COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Es geschah...in Dresden - Vom VEB Kombinat zur Kapitalgesellschaft- Autor Barth, Tobias Sprecherin Teichmüller, Ilka Redaktion Perez / Stucke Sendung 06.04.2010 - 13.07 Uhr Länge Beitrag 19.25 Minuten Länge Sendung 20.54 Minuten -folgt Manuskript Beitrag- Manuskript Beitrag ATMO (Straße) SPRECHERIN Dresden-Niedersedlitz, ein Stadtteil auf dem linken Ufer der Elbe. Von der anderen Seite des Flusses her schimmern waldige Höhen herüber, dort liegt Pillnitz. Das berühmte Barock-Schloss und der dazugehörige Garten laden zum Lustwandeln ein. Diesseits aber beherrscht die Industrie die Szenerie - oder besser das, was davon übrigblieb. Die Straßen hier sind nach Erfindern benannt: Heinrich Hertz, George Stephenson, Werner Siemens. Pioniere des Industriezeitalters. Dessen Reste dominieren in Niedersedlitz: Die gespenstische Kulisse einer riesigen, verfallenden Mälzerei aus der Zeit um 1900, daneben leere Flächen, Industriebrachen, und ein blaues Bürogebäude im Stil der DDR-Plattenbauten. Das war einst die Leitung des Kombinats Elektromaschinenbau der DDR. Zwischen Pirnaer Landstraße und Sachsenwerkstraße aber stehen auch moderne Fertigungshallen. Über denen prangt wie eh und je das Firmenlogo der Vereinigten Elektromaschinenwerke: Die drei blauen Buchstaben V-E-M auf weißem Grund, eingerahmt von einem auf der Spitze stehenden Quadrat. ATMO (Tür auf außen / Werkhalle innen) OT 01 (Thomas Jahn) Wir bauen viele Industrieantriebe im Bereich 2-23 Megawatt. Wir bauen also zum Beispiel für die Kreuzfahrtschiffe AIDA die Antriebe, haben jetzt für AIDA 5 letzte Woche gerade ausgeliefert. Sämtliche Motoren die in dem Schiff sind, sind von VEM gekommen, da haben also die anderen Standorte ordentlich Arbeit bekommen, ja, und dann überall, wo sich praktisch was drehen muss, bauen wir Antriebe dafür... SPRECHERIN Thomas Jahn kennt den Betrieb seit Jahrzehnten. Zu DDR-Zeiten hat der Mittfünfziger am Prüffeld gearbeitet - dort, wo jede hier gefertigte Elektromaschine einen Testlauf zu bestehen hat. Heute ist Thomas Jahn Betriebsrat - in seinem Büro erinnert er sich an die Zeit noch vor dem Fall der Mauer. OT 02 (Thomas Jahn) Für mich ging das eigentlich im Sommer los als die große Hoffnung war durch Gorbatschow und durch die Chinesen in China. Als die dort zusammengeschossen wurden, da brach für mich ne Welt zusammen. Und das einzige wo ich drin war, das war für mich der FDGB, da bin ich erst mal ausgetreten. Weiterer Protest ging nicht, weil ich wie gesagt nirgendwo dazugehörte. SPRECHERIN Der FDGB - Der Freie Deutscher Gewerkschaftsbund. Von der Gewerkschaft fühlte sich Jahn sowieso nicht vertreten. Sie war Teil der Nomenklatur, staatstragend, SED-hörig und auch in den kommenden Auseinandersetzungen nicht auf der Seite derjenigen, die wie der damals 34 jährige Thomas Jahn Veränderungen wollten. OT 03 (Thomas Jahn) Und, wie haben wir das erlebt? Mit der Faust in der Tasche und die Zähne zusammengebissen. Und eigentlich die große Angst, zur Armee einberufen zu werden. Ich hatte mich da mit nem Freund unterhalten, und wir waren uns sofort einig: Wir werden sofort verweigern, damit wir die Zeit im Knast zubringen können und nicht dann, wenn wir schießen müssen, nicht schießen und selber an die Wand kommen. Also so sah es damals aus. ATMO (Polizeifunk 8.10.1989) - 221: Der Raum ist vollständig hermetisch abgeriegelt. Die Bürger verhalten sich ruhig aber Sprechchöre. Fordern auf "Keine Gewalt!" und verlassen den Platz nicht. Bitte Zentrale Erscheinung. - Sie fordern keine Gewalt, habe ich richtig verstanden? - Richtig verstanden. Kommen. SPRECHERIN Ein illegaler Mitschnitt des Polizeifunks vom 8. Oktober 1989 in Dresden. Die Polizei hat auf der Prager Straße friedliche Demonstranten eingekesselt. Aus der Menge der Eingekesselten heraus bildet sich die "Gruppe der 20" und erzwingt einen Dialog mit den Stadtoberen. Das hat Signalwirkung für die große Demonstration der 70.000 einen Tag später in Leipzig. Entmachtung der SED, Grenzöffnung, Zulassung neuer Parteien, freie Wahlen - das ist der politische Ertrag dieser Umbruchzeit. Die ökonomischen Veränderungen werden sich erst in den kommenden Monaten bemerkbar machen. Und zwar schmerzhaft. In einer Radioreportage des DDR-Rundfunks von 1981 hört sich das noch ganz anders an. OT 04 (DDR Rundfunk) - Mein Kollektiv und ich, wir haben uns verpflichtet, in Auswertung der Beschlüsse des X.Parteitages, drei Tage zusätzliche Produktionsleistung zu erbringen. Es wird nicht so einfach, aber wir sind optimistisch, wir werden das schaffen! - Naja, da wünsche ich Euch alles Gute und viel Erfolg bei der Arbeit... SPRECHERIN Willy Stoph, der Vorsitzende des Ministerrates, besucht das Sachsenwerk in Dresden-Niedersedlitz. Der Betrieb ist in den 80ern ein Vorzeigebetrieb des DDR-Maschinenbaus, Stammsitz des Kombinats Elektrotechnik. Von Dresden bis Eggesin, von Zwickau bis Wernigerode - in 16 Betrieben an 47 Standorten arbeiteten 30.000 Werktätige. OT 05 (Heiner Rubarth) Das Kombinat Elektromaschinenbau war eigentlich der einzige Vollsortimenter, den es in Europa noch gab auf dem Gebiet des Elektromaschinenbaus. SPRECHERIN Heiner Rubarth, der letzte Generaldirektor des Kombinates: OT 06 (Heiner Rubarth) Hier wurden praktisch sämtliche Sortimente an elektrischen Maschinen hergestellt, die man sich überhaupt vorstellen kann. Von Kleinstmotoren, die die Größe eines Daumennagels oder eines kleinen Finger hatten bis hin zu Großmotoren mit mehreren Megawatt, die für den Einsatz in Walzwerken oder Generatoren oder Wasserkraftgeneratoren usw. also Riesenmaschinen, Großmaschinen, die dann hier vor allem im Sachsenwerk produziert wurden. Aber auch Spezialmotoren für die verschiedensten Anwendungsgebiete also alles, was man sich vorstellen kann, alles was sich dreht. SPRECHERIN 1981 begann ein großangelegtes Projekt zur Restrukturierung des Sachsenwerkes. Bei laufendem Betrieb sollte die Fabrik in Niedersedlitz erneuert werden - gemeinsam mit sowjetischen Ingenieuren aus Leningrad. Ziel war es, die Produktivität verdoppeln. Aber für mehr als eine neue Halle und ein paar Maschinen reichte es nicht. Thomas Jahn erinnert sich an die Planwirtschaft im Sachsenwerk. OT 07 (Thomas Jahn) Ja, also Mangelwirtschaft, das war ja Dauerzustand. Das war ja ganz gravierend. Das wurde nur immer gut abgerechnet. Wir hatten so zwei Tage vor Monatsende 2 Prozent Planerfüllung, und dann am letzten Tag dann plötzlich 100,6 Prozent. Das war immer merkwürdig, und der Monat hatte 33 oder 36 Tage. Also es fehlte eigentlich an allem, das war so. SPRECHERIN Dennoch: Tausende Motoren verlassen jährlich das Kombinat und gehen vor allem in die Staaten des RGW, des östlichen Wirtschaftsbündnisses. Einige lassen sich auch in den Westen verkaufen. Vor allem die kleinen Standardmotoren aus den Werksteilen in Wernigerode und Zwickau bringen der DDR die dringend notwendigen Devisen ein. Und so ist das Kombinat Elektromaschinenbau trotz aller Probleme eines der Werke mit Potential für die Marktwirtschaft. OT 08 (Heiner Rubarth) Schon im Dezember als Kohl hier war, war klar, das geht in Richtung Einheit, denn die Plakate waren ja groß genug: wir wollen die D-Mark, wir sind ein Volk. Und wenn man da nicht überrannt werden wollte in der Wirtschaft, da musste man sich also kümmern, was da passiert. Wir mussten ja damit rechnen über kurz oder lang, mit der Konkurrenz aus den westlichen Ländern, die aber bis jetzt ja nur gedämpft auf uns gewirkt hätte, plötzlich unmittelbar konfrontiert zu werden, darauf musste man sich einstellen. SPRECHERIN Kanzler Kohl formuliert einen 10-Punkte-Plan. Sein Ziel: Eine Wirtschafts- und Währungsunion. In diesen Wochen verändern sich auch die Strukturen im Kombinat Elektromaschinenbau. Treibende Kraft ist der Generaldirektor Heiner Rubarth. OT 09 (Heiner Rubarth) Und eine der ersten Maßnahmen, die wir getroffen haben war, dass ich zum Generaldirektor des Außenhandelskombinates gefahren bin, und wir uns praktisch Auslandsvertriebsmäßig selbstständig gemacht haben. Wir haben den Außenhandel in unsere eigenen Hände genommen, weil das Kombinat Außenhandel kaum noch funktionsfähig war. Und weil wir erkannt haben, das Geld, was dann dem Staatshaushalt zufloss, das mussten wir selber haben, sonst wären wir irgendwann nicht mehr lebensfähig gewesen. OT 10 (Thomas Jahn) Eins muss man sagen: der Rubarth war nicht dumm. Der wusste genau wo der Hase hin läuft und das das genau die Zeit war, wo das ging. Weil einfach die Macht auf der Straße lag. Das war genau der richtige Moment, das war genau die Zeit, wo das ging. SPRECHERIN Thomas Jahn, Elektromechaniker im Sachsenwerk. Schon im November ist er dabei, als die Kampfgruppen mit ihren gepanzerten Fahrzeugen und Geschützen aus dem Werk gedrängt werden - mit Kerzen und der übergroßen Mehrheit der Belegschaft. Dann, Anfang 1990 will auch Jahn Verantwortung übernehmen: OT 11 (Thomas Jahn) Also es hatte sich, wo die Kampfgruppe hier rausflog, ein Betriebskomitee gegründet, da war das Neue Forum vor Ort, und wir haben ein Betriebskomitee gegründet zur Vorbereitung der Betriebsratswahl. Das machte ein Haufen Spaß, muss ich sagen. Und als dann die Wahl durch war, da wurde ich Vorsitzender. SPRECHERIN Die Betriebsratswahl fand im März 1990 statt, im Monat der ersten freien Volkskammerwahl: OT COLLAGE (Werbespot DA) Der Sozialismus hat Angst und Schrecken verbreitet. Der Sozialismus hat Hunderttausende aus unserer Heimat vertrieben. Der Sozialismus hat uns um den Lohn unserer Arbeit betrogen. Der Sozialismus hat jetzt abgewirtschaftet. (Sprechchor) Keiner wählt die SED, keiner wählt die SED. Keiner wählt die SED. SPRECHERIN Die ersten freien Volkskammerwahlen gewinnt am 18. März die Allianz für Deutschland - ein Zusammenschluss aus CDU, DSU und Demokratischem Aufbruch. Insgeheim wählen die Ostdeutschen Helmut Kohl, der die Allianz unterstützt. Und auch im Kombinat Elektromaschinenbau sind es die Partner aus dem Westen, die an Einfluss gewinnen: Die Kombinatsleitung lässt sich beraten -von einer Motorenfirma aus Bayern und von Unternehmensberatern aus Frankfurt am Main beraten. Crashkurs Marktwirtschaft. Zum engsten Kreis der Kombinatsleitung gehört Dietmar Puschkeit, damals Ökonomischer Direktor, heute Geschäftsführer: OT 12 (Dietmar Puschkeit) Man war dann im April wirklich soweit, und da entsinn ich mich noch, das war unter den Linden beim Notar, ja, und wir standen fast bis in die Knie in Papier drin, es waren ja immerhin 15 Betriebe, damit auch 15 Gesellschaften. Es war ja noch nichts verkauft, nix, gar nix, es wurden ja praktisch die VEB Betriebe zu GmbHs umgewandelt und da drüber die AG, Antriebstechnik AG, aber es war schon erst mal abenteuerlich da hat man nicht groß ans Geschäft gedacht da gings erst mal darum die neue Struktur erst mal zu schaffen als eine Plattform. SPRECHERIN Der fünfte April geht als der Tag in die ostdeutsche Wirtschaftsgeschichte ein, als sich mit der VEM Antriebstechnik AG das erste Kombinat in eine Aktiengesellschaft umwandelt. Zum ersten Vorstandsvorsitzenden wird Heiner Rubarth bestimmt, der ehemalige Generaldirektor. In einem Radiointerview am 5. April 1990 sagte er: OT 13 (Heiner Rubarth) Wir haben aber auch gesagt, wenn man Marktwirtschaft und insbesondere soziale Marktwirtschaft ernst meint, man nicht umhin kommt, sich auch den Anforderungen die aus dieser Marktwirtschaft gestellt werden zu stellen. Und es hat keinen Sinn sich zu verstecken und zu warten das andere für einen selbst handelten. Die Marktwirtschaft fordert Unternehmertum, und Unternehmertum heißt, dass man etwas unternimmt und nicht unterlässt. SPRECHERIN Es gab viele Lehrbücher in der DDR, wie man von der kapitalistischen Wirtschaft zur Planwirtschaft kommt - aber keines für den umgekehrten Weg. OT 14 (Heiner Rubarth) Wenn man weiß, dass man in die Marktwirtschaft integriert werden will und muss, dann muss man die Strukturen herstellen. Und jetzt muss man es mal ganz klar sagen, ein volkseigener Betrieb war im Sinne der Marktwirtschaft nicht handlungsfähig, denn er war keine juristische Person im marktwirtschaftlichen Sinne. Er hatte Eigentümer Volk, das können sie in der Marktwirtschaft nicht etablieren, das funktioniert nicht, so. SPRECHERIN Heiner Rubarth hatte sich kundig gemacht. In Ungarn fand er das Modell der treuhänderischen Verwaltung des Staatseigentums. Als SED-Mann und Generaldirektor hatte er Zugang zu den Kreisen um den Ministerpräsidenten Hans Modrow. Und er hatte Kontakte zu Carsten Rohwedder - Sanierer der Hösch-Gruppe und späterer Treuhand-Präsident. Bereits im Februar war für einen der VEM- Betriebe des Kombinats eine D-Mark-Eröffnungsbilanz erstellt worden - zu einem Zeitpunkt, als noch nicht einmal das Treuhandgesetz beschlossene Sache war. Das wurde im März verabschiedet - auf Anregung des Runden Tisches als "Gesetz zur Wahrung des Volkseigentums." Es gab den Betrieben die Möglichkeit, sich aus dem Korsett der staatlichen Planvorgaben, aus dem Klauen der sozialistischen Bürokratie zu befreien. Und eigenverantwortlich zu wirtschaften - mit dem Staat als Gewährsmann im Hintergrund. OT 15 (Heiner Rubarth) Dass sich dann am Verlaufe der Zeit herausstellte, dass die Einschnitte, die da notwendig werden sehr schmerzhaft sein werden, das war eine andere Geschichte. Das war dann aber schon nicht, das war zu den Tagen, das sage ich ganz ehrlich, das war zu den Tagen, wo die grundlegenden Entscheidungen über die Zukunft der VEM getroffen wurden so noch nicht absehbar. Wir hatten schon die Hoffnung, dass wir die überwiegenden Strukturen, die überwiegenden Produkte und auch die Belegschaft in etwa dieser Größenordnung würden halten können. SPRECHERIN Das Chaos dieser Zeit illustriert eine kleine Episode. Im Mai 1990, einen Monat nach der Gründung der VEM Antriebstechnik AG, erhält Heiner Rubarth Post vom Wirtschaftsminister. Der Minister fordert auf, entsprechend der neuen Gesetzeslage den VEB in eine AG zu überführen - was ja längste geschehen war. Schwerwiegender aber als das Verwaltungschaos wirken die Geburtsfehler der Deutschen Vereinigung. Da ist der politisch gewollte Wechselkurs der Ostmark in die D-Mark von 2:1. Der Kurs wird für die ostdeutsche Wirtschaft zum Drama. Intern war jahrelang 4:1 getauscht worden - etwa bei Investitionen, für die in Westdeutschland eingekauft wurde. Betriebsrat Thomas Jahn: OT 16 (Thomas Jahn) Angenommen wir haben für eine Million eine Maschine bekommen, über den Außenhandel, dann wurden uns 4 Millionen Ostmark als Minus eingestellt. Wir haben zwei Millionen abgezahlt. Da hatten wir zur Wende noch zwei Millionen Minus. Die wurden umgetauscht, hatten wir immer noch ne Million D-Mark Schulden, obwohl wir zwei Millionen abbezahlt hatten. Das war ne ganz merkwürdige Rechnung. SPRECHERIN Auch mit der Treuhand gab es Ärger. Seit dem Attentat auf deren ersten Präsidenten Detlev-Carsten Rohwedder am 1.April 1990 änderte sich die Politik der Treuhandanstalt, die im wiedervereinigten Deutschland als Bundesbehörde vor allem die schnelle Privatisierung der DDR-Betriebe vorantrieb. In vielen Fällen ging es nun nicht mehr um behutsame Sanierung und nicht darum, die Betriebe marktfähig zu machen, sondern darum, die Kosten für die Treuhand gering zu halten. Der heutige Geschäftsführer Dietmar Puschkeit: OT 17 (Dietmar Puschkeit) Es war ja so es war ja noch die staatliche Hand das heißt in dem Sinne war es schon ein gleitender Übergang einerseits ja die Gefahr der Pleite hat ja keiner gesehen denn es gab ja immer noch das Dach drüber der Staat als großer Eigentümer und, nichts anderes war das ja im Sozialismus gewesen, da schaute alles nach oben und der Staat wird's schon richten. SPRECHERIN Mitte 1991 setzt die Treuhand einen neuen Aufsichtsrat ein. Heiner Rubarth wird von seinem Posten aus dem Vorstand gedrängt. Er will die VEM Antriebstechnik als Ganzes erhalten - die Treuhand und der Aufsichtsrat dagegen setzen auf Zerschlagung der Einheiten, um sie leichter verkaufen zu können. Bis 1997 wechselt 17 Mal der Vorstand der VEM-Group, eine Zeit ständiger Unsicherheit im Betrieb und eine Zeit, in der enorme Verluste auflaufen. OT 18 (Dietmar Puschkeit) Ja, denn wir hatten ja dann auch erste Planungen gemacht mit abenteuerlichen Verlusten, ja, nu gut das is dann nicht so schlimm, die Treuhand, ja, das wurde ja ausgeglichen ja, und das ging ja steinigen Wege aber über Jahre erst bis dann wirklich marktwirtschaftliche Strukturen dann auch anfingen zu funktionieren, da wurde ja auch teilweise Geld verbrannt. SPRECHERIN Im Januar 1996 steht die VEM-Group vor dem Aus. Wieder sollen Betriebsteile abgespalten und verkauft werden. Die Sachsenwerker in Dresden protestieren mit einem Aktionstag. Bei klirrender Kälte versammelt sich die Belegschaft geschlossen vor dem Werkstor. Betriebsrat Thomas Jahn: OT 19 (Thomas Jahn) 8 Uhr kamen dann die hohen Herren der Treuhand. Der Topmanager Plaschna hat dann zum ersten Mal in seinem Leben vor einer Belegschaft stehen müssen - schon das war ein Erfolg. Er hat dann eine furchtbare Rede gehalten, das war alles nur Selbstdarstellung - aber es hat auf die Mitarbeiter keinen Eindruck gemacht. Er hat seine Rede auf Papier gedruckt verteilen lassen - und da gab's dann Kollegen, die haben das zusammengerollt und ihn damit beworfen - das war ein guter Eindruck, der da kam. Und diese Runde hat dafür gesorgt, dass hier das Sachsenwerk erhalten blieb. SPRECHERIN Erst 1997 gelingt die Privatisierung. Die VEM-Group ist zu diesem Zeitpunkt die letzte große Industrieunternehmung im Besitz der Treuhand-Nachfolgegesellschaft. Die Reste der Antriebstechnik-AG werden vom Pharma-Unternehmer Merckle gekauft. Sein Selbstmord 2008 im Zuge der Finanzkrise wurde im Werk als herber Verlust empfunden. Hatte doch Merckle mit geschickten Investitionen den Umsatz steigern - und die Mitarbeiterzahl von etwa 1000 auf 1600 erhöhen können. Die Krise des Maschinenbaus bekommt auch die VEM-Group zu spüren. Esa gibt derzeit Kurzarbeit im Werk. Aber das Management ist optimistisch, auch diese Probe zu bestehen. -ENDE- 1