COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. LÄNDERREPORT 19.03.2010 Über Kreuz ? Der Streit um Symbole im öffentlichen Raum Autorin: Stefanie Müller-Frank Red.: Claudia Perez Atmo 1 Büro abschließen und durch Gänge Autorin In den engen Fluren des Düsseldorfer Amts- und Landgerichts stapeln sich die Umzugskartons. Sämtliche verfügbaren Aktenwägelchen sind am Portal wie zu einer Herde zusammen geschoben. Der Umzug in ein neues Gebäude steht kurz bevor, aber der Sitzungsbetrieb soll bis zum letzten Tag aufrecht erhalten werden. Atmo 2 in Schwurgerichtssaal Autorin Peter Schütz nickt kurz der Wachtmeisterin zu, die vor dem Schwurgerichtsaal Aufsicht hat. Der Richter ist zugleich Pressedezernent am Landgericht. Wie viele Journalisten und Kamerateams er in den vergangen Tagen durch die Säle geführt hat? Viele. Peter Schütz bleibt diplomatisch und drückt zuvorkommend die schwere Holztür auf. Der Saal atmet die Aktenluft aus sechs Jahrzehnten. Dunkler Teppichboden, expressive Sechziger-Jahre-Lampen, die Wände holzvertäfelt. O-Ton 1 Peter Schütz Wir befinden uns jetzt im Schwurgerichtssaal. Es ist gerade Verhandlungspause, deswegen können wir uns jetzt kurz umschauen. Man sieht an der Stirnwand hinter der Richterbank die Silhouette, wo das Kreuz gehangen hat. Sie zeichnet sich deutlich von der restlichen Wand ab, weil sie anders nachgedunkelt ist durch die Sonneneinstrahlung als die Holzvertäfelung im übrigen. Autorin Der Umriss hebt sich dunkel von der ausgeblichenen Holzwand ab und macht bis in die hinterste Stuhlreihe sichtbar, wo das Kruzifix bis vor kurzem hing ? wenn sich nicht jemand im Gerichtssaal durch das Kreuz gestört fühlte. Dann musste es abgehängt, und die Silhouette mit einem Vorhang verhängt werden, erzählt Peter Schütz. O-Ton 2 Peter Schütz (Das heißt, hier hat es auch nichts genutzt, das Kreuz einfach abzuhängen?) Hier hat das nichts genutzt. Wenn hier die Beschwerde kam, dass ein Verfahrensbeteiligter sich nicht im Angesicht des Symbols an der Verhandlung beteiligen wollte, dann musste entweder ein neuer Sitzungssaal genommen werden ? oder die Silhouette verhangen. Autorin Vor kurzem wurde das Kruzifix endgültig aus dem Schwurgerichtssaal entfernt und zusammen mit den neun weiteren Kreuzen aus den Räumen des Amts- und Landgerichts in Umzugskartons verpackt. Im neuen Justizzentrum am Oberbilker Markt sollen sie allerdings erst gar nicht mehr aufgehängt werden. So haben es die beiden Präsidenten von Amts- und Landgericht entschieden. Ein fatales Signal, meint der Generalvikar des Erzbistums Köln, Dominik Schwaderlapp. O-Ton 3 Dominik Schwaderlapp Ich halte die Entscheidung, in Düsseldorf die Kreuze aus den Gerichtssälen zu nehmen, für fatal. Unser Staat ist weltanschaulich neutral, aber nicht wertneutral. Und die Werte unserer demokratischen Gesellschaft wurzeln im christlichen Gottes- und Menschenbild. Wenn man also die Kreuze aus den Gerichtssälen nimmt, dann ist das ein demonstratives Trennen unserer Rechtsordnung von ihren Wurzeln. Und das halte ich für fatal.) Autorin Peter Schütz schüttelt den Kopf. O-Ton 4 Peter Schütz Also ein demonstratives Trennen von den Wurzeln hat nicht stattgefunden. Die Entscheidung respektiert die im Grundgesetz festgelegte Neutralität des Staates in weltanschaulichen und religiösen Fragen. Es ist also nicht so, dass sich die beiden Gerichtspräsidenten zusammengesetzt hätten, um zu beschließen, es sei an der Zeit, die Kreuze abzuhängen. Sondern es ist anlassbezogen aufgrund des Umzuges die Notwendigkeit besprochen worden, ob wieder Kreuze aufgehängt werden oder nicht. Autorin Den Kölner Generalvikar überzeugt das Argument nicht. Ein Kreuz sei eben kein beliebiger Einrichtungsgegenstand, den man wie eine Vase oder einen Aktenschrank einfach zurücklassen könne. O-Ton 5 Dominik Schwaderlapp Ich glaube, dass die Menschen spüren, dass eine solche Handlung mehr ist, als nur einen Umzugskarton nicht auszupacken. Dass es ein demonstrativer Akt ist, der auch von Wurzeln unserer Kultur, unserer Rechtsordnung trennt, die doch für uns hier prägend ist. Musik Autorin Niemand bestreitet, dass unsere Rechtssprechung in einem christlichen Wertesystem wurzelt, meint Hans Michael Heinig, Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der Evangelischen Kirche in Deutschland. Aber er sieht nicht ein, warum das durch ein Kreuz im Gerichtssaal dokumentiert werden muss. O-Ton 6 Hans Michael Heinig Man hat doch den Eindruck, der Streit um Symbole im öffentlichen Raum ist selbst stark symbolisch. Es geht hier um die Frage, wie wir als Gesellschaft mit der Religion umgehen. Autorin Warum setzen wir uns dann nicht direkt mit dieser Frage auseinander, sondern diskutieren immer wieder über Kreuze, Kopftücher und Minarette? O-Ton 7 Hans Michael Heinig Weil Symbole Bedeutung verdichten. Und einerseits hochgradig aufgeladen sind: Das heißt man kann besonders schön über die unterschiedlichen Dimensionen eines Symbols streiten. Und andererseits es immer einen sehr anschaulichen Aufhänger gibt. Ansonsten sind es doch sehr technische Fragen, die uns bewegen: Wie richten wir islamischen Religionsunterricht ein? Wieviel Staatsleistungen soll eine Religionsgemeinschaft bekommen? Das ist für die Breite nicht so gut zu greifen. Aber bei Symbolen kann jeder mitreden. Autorin Und tut es auch. Dabei ist die Rechtslage eindeutig: In allen Gebäuden, in denen sich der Bürger aufhalten bzw. dem Staat gegenübertreten MUSS ? wie in Schulen, Gerichten oder bei der Polizei ? gilt das Neutralitätsgebot. Atmo 3 Schlüssel holen Autorin So hat es das Bundesverfassungsgericht 1995 in seinem berühmten ?Kruzifix-Urteil? entschieden. Bayerische Eltern hatten dagegen geklagt, dass ihre Kinder durch ein Kreuz im Klassenraum in ihrem Recht auf ?negative Religionsfreiheit? verletzt seien ? also in ihrem Recht darauf, weltanschaulich neutral erzogen zu werden. Damals ging es zwar um Klassenzimmer, aber das Urteil der Richter gilt seitdem für alle ?staatlich verfassten? Räume. So muss auch in Gerichten das Kruzifix abgehängt werden, sobald ein Prozessbeteiligter das verlangt. Wenn dort überhaupt noch eins hängt. Atmo 4 Saal aufschließen O-Ton 8 Peter Schütz Das ist ein Verhandlungssaal für Zivilrecht. Und wie Sie sehen können, hängt kein Kreuz und hat auch nie eins gehangen. (191, 2.12) Es gibt meines Wissens sonst auch keine Symbolik in den Sälen. (Ich dachte immer, im Gerichtssaal gibt es eine Justitia, eine Waage oder ein Landeswappen?) Das mag es in einigen Gerichtssälen geben, aber bei uns gibt es das nicht. Autorin Wie aber kann es sein, dass in einigen Sälen des Düsseldorfer Amts- und Landgerichts bis vor kurzem Kreuze hingen ? in anderen dagegen nicht? Die Gerichtsverwaltung hat sie nicht angeschafft, da ist sich der Richter Peter Schütz sicher. Woher stammen die Kreuze dann? Haben sie einzelne Richter in Privatinitiative aufgehängt? Das würde erklären, warum nur zehn von knapp 50 Säle mit Kreuzen ausgestattet waren. Peter Schütz wiegelt jede Nachfrage ab. O-Ton 9 Peter Schütz Dazu kann ich Ihnen aus eigener Erfahrung gar nichts mehr sagen. Meine Richtergeneration hat die Kreuze hier vorgefunden. Soweit ich informiert bin, ist das nicht aufgrund staatlicher Anordnung geschehen, sondern überlieferte Übung gewesen. Diese Kreuze sind übernommen worden. Autorin Eine überlieferte Übung, die laut Schütz niemals zu Aufregung geführt hat. Ebenso wenig wie das Abhängen der Kreuze auf Verlangen. Wie oft das vorgekommen ist? Der Richter wehrt auch diese Frage mit einem bedauernden Achselzucken ab. Es bestand nie die Notwendigkeit, das statistisch zu erfassen. Atmo 5 durch Gänge Autorin Die Entscheidung über das weitere Schicksal der Kreuze liegt beim Hausherrn ? also dem Gerichtspräsidenten. In Wahlkampfzeiten scheinen Politiker das schnell mal zu vergessen: Nicht nur Ministerpräsident Jürgen Rüttgers äußerte öffentlich seinen Wunsch, die Kreuze wieder aufzuhängen, sondern auch die nordrhein-westfälische Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter. Peter Schütz versucht zu relativieren. O-Ton 10 Peter Schütz Die Justizministerin hat in dieser Frage keinen Einfluss genommen, sondern sie hat die Entscheidung den Gerichtspräsidenten überlassen. Und es gibt auch keine allgemeine Anordnung für das Land NRW, die einheitlich regeln würde, ob in Gerichtssälen Kreuze aufgehängt werden oder nicht. Und insofern hat die Justizministerin hier ihrer Meinung Ausdruck verliehen. Autorin Von 1.300 Gerichtssälen in ganz Nordrhein-Westfalen sind nur noch 50 bis 60 überhaupt mit einem Kreuz versehen Auch in den beiden obersten Gerichten der Bundesrepublik hängen keine Kreuze ? weder im Bundesgerichtshof noch im Bundesverfassungsgericht. O-Ton 11 Dominik Schwaderlapp Schlimm genug. Autorin Meint der Generalvikar des Erzbistums Köln, Dominik Schwaderlapp. O-Ton 12 Dominik Schwaderlapp Deshalb wollen wir unsere Stimme erheben, wo das weiterhin geschieht. Wir halten das nicht für richtig. (187, 3.13) Autorin Kann er denn nachvollziehen, dass ein Angeklagter nicht im Angesicht des Kreuzes aussagen will? O-Ton 12 Dominik Schwaderlapp Also eigentlich nicht. Denn wer in diesem Land lebt, der muss zum Beispiel auch damit leben, dass die Kirchtürme unsere Städte prägen. Das gehört zu unserer Kultur, unserem Leben dazu. Niemand ist dazu gezwungen dieses Kreuz, das da an der Wand hängt, zu verehren. Aber dass es da ist, diesen Respekt, den kann ich von jedem erwarten. Atmo 6 Glockenläuten und Muezzinrufe Autorin Nun stößt der Respekt vor einer fremden Religion schnell an Grenzen. Wie schnell ? das führte die Künstlerin Miriam Kilali mit einer einfachen Klanginstallation vor: Ende Januar ließ sie vom Turm der katholischen Antoniuskapelle in der Mainzer Innenstadt abwechselnd Glockengeläut und laute Muezzinrufe ertönen. ?Ja, sind wir jetzt in Mekka?? rief ein aufgebrachter Passant. Andere schimpften darüber, dass immer mehr Kirchen leer stünden und an muslimische Gemeinden verkauft würden. Die Reaktionen spiegeln unsere eigene Verunsicherung, meint der Kirchenrechtler Hans Michael Heinig. O-Ton 13 Hans Michael Heinig Die Konflikte bilden ab, dass aus dieser Pluralität heraus ein neues Konfliktpotential erwächst: Es stellt Identitätsentwürfe in Frage, es ist eine vermehrte Konfrontation mit dem Fremden, die das Eigene erstmal in Frage stellt. (195, 14.23 ? Stimme oben) Und dass die Verunsicherung, die aus dem Traditionsabbruch erfolgt, verstärkt wird dadurch, dass andere gerade mit starken Überzeugungen und neuen Traditionen in den öffentlichen Raum drängen, da spricht viel für. Autorin Je weniger der Glaube unseren Alltag beeinflusst, je mehr Gotteshäuser umgewidmet werden und die Prägekraft christlicher Symbole verblasst ? desto mehr wächst die Angst vor Überfremdung. Die Auseinandersetzung um die Sichtbarkeit von religiösen Symbolen im öffentlichen Raum ist, ganz offenkundig, ein Kampf um Deutungshoheit. Kruzifixe sind keine Deko, Kopftücher keine Accessoires ? sondern öffentliche Manifestationen des Glaubens. Kirchtürme, ebenso wie Minarette, geben an, in was für einem kulturellen Koordinatensystem wir uns bewegen. Die Architektur von Sakralbauten war schon immer ein semantisch bedeutsamer Austragungsort kultureller Setzungen. Will heißen: Der Bau von mächtigen Kirchtürmen diente meist auch der Demonstration von Hegemonieansprüchen. Die Errichtung von Kirchen bei der Eroberung der Kontinente machte den Eingeborenen den Machtanspruch deutlich. Streng genommen sind sie für die Religionsausübung ebenso verzichtbar wie Minarette. Aber die Religionsfreiheit, unterstreicht Hans Michael Heinig, ist nicht dazu da, uns vor unliebsamen Anblicken zu schützen. O-Ton 14 Hans Michael Heinig In den öffentlichen Raum gehören sie schon deshalb, weil es ein Teil der Religionsfreiheit ist, seine Religion auch nach außen dokumentieren zu dürfen. Das ist sozusagen ein markantes Zeichen für Diskriminierung, wenn Angehörige einer Religion ihre Symbole im öffentlichen Raum nicht zeigen dürfen. Etwa keine Kirchen bauen dürfen ? oder keine Minarette. Autor Konsequent zu Ende gedacht hätte das auch absurde Folgen: Sämtliche Gipfelkreuze müssten entfernt werden, das Kreuz aus der Schweizer Flagge, der Sternenkranz von der Europafahne ? und nicht zu vergessen die Europahymne ?Freude schöner Götterfunken?. Atmo 7 Flughafen Autorin Wo aber hört die Neutralitätspflicht auf und fängt die Religionsfreiheit an? Mit dieser Frage sieht sich der Betreiber des neuen Großflughafens Berlin-Brandenburg konfrontiert. Geplant ist hier ein neutraler ?Raum der Stille?, der Gläubigen aller Religionen offen steht. Auf spezifische religiöse Symbole soll deshalb verzichtet werden. Die Kirchen aber protestieren und wünschen sich eine eigene, christliche geprägte Kapelle ? also einen Raum mit Altar und Kreuz an der Wand. Auch der Kirchenrechtler Heinig sieht keinen Sinn in einem neutralen Andachtsraum. O-Ton 15 Hans Michael Heinig Dann könnte ich auch einfach eine Besenkammer zur Verfügung stellen. Also was ist der Mehrwert dieses Raumes? Je nach Religion ist ein Zwiegespräch mit Gott in jedem Raum, an jeder Stelle und völlig ohne Symbole möglich. Autorin Die Berliner Kirchen schlagen vor, den 120 qm großen Raum zu teilen und eigene Gebetsräume für Christen, Juden und Muslime zu schaffen. So ist es auch an den zehn anderen großen, deutschen Flughäfen üblich. Nur in Düsseldorf ist der Andachtsraum konfessionsübergreifend. Hans Michael Heinig bezweifelt, dass die Gläubigen sich dort nicht gegenseitig stören. Ein Christ wünsche sich doch ein Kreuz, ein Muslim wüsste gerne, in welcher Richtung Mekka liegt und ein Jude hätte Schwierigkeiten, in Anwesenheit von Nichtjuden das Kaddisch zu sprechen. Ein Muslim muss sich beim Gebet bewegen, ein Christ sitzt vermutlich lieber kontemplativ an einer Stelle. O-Ton 16 Hans Michael Heinig Wenn man sagt, ich will einen Raum schaffen, wo sozusagen religiöse Bedürfnisse von Benutzern dieses Flughafens bedient werden, dann macht es auch Sinn, auf deren Bedürfnisse einzugehen. Das Land Berlin neigt dazu, aus allem eine religionspolitische Grundsatzfrage zu machen, und im Zweifel immer eine Position zu beziehen, die etwas antireligiös Kämpferisches hat. So auch hier. Autorin Glaubensfreiheit, meint Heinig, wird oft als Zwangsatheismus missverstanden. Man will Offenheit und Toleranz demonstrieren, aber in einem säkularisierten Staat zu leben, heißt ja nicht, dass Gläubige ihre Religion nur noch in der Privatsphäre leben dürfen ? sondern dass die Gleichberechtigung von Andersgläubigen und Atheisten gewahrt ist. Musik Durcheinander von Hymnen ?? Autoren Aber wie ließe sich dieses Modell auf den Gerichtssaal übertragen? Ist es vorstellbar, Kreuz, Davidstern und Halbmond gleichberechtigt nebeneinander zu hängen? Dazu vielleicht noch eine Swastika oder das achtspeichige Rad der Lehre ? je nach religiöser Zugehörigkeit der Prozessbeteiligten auswechselbar? Wobei die Anwesenheit des einen vermutlich ebenso sprechend wäre wie das Fehlen eines anderen. Musik DDR-Hymne schält sich raus ?? Autoren Man denke nur an den Berliner Palast der Republik: Nie war der Ährenkranz wirkmächtiger als mit der hohlen Leerstelle, die in seiner Mitte klaffte. O-Ton 17 Hans Michael Heinig Das ist doch faszinierend: Das Fehlen des Hoheitszeichens der DDR am Palast der Republik war doch selbst ein Symbol. Da war sozusagen in nuce zu greifen, was da historisch passiert ist. Und es zeigt, dass man die Symbole auch so schnell nicht los wird. Sie haben ihre eigene Geschichte, ihre eigene Kraft. Da muss man schon das ganze Gebäude abreißen. Oder im Bezug auf das Kreuz im Gerichtssaal: Man muss schon komplett renovieren, um jedenfalls diese Sichtbarkeit der Symbole loszuwerden. Autorin Und was sagt uns das? Nun ? auch das ist wieder eine Frage der Auslegung. Die einen sehen im Schatten des Kreuzes seine bleibende Wirkmacht, die sich nicht so einfach mit dem Abhängen des Symbols selbst beseitigen lässt. Und die anderen betrauern beim Anblick der verbliebenen Silhouette im Düsseldorfer Schwurgerichtssaal den Abschied von einem Wertesystem, ja von der gesamten abendländischen Kultur in seiner bisherigen Form. Beide Deutungen sind möglich. Atmo 8 durch Gänge Autorin Was mit den realen zehn Kreuzen aus dem Düsseldorfer Land- und Amtsgerichts geschieht, ist noch offen. Für das große Kreuz aus dem Schwurgerichtssaal soll zwar ein prominenter Platz im neuen Gebäude gefunden werden ? allerdings außerhalb der Sitzungssäle. Und die neun weiteren? O-Ton 18 Peter Schütz Die werden derzeit verwahrt. Bis eine endgültige Entscheidung darüber gefallen ist, wie weiter mit den Kreuzen verfahren werden soll. Sie werden auf gar keinen Fall einfach nur entsorgt, sondern es wird sorgfältig abgewogen, wie das weitere Schicksal dieser Kreuze sein wird. Atmo 9 Schlüssel zurück Autorin Eine spezifische Regel, wie mit nicht mehr gebrauchten Andachtsgegenständen zu verfahren ist, gibt es allerdings selbst in der katholischen Kirche nicht. Das Kölner Generalvikariat rät den Gerichtspräsidenten, sich mit dem nächstgelegenen Pfarramt in Verbindung zu setzen, um über eine würdevolle Weiterverwendung zu beraten. Auf keinen Fall dürften die Kreuze der Verspottung ausgesetzt oder ? wie angeblich beim Umzug des Klinikums Bad Soden geschehen ? in Müllsäcken abtransportiert werden. Sie hängen am neuen Standort des Kreiskrankenhauses nun wieder. Dass die Kreuze im Düsseldorfer Amts- und Landgericht jemals wieder in den Sitzungssälen angebracht werden, schließt der Richter Peter Schütz jedoch aus. O-Ton 19 Peter Schütz Also der Kompromiss hätte ja darin bestanden, die Kreuze aufzuhängen und im Bedarfsfall ? also wenn sich ein Beteiligter an dem Verfahren gestört gefühlt hätte ? sie wieder abzuhängen. Nur spätestens jetzt ist es sicher so, dass sich diese Kompromisslösung verbieten dürfte, weil die Aufmerksamkeit, die dem Thema gewidmet wurde, sicher dazu führen wird, dass die Häufigkeit, mit der Prozessbeteiligte das Abhängen der Kreuze verlangen, signifikant ansteigen wird. Und es ist sicher auch nicht so, dass der Würde des Symbols besser Rechnung getragen wird, wenn es ständig auf- und abgehängt wird. Autorin Kommt auf die Deutung an ? widerspricht der Generalvikar des Erzbistums Köln. O-Ton 20 Dominik Schwaderlapp Das sehe ich anders. Ich glaube erstens nicht, dass sich viele daran stören. Und wenn es dann abgehangen wird und wieder aufgehangen, dann wird vielleicht immer mal wieder die Diskussion erfolgen, wieso hängt eigentlich das Kreuz da? Und was trägt uns eigentlich, wo kommen wir her? Und dieses Bewusstmachen unserer Herkunft sehe ich eigentlich als sehr positiv an.) Atmo 10 Tür zu 1