COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Zeitfragen 2.1.2012: GLÜCKSBRINGER - EINE ANNÄHERUNG AN DAS GUTE LEBEN VON KATJA BIGALKE Musik: Herr Rossi sucht das Glück .... .... Lachen hebt die Stimmung in dem Moment, wo wir die Mundwinkel nach oben ziehen ist das ein Signal der Freude. Freude, die das Leben einfacher macht .... Was uns glücklich macht ist Sex und Essen. Man kann das auch mit einem Draht stimulieren dass ist aber nicht lebensecht. Ich glaube die meisten Menschen wollen das nicht. .... da muss man auch keine 20 Jahre meditieren, dass man merkt, dass in mir doch alles okay ist auch wenn es mir mal schlecht geht. Das ist auch eine Form von Glück Sprecher GLÜCKSBRINGER - EINE ANNÄHERUNG AN DAS GUTE LEBEN VON KATJA BIGALKE Musik Autorin Leben Sie vielleicht in Hamburg? Dann stehen die Chancen gut, dass die Wünsche zu einem glücklichen neuen Jahr tatsächlich Wirklichkeit werden. Denn Sie wohnen bereits im glücklichsten Bundesland Deutschlands. Trenner Sylvester-Raketen Sprecher Aber auch wenn Sie nicht in der Hansestadt zuhause sind, müssen Sie 2012 nicht unbedingt verzweifeln. Geht es ihnen körperlich gut, leben Sie in einer festen Partnerschaft, können Sie sich in ihrer Arbeit verwirklichen und haben in Ihrem Rahmen ausreichend Geld zur Verfügung, dann stimmen auch bei Ihnen die Voraussetzungen für mehr als das deutsche Durchschnitts-Glück. So ähnlich würde das zumindest Wirtschaftsforscher Bernd Raffelhüschen von der Universität Freiburg sehen. Glück besteht für den Statistiker schlicht aus vier G's. O-Ton 911 g1 ist tatsächlich die Gesundheit: g2 ist das Geldliche, g3 war die Partnerschaft oder Gemeinschaft und dann noch die genetische Disposition: wie empfindet der Mensch Zufriedenheit: da kann man nur das abgedroschene Beispiel nehmen mit dem halben Glas Autorin 2011 erstellte er eine groß angelegte Studie zum Thema Lebensglück in Deutschland. Dazu glich er die Angaben zur das sozioökonomischen Situation deutscher Haushalte im Verhältnis mit ihren Auskünften zur subjektiven Zufriedenheit ab und fasste diese im Glücksatlas 2011 zusammen. Sprecher Das sozioökonomische Panel, eine seit 1984 kontinuierlich fortgesetzte Datensammlung, in der jährlich über 20.000 Menschen befragt werden, diente ihm bei dieser Arbeit als Grundlage. Denn in dieser Erhebung werden nicht nur objektive Lebensbedingungen, wie Einkommen, Familiensituation oder Gesundheitszustand abgefragt, sondern auch Wertvorstellungen oder eben die selbst eingeschätzte Zufriedenheit. Autorin Der Langzeitcharakter der Datensammlung erlaubte es Raffelhüschen auch Aussagen über den Wandel in verschiedenen Lebensbereichen und deren Auswirkungen zu treffen. Wie zum Beispiel entwickelt sich das Lebensglück von Eltern nach einer Geburt? O-Ton Kinder sind zwar Glücksstifter, aber nicht in den heiklen Phasen des Lebens wo Einkommen generiert werden muss und die Schule dazukommt. Da kommen die Stressfaktoren zusammen und das Kind ist auch so einer, so dass Kinderlose da zufriedener sind. Aber in der Langfrist bezahlt man das teuer. Am zufriedensten sind eigentlich die Großeltern. Autorin Unabhängig von Kindern scheint die Glückskurve im Laufe eines Menschenlebens aber ohnehin zu schwanken: Am glücklichsten sind laut Raffelhüschens Glücksatlas die Menschen in den Zwanzigern, wenn die Verpflichtungen noch gering sind. Mit 30 geht es dann langsam aber stetig in Richtung Zufriedenheitstiefpunkt. Dieser wird in der Regel zwischen 40 und 60 Jahren erreicht. Erst ab Mitte 50 geht es dann wieder aufwärts, allerdings nur bis zu dem Punkt, an dem erste schwere Altersbeschwerden auftreten. Glück und Krankheit verträgt sich nämlich gar nicht, sagt Raffelhüschen O-Ton 911 Es korreliert multiplikativ. Autorin Heißt: eine schlechte Gesundheit betrübt überdurchschnittlich alle anderen Lebensbereiche. Ein ebenso stabiler Faktor für das Glücksempfinden scheint außerdem das Geschlecht zu haben: So sind in der Regel Frauen die meiste Zeit über glücklicher als Männer. Bis sie Witwen sind. Sprecher Statistisch betrachtet lebt es sich ledig auch nicht ganz so gut. Es sei denn ein großer Freundeskreis steht parat. O-Ton Der Bekannten und Freundeskreis kann eine Menge dazustiften. Der Mensch ist ein Gemeinschaftsmensch. Autorin Gesundheit, Partnerschaft oder Geschlecht als Glücksbringer? Für den Ökonomen Raffelhüschen war es keine besonders überraschende Erkenntnis, dass diese Fakten eine große Rolle spielen. Allerdings lag der Stellenwert von Geld im Ergebnis deutlich unter den Erwartungen: O-Ton Die Rolle des Geldes ist einfach: weh tut es nur, wenn man es nicht hat, man gewöhnt sich aber schnell an Geld. Mehr Geld macht zufriedener aber nicht viel zufriedener. Über den Durchschnitt ist bei 5-6 Tausend Euro die Sättigung sehr groß. Da macht es nicht mehr so einen großen Unterschied. Sprecher Dies ist ein Grund warum sich der Zugang zum Thema Glück nicht nur in den Wirtschaftswissenschaften sondern auch in der Politik zunehmend ändert. In den 70er Jahren wurde das Glück einer Nation noch hauptsächlich über den Wohlstand definiert. Heute versuchen Statistiker heute neben dem Bruttoinlandsprodukt weitere Maßstäbe zum Befinden einer Nation hinzuzuziehen. Autorin Auch in Deutschland arbeitet seit knapp einem Jahr eine Enquete-Kommission aus 34 Politikern und Wissenschaftlern an einem neuen Wohlstandsindikator. Einem, der etwa erklären soll warum die schwere Wirtschaftskrise 2008/2009 die Zufriedenheit der Deutschen kaum beeinträchtigt hat, warum das arme Schleswig Holstein und das reiche Hamburg fast gleiche Zufriedenheitswerte aufweisen oder warum Länder wie Dänemark oder die Niederlande in der Glücksligatabelle vor dem vergleichbar reichen Deutschland stehen. O-Ton Das passt nicht. Was das Realeinkommen angeht: das ist jenseits von dem was wir immer geglaubt haben. Die realen Güter sind so leicht zu erreichen, dass wir überglücklich sein müssten und dann stellen wir fest: nee, das ist eine Sinuskurve Musik/Töne: "Ich brauch ne Überdosis Glück" - Glück kommt selten allein, - Vereinfachen Sie ihre Partnerschaft! - Glücksmedizin, was wirklich wirkt, - Einfacher und glücklicher Leben - Öffnen Sie sich dem Glück. Ich möchte, dass sie glücklich sind, vom Glück bestrahlt, also Fortune besitzen. - Das Glück beginnt in dir, - Findet mich das Glück? - Glück macht man. Laufen sie leicht locker lächelnd. Glück hat einen Namen Endorphine,. - Der Glücksfaktor: Warum Optimisten länger leben - Flow - das Geheimnis des Glücks - Mich selbst lieben lernen Autorin Was macht jenseits der sozioökonomischen Grundvoraussetzungen wirklich glücklich? Dieser Frage gehen viele Menschen heute systematisch nach. Zeitschriften überschlagen sich mit immer neuen Glücksformeln. In den Buchhandlungen bilden Glücksbücher und Ratgeberliteratur mittlerweile eigene Abteilungen. Das Nachdenken über das menschliche Glück ist im Mainstream angekommen. Musik: Ich brauch ne Überdosis Glück (Rosenstolz) kurz hoch abreißen lassen Sprecher Ganz anders in der Antike. Hier gehörte die Diskussion um das glückliche Leben noch zum Vorrecht der Philosophen. Musik eher leise/ sphärisch O-Ton Platon sagt, das ist die entscheidende Frage weswegen man philosophiert: dass man herausfindet und in die Lage kommt, ein für sich selbst ein gutes Leben zu führen. Letztendlich ist alle Philosophie Ethik und es geht auch heute um die Frage, wie ein gelingendes Leben möglich ist. Autorin Und so beschäftigt diese Frage auch den zeitgenössischen Philosophen Martin Seel. Streng der Tradition seiner Disziplin folgend interessiert den Professor von der Goethe- Universität in Frankfurt am Main weniger das Zufalls- oder Besitzerglück, als vielmehr das Glück, das sich einstellt, wenn man sein Dasein insgesamt als erfüllt und sinnvoll erfährt. O-Ton Die Griechen hatten ja hier den Begriff der Eudaimonia. Das ist ein Begriff den man am besten als gelingendes Leben bezeichnet. Welche Form man seinem Leben geben kann, dass er es als gutes Leben erfahren kann und es auch von anderen als solches erfahren wird. Autorin Diese Einbeziehung des Anderen gehört zur philosophischen Frage nach dem guten Leben immer mit dazu, erklärt Seel. O-Ton Denn für die antike Ethik ist charakteristisch eine These der Identität des für mich selbst für mich selbst Guten und für den anderen Guten. Das kann man letztlich gar nicht unterscheiden. Und Platon sagt, es kommt drauf an mit sich selbst befreundet zu sein dann bedeutet das, man muss auch mit anderen in Formen der Rücksicht leben können. Autorin Im Unterschied zu christlichen Ethiken stellen die griechischen Philosophen aber die Liebe zum Nächsten nicht über die zu sich selbst. Auch beziehen sich ihre Überlegungen nicht auf ein Glück jenseits des Todes, sondern auf eines im endlichen Leben. Für Aristoteles etwa war ein gelungenes Leben im Diesseits durchaus realisierbar, indem man möglichst tugendhaft lebte: O-Ton Für die Griechen gab es ja vier Kardinaltugenden: Die Weisheit, Besonnenheit oder Mäßigung, Mut und Gerechtigkeit. Und das ist die Grundvoraussetzung dafür, dass ich ein gutes Leben führe. () Die Kardinaltugenden sind solche, die nicht vom Zufall abhängig sind, sondern für die man selbst in der Gestaltung des eigenen Lebens sorgen kann und dadurch sich auch von den Zufällen des Lebens bis zu einem gewissen Grad unabhängig machen kann. Sprecher Auch für Epikur, den gern zitierten und oft verallgemeinernd als Prediger einer hedonistischen Lebensweise beschriebenen Glücks-Philosophen konnte ein gutes Leben letztendlich nur durch eine tugendhafte, vernünftige Lebensweise bestritten werden. Zwar bedeutet Glück für ihn in erster Linie die Abwesenheit von Schmerz, aber der Zustand der heiteren Gelöstheit, den er anstrebt, geht für ihn einher mit Bescheidenheit und nicht mit Ausschweifungen. O-Ton Epikur ist kein Hedonist im modernen Sinn. Sondern die Lust, die bei Epikur maßgeblich ist, verlangt wesentlich nach Mäßigung. Unerschütterlichkeit ist bei ihm ein wichtiger Begriff und Autarkie. Auch bei Epikur steht eine selbstverantwortete und vernunftgeleitete Lebensführung im Vordergrund und das ist von Aristoteles gar nicht so weit entfernt. Autorin Die meisten der Fragen, die in der Antike bei den Überlegungen zum guten Leben auftauchen, ziehen sich auch durch die Philosophien der folgenden Jahrhunderte wie ein roter Faden: Sprecher Die Aufstellung unterschiedlicher Tugendkataloge. Das Verhältnis zwischen Sorge um sich selbst und andere. Lust und Schmerz als Indikatoren für langfristig richtige und falsche Handlungen, oder auch die Frage wie man damit umgeht, dass ein Leben immer auch traurige Momente mit sich bringt. Autorin Den Deutschen Arthur Schopenhauer etwa brachten diese Fragen im 19. Jahrhundert dazu, einen gesunden Skeptizismus gegenüber dem menschlichen Glück zu empfehlen: Von ihm stammt der Satz: "Kommt zu einem schmerzlosen Zustand noch die Abwesenheit von Langeweile, so ist das irdische Glück wesentlich erreicht" O-Ton Diese Vorstellung von der Leidensvermeidung bei Schopenhauer bezieht sich ja auf Lehre der Stoa und auf fernöstliche Religionen. Das Streben nach Glück, Glanz und Ruhm - er hält das für illusionär. Und die weise Lebensführung ist eine der Resignation. Das Glücksstreben führt ins Verhängnis und erst wenn man Abstand nimmt, kann man ein wenigstens zufriedener Mensch werden. Autorin Aber was sagen uns diese Ansätze heute über ein gutes Leben? Viel sagt Martin Seel, geht es doch im Grunde immer um dieselben Fragen. In seinem jüngsten Buch 111 Tugenden, 111 Laster versucht Seel die Herausforderungen an ein tugendhaftes Leben im Jetzt zu diskutieren. Sprecher Wie sieht das aus? Wo sind die Grenzen? Sind Albernheit, Coolness, Stilbewusstsein oder Peinlichkeit Laster oder eher Tugenden? Sind sie irgendwie verwandt mit den großen moralischen Leit-Begriffen wie Grausamkeit, Gier, Mäßigung oder Weisheit? Autorin Seels philosophische Revue lässt den Leser absichtlich ein wenig verwirrt zurück zwischen vermeintlichen Stärken und Schwächen des Menschen. Er will damit anregen, eine eigene Balance zu finden. O-Ton Tugenden und Laster sind Herdenwesen, die sich stützen und stören und das kann und soll nicht anders sein. 26,20 Tugenden: Das sind Haltungen, mit denen wir in Situationen hineingehen und die dann in die ein oder andere Richtung ausschlagen. Man muss immer navigieren. Beide haben leuchtende und verheerende Momente Ein gutes leben ist immer eine gute Balance. Autorin Die Beschäftigung mit den Fallstricken, die sowohl den Tugenden als auch den Lastern innewohnen, ist für Seel schon ein erster Schritt zu einem besseren Leben: O-Ton Wenn man philosophische Texte liest, dann bringt das schon ein Stück Gelassenheit. Die Fähigkeit, mal ohne jetzt auf sich zu starren darüber nachzudenken, dass andere Menschen auch die Schwierigkeiten bewältigen müssen, in denen ich stecke. Also man kann in der Philosophie immer von sich ausgehen, also mein Selbstverständnis, aber die Philosophie gibt immer die Möglichkeit über sich hinauszugehen, Und das ist ein Stück Selbstdistanz, die hilfreich sein kann, so wie eine gute Therapie hilfreich sein kann. Klangschalengeräusch Meditationskurs Autorin Gelassenheit und eine gewissen Form der Selbstdistanz sind auch das Ziel des Achtsamkeits-Meditationskurses, den Lothar Schwalm in Berlin Friedrichshain leitet. Ein gutes Dutzend Frauen sitzt auf gepolsterten Matten mit geschlossenen Augen im Halbkreis. In der angeleiteten halbstündigen Meditation fordert Schwalm sie auf, sich auf den Atem zu konzentrieren und verschiedenen Sinneswahrnehmungen nachzugehen: Hören, Schmecken, Fühlen oder Riechen. Die Sitzung ist Teil eines achtwöchigen MBSR-Kurses - ein Kürzel, das für mindful based Stress reduction steht und übersetzt so viel bedeutet wie Stressbewältigung durch Achtsamkeit. Sprecher Das Programm wurde in den späten Siebzigern von dem US-Mediziner Jon Kabat-Zinn auf der Basis hinduistischer und buddhistischer Traditionen entwickelt. Es wird heute auf der ganzen Welt unterrichtet und läuft immer nach demselben Schema ab. Es gibt einen praktischen Teil, in dem meditiert oder Yoga praktiziert wird und einen theoretischen Teil in dem etwa die Ursachen von Stress besprochen werden: Atmo Es gibt eine schnelle und ne langsame Stressreaktion: schnell macht das Adrenalin wichtigstes Stresshormon... Autorin Die Kursteilnehmerinnen lernen an diesem Tag, dass sie in Stresssituationen nicht immer sofort reagieren sollten, dass der Adrenalinspiegel sehr rasch wieder sinkt und man mit ein bisschen Geduld Reaktionen vermeiden kann, die man unter Umständen später bereut. Durch die regelmäßige Meditationspraxis kann man diese Form der Geduld üben und so insgesamt mit Stresssituationen entspannter umgehen, sagt Schwalm. Er sagt das aus eigener, langjähriger Meditations-Erfahrung: O-Ton Was man lenkt ist die Aufmerksamkeit. Es wird nicht eingeteilt ob das gut oder schlecht ist oder angenehm oder nicht angenehm. Wenn man nicht achtsam ist, folgt die Reaktion fast immer automatisch, dass man auf bestimmte Objekte mit Aversion reagiert. Autorin Aversion, Stress, Schmerz all diese Gefühle stehen einem Empfinden von Zufriedenheit entgegen, sagt Schwalm. Zwar lassen sie sich nicht vermeiden. Aber der Umgang mit ihnen könne durch Meditation verändert werden. O-Ton Was man verhindern kann ist eine bestimmte Perspektive darauf und eine gewisse Gelassenheit auf die Höhen und Tiefen des Lebens. Es hilft nichts ängstlich mit der Angst oder ungeduldig mit der Ungeduld umzugehen. Sondern dass man auch in diesen Geisteszuständen übt und einfach merkt das ist jetzt so, als zu versuchen das zu leugnen oder wegzukriegen Klangschale Sprecher Der positive Effekt der Meditation auf das Befinden wurde längst in zahlreichen neurowissenschaftlichen Studien nachgewiesen. Ist es etwa so, dass bei hohem Stress Nervengewebe beschädigt werden kann, scheint es sich bei regelmäßig meditierenden Menschen wieder zu regenerieren. Untersuchungen an Menschen mit chronischen Schmerzen zeigen außerdem, dass diese sich nach einem MBSR Kurs offenbar zufriedener und weniger depressiv fühlen, und das, obwohl ihre Schmerzen unvermindert blieben. Aber auch regelrechte Glücksgefühle können während der Tiefenentspannung aufkommen. Wer in sich selbst versinkt, sorgt für eine erhöhte Ausschüttung des Neurotransmitters Dopamin. O-Ton Der wiederum bewirkt Lernprozesse und zwar, dass die ganz schnell ablaufen. Wir lernen zwar immer, aber manchmal können wir auch sehr schnell etwas lernen. Wenn die Hand auf die Herdplatte kommt. lernen wir ganz schnell weil es wehtut und wenn eben was besonders Tolles, Unerwartetes passiert, dann kommt es zu dieser Dopamin Ausschüttung in bestimmten Bereichen des Gehirns und dann lernen wir, was gut für uns ist. Autorin Manfred Spitzer, Neurowissenschaftler an der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Ulm untersucht seit mehr als 10 Jahren die Darstellung positiver emotionaler Zustände im Hirn. Sprecher Einen der ersten Versuche in dieser Richtung unternahm er im Jahr 1997 mit kokainsüchtigen Patienten. Während diese im Magnetresonanztomografen eine Dosis Kokain zugeführt bekamen, schaute der Forscher an welcher Stelle im Hirn Aktivität auftrat. Er stieß dabei auf den nucleus acumbens, ein Zentrum im unteren Vorderhirn: O-Ton Dieses Zentrum, was manchmal auch als Belohnungs-Glückszentrum beschrieben wird, da sitzen Nervenzellen, die endogene Opioide machen: Also Endorphine. Die werden an unterschiedlichen Stellen gemacht, aber eben auch da. Und diese Zellen, die da sitzen, die streuen das selbstgemachte Opium im Frontalhirn aus und wenn ihr Hirn das dann im Frontalhirn ausschüttet, das macht uns ein positives gutes Gefühl. Und das kann ja nicht unser Kokainsuchtzentrum sein weil die meisten Menschen sind ja nicht kokainsüchtig. Sprecher Spitzer forschte weiter. Er unternahm Versuche mit Geld, gab Probanden in der Röhre mal einen Euro mal nur 20 Cent und schaute sich die unterschiedlichen Reaktionen an. Er ließ sie virtuell Einkaufen, Schokolade essen. Er arbeitete mit Fotos: zeigte seinen Testpersonen Bilder ihrer Kinder, Partner, solche von unbekannten und bekannten Persönlichkeiten und verglich die Hirnaktivität. Die Darstellung von Euphoriemomenten wurde immer präziser. Im Nucleus acumbens ließen sich unterschiedliche Glücks- Intensitäten nachweisen, und auch nachlassendes Glück wenn die Versuche wiederholt wurden und der Überraschungseffekt nachließ. Autorin Glück ist immer ein vorübergehender Zustand - Das sei eine wichtige Lehre der Versuche sagt Spitzer Es ist nur ein Nebeneffekt der eigentlichen Aufgabe des nucleus acumbens: nämlich, dass wir zwar abspeichern was uns in bestimmten Situationen gut tut. Nicht aber, das wir hier endgültige Lebensrezepte finden, wie zum Beispiel: "immer Schokolade zu essen". O-Ton Dauerglück ist ein Problem weil das Hirn muss ja differenziert reagieren können. Deswegen ist es nur interessant, wenn es Unterschiede hervorbringt. wenn es die nicht hervorbringen würde, dann wäre das völlig nutzlos, weil: Es ist irgendwann sinnleer. Ich kann das System Dauereinschalten aber dann lerne ich nichts Autorin Spitzer unterscheidet deswegen deutlich zwischen Glück und dem, was allgemein als Zufriedenheit beschrieben wird. Zufriedenheit sei ein chronischer Zustand, der sich experimentell kaum nachweisen ließe, meint der Wissenschaftler. Glück hingegen kann man messen, weil es vorübergeht. Längstenfalls nach einer Phase romantischer Verliebtheit: O-Ton Die romantische Verliebtheit, die ist in der Tat mit einer starken Aktivierung dieses Systems verbunden. Die hat auch ganz stark mit dem Botenstoff Dopamin zu tun, dass die Partner sich sehr stark aufeinander fixieren, der Partner wirkt belohnend, das Zusammensein wirkt belohnend. Hier wird der Partner mit dem Lernsystem ganz eng verknüpft so dass sich der Suchraum einschränkt Damit wir auch Nachfolger schaffen. Mit Optimismus auf eine längerfristige Beziehung schauen, mit dem Wagnis der Zeugung von neuen Menschen, die uns vielleicht gar nicht passen. Deswegen gibt es auch diese besondere Form des Glücks. Die geht aber nicht ewig: 1,3 bis 1,7 Jahre, aber dann ist das auch vorbei. Autorin Das Glück bleibt uns also nie ewig hold. Aber Menschen, die viel Glück in ihrem Leben erleben, sind sicher auch die zufriedeneren, meint Spitzer. Natürlich brächten Menschen unterschiedliche genetische Voraussetzungen mit, bei manchen seien etwa die Dopaminrezeptoren so verändert, dass sie Glück weniger intensiv erfahren. Aber im Prinzip, sagt Spitzer, und das sei auch eine der optimistischen Botschaften der Hirnforschung, könne man selbst beeinflussen, wie viel Glück man hat. Man müsse eben nur immer wieder etwas Neues für sich lernen und im Leben entdecken. Langfristig könne dies sogar dazu führen dass wir unser Hirn positiv neu verschalten: O-Ton Ganz platt gesprochen wird es anders aussehen, weil sie offen waren für viele neue Erfahrungen und neue Erfahrungen resultieren immer in neuen Verknüpfungen. Es werden neue Synapsen als Verbindungen entstehen. Es werden auch andere fehlen, weil die nicht gebraucht werden. Also die zur Verarbeitung negativer Emotionen, die wurden dann vielleicht abgebaut. Weswegen auch die Chance negative Gedanken zu denken geringer ist, weil weniger Strukturen dafür da sind. So ändert sich unser Gehirn wie eine Dampfwalze. Wenn sie immer gute Gedanken denken, wird sich das Hirn ändern das zeigt die moderne Gehirnforschung. Atmo hohohahahahohohahahhohohahah Sprecher Eine ähnliche Umpolung haben wohl auch die Teilnehmer des Lachseminars in Berlin Hermsdorf im Sinn. Einmal die Woche treffen sie sich für eine Stunde gemeinsames Lachen in einem sonnig gelb gestrichenen Seminarraum. Die Übungen werden von Traute Walwei, einer ausgebildeten Lach-Yoga Trainerin, angeleitet. Zu Beginn sollen sich die Lachyogis unter dem Namen Maria und Luigi in die Arme fallen, sagt sie. "Augenkontakt nicht vergessen und immer herzlich lachen natürlich." Atmo maria oh luigi die lachen .... Sprecher Es folgt die Pinguin Übung, in der die Teilnehmer kreisförmig aufeinander zuwatscheln um sich dann zu treffen und kaputtzulachen Sprecher Zum Schluss mündet der Kurs in eine angeleitete Meditation und 15 Minuten freien Lachen. Atmo freies lachen Autorin Die Verbindung zwischen Lachen und Glücksempfinden wirkt offensichtlicht, obwohl das Lachen als Reaktion auf etwas wirklich Lustiges, neben etwa dem nervösen, dreckigen oder schadenfrohen Lachen eigentlich nur 20 Prozent unseres Lachens ausmacht. Wie sieht es aber aus, wenn wir künstlich lachen? Werden wir fröhlich durch Lachen, auch wenn es eigentlich keinen Grund dafür gibt? Kursleiterin Traute Walwei, meint das stelle sich automatisch ein. O-Ton man kommt durch das künstliche Lachen und den Blickkontakt zum freien Lachen. Es ist ein ständiges Wechselspiel Sprecher Und auch die Kursteilnehmer bestätigen, dass sie im Laufe der Lachstunde irgendwann anfangen tatsächlich herzhaft zu lachen, weil ihnen auf einmal komisch zumute ist, sie sich an lustige Situationen erinnert fühlen oder der Kontakt zu anderen lachenden Menschen ganz schlicht zum Mitlachen animiert. Und der Effekt? O-Töne Ich bin einfach fröhlicher. Morgen auch noch. Das tut mir sehr gut. Für mich ist es so, dass ich Druck ablassen kann. Ich wollte erst Schreien im Wald, aber das funktioniert nicht so. Durch das Lachen kommt so eine Leichtigkeit. Ein Ventil den Alltag hinter mir zu lassen, heute grüble ich auch nicht so viel. Ist einfach weggelacht. Ich habe normalerweise immer Schmerzen, bin Rheumakrank. Das ist so eine Dynamik hier, dass ich mich völlig frei fühle und leicht. Die Schmerzen sind jetzt weg. Atmo hohohahahahohohahahhohohahah Autorin Auch Willibald Ruch, der auf dem Fachgebiet der Persönlichkeitspsychologie an der Universität Zürich forscht, beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Lachens. Selbst wenn er viele Belege für die positive Wirkung des Lachens auf die Gesundheit für unwissenschaftlich hält, konnte er in eigenen Versuchen zumindest nachweisen, dass sich mit Lachen Schmerzen besser ertragen lassen. Sprecher Ruch betreibt ernsthafte Forschung. Das ist ihm wichtig zu betonen. Auch um sich abzugrenzen von einer Heilindustrie, die ganze Bibliotheken füllt und seiner Meinung nach oft etwas billige Glücksversprechen abgibt. Seit mehr als 30 Jahren beschäftigt sich der Österreicher systematisch mit den guten Seiten der menschlichen Psyche. Humor gehört definitiv dazu, meint er: O-Ton Wenn man sich das Charakteristikum negativer Emotionen anschaut, dann bin ich oft angespannt und unlustbetont. Humor ist im Gegenteil mit Leichtigkeit und positiven Gefühlen verbunden. Es ist eine gelöste Aktivierung. Ich kann nicht gleichzeitig ängstlich oder ärgerlich und humorvoll sein. Wenn ich das leichter abrufen kann, wird mich eine gestresste Situation nicht so da hineinziehen weil ich es etwas relativieren kann. Sprecher Die ernsthafte Auseinandersetzung mit menschlichen Stärken ist relativ neu in der Psychologie. Erst in den späten 90er Jahren bekam diese Forschungsrichtung, die auch als Positive Psychologie bezeichnet wird, merklichen Aufwind. Autorin Der amerikanischen Depressionsforscher Martin Seligman, damals Präsident der American Psychological Association, stellte das Konzept dieses optimistischen Zweigs der Psychologie vor und damit gewissermaßen die Fundamente seiner Disziplin auf den Kopf. Statt sich den Defekten der Seele zuzuwenden, fragen positive Psychologen danach, was Menschen fröhlich und zufrieden stimmt. Sie interessieren sich explizit für die Quellen des Glücks und entwickeln Programme, mit denen sich die Erschließung dieser Quellen auch lernen lassen soll. Positive Psycholigen wie Ruch unterscheiden dabei zunächst zwischen drei Lebensformen, die glückliches machen: An erster Stelle steht - ein aktives Leben: O-Ton Da sehen wir, dass das life of Engagement den höchsten Zusammenhang mit Lebenszufriedenheit zeiht. Das heißt seine Stärken kennen und die einzusetzen . Autorin An zweiter Stelle kommt das sinnerfüllte Leben O-Ton Life of meaning, das heißt auch Dinge identifizieren hinter denen man steht und die auch für andere Personen einzusetzen und sinnvolles zu tun. Autorin und an dritter Stelle folgt der Hedonismus O-Ton Das life of pleasure da stellt sich auch Lebenszufriedenheit ein, aber mit schwächerem Gewicht. Da ist der goldene Weg, wie kann ich das Genießen kultivieren? 1.0 Am zufriedensten sind die, die in allen Bereichen hoch sind. Wir sehen auch höchste Unzufriedenheit wenn jemand weder das eine noch das andere verfolgen kann. Sprecher Vorraussetzung für ein aktives und sinnerfülltes Leben ist die Kenntnis und der optimale Einsatz seiner persönlichen Charakterstärken. Ruch und seine Kollegen unterscheiden hier zwischen 24 Eigenschaften, die sie den sechs Tugenden Weisheit und Wissen, Mut, Gerechtigkeit, Menschlichkeit, Mäßigung und Transzendenz zuordnen. Jeder Mensch zeichnet sich durch ein paar Charakterstärken aus die bei ihm besonders ins Gewicht fallen und ihn dementsprechend auch besonders stark prägen. Dazu zählen etwa: O-Ton Bindungsfähigkeit , Neugier, Liebe zum Lernen, Dankbarkeit, Selbstregulation, Humor, Hoffnung. Die kann man mit einem Fragebogen oder einem Gespräch erfassen. Wir haben die bereitgestellt auf der Seite charkterstärken.org. Und die Idee ist, dass der Mensch zwischen drei und sieben Signaturstärken hat. Die Forschung zeigt, dass der Einsatz der Charakterstärken sehr viel mit Lebenszufriedenheit zu tun hat. Autorin Allgemein lässt sich sagen: je mehr ich meine persönlichen Charakterstärken ausleben kann, desto glücklicher komme ich durchs Leben. Es gibt aber Eigenschaften, die in bestimmten Lebensbereichen besonders gefragt sind und deshalb Menschen mit diesen Stärken hier auch besonders glücklich werden lassen. Sprecher In der Schule zum Beispiel machen Lerneifer und Neugier glücklich. In der Partnerschaft Authentizität und Ehrlichkeit. Für die allgemeine Lebenszufriedenheit wiederum scheinen Hoffnung, Bindungsfähigkeit, Dankbarkeit, Ausdauer oder Humor eine besondere Rolle zu spielen. Am besten ist es natürlich ein Mensch kann mit seinen Signatur-Stärken in allen Bereichen der menschlichen Tugend punkten. Häufig geht die Tendenz aber auch nur in Richtung einer oder zwei Tugenden. Die gute Nachricht für Menschen mit solch einseitigem Tugendprofil ist: Alle Eigenschaften und Tugenden - auch die schwach ausgeprägten - lassen sich bis zu einem gewissen Grad stärken: O-Ton Zum Beispiel Freundlichkeit: dann muss ich halt schauen: wo kann ich das entwickeln? Ich kann wenn ich einkaufen gehe mir zur Regel machen, dass ich nicht nur einfach durch die Türe gehe, sondern mich auch umdrehe und schaue, dass die Türe nicht jemanden vor die Nase knallt. Wenn ich die Fähigkeiten nicht habe, ist das wie beim Geige lernen dann kann man schauen was kann ich tun? Bei Hoffnung gibt es eine Technik von Seligman. Der hat halt gemerkt, dass die Leute, die wenig optimistisch sind bestimmten Denkmuster haben: dass sie Erfolg eher dem Glück zuschreiben und Misserfolg stabilen inneren Zuständen. Und da kann man natürlich dran arbeiten dass man den Leuten beibringt, wie sie mit bestimmten Situationen umgehen Sprecher: Natürlich könne man in einem Stärketraining nie aus einem Pessimisten einen Optimisten machen, räumt Ruch ein. Auf einer Skala von eins bis zehn sei ein Schritt von einem Punkt jedoch schon ein guter Erfolg. Trotzdem meinen Ruch und seine Kollegen Beweise dafür zu haben, dass man auf diese Weise sein persönliches Glücksempfinden steigern kann. Autorin: Eine Einschätzung, die sie mit anderen Glücksforschern teilen. Auch die Philosophen gehen davon aus, dass das Pflegen der Tugenden zu einem gelingenden Leben beiträgt. Die Neurowissenschaften unterstützen die These, dass ein fortlaufender Erkenntnisgewinn zufrieden stimmt und sich unser Hirn bis zu einem gewissen Grad tatsächlich positiv umschalten lässt. Dass ein gutes Gemeinwesen und sichere sozio-ökonomische Verhältnisse wichtige Voraussetzungen für ein gutes Leben sind, bestätigen Sozial- und Wirtschaftswissenschaftler. Nur von der Vorstellung dauerhaften Glücks nehmen alle Forscher eindeutig Abstand. Das - kann es nicht geben. Musik: Herr Rossi SPRECHER v. Dienst Glücksbringer - eine Annäherung an das gute Leben Ein Feature von Katja Bigalke Es sprachen: die Autorin und Thomas Fränzel Ton: Bernd Friebel Regie: Frank Merfort Redaktion: Martin Hartwig Produktion: Deutschlandradio Kultur 2011 1