COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Die Kleine Sprachgeschichte. Rheinisch - Oder : Warum die da so anders sprechen - Autor Timm Hannes Schauen Red. Claus Stephan Rehfeld Sdg. 27.03.2012 - 13.07 Uhr Länge max. 18.37 Minuten Spr. Simon Böer Regie Stefanie Lazai Moderation Die rheinische Sprache ist manchmal nur eine Aussprache, also ein Singsang wie Adenauers Sprechweise, auch "Familienkölsch" genannt. Dann gibt es noch das, was gemeinhin unter 'Rheinischer Regiolekt' erfasst wird, also ein reiner Dialekt des Standarddeutschen. Aachener und Bonner sprechen ihn, solche aus der Voreifel und jene aus den Kleinstädten dazwischen. All diese Rheinländer würden sich arg wenig freuen, unterstellte man ihnen, sie sprächen Kölsch. Sie merken schon, die Lage ist ziemlich verworren - viele Lokalsprachen. Das naheliegende Wortspiel mit Lokal ersparen wir uns hier, nicht aber die notwendige Frage: Was ist denn nun Rheinisch? Wo spricht man es? Und warum sprechen die da so anders? Tim-Hannes Schauen ist dieser Frage nachgegangen. -folgt Script Beitrag- Script Beitrag (Christian Bartel) "Im Rheinland spricht man Rheinisch, und das hat sehr verschiedene Ausprägungen." (Karl Kettges) "Jung, wat hässe dann jestern jemaht? Häste jestere zuviel Bier jedrunke?" (Christian Bartel) "Viele sprechen das, einige sprechen es immer, jeden Tag, die meisten sprechen es, sobald sie anfangen Karneval zu feiern, da würde ich sagen: dann sprechen alle so. Wenn der Klempner kommt, dann wird auch noch mal der rheinische Singsang ausgepackt ..." (Karl Kettges) "Du siehs schläch uss, da musst bissje dran dunn, dat de nit da in die Grube rin fährst!" SPRECHER Rheinisch. Die Mundart von Konrad Adenauer, Heinrich Böll - und einigen Millionen Bewohnern und Bewohnerinnen ... (Wilma Mandelartz) "Isch bin ein Aachener Mädchen, wa?" SPRECHER ... des Westteils von Nordrhein-Westfalen. Dieser jemötliche Singsang. (Christian Bartel) "Wie klingt dat denn dann? Jaaa, also et weed alles en bisschen jemütlicher, son ein bisschen runder, so abgeschliffener, die Stimmung wird auch familiärer." SPRECHER Die Sprachmelodie des Rheinischen ist bekannt. Und Sie daheim am Radio liegen oder sitzen natürlich richtig: Er klingt fast wie Kölsch, aber eben nur fast. Die Einwohner des Millionendorfs pflegen ihr Kölsch, die Rheinländer in Aachen, Bonn, der Eifel und überhaupt die aus all den größeren und kleineren Städten davor und dahinter auch - den ihren. (Christian Bartel / zitiert aus seinem Buch) "Der Rheinländer hält sich selber für einen gutwilligen Hobbit, den Rest der Weltbevölkerung aber für eine Horde böswilliger und übel riechender Orks. Diese Einschätzung allerdings hält ihn nicht davon ab, sich selbst zudem für ausgesprochen tolerant zu halten." SPRECHER Und damit fängt eigentlich alles an - mit der rheinischen Geographie. Christian Bartel, ein gebürtiger Bonner, ist von Berufs wegen Geograph ... der Landschaft, der Einwohner, der Mentalität dieses Landstrichs. (Christian Bartel / zitiert aus seinem Buch) "Das Rheinland ist recht einfach zu finden, denn es liegt genau im Zentrum des Universums - das glaubt zumindest der Rheinländer. Auf alten Karten ist das Rheinland deswegen als goldene Stadt auf dem Hügel inmitten einer Wüstenei eingezeichnet, die meist mit dem Satz: hic sunt Westafalii oder einem Verbotsschild markiert ist. Das übrige Universum, das nach der Vorstellung des Rheinländers ohnehin nur bis an die Nordsee reicht, erscheint dem Rheinländer als Hort schrecklicher Monster, Menschenfresser und Protestanten, während seine Heimat selbstredend ausschließlich von ausgesucht gastfreundlichen, liebenswerten sowie rechtgläubigen Geschöpfen bewohnt wird." SPRECHER Eines dieser gastfreundlichen, liebenswerten und rechtgläubigen Geschöpfe, kurzum Rheinländer, ist der emeritierte Germanistik-Professor Doktor Karl-Heinz Göttert. (Göttert) "Das Rheinische ist eigentlich ein politischer Begriff und zwar stammt der von den Preußen: die haben die Rheinlande erfunden, die preußische Rheinprovinz, und dieses Territorium, wenn Sie so wollen, das erstreckt sich im Norden von Kleve in den Süden bis fast Saarbrücken, und das überspannt mehrere Dialektregionen, also es gibt so gesehen nichts Rheinisches, sondern es gibt die Rheinlande mit ihren verschiedenen rheinischen Dialekten." SPRECHER Deshalb sind wir ja hier. Also da wären: (Göttert) "Im Norden haben wir das Niederdeutsche und dann das Ripuarische bei Köln, weil hier mal die Ripuarier gewesen sind, und dann kommt das Moselfränkische und dann kommt das Rheinfränkische - das kann man auch machen. Aber es ist auch ganz nett, vom Rheinischen zu sprechen und das alles zusammen zu fassen mit dem Vorteil, dass man es dann mit einer Region zu tun hat, in der verschiedene Dialekte gesprochen werden." SPRECHER Zum Beispiel die Rheinpfalz in Rheinland-Pfalz. (Rheinpfälzer) "Alla, gut, ich geb's zu, dass ich mehrschdedeils in Lautere leb - verstehsche?" SPRECHER Und Mainz, das liegt bekanntlich ebenfalls am Rhein, doch spricht man dort eben Meeenzerisch. Und direkt nebenan gibt es noch die Rheinhessen. Wir wenden uns ab, denn rheinabwärts gesehen entledigt sich das Rheinland kurz hinter Koblenz der Pfalz, genau dort beginnt Nordrhein-Westfalen, jedenfalls ab Bonn beginnt unstrittig das Rheinland. Und bei Bad Honnef beginnt der rein-rheinische Sprachraum - jedenfalls aus der Sicht der Rheinländer, die das ripuarische Rheinisch sprechen. (Göttert) "Also bei den Dialekten, das ist schon ein Kreuz: man hat erst Großregionen, in diesen Großregionen gibt es kleinere Regionen, und diese kleineren Regionen, die zerfallen dann wieder, bis man zum Schluss auf My Fair Lady kommt und dann auf Professor Higgins, der sagt, er bestimmt jeden Londoner auf zwei Straßen genau, das heißt also von zwei Straßen zu zwei Straßen weiter ändert sich der Dialekt. SPRECHER Genau. (Göttert) "Also man hat die Wahl, entweder was Falsches zu sagen und viel zu viel zusammen zu fassen, oder was Falsches zu sagen und viel zu kleinteilig zu sein. Wir wollen also weder das eine noch das andere machen und behelfen uns dann mit so Kompromissen und sprechen dann meinetwegen über das Rheinische, wie es in Köln gesprochen wird, oder das Rheinische, wie es in Koblenz gesprochen wird, oder das Rheinische, wie es in der Pfalz gesprochen wird." SPRECHER Genau. Weil ... (Karl Kettges / Eifel) "... der Eifeler Dialekt, der ist son bisschen angelehnt an dat Kölsche, würde ich mal sagen. Aber in der Eifel gibt et dann widder große Unterschiede im Sprachgebrauch, also wenn Du jetzt in die Südeifel runterfährst , da ist die Sprache widder janz anders, janz jenau. Wenn man dann, wir fuhren ja schonmal auf die Schützenfeste oder Kirmisse da, dat zehn Kilometer weiter in nem Dörfchen da wieder ganz anders gesprochen wurde wie in den kleinen Mülheim, wo ich großgeworden bin." SPRECHER Auch in der Gegend um Aachen spricht man Rheinisch. Und in Aachen selbst ist oft das sogenannte Öcher Platt zu hören. (Christian Bartels) "Das Öcher Platt - nicht nur die mundartliche Bezeichnung der Stadt Aachen, also Oche! - klingt nach einem hartnäckigen Reizhusten, auch der Dialekt selbst wird von Reisenden immer wieder mit einer schweren Erkältung verwechselt, weswegen kaum jemand die schmucke Stadt am Nordrand der Eifel besuchen mag, obwohl es dort sehr schön sein kann, wenn man bloß die Augen schließt. Dabei besticht das Öcher Platt durch eine kratzige Kopfnote, die von den kalten Winden der Ardennen geformt wurde, einen teigigen Körper von exquisiter Bräsigkeit, der an das Frittenfett des nahen Belgiens gemahnt, und einen torfigen Abgang, der auf die nahegelegenen Moore des Hohen Venns verweist." (Wilma Mandelartz / Öcher Platt) "Alles nur ein Trümmerhaufen! Da gab es kein Metzger, keine Bäcker nix, auf der Straße wurden denn Butterbrote gemacht, wenn denn ein Bäcker noch da war, da standen wir Schlangen für Schnitte Brot. Ich war ja ein junges Mädchen, ich bin dann zweimal gegangen, da hat der mich erkannt, sagt er: "Zurück! Du warst ja gerade hier, wa?" Jaja, et war schon ne fiese Zeit." SPRECHER Auch in Bonn ist Rheinisch zu hören, der dortige Dialekt allerdings grenzt sich in Klang und Namen also wirklich vom Kölsch ab: (Göttert) "Ich war neulich in Bonn, und da wusste ich vorher schon, dass ich jetzt nicht sagen darf, dass die Bonner Kölsch sprechen, die sprechen mittlerweile Bönnsch. Ich find das auch ganz gut, dass sich darin Selbstbewusstsein ausdrückt, aber so ist das natürlich im Westen genauso, wenn sie nach Düren/Aachen gehen, dann unterscheidet sich das auch alles und das muss auch so sein, aber man kann es eben trotzdem auch unter Oberbegriffe bringen - und dazu gehört zum Beispiel das Ripurarische, das so diese gesamte Region hier um Köln und Hinterland umfasst." SPRECHER Warum also sprechen die im Rheinland so anders - überhaupt, und auch untereinander? (Göttert) "Also das hängt alles mit der Völkerwanderungszeit zusammen, aber wenn man es mal auf einen ganz einfachen Nenner bringt: Es sind germanische Stämme hier eingewandert, eingesickert, haben die Römer überrollt und haben sich da niedergelassen. Und hier in unserer Region waren das eben die Franken, das steht fest. Und die mussten sich dann mit Römern auseinandersetzen, haben natürlich den Weinbau übernommen und damit das ganze Vokabular, aber auch anderes Vokabular, also aus dem Alltag und so weiter und so ist das hier eine Region, die ein bisschen romanisch eingefärbt ist, in einem Dialekt, der germanischen Ursprungs ist, und der hat sich jetzt so weiterentwickelt, das waren im Mittelalter keine Germanenabkömmlinge mehr, sondern da hat sich das alles schon sehr viel weiter entwickelt gehabt, aber wir gehen zurück auf die Franken." SPRECHER Was wie wo gesprochen wird - die Sendezeit dafür haben wir hier jetzt nicht. Beschränken wir uns also auf das Rheinische so zwischen Düsseldorf und Bad Honnef, von Aachen über Düren, Köln bis ins Oberbergische bei Gummersbach. (Göttert) "Wobei eben der Witz darin liegt, dass wir in Deutschland insgesamt eine große Grenze haben: nämlich die Grenze zwischen dem Niederdeutschen und dem Hochdeutschen. Und diese Grenze zerschneidet das Rheinland. Das heißt also, das Rheinland, das ist nicht so eine Region wie meinetwegen das Bayrische, das zum Oberdeutschen gehört, oder das Ostfriesische, das zum Niederdeutschen gehört, das Rheinland, das gehört beiden Großräumen der Dialekte an, ragt also einerseits in's Niederdeutsche und andererseits in's Mittel- und Oberdeutsche, das fasst man dann als das Hochdeutsch zusammen." SPRECHER Das hiesige Anderssprechen hat mit dem Rheinischen Fächer zu tun. Und obwohl Dialekte auch gewissen Moden unterliegen, ist der Rheinische Fächer wirklich kein Modeaccessoire. (Göttert) "In Germanischen Zeiten hatten wir drei Konsonanten: p, t und k. Und die wurden verschoben sagt man, die wurden plötzlich p zu f, t zu z oder doppel s und k zu h beziehungsweise ch. Das nennt man die Lautverschiebung, und das hat im Süden begonnen und kam in's Stocken auf dem Weg in den Norden. Im Niederdeutschen Bereich hat man alle diese Konsonanten beibehalten, wie sie waren, also da wurde nie was verschoben. Man sagte unten im Süden up/auf das Reich, wenn man anstieß mit dem Bierkrug, und oben im Norden sagte man: up dat Rike. Und diese Verschiebung, die kam ausgerechnet im Rheinland in so eine eigenartige Bewegung des Stockens, und da wurden diese Laute in bestimmten Positionen von Wörtern manchmal auch nur in bestimmten Wörtern nördlicher Richtung sozusagen getrieben oder blieben eben südlicher hängen." SPRECHER Eine dieser von Sprachwissenschaftlern festgestellten aussprachlichen Zäsuren verläuft durch das Rheinland in Höhe des Düsseldorfer Stadtteil Benrath - bekannt als die "Benrather Linie?. (Göttert) "Ich will's ihnen am Beispiel sagen: die Dorp/Dorf-Linie, die liegt an der Nahe ungefähr, sehr südlich, man hat also verschoben das P zum F bis zur Nahe, und dann gibt man die Verschiebung auf und schon von der Nahe bis in den ganzen Norden heißt es eigentlich Niederdeutsch: Dorp. An der Mosel haben sie die dat/dass-Linie. Und noch etwas nördlicher, da geht man jetzt schon über Köln hinaus, Köln liegt genau dazwischen, noch etwas nördlicher haben sie die Maken/Machen-Linie, das heisst also "machen" - das verschobene CH, das spricht man bis zur Benrather Linie, das ist so die Linie, die südlich von Düsseldorf oder zwischen Düsseldorf und Köln verläuft, nördlich davon sagt man: maken! So kann man das in etwas sich vorstellen, es ist aber nicht ganz unkompliziert." SPRECHER Genau. Haben wir aber trotzdem verstanden. Der "Rheinische Fächer? beschreibt also die Grenze zwischen der zweiten großen Konsonanten-Verschiebung beziehungsweise Nichtverschiebung. (Göttert) "Man sagt da, dass die im Frühmittelalter angefangen hat und dann erstreckt die sich teilweise bis ins zehnte Jahrhundert, wird dann aber fester und fester, und die letzte Linie, die letzte Bestandsaufnahme, die man 1880 gemacht hat, die sicherlich eine Bestandsaufnahme ist, die auf ganz alte Verhältnisse zurückgreifen kann, die ist dann 1980 noch mal überprüft worden, und es hat sich herausgestellt: die ist identisch. Zwischen 1880 und 1980 - also in 100 Jahren - hat sich gar nichts getan." (Karl Kettges) "Ich war ja früher mal bei der Eisenbahn, da war ich in jungen Jahren im Fahrdienst, und dann fuhren wir ja auch München-Salzburg oder nach Hamburg rauf, und da bin ich immer aufjefallen im Zuch, also ich konnte nie verhehlen, dat ich ausm Rheinland komme, obwohl ich mich dann immer angestrengt habe, Hochdeutsch zu sprechen, aber dat klappt nich so janz." SPRECHER Das hat Karl Kettges, aufgewachsen in der Eifel, seit fast 50 Jahren in Köln lebend, auch, wir betonen : auch, mit dem ersten deutschen Bundeskanzler gemeinsam: seine Herkunft kann er nicht verhehlen. (Adenauer) "Jede Woche drei bis vier Nachmittage von morgens früh bis abends spät." SPRECHER 1963, also zum Ende der nicht enden wollenden 14jährigen Amtszeit als Bundeskanzler, kamen zwei Journalisten auf die Idee, den Dialekt des Kölners Konrad Adenauers zu erklären. (Sprecher 1) "Liebe Sprachfreunde, dies ist ein Kurs für alle, die das Rheinische mögen, und für alle, die es nicht mögen. Auch ist es ein Kurs für alle, die den Bundeskanzler mögen, und für alle, die ihn nicht mögen. Jedenfalls ist zum Erlernen des Rheinischen eine bestimmte politische Einstellung nicht vonnöten. Doch nun sogleich hinein in die Materie: Es ist ein weitverbreiteter Irrtum zu glauben, der Kanzler spreche jedes G wie J oder CH, ganz gleich, ob es sich um In-, An- oder Auslaut handelt. Gewiss, manchmal sagt er statt Freiburg (Adenauer:) "Freiburch? Und statt gezeigt (Adenauer:) "jezeicht." Aber er spricht immer nur von (Adenauer:) "General De Gaulle.? Und er würde niemals ?Jeneral de Johl? sagen, wie man das in schlechten Kanzlernachahmungen gelegentlich hören kann. Er würde zum Beispiel auch den Grüngürtel in Köln, ein Werk aus seinen Tagen als Oberbürgermeister der Stadt, niemals "Jrüühnjürchtel? aussprechen, sondern natürlich stets mit korrektem G. (Adenauer:) "Grüngürchtel, Grüngürchtel?. Also: das G manchmal wie G, manchmal wie J. Und manchmal wie CH. Das klingt zunächst verwirrend, aber es ist gar nicht so schwer." SPRECHER Gleichwohl: alle Sprachvermittlung half nichts mehr - die Ära Adenauer war zuende, die Nation und auch ausländische Gäste mussten auf diesen wundersamen Singsang verzichten. (Christian Bartel) Wenn ich auf Rheinisch angesprochen werde, dann rutsche ich da auch rein, ja, und ich behaupte eigentlich auch, dass ich Hochdeutsch sprechen däte, aber sobald ich woanders bin, zum Beispiel in Hannover oder Berlin, dann meinen die Menschen dort, einen rheinischen Singsang aus meiner Sprache rauszuhören. Isch halte das fürn Jerücht. SPRECHER Das größere Gerücht besagt, rheinisches Singen sei dessen Alleinstellungsmerkmal. (Göttert) Die anderen singen auch, die einen, die singen meinetwegen so, dass am Ende etwas gehoben wird, oder am Anfang etwas gehoben wird - also irgendwie heben und senken die alle so ein bisschen, und das Ganze macht dann so den Eindruck des Singens. SPRECHER Wann die rheinisch sprechenden Menschen im Rheinland links und rechts des Rheins, sprechen, das hat im Rheinland etwas andere Regeln als anderswo: (Christian Bartel) Als die Wissenschaft Kommunikation als Übertragung einer Nachricht vom einem Sender zu einem Empfänger definierte, hat sie diese Rechnung ohne den Rheinländer gemacht. Rheinische Kommunikation kommt nämlich vollkommen ohne Empfänger aus, weil dem Rheinländer die technischen Voraussetzungen dazu fehlen. Er hat weder ein Empfangsgerät noch einen Knopf zum Ausschalten, aber dafür hält die Batterie des Senders ziemlich lange. SPRECHER Das Rheinische und die Eigenheiten der Rheinländer - sie werden den geneigten Besuchern oft und zudem äußert gerne um die Ohren - jeschwaadt. Deswegen sprechen die da so anders. Und so oft. Neben inflationärer Kommunikation verbindet das Rheinland ein anderes Phänomen: rheinische Sprecher geraten schnell in Kuddelmuddel bei der Aussprache von CH und SCH. Sprecher Ich komm nach Haus, luhr op d'r Desch: kein Fleisch, kein Fisch - komich! (Göttert) "Das nennt man Hyperkorrektur. Also nehmen wir den Fisch. Weil der Rheinländer weiß, dass er immer an der falschen Stelle SCH sagt, dass er immer CH zu SCH, ICH immer ISCH sagt, dann kommt er zu dem Fisch und denkt ohhh, das wird auch wieder falsch sein mit dem SCH und macht dann da auch nen CH daraus und sagt: der Fich war heute aber lecker!" SPRECHER Und wenn der rheinische Sprecher gerade keinen Fich isst, dann darf es gerne auch mal eine BratWUCHST sein, samstags zum Beispiel: auf dem Spochtplatz. Schnell gerät dem Rheinländer zudem das V zum F - und so wird aus dem Treffen alter Kriegskameraden schnell ein ... (Fritz Tillmanns) "... Fetteranentreffen." SPRECHER Je näher man von Köln über Düren und Aachen in Richtung Eifel und Hohes Venn, also der Landesgrenzen zu den Niederlanden und Belgien kommt, desto stärker mischt sich der rheinische Regiolekt mit dem belgisch-niederländischen Flämisch der Nachbarn. Die Sprachgrenzen sind noch dichter verworrenen als die Landesgrenzen. Letztere haben in den letzten Jahrhunderten historisch bedingt immer mal wieder gewechselt. (Mister Mützenich) "Meine Tanten, die wohnten in Belgien. Und nach dem Krieg - hier gab es nichts. Ja, was machte man als junger Bursche? Ich lief nach Eupen zu meinen Tanten hin und bekam dann ein Pfund Kaffee. Für dieses Pfund Kaffee bekam ich hier zwei Pfund Butter. Und beim nächsten Mal, das ich runterlief, mit den zwei Pfund Butter, dann bekam ich vier Pfund Kaffee, aber ich hab keine vier Pfund Kaffee, sondern ne Stange Zigaretten und etwas Schokolade mitgebracht. So baute sich das langsam auf." Sprecher 1 : Und schliesslich noch das L. Jener Laut, an dem man den Rheinländer im Allgemeinen so leicht erkennt, wie den Franzosen an der Baskenmütze, oder den Schotten am Röckchen. Wer jemals mit dem rechtsrheinischen Bummelzug in diesen Vorort einfuhr ... Sprecher 2 : "Köln-Kalk, hier Köln-Kalk!? Sprecher 1 : ... der vergisst dieses dahinrollende L sowenig wie der Fremde, der einen rheinischen Milchladen betritt und gefragt wird: "Wollense H-MiLch, oder wollense VoLLMilsch?? (Bartels) "Das Rheinländertum ist ein komplexes Gebilde, dem nicht leicht beizukommen ist." SPRECHER Genau. Aber es ist machbar! (Bartels) "Mit einem einfachen Trick ist es dennoch möglich, dem rheinischen Wesen auch ohne Vorerfahrung auf die Schliche zu kommen. Stellen Sie sich einfach einen etwas distanzierten, aber verbindlichen Hanseat mit guten Manieren vor, der seine Worte stets wohl abwägt und seine Gesprächspartner zu Wort kommen lässt. Verkehren Sie dieses Bild dann ins genaue Gegenteil und Voilá!: Sie haben sich einen imaginären Rheinländer gebastelt." SPRECHER Schönen Dank auch! -ENDE Beitrag- Hinweis: Der Autor Christian Bartel zitiert sich aus seinem Buch "Für eine Handvoll Kamelle. Rheinland. Ein Heimatbuch", conbook Medien, 2011