COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Eine bundespolitische Landtagswahl - Schleswig-Holstein vor der Wahl - Autor Dietrich Mohaupt Red. Claus Stephan Rehfeld Sdg. 27.04.2012 - 13.07 Uhr Länge 18.27 Minuten Moderation Bei der letzten Landtagswahl vor etwas mehr als zweieinhalb Jahren, da wurden Bundespolitiker eingeflogen, weil Landtags- und Bundestagswahl auf einen Tag fielen. Diesmal, am 06. Mai, findet keine Bundestagswahl statt, dennoch geben sich Bundespolitiker vor Ort das Mikrofon in die Hand. Die schwarz-gelbe Bundesregierung schielt auf den Bundesrat, die FDP nach dem Rettungsring. Schleswig-Holstein vor der vorgezogenen Landtagswahl. Dietrich Mohaupt verschafft uns einen Überblick. -folgt Script Beitrag- Script Beitrag Kubicki "Dankenswerter Weise entscheiden ja nicht Meinungsumfragen wie Parlamente zusammengesetzt werden, sondern die Wählerinnen und Wähler am Wahltag. Und deshalb, liebe Freunde, kann ich mit stolzgeschwellter Brust als Schleswig- Holsteiner sagen: Wahlkampf können wir ... und es werden sich noch einige wundern darüber, was das am 6. Mai abends auch wirklich bedeutet." Wolfgang Kubicki. Einen der letzten Hoffnungsträger der Liberalen hat man ihn schon genannt - "Er muss mal kurz die Welt retten" hatte eine Kieler Tageszeitung zum Auftakt der heißen Phase im schleswig-holsteinischen Landtagswahlkampf getitelt. Na gut - vielleicht nicht die Welt, zumindest aber die FDP retten, darin scheint der 60jährige derzeit tatsächlich seine Bestimmung zu sehen. Unverdrossen stemmt er sich gegen den Trend, der die FDP bundesweit unter der 5%-Hürde sieht - und zwar schon seit Monaten. Im Saarland haben sich seine Parteifreunde bei der Landtagswahl gerade selbst abgeschafft - 1,2 %, die FDP als Splitterpartei. Aber für die Wahl am 6. Mai hat der liberale Spitzenkandidat Kubicki seiner Partei und vor allem sich selbst große Ziele gesteckt. Er wolle nach dieser Wahl mit am Kabinettstisch sitzen, verkündete er der begeisterten Basis beim Landesparteitag Mitte März: Kubicki "Ich glaube tatsächlich dass es notwendig ist, dass nach der Wahl am 6. Mai die FDP in der Finanzpolitik einen größeren Gestaltungsspielraum für sich beansprucht. Und .. ich gebe meine Bescheidenheit, bisher nicht in ein Kabinett einzutreten auf, und sage von dieser Stelle ausdrücklich: Wenn es denn die Wählerinnen und Wähler wollen, werde ich mich darum bemühen, Finanzminister dieses Landes zu werden." So kennt man ihn - Wolfgang Kubicki macht sein eigenes Ding in Schleswig-Holstein. Gerne auch mal ohne oder teilweise gegen die Bundeszentrale in Berlin. Zurückhaltung ist dabei nicht unbedingt sein Markenzeichen - das musste zuletzt auch Parteichef Philip Rösler zur Kenntnis nehmen. Den hatte Kubicki sich gleich mehrfach in den vergangenen Wochen als Zielscheibe auserkoren. Die FDP propagiere einen Wachstumsbegriff, mit dem die Leute wenig anfangen könnten, lästerte er z.B. über die neueste programmatische Ausrichtung Röslers. Die Kommunikation der Parteispitze mit den Bürgern sei geradezu unterirdisch, es sei gelungen, die FDP als kaltherzig, neoliberal und nicht mitfühlend darzustellen. Auf die Attacken reagiert Philip Rösler eher gelassen. In Norderstedt bei Hamburg besucht er im Wahlkampf ein SOS-Kinderdorf, die FDP- Kandidatin des Wahlkreises hat ihn eingeladen. Nur kurz geht er auf die Attacken ein - so etwas könne er locker wegstecken, versichert er. Rösler "Also - zunächst einmal gehört es immer zur Stellenausschreibung eines Bundesvorsitzenden mit dazu, dass man kritisiert wird, und zwar von allen in der Partei aber auch außerhalb. Das weiß ich, das kann man auch ganz gelassen sehen. Wolfgang Kubicki ist ein hervorragender Wahlkämpfer, er sagt, was er denkt - aber er denkt immer wenn er etwas sagt, und das gibt einem auch als Parteivorsitzender eine gute Gewissheit, dass das hier sehr erfolgreich sein wird in Schleswig-Holstein." Alle Angriffe ignorieren, bloß kein Öl mehr ins Feuer gießen. Philip Rösler macht gute Miene zum bösen Spiel. Sein Schicksal als Parteichef wird nicht unmaßgeblich beeinflusst von einem Spitzenkandidaten Kubicki, der sich auch als treuer Weggefährte von Christian Lindner präsentiert. Eine Woche nach der Wahl im Norden geht der als Spitzenkandidat in Nordrhein-Westfalen ins Rennen. Spätestens seit seinem überraschenden Rücktritt als FDP-Generalsekretär im Dezember gilt auch Lindner nicht gerade als enger politischer Freund Röslers - Wolfgang Kubicki sieht in ihm den kommenden starken Mann bei den Liberalen. Kubicki "Die FDP darf sich nicht reduzieren und fokussieren lassen auf eine reine Wirtschaftspartei, darf nicht nur ausschließlich mit Steuersenkungen in Verbindung gebracht werden, sondern sie muss einen ganz klaren ordnungspolitischen Kurs haben aber deutlich machen, dass niemand in der Gesellschaft zurückgelassen werden darf. Und Christian Lindner ist einer, der versucht hat, dies deutlich zu machen, und ich bin sicher, dass er als Spitzenkandidat auch ein gutes Ergebnis einfahren wird - und dann wird man anschließend von Christian Lindner auf Bundesebene mit Sicherheit mehr hören als gegenwärtig." Sollten es also Kubicki in Schleswig-Holstein und anschließend Lindner in Nordrhein- Westfalen über die 5%-Hürde schaffen - dann könnte die Luft in absehbarer Zeit dünn werden für den Bundesvorsitzenden Rösler. Dass es um mehr geht, als "nur" um den Wiedereinzug der FDP in den Landtag an der Kieler Förde, das ist täglich im Straßenwahlkampf in Schleswig-Holstein zu spüren. Man ist - bestenfalls - vorsichtig optimistisch, so richtig sicher sind nur wenige, dass nach knapp 15 % bei der Landtagswahl im Oktober 2009 auch diesmal der Sprung über die 5%-Hürde klappen wird. Umfrage "Ich weiß es nicht ... ich denke ja. / Ich bin ein Liberaler, ich denke wir schaffen das. / Ich war früher selber mal FDP-Mitglied und ich glaube, dass sie das nicht schaffen werden, die 5 %-Hürde zu nehmen. / Wenn wir die nächsten beiden Wahlen nicht gewinnen oder nicht reinkommen über die 5%-Hürde, dann ist die FDP in echter Gefahr und dann ist das ein sehr langer Weg, um da wieder rauszukommen." Also eine echte Schicksalswahl für die FDP, dieser Urnengang am 6. Mai in Schleswig- Holstein? Davon will der Landesvorsitzende Heiner Garg nichts wissen - das sei eine Landtagswahl, es gehe um die Frage, wer in den kommenden 5 Jahren die Entwicklung des Landes vorantreiben solle. Und mit Wahlkämpfen unter schwierigen Vorzeichen habe man ausreichend Erfahrung. Garg "Ich halte absolut überhaupt nichts von solchen Attributen wie Schicksalswahl für die FDP, ich bin seit über 20 Jahren Mitglied in der FDP und habe - glaube ich - schon gefühlte 120 Schicksalswahlen angekündigt bekommen. Und insofern ist das eine Wahl aus meiner Sicht wie die meisten anderen auch." ... und doch auch eine mit möglicherweise weitreichenden Folgen für die Bundespolitik. Denn - auch wenn die FDP es in den Landtag schaffen sollte, für eine Fortsetzung der schwarz-gelben Regierungskoalition wird es kaum reichen. Bundeskanzlerin Angela Merkel würde wieder einen Länder-Regierungschef verlieren, nicht unbedingt eine Stärkung ihrer christlich-liberalen Koalition in Berlin. Im Bundesrat würden sich nämlich die Kräfteverhältnisse weiter zu ihren Ungunsten verschieben. Genau danach sieht es gerade aus. Schwarz-gelb hat kaum eine Chance am 6. Mai, rot-grün kann es schaffen - braucht aber möglicherweise Unterstützung aus dem Lager der dänischen Minderheit im Land, vertreten durch den Südschleswigschen Wählerverband SSW. Der ist bei der Landtagswahl von der 5%-Klausel befreit - und damit sicher im Parlament vertreten. Die SSW-Abgeordneten, vier sind es derzeit, könnten zum Zünglein an der Waage werden - und so auch die künftigen Kräfteverhältnisse im Bundesrat beeinflussen. Regelmäßig beginnt deshalb nach Wahlen in Schleswig-Holstein die Diskussion darüber, ob der SSW sich bei der Regierungsbildung nicht lieber zurückhalten sollte. Der Parteivorsitzende Flemming Meyer sieht dafür allerdings überhaupt keinen Grund. Meyer "Wir können an einer Regierung teilnehmen auch mit der Befreiung von dieser 5%-Sperrgrenze, und das - denke ich - ist auch überall dokumentiert. Wir haben ja zig Gutachten gehabt, wir haben auch ein Gerichtsurteil - dass wir diese Debatten führen, okay, das haben wir immer, damit müssen wir leben." Vor allem 2005 hatte es nach der Landtagswahl richtig Krach um den SSW als Zünglein an der Waage gegeben. Damals hatte sowohl schwarz-gelb als auch rot-grün die absolute Mehrheit der Sitze im Landtag verfehlt. Der SSW wollte nicht in die Regierungsverantwortung, bot aber an, eine rot-grüne Minderheitsregierung zu tolerieren. Dieses Modell scheiterte spektakulär, als die SPD-Kandidatin Heide Simonis bei der Ministerpräsidentenwahl in vier Wahlgängen scheiterte und schließlich Peter Harry Carstensen von der CDU mit einfacher Mehrheit gewählt wurde. Daraus habe der SSW gelernt, betont die Spitzenkandidatin Anke Spoorendonk. Spoorendonk "Wir haben zur Kenntnis nehmen müssen, dass dieses Modell nicht als Teil der politischen Kultur in Deutschland akzeptiert wird. Und darum haben wir beschlossen, dass der SSW das jetzt nicht wiederholen kann. Sollten wir also in eine entscheidende Position kommen, dann müssen wir auch bereit sein, in eine Regierungszusammenarbeit einzutreten. Das ist nicht unser vorrangiges Wahlziel, aber wir können nicht kneifen." Rot-grün plus SSW, die sogenannte Dänen-Ampel. Andere Konstellationen - gemeinsam mit der CDU oder den Liberalen - sind für Anke Spoorendonk ausgeschlossen. Schließlich habe das schwarz-gelbe Regierungsbündnis den bisherigen überparteilichen Konsens in der Minderheitenpolitik aufgekündigt, so der Vorwurf von Anke Sporendonk. Hintergrund ist die Kürzung der Landeszuschüsse für die Schüler an den dänischen Schulen im Norden des Landes. Im Mai 2010 hatte die Landesregierung ein Sparprogramm zur Sanierung des maroden Haushalts beschlossen - seither zahlt sie dem dänischen Schulverein pro Kind nur noch 85 % der Summe, die sie für jedes Schulkind an einer deutschen öffentlichen Schule ausgibt. 46 Schulen und 55 Kindergärten betreut der dänische Schulverein - für den Vereinsvorsitzenden Per Gildberg ist die Kürzung der Zuschüsse ein echter Schlag ins Gesicht der dänischen Minderheit. Gildberg "Das heißt eine Nicht-Gleichstellung mit der Mehrheitsbevölkerung im Landesteil - und das ist natürlich eine finanzielle Größe, selbstverständlich, aber das ist auch eine gefühlsmäßige Größe, eine gefühlsmäßige Verletzung, die wir auch absolut wahrgenommen haben bei unseren Kindern, bei unseren Jugendlichen im Schulverein in den letzten zwei Jahren." Nicht-Gleichstellung - die nicht ganz so drastisch klingende Version von Diskriminierung. Anke Spoorendonk sieht in der Kürzung der Zuschüsse für dänische Schulen einen Affront gegen die rund 50.000 Angehörigen der dänischen Minderheit. Gleichstellung - nicht mehr und nicht weniger fordert die SSW-Spitzenkandidatin. Spoorendonk "Wir sind Teil dieser Gesellschaft, wir gehören dazu - und von daher kann es nicht anders sein, als dass man zu dieser Gleichstellung steht. Das hat der Landtag ja auch lange getan. Minderheitenpolitik war lange Jahre überparteiliche Politik - das ist auch unserer Meinung nach der richtige Ansatz, wir wollen gar nicht daraus Parteipolitik machen. Umso größer ist eben die Enttäuschung, dass diese Landesregierung davon Abstand genommen hat." Und diese Enttäuschung hat dann eben dazu geführt, dass der SSW sich ganz klar für eine Unterstützung von rot-grün ausgesprochen hat. Noch nie war die 1948 gegründete Partei an einer Regierung beteiligt, noch nie hat sei eine toleriert, jetzt - meint Anke Spoorendonk - könne man aber nicht anders handeln, deshalb die Bereitschaft zur Koalition. Spoorendonk "Wir glauben nicht daran, dass wir mit dieser jetzigen Landesregierung weiter im Dialog sein können, wir haben alles versucht - wir müssen eine neue Regierung haben in diesem Land, neue politische Mehrheiten, um diese Minderheitenpolitik, die wir alle wollen, die wir auch lange miteinander gelebt haben, wieder zu bekommen." Eine Minderheit mit Machtwillen - CDU-Spitzenkandidat Jost de Jager sieht das eher kritisch. Er wirft dem SSW vor, sich als Vertreter regionaler Interessen zum Steigbügelhalter für eine rot-grüne Mehrheit aufgeschwungen zu haben. Die potenziellen Koalitionspartner hingegen sehen das völlig anders: Als amtierender Oberbürgermeister der Landeshauptstadt Kiel kennt der SPD-Spitzenkandidat Torsten Albig die Zusammenarbeit von SPD, Grünen und SSW in der Ratsversammlung schon seit einiger Zeit. Rot-grün alleine sei für ihn nie die einzige Option auf Landesebene gewesen, betont Albig. Albig "Ich habe immer von dem Dreier-Bündnis gesprochen - ich habe in Kiel ein solches Dreierbündnis, das funktioniert ausgezeichnet. Der SSW ist ein verlässlicher, guter, kluger Partner, und es gäbe überhaupt keine Bedenken, mit dem SSW gemeinsam das auch auf Landesebene zu tun." Ganz ähnlich äußern sich auch die Grünen. Die Zusammenarbeit im Landtag an der Kieler Förde habe bisher schon ganz gut geklappt, da könne man durchaus mehr erwarten, meint der stellvertretende Fraktionschef der Grünen, Rasmus Andresen. Andresen "Das ist eine vollwertige Partei, die gute Politik im Landtag macht und das ist eine Partei mit der wir Grüne - wenn man sich mal ankuckt, wie wir in den letzten Jahren abgestimmt haben - am meisten gemeinsam abgestimmt haben. Also - Grüne haben öfter gemeinsam mit dem SSW abgestimmt als mit der SPD und von daher ist es nur eine logische Schlussfolgerung, dass wir uns auch vorstellen können, mit dem SSW in der Regierung zusammenzuarbeiten." Hauptsache rot-grün an der Kieler Förde, eventuell mit Unterstützung der dänischen Minderheit. Da darf man dann schon ein bisschen spekulieren über anstehende Veränderungen auch auf Bundesebene - SPD-Landeschef Stegner scheut jedenfalls nicht davor zurück, sich und seine Parteifreunde immer und immer wieder auf diese Verantwortung einzuschwören. Die Wahl am 6. Mai und die darauf folgenden Landtagswahlen können ein ganz wichtiges Signal sein, die Chance müsse man nutzen, fordert er im Wahlkampfendspurt. Stegner "Alle wissen, dass, wenn es mit der rot-grünen Mehrheit in Berlin klappen soll - da sind wir ja von den Umfragen her ja doch noch ein ganzes Stück weit von entfernt - dann wäre das schon ganz praktisch, wenn vorher Schleswig- Holstein, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen mit rot-grünen Mehrheiten gewählt würde. Und dafür machen wir den Auftakt und da fühlen wir uns auch schon ein bisschen in der Pflicht, und wenn der Norden rot würde, wenn das von oben her beginnt, dann sind die Chancen gut. Und ich habe das der Hannelore Kraft versprochen: Wir legen was Gutes vor für NRW eine Woche später." Vorgelegt haben Ende März bei der Landtagswahl im Saarland bereits - die Piraten. Nach Berlin, wo sie schon im vergangenen Jahr das Abgeordnetenhaus mit richtig viel Schwung und knapp 9 % der Wählerstimmen entern konnten, war das Saarland für die Polit- Newcomer mit gut 7 % eine weitere Sprosse auf der Leiter Richtung Bundestagswahl 2013. Und jetzt Schleswig-Holstein - das doch eher ländlich geprägte Schleswig-Holstein, ein echter Brocken, gibt auch die wohl prominenteste Piratin im Land, Angelika Beer, zu. Seit gut 2 Jahren segelt die ehemalige Bundesvorsitzende der Grünen unter der Piratenflagge - ihr Blick ist über die Landesgrenzen hinaus ganz klar auf die Bundeshauptstadt gerichtet. Und darum starteten die schleswig-holsteinischen Piraten auch ihren Wahlkampf in Berlin - in dem 500-Seelen-Dorf Berlin im Kreis Segeberg. Beer "Wir sind am Aufschwung und wir sind vor einer riesigen Herausforderung: Wir müssen in Schleswig-Holstein den Einzug schaffen, damit wir ihn dann auch nach Berlin schaffen - also in den Bundestag. Deswegen hier auch so ein bisschen das Symbol Potsdamer Platz, Unter den Linden - gibt es hier alles. Und wir wissen, dass wir als Flächenland wirklich jetzt eine Riesenaufgabe vor uns haben - das ist hier nicht so einfach, aber wir sind trotzdem ganz sicher, dass wir es schaffen." Zu Gast bei dieser Aktion Mitte Februar war auch der damalige Landesvorsitzende der Piraten aus der Bundeshauptstadt, Gerhard Anger. Es werde viel zu viel darüber diskutiert, ob die Partei auf dem flachen Land erfolgreich sein oder tatsächlich nur in der Großstadtatmosphäre gedeihen könne. Damit müsse endlich Schluss sein, forderte der Hauptstadtpirat - Schleswig-Holstein als Nagelprobe für weitere Aufgaben. Anger "Ist es also so, dass das, was wir machen, nur für so ein paar komische Leute in Berlin und vielleicht noch in Hamburg interessant ist und für den Rest irgendwie in Deutschland nicht? Ich halte das für totalen Quatsch - das ist totaler Quatsch, wir sind kein Großstadt- und kein Berlinphänomen." Einfach so wollte das anfangs in Schleswig-Holstein niemand unterschreiben. Bei den Grünen z.B. nahm man den Aufschwung der Piraten durchaus interessiert aber gelassen zur Kenntnis. So recht mochte der Grüne Spitzenkandidat Robert Habeck nicht glauben, dass es sich bei dem Wählerpotenzial der Piratenpartei vielleicht doch um mehr als "nur" um reine Protestwähler handeln könnte. Sorgen mache er sich deshalb nicht, beteuerte Habeck noch im Februar. Die Piraten lagen damals in den Umfragen für die Landtagswahl am 6. Mai noch bei 5 %. Habeck "Ich glaube, dass die Zustimmung erstmal aus einem Gefühl gespeist wird, das ich auch kenne, nämlich: Politik löst im Moment keine Probleme mehr, die mache da oben sowieso nur was sie sollen. Ich verstehe schon, was die Leute meinen damit - ich glaube nur, dass die Piraten eine denkbar schlechte Antwort darauf darstellen. Also, nur dieses "Transparenz" als Fetisch vor sich her tragen, aber nicht konkret sagen können, was denn transparenter werden soll, das ist ja dann auch sehr dünn. Vielleicht lohnt sich das - ich glaube eher, das sind verschenkte Stimmen." Jetzt - im Wahlkampfendspurt - sieht das schon ganz anders aus. Die Piraten schwimmen unverdrossen auf der Erfolgswelle - zweistellige Umfragewerte sind inzwischen die Regel. Das wird langsam sogar dem Spitzenkandidaten Thorge Schmidt ein wenig unheimlich. Der 23jährige tritt schon ab und zu mal kräftig auf die Euphoriebremse und fordert von allen Beobachtern und den eigenen Parteifreunden eine gute Portion Realitätssinn ein. Schmidt "Wir müssen realistisch sein, wir waren bis vor kurzem eine Partei, die 370 Mitglieder hatte, bei 2 Prozent stand und wir haben ein Finanzbudget, das etwa bei einer Partei von 1 Prozent liegt. Sprich - wir haben die Aufgabe, innerhalb von wenigen Monaten erstmal dieses Riesenwachstum zu verdauen und dann auch noch die Strukturen zu schaffen, um wirklich effektiv im Landtag zu arbeiten. Das wird eine Mammutaufgabe sein - aber natürlich müssen wir die angehen." Äußerst kritisch beobachtet das die CDU in Schleswig-Holstein. Deren Spitzenkandidat Jost de Jager sieht noch jede Menge Fragezeichen hinter dem Erfolg der Piraten. Auch wenn ihm mit der FDP sein bevorzugter Koalitionspartner wohl mit Sicherheit verloren geht - eine Zusammenarbeit mit den Politneulingen, nur um der Union die Regierungsbeteiligung zu ermöglichen, das kommt für ihn nicht in Frage. de Jager "Ich kann nicht erkennen, dass die Piraten - so wie sie inhaltlich aufgestellt sind - in der Lage wären, eine stabile Regierung mit uns zu bilden. Es gibt so viele Punkte, wo wir feststellen, dass es überhaupt gar keine Substanz gibt in den politischen Aussagen der Piraten - sie sind eine Protestpartei, als Protestpartei muss man sie ernst nehmen, das schon, aber als Regierungspartner kann ich die Piraten nicht ernst nehmen." Von Regierungsfähigkeit keine Spur - da sind sich die etablierten Parteien in der Einschätzung der Piraten weitgehend einig. Die wachsende Zustimmung zu dem Phänomen Piraten beschäftigt sie dafür umso mehr. Die eine oder andere Steilvorlage habe man möglicherweise selber geliefert, gibt der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, zu. Der Wahl am 6. Mai sehe er aber ganz gelassen entgegen, trotz des bundesweiten Höhenflugs der Piraten. Özdemir "Also wir haben sicherlich in Berlin einen Wahlkampf gemacht bei der Landtagswahl, der geholfen hat, die Piraten auch groß zu machen. Aber hier bei dieser Wahl mit Robert Habeck an der Spitze haben wir quasi einen Piraten der schon Pirat war vor den Piraten - und wir machen hier einen Wahlkampf, der ist - glaube ich - genau in der Sprache, wie die Leute sprechen, wie auch junge Leute sprechen, insofern mache ich mir da in Schleswig-Holstein keine Sorgen. Aber jetzt geht es natürlich auch drum, dass so ein Trend gerade da ist für die Piraten, unabhängig von dem, was vor Ort los ist - gegen Trends anzukämpfen ist immer ein bisschen schwierig." Kein Zweifel - vor allem den Grünen ist im Umgang mit den Piraten die Leichtigkeit ein bisschen abhanden gekommen. Aber auch der potenzielle Koalitionspartner in Schleswig- Holstein, und auf Bundesebene, schaut inzwischen ein wenig genauer hin. SPD- Spitzenkandidat Torsten Albig hat auf jeden Fall registriert, dass sein Ziel, die rot-grüne Mehrheit im Land - und damit das erhoffte Signal in Richtung Bund - nicht mehr so einfach zu erreichen sein wird, wie es noch vor Monaten den Anschein hatte. Albig "Da wird glaube ich für Grün und für Rot Aufgabe sein auch im Wahlkampf deutlich zu machen: Wer rot-grün wirklich will, der darf nicht einfach, weil er sagt: Ich habe mal Spaß dazu, Piraten wählen. Man kann jetzt viel darüber nachdenken und streiten, warum es Piraten gibt, aber wir haben jetzt die Chance eines Politikwechsels und da gilt es für uns auch zu sagen: Leute, verschenkt eure Stimmen nicht an eine Partei, die möglicherweise dazu führt, dass das rot-grüne Ziel nicht erreicht wird, sondern vielleicht eine große Koalition - die wollen wir alle nicht." Trendwende oder Fortsetzung der Talfahrt bei der FDP - die Piraten als potentielle Wegbereiter für die Neuauflage einer Großen Koalition in Schleswig-Holstein mit Signalwirkung für die Bundestagswahl 2013. Aus Berliner Sicht bietet die Wahl am 6. Mai im nördlichsten Bundesland mehr als genug Zündstoff. -ENDE-