochter einen Arzttermin hat. Letzte Woche war sie krank, da haben wir einen Doktor angerufen. Und gefragt, ob er nach Schöllnstein kommen könnte. Das Wetter war schlecht. Er hat uns gesagt, Schöllnstein sei zu weit weg. Das ist ein großes Problem, für alle Familien, die mit Kindern hier leben. Geräusch-take Busfahrt: 1.44 Sprecher: Nasir streift sich die blaue Strickmütze vom Kopf. Blickt aus dem Fenster. Draußen ziehen die sanften Hügel Niederbayerns vorbei. Seit mehr als sechs Monaten lebt er mit seiner Familie in Schöllnstein, einer Gegend für die er nichts empfindet. Seine Tochter ist im Krankenhaus Deggendorf geboren. Vor gut einem Jahr ist die Familie aus Kabul geflüchtet. Take 28 / Übersetzung 8.55 In my case I was working with ... ... .life a was in danger Übersetzung: Ich habe dort für die Vereinten Nationen gearbeitet. Dann bekam ich Drohungen von den Taliban. Sie haben auch unser Haus angegriffen. Da haben wir uns entschieden, zu flüchten. Unser Leben war in Gefahr. Sprecher: Nasir fingert seinen Mitarbeiterausweis aus dem Portemonnaie. Der Druck auf afghanischen Mitarbeiter der internationalen Hilfstruppe nimmt laufend zu, erzählt er. Viele planen die Flucht. Denn wenn 2014 die letzten internationalen Schutztruppen abziehen, weiß niemand, was passiert. Geräusch-take hoch Sprecher: Sarina schläft, Ismail tobt zwischen den Busreihen hin und her. Nasir schliesst die Augen. Sein Asylverfahren ist abgeschlossen, er und seine Familie sind offiziell als Flüchtlinge anerkannt. Sie könnten wegziehen aus Schöllnstein. Doch sie kriegen keine Wohnung. Geräusch-take: Ankunft Deggendorf /aussteigen 1.38 Sprecher: Nach 45 Minuten rollt der Bus vor den Bahnhof von Deggendorf. Fünf Stunden bleiben bis zur Rückfahrt. Nasir und seine Familie gehen zum Arzt, einige Asylbewerber ins Internetcafe. Die meisten aber laufen drei Kilometer. Zur Beratungsstelle der Caritas: Geräusch-take: Caritas / Stimmen auf Gang/ Büro 2.27 Sprecher: Auf dem Flur warten Asylbewerber aus Afghanistan, aus Somalia, aus dem Iran, aus Pakistan. In ihren Taschen Papiere, Formulare. Zwei Caritas-Mitarbeiter versuchen zu helfen. In der hintersten Ecke des Ganges, in einem vollgestopften Mini-Büro, arbeitet Christine Solcher-Ferrer. Seit mehr als zwanzig Jahren betreut sie Flüchtlinge. Take: 29 0.21 Eigentlich drängen die nächsten schon wieder ein. Man soll ja die Erstaufnahmeeinrichtungen eigentlich leeren, weil die nächsten schon wieder anklopfen. Und schon wieder kein Platz, wir können kein Platz machen in den Unterkünften. Weil wir eben keine Wohnungen finden, egal ob das München oder Deggendorf ist. Und das ist ein Riesenproblem und das nagt schon an den Leuten. Sprecher: Es gibt einfach keine Wohnungen. Auch nicht für anerkannte Flüchtlinge, bei denen der Staat die Miete übernimmt. Wie bei Nasirs Familie. Take 30 : 0.17 Der Mann könnte ja jetzt, wenn er in München wäre, sofort in einen Sprachkurs. Der ist ja auch ein Akademiker, dem seine Zukunft könnte ganz ganz anders aussehen. Und so habe ich ihn ewig in Schöllnstein geparkt. Und ich kann ihm auch gar nichts anbieten. Sprecher: Endstation Schöllnstein. Viele Wege führen in den kleinen Ort, weiß Solcher-Ferrer. Aber zur Zeit kaum einer heraus. Auch nicht für Flüchtlinge, die dringend auf eine Behandlung angewiesen sind. Weil sie schwere pychische Probleme haben.. Take: 31 0.16 15.00 Und die kommen dann nach Schöllnstein, haben das erste Attest dabei und sagen ich müßte ja eigentlich Weiterbehandlung haben. Jetzt musst du erstmal überhaupt einen Arzt und Termin hier im Landkreis finden. Und da haben wir nur einen, eine. Auch mit Wartezeit. Geräusch-take: Busfahrt 1.46 Sprecher: Am Nachmittag fährt der Bus zurück Richtung Schöllnstein. Ismail klettert über die Sitze. Seine kleine Schwester schläft. Nasir ist erleichtert. "Alles in Ordnung" hat der Kinderarzt" gesagt. Ihnen eine Salbe gegen Pilzinfektionen mitgegeben. Und zwei Packungen Fieberzäpfchen. Geräusch-take aussteigen 1.38 Sprecher: Langsam rollt der Bus ins Dorf. Stoppt an der Haltestelle. Es schneit. Mohammad und Ali hieven den Kinderwagen aus dem hinteren Eingang. Nasir legt seine Tochter hinein. Hilft seiner Frau beim Aussteigen. Zieht dann die Wollmütze tiefer ins Gesicht. Gemeinsam schieben sie den alten Kinderwagen die Dorfstrasse hinauf. Richtung Gemeinschaftsunterkunft. Geräusch-take: hochziehen Sprecher: In Haus Nummer 15 blickt Johann Schadenfroh aus dem Küchenfenster. Sieht Nasir und seine Freunde in der Abenddämmerung bergauf ziehen. Der alte Landwirt aus Schöllnstein wiegt den Kopf. Er hat kein gutes Gefühl. Take 32: 11.30 Das eine, was ich nicht versteh, das sind ja zum Teil noch junge Leute, was sollen die denn anfangen, das ist das Schlimme. Und jetzt wird´s kalt, jetzt kommt der Schnee, hoffentlich kriegen die keinen Koller da drüben, das ist zu befürchten ... Evt. Geräusch-take hochziehen (Bus-Abfahrt) 1 1