COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport "Wir soffen uns langsam den Fluss hinab" Cochem & der Moseltourismus - alles von gestern oder gibt es eine Zukunftsperspektive? Autor Fittkau, Ludger Redaktion Stucke, Julius Länge Beitrag 19.35 Minuten Sendung 25.08.2010- 13.07 Uhr "Wir soffen uns langsam den Fluss hinab" notierte der Schriftsteller und Journalist Kurt Tucholsky vor rund 80 Jahren. Der Fluss - das ist die Mosel. Und mit diesem Satz brachte Tucholsky auf den Punkt, worum sich häufig alles dreht beim Moseltourismus. Und auch 'warum' sich alles dreht. Bis heute sind diese Zeilen nicht von gestern. Denn die Orte an der Mosel locken nach wie vor weinselige Reisegruppen in leicht bis mittelschwer angestaubte Weinkeller. Der Tourismus basiert auf einem alten Konzept - und auch die Stammgäste werden immer älter. Noch kommen sie in Scharen - bleibt die Frage: wie lange noch? Unser Rheinland-Pfalz-Korrespondent Ludger Fittkau hat sich auf den Weg ins Örtchen Cochem gemacht - um uns den Moseltourismus verständlich zu machen und eben dieser Frage nachzugehen: hat der Tourismus eine Zukunft an der Mosel? und wenn ja: wie sieht diese aus? -folgt Manuskript Beitrag - - Manuskript Beitrag - AUTOR Vielleicht ist die "Moselperle" der richtige Ort, um das Phänomen Cochem zu verstehen. Eine Tanzbar in einem ehemaligen Weinkeller. Holztische und Stühle, abgeteilt von Gittern aus gusseisernen Weintrauben. In der Ecke ein großes Holzfass, darauf gesteckt ein runder, ebenfalls hölzerner Kopf mit aufgemaltem Lachgesicht. Das Holzmännchen streckt dem Besucher einen Humpen Wein entgegen. Wie man fröhlich wird in Cochem, ist damit geklärt. OT Wollen sie noch tanzen? AUTOR Nein danke. Lieber noch etwas umschauen - in der "Moselperle". Ein lange, schlichte Theke, an der sich gut und gerne fünfzehn Zecher festhalten können. Eine kleine Tanzfläche mit der obligatorischen Discokugel. Hinter Mischpult und CD-Player sitzt die dreiundfünfzigjährige Jaqueline auf einem Barhocker. Vor gut 25 Jahren ist sie aus dem französischen Belfort nach Cochem gekommen. Vier Franzosen leben in dem 6000 Einwohner-Städtchen, erzählt Jaqueline, während sie die CDs wechselt, um einen feiernden Kegelclub bei Laune zu halten. Bevor sie nach Cochem kam, hat sie schon woanders Stimmung gemacht: OT (Jaqueline) In England, Schweiz. Ich habe in Amerika in Washington DC gearbeitet. Da war ich aber noch jung, Seattle, Washington DC. Da habe ich für die GIs damals Musik gemacht, aber das ist ein bisschen lange her. AUTOR Seit vielen Jahren macht Jaqueline Nacht für Nacht den DJ für die Cochembesucher. Die sind meist nicht mehr ganz nüchtern, wenn sie in die Moselperle kommen: OT (Collage Gäste) Was treibt uns nach Cochem? Die wunderbare Bahnanbindung. ( ... ) Über Essen und Düsseldorf - mit Wirren und Tücken und Mücken sind wir irgendwann hier angekommen. Wir waren vor drei, vier Jahren schon mal hier ... Wunderschön hier, super Wetter ... AUTOR Wochenend-Touristen kommen seit Jahrzehnten nach Cochem. Viele Arbeiter suchten den Kontrast - nach einer anstrengenden Woche in den oft schmucklosen Industriegebieten an Rhein und Ruhr. An der Mosel fanden sie ihn, schüttelten das Alltagsgrau in Cochem für ein paar Stunden ab. Besonders seit den Wirtschaftswunderzeiten der frühen 1960er-Jahre kamen die Arbeiter - mit Nahverkehrszügen durch die Eifel in die Mosel-Vergnügungsorte. Traben-Trarbach, Bernkastel- Kues, Cochem. Kleinstadtidylle, Campingplatz und Riesling - bis zum Abwinken. Doch funktioniert ein solches Tourismuskonzept auch heute noch? In Zeiten, in denen man für wenig Geld in alle Ecken Europas fliegen kann? Ja, meint zumindest Cochems Tourismusmanager Harald Bacher: OT (Bacher) Wir haben im letzten Jahr mit Zufriedenheit abgeschlossen, obwohl es das erste Jahr der Wirtschaftskrise war. Ich denke, wir haben schon durch die Bekanntheit von Cochem und durch die Vorzüge der Moselregion profitiert. In diesem Jahr sind wir auch noch nicht an der Wirtschaftskrise vorbei, in diesem Jahr wird es noch ein bisschen schwieriger werden wie im letzten Jahr. AUTOR Auf den ersten Blick sieht es nicht schlecht aus für den Tourismus in Cochem: An diesem Sommernachmittag flanieren viele hundert Menschen durch die engen Gassen der Altstadt. Auf Schritt und Tritt Fachwerk, kleine alte Kirchen und über der Stadt eine mächtige Burg, die Cochem ein unverwechselbares Gesicht gibt. Das alles an einer nur wenige hundert Meter breiten Stelle im Moseltal, Weinberge und die Wälder von Eifel und Hunsrück schieben sich sehr nah an die Stadt. Cochem duckt sich an den Burgberg und die umliegenden Hänge. Die Sonne verschwindet auch im Sommer schon am frühen Nachmittag aus der Altstadt. Wer Wärme sucht, muss dann über die Moselbrücke auf die andere Seite, wo es länger Licht gibt. Dort liegt auch die "Moselperle". Inhaberin der Tanzbar ist die Österreicherin Erna Bilstein: OT (Erna Bilstein) Also ich habe vom Mai, vom Tanz in den Mai bis zu 15. November jeden Abend geöffnet. Und ich bin jeden Tag da. Ich sage mir, erstens weil es eine Arbeit mit Spaß ist, es ist eine Gute-Laune- Job, den man den Leuten vermitteln kann. Mich selber beglückt das auf der anderen Seite sehr, weil es ist eine wunderbare Arbeit, jemandem Freude zu machen. Sie können ihren Alltag vielleicht vergessen, der vielleicht nicht immer so angenehm ist. Und hier haben sie eben ein Dach, wo sie sagen können, hier können wir richtig abfeiern, und wir haben eben Spaß gehabt und es lohnt sich nach Cochem zu fahren, unter anderem, weil es eben diese Dinge auch gibt. AUTOR Jährlich kommen bis zu 2 Millionen Tagestouristen nach Cochem, so die Information aus dem örtlichen Tourismusbüro. Die Moselregion zwischen Koblenz und Trier gehört damit zur Spitzengruppe der touristischen Reiseziele hierzulande. Cochem war im 19. Jahrhundert der erste Touristenort an der Mosel. Der Grund: Die mächtige "Reichsburg", die sich unmittelbar über den Stadtkern erhebt. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war die Burg eine Ruine - dann kaufte sie ein Berliner und lockte Erholungssuchende aus den schnell wachsenden Industriestädten nach Cochem. Ein akustischer Reiseführer, mit dem sich heute Touristen selbstständig durch die Stadt bewegen können, erinnert an den Berliner, der für den ersten Fremdenverkehrsboom gesorgt hat: ATMO (Ausschnitt aus akustischem Reiseführer) ( ... ) Da fällt mir ein, ik muss unserem Gast ja noch sagen, wer ik bin. Ik bin nämlich Louis Frederic Jaques Ravené aus Berlin. Alter Hugenotte. Ik hatte 1868 die Ruine der Reichsburg gekooft und wieder aufbauen lassen ( ... ) AUTOR Heute sichern vor allem Mosel-Schiffe Cochem den kontinuierlichen Zustrom von Touristen. Die Passagierschiffe fahren regelmäßig zwischen Trier und Koblenz. Weitere Schiffe kommen vor allem aus Köln oder Düsseldorf über den Rhein in die Mosel. Meist ankern sie - ein, zwei Nächte - vor Cochem und sorgen für stetige Umsätze in Restaurants, Weinstuben und Tanzschuppen. Tourismusmanager Harald Bacher: OT (Bacher) Letzte Woche war noch die "Aida" da und die unterschiedlichsten Reedereien fahren regelmäßig Cochem an und das füllt natürlich den Ort schon. Und durch die Nähe zu Holland und Belgien haben wir natürlich auch sehr viele Gäste aus dem Bereich Benelux. ATMO (Musik, Moselperle) AUTOR Die "Moselperle" profitiert nicht nur von den Schiffstouristen - auch von den Schiffsbesatzungen. Erna Bilstein deutet auf einige Fotos, die an einer Wand des Tanzkellers hängen: OT (Bilstein) Das sind Leute von den Schiffen. Junge Leute aus Tschechien, Polen, aus der Slowakei, aus Ungarn, aus Rumänien. Unsere Gäste von den Schiffen, das Personal, die auch mal abfeiern wollen, wenn sie eben Feierabend haben und wir das Ambiente hier bieten, dass sie sich ein bisschen austoben können, sofern sie noch nicht müde genug sind von der Arbeit. AUTOR An diesem Abend haben sich keine Moselmatrosen, sondern Mitglieder eines Kegelklubs aus dem Münsterland am Tresen eingefunden. Dass es in der Bar so aussieht, wie in den 1970er-Jahren, scheint sie nicht zu stören. Ein Ambiente, wie das der Moselperle, ist typisch in Cochem. Vieles hat hier schon etwas Patina angesetzt: Weinstuben, Andenkenshops, Cafés ... Viele Besucher vor allem aus den nahegelegenen Niederlanden scheint gerade das anzuziehen: OT (Collage Touristen) Es ist schön Das Friedliche, denke ich ( ... ) und die Natur. Und Bier. ATMO (Straßenatmo) AUTOR Grauhaarige bestimmen wochentags das Bild: In den Cafés, auf den Plätzen der Stadt, auf den Terrassen der Hotels: Die Altergruppe zwischen 60 und 80 scheint in der Mehrheit zu sein. Cochem - auf den ersten Blick so etwas wie ein Naherholungs-Mallorca für Ältere. Ein fröhliches, großes Altenheim. Hierher kommt man oft in Reisegruppen, neben dem Schiff auch per Bahn oder mit dem Reisebus. Und dieser Gruppentourismus lebt von den Rentnern. Die Reiseunternehmen bringen sie nach Cochem. Das prägt das Bild. Die jungen Cochemer sehen das mit gemischten Gefühlen. OT (Collage, Jugendliche) Ja, ich weiß nicht, es gibt ja nicht viel für die Jugend hier ( ... ) Wenn meine Oma kommt, dann gehen wir auch mit ihr spazieren oder fahren mit dem Schiff - aber alleine oder mit meinem Freund, würde ich es nicht machen. Der Tourismus wurde immer älter und jetzt kommen nur noch ältere Menschen hier hin und machen Urlaub. Sie kommen zu den Burgen, zur Mosel, Schifffahrt und so, ja. AUTOR Ein alternder Tourismus an der Mosel - dieses Bild, das viele junge Leute in der Region haben, muss die Verantwortlichen alarmieren. Denn gleichzeitig altert auch die Bevölkerung an der Mosel. Viele Orte verlieren Einwohner, weil die Jungen wegziehen. Arbeitsplätze außerhalb des Tourismus und des Weinbaus sind rar, ein sogenanntes "strukturschwaches Gebiet". Die Verkehrsanbindungen in die Metropolen Nordrhein-Westfalens und der Rhein-Main-Region sind nicht die besten, klagt der rheinland-pfälzische Wirtschaftsminister Hendrik Hering und bedauert, das OT (Hering) ... .junge Menschen diese Region verlassen, weil sie dort keinen Arbeitsplatz finden. Wir brauchen mehr Erschließung, um wirtschaftliche Entwicklung zu ermöglichen und Arbeitsplätze zu schaffen. AUTOR Verhindern, dass die Jungen abwandern und damit die Region vergreist. Und gleichzeitig Junge Gäste ansprechen und damit wiederum die Attraktivität des Moselraumes für den eigenen Nachwuchs steigern - eine Aufgabe für Politiker, Tourismusmanager und Pensionswirte wie Werner Wolber: OT (Wolber) Ich glaube, es wird in dieser Hinsicht viel unternommen zur Zeit, der Trend ist schon da, dass man die jüngeren Leute oder die Familien ansprechen will, aber das sich das tatsächlich umsetzt, das ist noch sehr zögerlich. AUTOR Das Thema Demografie - für Cochem Chance und Risiko zugleich. Die alten Kunden der Stadt werden immer älter - warum sollten nicht auch noch mit 90 viele per Schiff den Ort ansteuern, den sie schon seit einem halben Jahrhundert besucht haben? Die touristisch bedeutende, weil wachsende, Gruppe der Älteren will man nicht vergraulen. Gleichzeitig muss man sich in den nächsten Jahren stärker um jüngeres Publikum bemühen. Ein Prozess, dessen Lösung mancher im Moselwein vermutet. Das Image des Moselweines ist bieder. Dieses Image abzulegen und zunehmend internationale Weintouristen an die Mosel zu locken könnte für die Zukunft der Region entscheidend sein. Das meint auch der rheinland-pfälzische Wirtschafts- und Weinbauminister Hendrik Hering: OT (Hering) Wir hatten in den 80er-Jahren eine ungute Entwicklung, dass zu sehr auf Masse und weniger auf Qualität gesetzt wurde. Die Mosel hat einen ganz erfolgreichen Prozess der Qualitätsstrategie hinter sich. Moselweine gehören wieder zu den Spitzenweinen in der Welt ( ... ) Und das muss die Zukunft der Mosel sein. AUTOR Die Zukunft der Mosel liegt auch in der gesundheits- und umweltbewussten Naherholung. Radfahren - für die Touristiker an der Mosel ist das fast so etwas wie ein Zauberwort. Radfahren ist generationsübergreifend es spricht das alternde Stammpublikum Cochems genau so an, wie Schulklassen oder jüngere Einzelradwanderer. Harald Bacher, Cochems Tourismuschef: OT (Bacher) Da haben wir zusammen mit den Gastgebern natürlich in letzter Zeit einiges entwickelt. Es gibt Gastgeber, die speziell auf Radfahrer eingestellt sind. Die haben jetzt gewisse Kriterien, die ja auch vom ADFC, vom allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club aufgestellt wurden. Da haben wir auch ne Übersicht rausgegeben mit Gastgebern, die speziell diese Kriterien erfüllen. Die Gäste für eine Nacht aufnehmen, die einen Trockenraum haben, die ne Schrauberecke haben. Oftmals ist es natürlich ganz wichtig, dass man das Fahrrad gut behütet einschließen kann und so weiter. Das sind alles ganz wichtige Kriterien, die ein Radfahrer, ein Radwanderer braucht. AUTOR In Cochem wird gerade an einem neuen Radweg am Moselufer gebaut. Mit einem solchen Ausbau der Radfahr-Infrastruktur kann man eine Alternative schaffen. Zum reinen Trinktourismus der Kegelclubs oder zu den weitgehend passiven Schiffstouren für die Gäste ab 70. Cochem versucht nun, Radwanderer dazu zu bewegen, nicht nur einfach für eine Pause hier zu bleiben. Sondern die Stadt im engen Tal zum Ausgangspunkt für Touren auf die weiten Höhen des Hinterlandes zu machen. OT (Bacher) Die Region hat jetzt einiges mehr zu bieten, als nur den Moselradwanderweg. Auch wenn viele natürlich nur den fahren und dann halt am nächsten Tag woanders sind. Aber auch, wenn man von hier aus die Region erkunden will, bieten sich unzählige Möglichkeiten, Beispielsweise die Kombination mit dem Schiff. Das man mit dem Schiff von hier aus ein Stück fährt und dann wieder mit dem Rad zurückfährt. Oder für den sportlich Ambitionierten, wir haben ja den Hunsrück und die Eifel direkt vor der Tür. AUTOR Viele touristische Impulse rund um Cochem sind darauf angelegt, Alternativen zu schaffen: Zum weinseligen Verweilen in den Kneipen im vergleichsweise dunklen Tal. Wer Licht mag, weite Blicke und Horizonte, muss raus aus dem Tal auf die Höhen von Eifel und Hunsrück. Per Seilbahn oder auch zu Fuß. Bei Cochem führt ein Weg zum Licht seit ein paar Jahren durch den Calmont, der als "steilster Weinberg Europas" angepriesen wird.. Hier hat man einen Klettersteig eingerichtet, der teilweise geradezu alpinen Zuschnitt hat. An Seilen muss man sich auf schmalen Pfaden an Felsen vorbeihangeln - Kleinkinder müssen unten bleiben, so schwer ist die Tour, warnt Werner Wolber, der das "Gästehaus am Klettersteig" betreibt: OT (Wolber) Es ist ne Anforderung, es ist wichtig, dass die Leute das richtige Schuhwerk anhaben, da werden oft Fehler gemacht. Auf der anderen Seite sollten die Leute auch schwindelfrei sein und gerade, wenn es jetzt so ein Wetter ist wie derzeit, dran denken, viel Flüssigkeit mitnehmen. AUTOR Die 16 Jahre alten Nico Müller und Peter Hoffmann kommen gerade mit ihrer Berufschulklasse vom Klettersteig zurück. OT (Schüler) Ja, da sind so steile Abhänge, wo man so über Eisen muss und so. Ja, das war cool. AUTOR Sie sind müde, aber auch beeindruckt. Lehrer Manfred Cremer hat die Cochemer Berufsschüler auf die Klettertour geschickt: OT (Cremer) Da die Jungs sonst nur vor dem Computer sitzen, sollten sie lieber raus und das war genau das Richtige. Am Anfang haben sie noch gemotzt und gemeckert und als sie dann drin waren, wollten sie sogar noch zurück laufen. Sie hätten mit dem Bus fahren können, doch sie wollten zurücklaufen. AUTOR Der Klettersteig am Calmont ist vielleicht das deutlichste Zeichen in der Region Cochem, dass sich die Tourismusstrategen inzwischen auch anderen Zielgruppen zuwenden als den klassischen Weintouristen. Gastwirte wie Werner Wolber unterstützen diese Erweiterung der Angebote - glauben aber nicht wirklich daran, dass die Jugend so schnell für die Mosel begeistert werden kann. OT (Wolber) Die ganz jungen Leute mit Sicherheit nicht. Aber man kann sagen, dass die Generation etwa um die 45 oder 50, die kommen jetzt schon etwas mehr, hier merkt man schon einen leichten Wandel. AUTOR Schon diese Generation bleibt nicht mehr nur im Tal. Die Sehnsucht seiner Landsleute nach Hügellandschaft, weiten Blicken und Sonne hat in Cochem vor vier Jahren ein niederländischer Investor aufgegriffen: Auf einem Plateau oberhalb Cochems hat er ein riesiges Freizeit- Ressort gebaut: Eine Ferienhaussiedlung, einen Golfplatz mit Fernblick, ein gigantisches Gastronomieangebot für mehrere tausend Gäste. 90 Prozent der Gäste sind Niederländer, sie genießen es, länger Licht und Wind zu haben, als unten im Tal in Cochem. Tanja Koch ist vor vier Jahren als Hotelfachkraft auf die Eifelhöhe über Cochem gekommen: OT (Koch) Es ist halt schön hier, morgens draußen zu sitzen, weil hier die Sonne früher ist als unten im Tal. Und das finden die Gäste natürlich ganz toll. ATMO (Moselperle, Musik) AUTOR Auch in der Tanzbar "Moselperle" und in vielen anderen Vergnügungskneipen unten in der Altstadt profitiert man von den Niederländern hoch oben über der Stadt. In Cochem lernt man gerade: Wer das Tal mal verlässt, weil er den Blick schweifen lassen möchte, muss als Gast nicht verloren sein. Das enge, dunkle Tal und die nahegelegenen lichten Höhen von Eifel und Hunsrück können sich ergänzen. Cochems Tourismusmanager Harald Bacher: OT (Bacher) Wir haben ja hier an der Mosel jetzt hauptsächlich Tallagen. Aber es gibt jetzt auch den Hängen folgend Gastgeber, die ein bisschen höher gelegen sind, das ist ganz klar. AUTOR In Cochem reckt man also den Hals und blickt durchaus auch aus dem Tal hinaus. Unten aber führt die Stadt einen Kampf gegen zuviel Patina. Der Cochem-Tourismus muss sich erneuern, ohne die Sehnsüchte nach Geselligkeit und Schunkel-Seligkeit zu ignorieren. Die Industriearbeiter von Rhein- und Ruhr, die sich jahrzehntelang in Cochem austobten, werden immer weniger. Die Büromenschen, die nun aus denselben, jedoch strukturgewandelten Orten kommen, wollen an der Mosel nicht mehr länger nur in den Kneipen hocken wie wochentags im Büro. Sie suchen Bewegung, Sonne und auch ein wenig Kultur. Wenn Cochem sich nicht darauf einstellt, ... wird die Stadt irgendwann nicht mehr vom Tourismus leben können. Dann, wenn die Stammkunden vielleicht doch langsam zu alt werden und nicht mehr so oft kommen. Junge Cochemer spüren das. Schnell wird sich nichts ändern in Cochem - dafür läuft es bisher zu gut. Doch die Fremdenverkehrskonzepte der Wirtschaftswunderzeit sind keine Blaupause für die tourismuspolitische Zukunft an der Mosel. Das weiß man in Cochem - genauso wie in Bernkastel-Kues, in Traben-Trabach oder in anderen Mosel-Orten. Ende 2 1