Deutschlandradio Kultur -Länderreport- COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Die Kleine Sprachgeschichte. Ruhrdeutsch. - Oder : Warum die da so anders sprechen - Autor Andrea Lueg Volker Wagener Red. Claus Stephan Rehfeld Sdg. 29.11.2011 - 13.07 Uhr Länge 17.59 Minuten Moderation Es gibt nur einen Fall, da der Ruhri mal nicht sagt: Es geht auch ohne mich. Das Ruhrdeutsch ist ihm heilig, mit ihm kann er spielen, über sich lachen. Und beides tut er gerne. Die mundartlichen Einflüsse sind reichhaltig, die Ausflüsse ebenso. Der wohl bekannteste Mundartlehrer war ein Frührenter namens Adolf Tegtmeier, auch Jürgen von Manger genannt. Und wie das halt so ist, er stammte nicht aus dem Ruhrgebiet. Egal, er lehrte der Fernsehnation das Ruhrdeutsch, also eine Denkart, die sich gerne der Vokalverdopplung bedient. Andrea Lueg und Volker Wagener führen uns nun ein in das Ruhrdeutsche, Ruhrpöttisch genannt, und sie gehen der Frage nach: Warum die da so anders sprechen. -folgt Script Beitrag- Script Beitrag E 01 Jürgen von Manger alias Adolf Tegtmeyer "Dat bisken Frühschicht nimmt dich doch nich mit, sacht mein Frau, dat bisken Frühschicht macht dich höchstens fit, sacht mein Frau, dat ich auf Knien meinem Steiger danken kann, sacht unser Mamma mir, mannomann.... SPR Die Laute formen sich irgendwo weit hinten im Rachen, Silben werden komplett eingespart oder salopp verbunden und die Grammatik gebeugt bis der Arzt kommt. Im Ruhrdeutschen ist man vonne Socken, es sei denn man hat ein appes Bein. Mir und mich oder Sie und Ihnen - da nehmen es die Ruhris auch nicht so genau. Das alles verbindet sich zu einem Idiom, das wie kein anderes in Deutschland für ein Malochermilieu steht, das es so schon lange nicht mehr gibt. E 02 "Kauderwelsch"-CD "Kannze en Satz mit ,einfältig'? Nä, sach ma! Du hass zwei Popel anne Nase. Ein fälltich gleich runter!" SPR Kumpels und kleine Leute im Pott sprechen so, eine Proletensprache, so sagt das Klischee, die die meisten gar nicht als Dialekt einordnen würden. Und Ruhrdeutsch finden die Ruhris selbst wahrscheinlich schon einen viel zu intellektuellen Begriff. E 03 Dr. Ludger Stratmann "Also, ich glaube, wir Ruhris haben keinen richtigen Dialekt, sondern, um es ganz platt zu sagen, wir sprechen eigentlich nur falsch, aber das muss man richtig können. Das heißt, ich merke sofort, wenn einer nicht aus dem Ruhrgebiet kommt und versucht dat nachzumachen. Der kannet dann nich richtig, dem fehlt so'n bißchen das Phonetische, wir sprechen ja gerne hinten, wir reduzieren auch gerne die Sprache, wir setzen Genitiv und Dativ so mehr nach dem Zufallsprinzip ein. Das sind alles so Dinge, die man wissen muss." SPR Ludger Stratmann war früher Arzt in Bottrop-Batenbrock und Gelsenkirchen-Ückendorf, hat dort die Sprache lieben und schätzen gelernt und verdient damit als Kabarettist inzwischen sein Geld. E 04 Stratmann "Mein Alter Ego Jupp auf der Bühne hat' n sehr schönes Beispiel dafür, der sagt, wir setzen natürlich Fürwörter ganz anders ein als in anderen Regionen von Deutschland, also frei nach dem alten Bergmannskalender: Donnerstag nach Karstadt, Freitag inne Kneipe, Samstag auf Schalke, Sonntags aufe Mutter. Das war so sein Credo. Auch mit Fremdwörtern geht der anders um. Die müssen nicht buchstabengenau richtig sein, die müssen nur phonetisch irgendwo in der Nähe liegen und schon verstehen wir uns. Gibt' n schönes Beispiel: Nen Feuerwehrmann muss ne Garage löschen mit seinen fünf Kumpels und sacht dann: Jungs, wenn ihr dat nich in fünf Minuten gelöscht habt, muss ich ein Ezembel stationieren, ich lass sons dat ganze Haus ejakulieren. Jeder verstehtet, jeder weiß, wat gemeint ist, ist aber völlig falsch natürlich." SPR Es ist die Sprache der zärtlichen Beleidigungen, sagt der Schriftsteller Frank Goosen. Und der kreativen Wortschöpfungen. Ein Hausarzt ist ein Verschreipdokter, ein dünner Mensch ein Schmachtlappen, ein Angeber dagegen ein Schnösel. Oder gleich Graf Koks vonne Gasanstalt. E 05 "Kauderwelsch"-CD "Dä dünnste Spaageltaazan, dene dir vorstellen kannz, bei dem kannze Lapaloma durche Rippen pfeifen." SPR Ruhrdeutsch scheint mit Kohle, Kumpel und Stahlkocher geradezu verschweißt. Das vermeintlich Falsche schrieb man der Struktur aus einfachen Arbeitern und Zuwanderern aus Polen und anderen Ländern Osteuropas zu. Doch als Sprachwissenschaftler sich endlich dafür interessierten, kam heraus, dass die Sprache sich schon vor dem Zechenboom entwickelt hatte, am Ende des 19. Jahrhunderts nämlich. Vor 30 Jahre machten sich Germanisten der Ruhr-Uni Bochum auf den Weg an die Basis des Ruhrdeutschen. Neben Büdchen, Kneipe und Fußballplatz ist das ganz eindeutig der Schrebergarten. 35 Schrebergärten im ganzen Ruhrgebiet suchten die Forscher auf, um die Sprache quasi einzusammeln für einen Korpus des Ruhrdeutschen, eine Sammlung von grammatikalischen Eigenheiten, Begriffen und Besonderheiten. Nach einigem Hin und Her unter Wissenschaftlern, was das Ruhrdeutsche denn nun sei, steht für die Germanistin Kerstin Kucharzcik heute fest: E 06 Kurcharzcik "Also es gibt ja immer diese Vorurteile, dass das Ruhrdeutsche zurückzuführen sei auf polnische Ursprünge etc., das kann man schon lange nicht mehr bestätigen. Also seit den 80er Jahren ist es belegt, dass es ein Niederdeutsches Substrat ist. Und das diese Kasusverschiebungen vom Dativ zum Akkusativ einfach deswegen zustande kommen, weil es tatsächlich im Niederdeutschen diese Unterscheidung nicht gab." SPR Falsches oder schlechtes Deutsch ist Ruhrdeutsch also gar nicht, sondern ein Regiolekt, es entwickelte sich aus Mundarten vom Niederrhein und Westfalen, die es heute nicht mehr gibt. Um 1900 wurden plattdeutsche Dialekte vom Hochdeutschen abgelöst. Das dauerte Jahrzehnte und in diesem Prozess entstand als gesprochene Sprache auch das Ruhrdeutsch. Satzbau, Wortschatz und Lautung der alten Mundarten sind ins Ruhrdeutsche eingeflossen. E 07 Kucharzcik "Wenn Sie jetzt so einen Standardsatz nehmen würden, wenn man jetzt ein Seminar über Regiolekt emacht und dann hat man "ich geh am Nammitach mit die Omma inne Fiema". Dann haben Sie einen kleinen Lacher, weil viele natürlich erkennen, was daran regiolektal ist. Zum Beispiel ist regiolektal die Kasusverschiebung "mit die Omma", "mit" fordert den Dativ und wir haben hier den Akkusativ, dann haben wir den "Nammitach", die sogenannte Spirantisierung, k wird zu ch, das ist ganz typisch. Was haben wir noch? Fiema, Vokalisierung von r..." SPR Viele dieser Besonderheiten lassen das Substrat des Niederdeutschen erkennen, also die Überreste der älteren Sprachschicht. Wenn ein Schalker oder Dortmunder Spieler auf dem Fußballplatz zum Beispiel schreit: gib mich die Kirsche - also, schieß den Ball rüber -, dann schert ihn Dativ oder Akkusativ genauso wenig wie früher die Sprecher des Niederdeutschen. Der Pütt - niederdeutsch für Brunnen, bezeichnet im Ruhrpott das Bergwerk und das niederdeutsche knibbeln oder prockeln steht noch heute für eine erfolglose Fummelei. Einen geringen Einfluss hatten dann später auch die Migranten. E 08 Niels Kindl "Natürlich gibt's auch ein paar polnische Ausdrücke, klar, dieses berühmte motek für Hammer und matka kochannek und so, aber sonst ist da eigentlich nicht sehr viel." SPR Erklärt der Bochumer Germanist Niels Kindl. Aber mindestens eben so viele Begriffe kommen aus dem Jiddischen: Maloche für Arbeit, Massel für Glück haben, Schickse für ein hübsches Mädchen oder auch stickum, wenn man etwas heimlich tut. Die Orte, wo Ruhrdeutsch blüht und gedeiht sind Orte der Nähe, räumlich, aber oft auch menschlich gesehen. Und das macht die Sprache selbst auch aus: sie kennt keine große Distanz, keine Hierarchien oder Hürden. E 09 Tegtmeier/Manger - "Kneipengespräch" "Entschuldigen Se mal, dat ich Ihnen so anspreche, ich meine, ich will Se nich stören, aber: Sind Se fremd hier? Wa?" SPR Wo exakt die geografischen Grenzen der Region verlaufen, in der Ruhrdeutsch gesprochen wird - das Ruhrgebiet - lässt sich schwer festlegen. Im Wesentlichen sind die Keimzellen die großen Städte Dortmund, Essen und Duisburg, die langsam zusammenwachsen. Aber dann gibt es auch noch Bottrop, Gelsenkirchen, Hagen, Hamm, Herne, die Kreise Recklinghausen, Unna, Wesel und Ennepe Ruhr. Nicht zu vergessen: E 09 Missfits: "0berhausen ..." SPR Tatsache ist, dass die große Einheit bisher noch nie funktioniert hat. Unter den Gemeinden herrschen seit Jahrzehnten Taktieren und Eifersüchteleien. Hamborn, Elberfeld, Barmen - jeder Ort braucht seinen eigenen Bürgermeister, seine eigene Stimme und Struktur. Zu allem Überfluss verläuft mittendurch auch noch die Grenze zwischen Rheinland und Westfalen. E 10 Stratmann "Ich glaube schon, dass der Waltroper, der ja mehr zum Münsterland ist oder der Dülmener, sich etwas vom Rheinischen - Duisburger sagen wir mal - unterscheidet. Es gibt aber auch innerhalb der einzelnen Städte natürlich massive Unterschiede. In Essen zum Beispiel Essen Bredeney, wo die Akademiker, die reichen Leute wohnen, Altenessen, was mit Migranten mittlerweile voll ist, da gibt's also n massives Nord-Süd-Gefälle, ich sags nie umgekehrt, die meisten sagen Süd-Nord-Gefälle, aber ich meine es fällt in die andere Richtung. Da ist auch sprachlich was anderes los." SPR Wer Ruhrdeutsch spricht, der bezeichnet sich nicht als Ruhrgebietler und in der Regel auch nicht als Ruhri. Sondern als Bottroper, Hamborner Mülheimer oder Castrop-Rauxel. Auch der Germanist Niels Kindl. E 11 Kindl "Also, ich kann erstmal für Wanne-Eickel sprechen, also ich erkenn jemanden sofort, der nicht aus Wanne-Eickel kommt, das kann man schwer beschreiben, aber gefühlt ist es so, wenn jemand vielleicht aus Bochum kommt, aus Dortmund, aus Essen, merkt man allein an der Sprache zunächst: Dat is jetz kein Wanne-Eickler. Das ist erstmal kein Minuspunkt, denn es gibt viele Gemeinsamkeiten, es sind dann meist nur so partiell einige Unterschiede, aber es zeigt einfach, dass man das nicht alles über einen Kamm scheren kann, sondern noch mal differenzieren sollte." SPR Diese Differenz merkt man wohl am stärksten zwischen Rheinland und Westfalen. E 12 Stratmann "Mentalitätsmäßig ist natürlich der Rheinländer dem Westfalen aus dem Ruhrgebiet auch nicht so furchtbar ähnlich. Also der Rheinländer - in Duisburg wird ja noch Karneval gefeiert -, wenn Se den Karneval in Bottrop erleben, dann ist das eben nur ein Abklatsch von dem, was der Rheinländer so bringt." SPR Dass sich trotzdem alle, die Ruhrdeutsch sprechen, verstehen, sogar gut verstehen, hat mit der Mentalität der Sprecher zu tun. E 13 Grönemeyer "Bochum" (Musik & Gesang) " ... du bist keine Schönheit Vor Arbeit ganz grau Du liebst dich ohne Schminke Bist ne' ehrliche Haut Leider total verbaut Aber grade das macht dich aus ..." SPR Geradezu heroisch, Herbert Grönemeyers "Bochum". Nichts weniger als die Hymne auf das Ruhrgebiet war damit geschaffen, voller Arbeiter-Pathos. Ganz ohne Dialekt, aber in seiner Dramatik und Wortwahl immer haarscharf zwischen Klischee und Realität. Sie bringt auch Herner, Hammer und Hattinger zum Weinen und macht mächtig Stolz auf die eigene Geschichte. Nur manchmal ist Selbsthass im Spiel, wenn Kabarettisten auf Spurensuche in der Heimat unterwegs sind. "Wer Essen kennt, dem gefällt es überall", ätzt Hagen Rether und ist damit ein Außenseiter unter den Ruhr-Parodisten. Grundsätzlich ist der Ruhri humorvoll. Besonders an einem seiner Lieblingsplätze: der Kleingartenanlage. Hier geht es erdig, direkt und manchmal auch ganz schön - sagen wir - überraschend zu. E 14 Stratmann "Golf" "Und ich hab mit den Heinz Fürtel zusammen ein Golfplatz bei uns inne Kleingartenanlage kon...zentriert. Golf! Nich Minigolf, Gold! Passauf: Abschlag is bei mir inne Parzelle, dann spielst du über die Parzelle von den Reinhold Schwalzig und den Uwe Kampmeyer weg in die Parzelle von den Heinz Fürtel - da is dat Green- und dat Loch. Dat is n 15er Abflußrohr ausse Gästetoilette, hab ich da innen Boden gestampft." SPR Dieser Stolz auf die eigene Sprache existiert allerdings erst gut 20 Jahre. Davor galt Ruhrdeutsch als soziales Stigma. Teils hochintelligente Kinder, die nach dem Motto lebten, man gewöhnt sich an allem, auch am Dativ, wurden mit Verdacht auf IQ-Mangelerscheinung scharenweise auf die Hauptschule geschickt. E 15 Kindl "Damals, ich weiß, da ist man als dumm angesehen worden, kommt aus dem Ruhrgebiet, n Arbeiterjunge, hat nicht viel inner Biane, würde man hier sagen (lacht), aber heutzutage ist gerade bei Jugendlichen ein gewisser Stolz, auch Lokalpatriotismus und man kann da gut mit umgehen." SPR Das Revier holt soziologisch auf, das steht fest. Aber was heißt das schon, wenn Karstadt - mit der Konzernzentrale in Essen, wohlgemerkt - bis vor wenigen Jahren Abendkleider und Smokings in Düsseldorf verkaufte, die in Oberhausen und Dortmund erst gar nicht auf den Ständer kamen! Wozu hätte Metzgersgattin Else Strattmann auch das kleine Schwarze gebrauchen können? Obwohl, vorstellen konnte sie sich ja manches ... E 16 Elke Heidenreich alias Else Strattmann "Diana" "Hallo? Ja! Bin ich da verbunden mit dat Haus Oranigen? Ja? Schloß Sosdeik, ne? Ja is in Ordnung. Sind Sie der Butler? Ja, hier is Else Stratmann, Metzgersgattin aus Wanne-Eickel. Können Se mich ma fix verbinden mit den Prinz Willem-Alexander? Ja dat sach ich den dann schon selbe, worum et geht. Ja, is wichtich!" SPR Mit dem Adel auf Du und Du und dabei mit der Architektur der Sprache stets im Clinch. Beschimpft ein älterer Herr ein paar Jugendliche in der Straßenbahn mit den Worten: "Glaubt ja nicht, wer ihr seid". Eine herrlich schräge Kombination aus "glaubt ja nicht, ihr seid was Besonderes" und "was glaubt ihr wohl, wer ihr seid?" E 17 O-Ton Atze Schröder "Currywurst" "Nich dat wir uns falsch verstehn, ich hab nix gegen ne Bratwurst. Oder Currywurst. Lecker! Carpaccio, auch gut, wunderbar. Krichs du ja gar nich mehr überall! Currywurst is aufem Rückzuch!" SPR Ruhrdeutsch erlebt wie alle regionalen Dialekte schon seit langem schon eine Art Einebnung durch die Einheits-Prolosprache, die von Flensburg bis Garmisch nur noch Spurenelemente der jeweiligen Mundarten enthält. Atze Schröder ist zwar Vollblut-Ruhri, seine Themen, seine Sprache, auch die Körpersprache, sind aber vor allem altersspezifisch auf die Generationen zwischen MTV und DSD (Deutschland sucht den Superstar) gemünzt. Wenn Adolf Tegtmeier früher genauso brav hoffte, "datt es mit Mattas Gesundheit schön alles wieder am klappen kommt", dann heißt das heute in der gleichen Region im Brutal-Sprech "watt iss, Omma, gehsse kaputt?" E 18 Tegtmeier "Mein Name is also, wie gesagt, ja. Ja, Adolf Tegtmeier mit samt de Familje. Fünf Mann hoch, die Omma auch noch mit bei. - dann die zwei Kleinen, unser Susanne geht ja noch inne Schule und unser Elvira geht mit ein Gastarbeiter ..." E 19 Kerstin Kucharzcik "Bei Jürgen von Manger, 60er/70er Jahre, da war es tatsächlich so, dass JvM auch nicht aus dem Ruhrgebiet kam, das ihm sehr vorgeworfen wurde. Da wurde immer wieder gesagt, JvM benutzt die Ruhrgebietssprache, um die Menschen, die im Pott leben, lächerlich zu machen. Und das ist ihm sehr übel genommen worden. Ich habe bei Knebel zum Beispiel nicht so den Eindruck, ich glaube, dass der stärker verankert ist." SPR Tegtmeier und Knebel - Der Altmeister und einer der aktiven Ruhrdeutsch-Parodisten. Aus Jürgen von Manger, alias Tegtmeier, spricht noch das alte Montanrevier. Der erste Ruhrstar war allerdings eine Kunstfigur aus der Zeitung. "Kumpel Anton" machte sich erstmals im Dezember 1954 bemerkbar. Unter dem Titel "....wenne hintn einsteichs" feierte die Westdeutsche Allgemeine Zeitung (WAZ) den ersten Versuch, Ruhrdeutsch zu verschriftlichen - mit überragendem Erfolg für Wilhelm Herbert Koch, den Erfinder von Kumpel Anton. Ein Vierteljahrhundert lang, jedes Wochenende, erfreute Anton, Tante Matta, Taumvatters (Taubenvater) Jupp und "unser klein, doof Hildegaat" die Leserschaft der WAZ. Begebenheits- und Gefühls-Miniaturen aus dem begrenzten Leben des Ruhrbewohners, dennoch aber stets überlagert von den großen Fragen des Lebens: Wo kommen wir her? Gibt es einen Gott? Und: Kommt auf die Pommes watt drauf? E 21 Herbert Grönemeyer "Currywurst" / Musik & Gesang "Gehsse inne Stadt, wat macht dich da satt? Ne Currywurst. Kommse vonne Schicht, wat Schönres gibtet nich, als wie Currywurst. Mitte Pommes dabei, ach dann gehmse gleich zweimal Currywurst..." SPR Kaum einer hat das wärmende Gefühl der Solidarität unter den kleinen Leuten zwischen Emscher und Ruhr so in Sprache und Melodie auf Punkt und Ton gebracht wie Herbert Grönemeyer. Ein Klischee und dennoch das kürzeste Psychogramm für eine Landsmannschaft. Grönemeyer ist in Bochum groß geworden. Anders als Jürgen von Manger, der Zugereiste aus Koblenz, der studierte Jurist. Jedenfalls belegt sein Erfolg in den 60er und 70er Jahren den hohen Wiedererkennungswert den die Einheimischen beim Auswärtigen über sich selbst heraushören konnten - auch beim Kampf des einfachen Mannes mit den Tücken der Grammatik und Satzstellung. E 22 Tegtmeier alias Manger "Unteroffiziersunterricht" "Herrschaften, also ich will eins sagen, ne? Ich bin ein gemütlicher Mensch, ihr kennt mich jetz lange genug, aber wenn Sie glauben, dass Sie es mit mir machen können, nicht wahr, dann, also, können Sie es nämlich nich! Hier, der Hauptmann schleicht durch die Gänge - ich hab mir keine Lust immer anscheißen zu lassen, immer Stube 110!" SPR Ruhrdeutsch ist eine Nähesprache. Eine Umfrage Duisburger Studierender ergab, dass der Regio-, bzw. Soziolekt nur am Stammtisch, in der Familie oder unter Arbeitskollegen seine Berechtigung habe, nicht aber in Schule und anderen öffentlichen Räumen. Doch was ist noch Ruhrdeutsch? E 23 Dr. Ludger Stratmann "Die moderne Prolosprache unterscheidet sich in allen Regionen von Deutschland überhaupt nicht mehr. Die ist ja Türkisch geprägt und hat auch nen gewissen Reiz wie ich meine, das wird ja auch kabarettistisch schön aufgearbeitet, aber die unterscheidet sich nicht mehr. Man kann nicht mehr sagen, der kommt aus Hamburg oder der kommt aussem' Ruhrgebiet, ne." SPR Ludger Stratmann, Doktor der Allgemeinmedizin auf der Bühne und auch sonst, kommt an mit seinen Programmen "heute komm ich mal mit mein Bein" oder : "Hauptsache man wird geholfen". Sie sind so wie der zufällig mitgehörte Dialog zwischen Rentner und Hausfrau in der Straßenbahn. Deshalb gilt Stratmann im Revier als besonders "echt", weil man auch ohne Übertreibungen lachen kann. Das gepflegte Ruhrdeutsch ist allerdings im Sinkflug. Ruhrdeutsch stirbt langsam aus, diagnostiziert Stratmann. E 24 Stratmann "Ja, ich glaube schon. Wie andere plattdeutsche Regionen ja auch, wenn die Holländer alle nach Friesland ziehen, aus steuerlichen Gründen, oder umgekehrt, dann kommen da auch andere Töne wieder rein. Aber das ist ja auch schön! Es gibt ja Leute wie mich oder Herbert Knebel, die das pflegen, oder Jürgen von Manger als klassisches Beispiel von früher ,und das muss man dann halt auch so hinnehmen. Das ist nicht schade, das ist nicht schön, das ist einfach so." - ENDE Beitrag - MOD Die Kleine Sprachgeschichte. Oder: Warum die da so anders sprechen. Heute war eine Lektion in Ruhrdeutsch dran. Andrea Lueg und Volker Wagener schauten dem Ruhrpott aufs Maul. Die nächste Kleine Sprachgeschichte können Sie sich für den 20. Dezember vormerken. Auf dem Halbstundenplan steht dann Frankfodderisch. Am Mikrofon verabschiedet sich von Ihnen Claus Stephan Rehfeld. -ENDE Sendung- 4