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"Tod durch Enthauptung" - so kalt ist die Sprache der Akten, die ich in den letzten zwei Jahren viel zu oft gelesen habe. Die Mörder sind auf freiem Fuß. Atmo 1 hoch, Tür zu, Abfahrt Wir machen uns auf den Weg in die Stadt Puebla, 1,5 Millionen Einwohner, Sitz des deutschen Volkswagenwerkes. Unsere erste Station ist die dortige Mordkommission. Wir sind angemeldet. Atmo 2 Verkehr/ Weg über Schrottplatz Wir stellen das Auto an einer 8-spurigen Ausfallstraße ab. Weit und breit nur Einkaufszentren, Industriehallen, ein gigantischer Schrottplatz. Hinter rostigen Kotflügeln und zerbeulten Kühlerhauben duckt sich ein Fertigbau. T 1 Estamos buscando....está de vacaciones. Der zuständige Ermittler ist im Urlaub. Sein Vertreter auf einem dringenden Termin. Der Vertreter des Vertreters sitzt hinter einer Gittertür. Atmo 3 Gittertür / Registrierung Francisco Javier Gonzalez Mendez, Kriminalbeamter der Mordkommission, ist Mitte 30, ein kräftiger Typ mit Igelhaarschnitt, einer Brille und sympathischem Lächeln. Er sitzt in einem 12 qm großen Büro voller Akten, zwei weitere Schreibtische drücken sich neben seinem. Ein alter Computer, daneben ein verstaubter Mini-Weihnachtsbaum aus Plastik. Die roten Kugeln tanzen im Wind des Ventilators. Das ist die Mordkommission des gesamten Bundesstaates Puebla. Fünfeinhalb Millionen Einwohner. 3 Ermittler. Gonzalez guckt jetzt ernst. T 2 En el derecho penal mexicano... Die mexikanischen Gesetze erlauben keine Tonaufnahmen. Mein Aufnahmegerät muss ich ausschalten. T2 ... no puede grabar. Okay. OHNE ATMO Der Beamte erzählt, was wir bereits aus den Akten wissen: Arnelo und Mona werden am 11. Januar 2011 in ihrem Haus in Tehuitzingo gegen Abend ermordet. Enthauptet. Die Mörder sind Bauern aus einer Landwirtschaftsgenossenschaft, die einige Felder, die Arnelo gehören, nach und nach in Besitz genommen haben. Arnelo geht vor Gericht, weil er die Felder zurückhaben möchte. Er bekommt Recht. Das war im Dezember 2010. Danach gibt es mehrere Begegnungen, es kommt zu Drohungen und zum lautstarken Streit. Schließlich wird Arnelo aus dem Weg geräumt und weil Mona gerade im Haus ist, muss auch sie sterben. Es gibt einen Zeugen, der hilft Phantombilder anzufertigen, sie stimmen mit den Verdächtigen aus der Genossenschaft überein. Aber der Zeuge wird bedroht und will niemanden mehr identifizieren. Spuren werden von der örtlichen Polizei verwischt, manche sogar vernichtet. "Es tut mir leid", sagt Gonzalez und beißt sich auf die Lippen. Wir schweigen. Warum war bis heute niemand auf dem Grundstück, um das es geht? fragen wir dann und äußern den naheliegenden Verdacht, dass dort Drogen angebaut oder gelagert werden. Die Killer der Drogenkartelle enthaupten ihre Opfer, das weiß jeder in Mexiko. Der Beamte blickt auf seinen zerkratzten Schreibtisch. Dann hebt er den Blick "Wenn ich dort hinfahre, dann machen die Hackfleisch aus mir. Das ist keine Gegend, in der wir ermitteln können. " Dann erfahren wir noch, dass die 3 Beamten für rund 250 Morde und 350 Verschwundene oder Entführte im Jahr zuständig sind. Macht zweihundert für jeden. Hinzu kommen die Altfälle. Mona und Arnelo sind 24 Monate nach ihrer Liquidierung ein Altfall. Atmo 4a/b Zentrum Puebla Verkäufer/ Musiker In der Altstadt von Puebla scheint die Sonne aus dunkelblauem Himmel, pastellfarbene Kolonialbauten stehen in Reih und Glied. Wir flanieren durch ein Weltkulturerbe der Unesco. Rechts eine Handleserin, links der Empanada-Verkäufer, weiter vorne ein blinder Musiker. Atmo Musiker hoch Mexiko ist voller Gegensätze, der wichtigste ist der zwischen Arm und Reich. Wo es viele Arme gibt, findet die Drogenmafia schnell Unterstützer, besonders auf dem Land. Die staatlichen Behörden sind bestechlich, eine Strafverfolgung gibt es praktisch nicht. In den letzten 6 Jahren wurden in Mexiko 60.000 Menschen im sogenannten Drogenkrieg ermordet. Meine Freundin Mona und ihr Mann Arnelo sind zwei davon. 98% der Morde werden nicht aufgeklärt. Atmo 5 Videospiele Vor einem Laden mit Videospielen kämpfen muskelbepackte Helden gegen das Böse, Kinder starren mit aufgerissenen Augen auf den Bildschirm. Atmo 6 Büro Anwalt Dahinter führt eine Treppe in das Büro eines Anwalts, laut Aktenlage ein wichtiger Zeuge. Er hat Arnelo vor Gericht vertreten, als er um sein Grundstück kämpfte. Ein kleiner, dicker Mann Mitte fünfzig, unscheinbar. Er wirkt, als hätte er auf Besuch aus Deutschland gewartet. T3 Todos en el pueblo... Im Dorf wissen alle, wer die Mörder sind. Einer handelt dort sogar mit Waffen. Er sieht genauso aus wie der auf dem Phantombild, das erstellt wurde. Warum nimmt ihn niemand fest? ...porque no lo detienen? Die Antwort darauf gibt er gleich selbst. T4 Es una complicidad Es ist eine üble Vetternwirtschaft, aber keiner traut sich hier etwas zu bewegen. Der Waffenhändler soll sogar einen Lehrer umgebracht hat. Er hat ihn mit seinem Transporter überfahren und über die Straße geschleppt. Die Leute haben Angst vor ihm. ...tiene miedo Arnelos Anwalt kennt die abgelegene Gegend gut, hat viele Mandanten dort. Fast immer geht es um Grundstückstreitigkeiten. Dass die Mordkommission kapituliert und nicht dorthin fahren will - ein Armutszeugnis. Er selbst war am 6. Januar, fünf Tage vor dem Verbrechen, auf den Feldern - zusammen mit Arnelo und einem Topografen. Empfangen wurden sie von 20 Männern, jeder mit einer Machete bewaffnet. T5 El ambiente era tenso... Die Lage war natürlich angespannt, sie wollten uns mit ihren Macheten einschüchtern. Wir waren ja allein, weit weg vom Dorf, draußen auf den Feldern. ...en los terrenos Die 20 Bewaffneten brachten sich in Stellung. Kein Zutritt, das war die Devise, unter gar keinen Umständen. T6 Allí debe de haber... Da stecken massive, sehr, sehr schmutzige Interessen dahinter. Ich glaube, dass dort Marihuana angebaut wird und deshalb keiner von uns hinsoll. ...que vayamos. Gerüchte kursieren, dass über Arnelos Felder der Zugangsweg zu einem künstlichen Dorf führt - zu einem Drogendorf, wo Anbau, Lagerung und Waffenhandel betrieben werden. Zwei Jahre nach dem Mord sind die Felder abgeriegelt, erzählt der Anwalt. Sie sind nicht etwa in der Hand des Staates, sondern der mutmaßlichen Mörder. Die Drogenmafia hat das Gebiet übernommen. Der Rechtsanwalt ist ganz ruhig, während er die Ungeheuerlichkeiten ausspricht. Für ihn liegt nahe, dass die örtliche Polizei von dem Kuchen etwas abbekommt. Der wichtigste Zeuge, weiß der Anwalt, sollte die Verdächtigen identifizieren - Auge in Auge, ungeschützt, ohne Spiegelwand. T7 Anwalt Un testigo tan valioso... Einen so wertvollen Zeugen auf diese Weise Preis zu geben, ist eine grobe Fahrlässigkeit. Er wurde noch auf der Wache bedroht - das war nicht an einer Straßenecke, das war kein Drohbrief, den sie nach Hause geschickt haben - nein, das war dort, direkt auf der Wache. ...no, allí mismo! Der Zeuge, 24 Jahre alt, Vater von 2 Kindern, hat die mutmaßlichen Mörder im Haus gesehen, will sich aber, nachdem er bedroht wurde, an nichts mehr erinnern. Warum die deutschen Behörden nicht nachhaken, versteht der Anwalt nicht und schüttelt den Kopf. T8 Anwalt Dínos por qué... Warum geht da keiner hin? Warum habt ihr nicht einmal den wichtigsten Zeugen geschützt? ...protegiste? Die deutschen Behörden geben sich zufrieden mit dem, was aus Mexiko kommt - nämlich nichts. Am 23. August 2012 stellt die Berliner Staatsanwaltschaft das Verfahren ein. Kein noch so winziges Sandkorn stört das mexikanische Getriebe. Ich frage mich: Warum hat Mona die Gefahr nicht gesehen? Wir waren vor 30 Jahren zum ersten Mal zusammen in Mexiko, später haben wir beide einen Mexikaner geheiratet. Sie kannte das Land sehr gut. Wusste sie von dem Grundstücksstreit? Von den Drogen? Der Anwalt bestätigt meine Vermutung. T9 Anwalt Como pareja... Ich hatte den Eindruck, dass Mona ihren Partner Arnelo einfach unterstützt hat. Sie war in den Rechtsstreit überhaupt nicht verwickelt. Als sie einmal hier war, hat sie sich nicht eingemischt und auch keine Meinung dazu geäußert, wie man in der Sache vorgehen sollte. ...de ninguna manera Ich stelle mir vor: Mona, wie sie hier sitzt, vor den ausgebreiteten Plänen. Felder, irgendwo in kargen Hügeln, die sie nicht interessieren. Dass sie froh ist, wieder rauszukommen, sich dann in einen dieser zauberhaften patios um die Ecke setzt, einen eiskalten Limonensaft bestellt und ein Buch herausholt. Eines über Homöopathie. Denn das war ihr wichtig: ihre Praxis in Berlin, ihre Arbeit als Heilpraktikerin. Wir verabschieden uns. Der Anwalt macht uns Mut, morgen das Dorf Tehuitzingo aufzusuchen, ins Haus zu gehen. Morgens hin, abends zurück, bevor es dunkel wird, rät er uns. "Und achten sie auf einen weißen Nissan, der hat mich auch schon verfolgt." Wir verbringen eine schlaflose Nacht im Hotel. Atmo 7a Auto Zweieinhalb Stunden Weg liegen vor uns. Meine Hand umklammert eine grellrote Tasche - Tortillería Machiata steht darauf, Tehuitzingo. Mona hat mir die Tasche mitgebracht: ein witziges Detail aus dem Heimatdorf ihres Mannes, in dem sie seit einigen Jahren den Winter verbracht hat. Vor ihrem Tod habe ich sie als Sporttasche benutzt. Seither hüte ich sie wie einen Schatz. Der Vulkan Popocatéptl stößt dicke Rauchschwaden aus. Atmo 7b hoch In den Gärten blühen Oleanderbüsche in Rot, Weiß und Pink. Mangobäume tragen schwere Früchte. Ein Kind schläft in der Hängematte. Auf den Feldern wächst sattgrün das Zuckerrohr. Dort, wo kein Wasser fließt, zupfen Esel gelangweilt an ausgetrockneten Halmen. Auf halber Strecke drehen wir die Klimaanlage auf die höchste Stufe. Draußen sind jetzt fast 40 Grad. Noch 53 km bis Tehuitzingo. Atmo 7b Jetzt schlängeln sich Serpentinen die Berge hinauf. Kakteen stecken wie Stricknadeln in der roten Erde. Ab und zu ein toter Hund. Dann nichts mehr: kein Dorf, keine Siedlung, keine Finca. Nur eine sehr gut ausgebaute Straße - besser als die Autobahn, für die wir Mautgebühren bezahlt haben. Wer braucht so eine Straße im Niemandsland? Wer hat sie bezahlt? 35 Kilometer vor Tehuitzingo hat unser Handy keinen Empfang mehr. Ich denke an den weißen Nissan. Wir werden nervös. Atmo 8 ...ya de aqui se debería ver un puto pueblo, oye Dann endlich. Noch 2 km. Atmo 9 Begrüßung draußen Esperanza erwartet uns mit zwei Schwestern und ihrem Schwager. Sie leben nicht hier, sie sind gekommen - wegen uns und weil Bauarbeiter im Haus sind. Wir stellen das Auto in den Innenhof, unauffällig. Atmo 10 Begrüßung drinnen Hier hat Mona gelebt. Hier wurde ihr das Leben genommen. Ich hatte Angst vor diesem Moment. Jetzt ist er da und ich fühle mich meiner Freundin ganz nah. Ich sehe mich um und ich sehe SIE: im Wohnzimmer auf dem Sofa, sie hört Musik. Am großen Tisch im Essbereich, sie frühstückt. Am Herd in der Küche, sie kocht. Irgendwas Deutsches. Als ich mich wieder umdrehe, kauert eine zerbrechliche, alte Frau auf dem Sofa und zittert. Esperanza hat die beiden Ermordeten gefunden. T 10 Esperanza Las dos puertas... Beide Türen waren auf, als ich kam. Und weil alles offen war, bin ich gleich nach oben. Ich dachte noch, die sind bestimmt nur kurz rausgegangen. Im ersten Stock habe ich dann Mona gefunden. Im Zimmer meiner Schwester. Es standen zwei Betten darin, und sie lag auf dem Boden, ihr Gesicht zugedeckt mit vielen Kissen. Ich bin rausgerannt, ich habe geschrien, weil ich doch gesehen habe, dass es Mona war. Und trotzdem habe ich sie gesucht, ich habe einfach nicht verstanden, dass sie es war. ...que fuera ella Atmo 11 Im Haus Esperanza war Monas Lieblingsschwägerin, trotz des großen Altersunterschieds. Sie war 50, Esperanza über 70. Beide Vegetarierinnen, Pflanzenliebhaberinnen, mit einer Neigung zur Esoterik. Esperanza ist heute traumatisiert. Nachdem sie Mona im ersten Stock findet, rennt sie in den Innenhof und entdeckt ihren Bruder im Anbau des Hauses. Genauso wie Mona mit durchgeschnittener Kehle. Ausgeblutet. T11 (weinend) Esperanza Al entrar allí ví Arnelo, pero no sabía quien era... Als ich reinkam, sah ich Arnelo - aber ich wusste in dem Moment nicht mehr wer er war. Ich suchte doch nach Mona. ...buscaba a Mona Ihr Schwager kommt ihr zu Hilfe. Die Ermittlungen waren total schlampig, niemand hat Interesse, das Verbrechen aufzuklären, ist er sich sicher. Im Gegenteil, die örtliche Polizei hat Spuren verwischt und vernichtet. T12 Schwager und Esperanza Estaba marcado... Er: Es gab einen blutigen Schuhabdruck, die Sohle eines Stiefels war voller Blut. Sie: ...und die haben gesagt, das muss sofort sauber gemacht werden. Er: Da(nn) war (da) ein Pullover. Der war voller Blut. Da haben wir gesagt: bitte nehmen sie den Pullover! Nein, haben die gesagt, sie haben den Pulli genommen und ihn verbrannt. ....decían no! Beide glauben zu wissen, wer die Mörder sind: die Anführer der Genossenschaft und zwei ihrer Söhne. Sie hatten Streit mit Arnelo, waren mehrfach im Haus, auch am Tag des Verbrechens. Das hat ein Zeuge gesehen, mit dessen Hilfe Phantombilder erstellt wurden. Der Schwager erinnert sich an das absurde Verhör bei der Polizei. T13 Schwager Da kommt ein Typ rein, ich sehe den und denke: das ist ja der vom Phantombild! Und das war der Anführer der Genossenschaft. Er sah identisch aus, so als hätte ihn jemand direkt eingescannt. Und da merke ich, dass der Kerl bestens mit dem Polizeichef befreundet ist. Die sehen sich und umarmen sich zur Begrüßung! Da eines der Opfer eine deutsche Staatsbürgerin ist, schickt die deutsche Botschaft einen Verbindungsbeamten des BKA nach Tehuitzingo. In der Akte findet sich sein Bericht. Den lokalen Polizeichef bezeichnet er als "sichtlich überfordert", den Tatort findet er vier Tage nach dem Entdecken der Leichen freigegeben, verändert und gereinigt vor. Sein Vorschlag, eine Belohnung von 2000.- Euro auszusetzen, damit die Nachbarn reden, wird in Deutschland abgelehnt. Zweimal erkundigt sich die deutsche Strafverfolgungsbehörde noch nach dem Stand der Dinge. Nachfragen stellt sie nicht und leitet auch keine weiter. Das Verfahren wird eingestellt. Die zuständige Berliner Staatsanwältin hält es nicht einmal für nötig, die Angehörigen darüber zu informieren. Atmo 12 Treppe hoch, tienes la llave? Wir gehen nach oben, in den ersten Stock. Wir treten in ein Zimmer, es ist leer. In der Mitte auf dem Boden steht eine weiße Kerze. T14 Aqui estaban algunas camas y aqui fue donde encontré a Mona Esperanza hat sie aufgestellt, genau an der Stelle, an der sie Mona gefunden hat. Ich berühre mit meinen Händen den Boden neben der Kerze. Braune Kacheln. Kalt. Von einem Laubengang gehen drei Zimmer ab. Eines davon gehörte Mona. Atmo 13 "aquí es donde estaba viviendo Mona" Atmo 14 im Zimmer Hier bin ich, und sie ist nicht mehr da. Ihr Bett, ein Kleiderständer, eine Hängematte. Die runden Fenster in Form von Sonne und Mond hat sie selbst entworfen. Sie sind aus den Wänden gebrochen. Auf den Ornamenten aus Backstein liegt eine dicke Staubschicht. Weiße Kerzen haben sich in der Sonne zu skurrilen Wachsfiguren verformt. Ringsherum liegen Muscheln, die sie gesammelt hat. Über ihrem Bett hängt ein Gedicht über die Zeit. Atmo 14 hoch / Weinen Ich hänge das Gedicht ab, suche eine Muschel aus und lege beides in die grellrote Tasche. Die anderen Räume, die Bücher, die Notizen - ich nehme alles wahr, wie in Trance. Atmo 15 runtergehen / Blende mit Atmo 16a Musik im Auto Zum Friedhof fahren wir im Auto des Schwagers, unauffällig. Wir blicken aus verdunkelten Scheiben auf das Dorf Tehuitzingo - staubig, rauh, abweisend. Was hat Mona hier bloß gesucht? Atmo 16b Esperanza Getränkeladen, dann Musik ranchera Wir fahren vorbei an einem Getränkeladen, hier soll einer der Mörder leben. Esperanza zeigt nach links. Ich gucke nicht hin. Atmo 16b hochziehen, Musik ranchera Bevor wir zum Friedhof kommen, halten wir bei Bonfilio, einem Verwandten. Laut Akte ist er der Mann, der Mona zuletzt gesehen hat. Ich will ihn kennenlernen. Atmo 17a + b Begrüßung und Hähne (auch unter O-Tönen liegen Hähne) Bonfilio trägt einen breiten sombrero, unter seinem quietschfarbenen Hemd wölbt sich ein mächtiger Bauch. Seine Leidenschaft sind Kampfhähne. Er gibt dem abgemagerten Hund einen Tritt, greift in einen Käfig und zieht einen kräftigen Hahn mit goldgelbem Gefieder heraus. Er zeigt uns, wie er die Hähne trainiert und wie er sie pflegt. Er besprüht die Federn mit Wasser. T 15 Bonfilio Se refrescó el animal... So, wenn sich das Tier jetzt erfrischt hat, dann massiert man die Beine, intensiv, denn die Nervenstränge sollen sich dehnen. Dann kriegt das Tier Vitamine. Dafür haben wir hier diese Vitaminpillen, da geben wir ihm jetzt mal eine - na, bitte, was sag ich, jetzt hat er sie schon gefressen! (alle lachen) ....se lo comió! (lachen) Bonfilio tritt bei den großen Hahnenkämpfen der Region an und riskiert jedes Mal den Tod seiner Tiere. Er stattet sie mit Rasierklingen an den Beinen aus. Nur der Stärkere überlebt. Als ich Bonfilio sage, dass wir nicht wegen der Hähne gekommen sind, lacht er. "Ich weiß", sagt er, und setzt sich auf einen rostigen Stuhl unter einen Zitronenbaum. T16 Bonfilio El 11 de enero... Am 11. Januar bin ich vorbeigegangen, ich habe geklingelt, denn das Tor war abgeschlossen. Mona kam heraus. "Wo ist denn Arnelo?" habe ich gefragt. "Er ist gerade weggegangen," sagte sie, "ich kann dir nicht aufmachen, er hat den Schlüssel mitgenommen. Ich wollte, dass er abschießt, das ist mir lieber." Ich weiß nicht, ob diese Leute zu dem Zeitpunkt schon dagewesen waren, aber Mona war immer so nett zu mir, so fröhlich, und an dem Tag nicht. Sie hat mit mir gesprochen und sich so weggeduckt. Ich habe gefragt: "ist alles in Ordnung, brauchst du etwas?" "Nein", sagte sie, "danke, es ist alles in Ordnung. Arnelo ist nicht da." Aber sie hat auf den Boden geguckt, sie war traurig. ...se veía triste. Das war am frühen Nachmittag. Danach wurde sie nicht mehr gesehen. Atmo 18 Ankunft Friedhof Bonfilio wohnt um die Ecke des Friedhofs - ein heilloses Durcheinander: Grabplatten unter und übereinander, die Steine verwittert, die Blumen verdorrt. Kaum eine Pflanze hält der Hitze stand. Wir klettern über die Platten, Esperanza führt uns zum Mausoleum der Familie. Eine blutrote Bugambilia windet sich um ein kleines Tor und trotzt der Dürre. Es ist der Eingang zur Grabstelle. Atmo 19 Öffnen Wir betreten einen Raum, ähnlich einer kleinen Kapelle, vorne ein Altar mit Kreuzen. Rechts und links hohe, graue Wände. Atmo 19 hoch: "aquí esta Mona, aquí Arnelo..." Esperanza legt ihre Hand an die Stelle, an der die beiden Särge von Mona und Arnelo einbetoniert sind. Dann beugt sie sich hinab, um vom Fußboden verdorrte Gladiolen wegzuräumen. Atmo 20 Wegräumen Blumen Mario stellt eine große weiße Kerze auf die Erde, daneben ein Tongefäß, in dem die Mexikaner Räucherwaren verbrennen. Atmo 21 anzünden copal Die Grabkammer füllt sich mit Rauch. Esperanza stützt sich an die Wand. T 17 Esperanza Mona y Arnelo, vinieron a visitarlos... Mona und Arnelo, ihr habt Besuch bekommen, sagt sie. Ellen und Mario sind hier. Wir gehen jetzt und wissen nicht, wann wir uns wiedersehen. ...cuando regresamos. T 18 Queremos justicia... Wir wollen uns nicht nur verabschieden, wir wollen Gerechtigkeit, sagen wir noch. Gerechtigkeit wollen wir auch, antwortet Esperanza. Aber wer will uns schon hören? T 18 hoch ...nadie te hace caso, nadie. Atmo 22 Rausgehen Friedhof Wir müssen zurück bevor es dunkel wird. Wir schenken Esperanza ein Foto: Mona lächelt weich in die Kamera, ihr langes Haar hat sie zusammengebunden. Arnelo sitzt hinter ihr in einem Kanu, sein weißer Schnauzbart blitzt in der Sonne. Atmo 7c Serpentinen Die Rückfahrt muss schnell gehen. Kein weißer Nissan folgt uns. Wir schweigen. Mario rast über die Serpentinen. Ich halte mich fest an einer grellroten Tasche mit einem Gedicht und einer Muschel. 11