Kinskis Erben Gestrandet in Amazonien Eine Reportage von Tom Noga Regie Atmo 1 (bei Mick1) Erzähler Der Tag hat nicht gut begonnen für Mad Mick. Beim Aufwachen morgens hat es Bindfäden geregt. Nun ist der Himmel zwar azurblau, sieht man einmal von ein paar Schäfchenwolken ab, aber sein Programm hat Mad Mick trotzdem umgeschmissen. O-Ton 1 Mad Mick "I wanted to go to the golf course but this morning I was told that because of the rain over night the grass was too wet, so I couldn't do it. The golf course is a beautiful place to be and lots of people go there, mainly on Sunday's for recreation.? Länge: 0:16min Sprecher 1 Voice Over Mad Mick "Eigentlich wollte ich heute früh auf den Golfplatz, aber nach dem Regen sind die Greens zu nass. Der Golfplatz ist wunderschön, viele Leute gehen dort hin, vor allem sonntags zum Entspannen." Erzähler Wenn sich die Schleusen des Himmels nicht gerade öffnen, so wie jetzt, während der Regenzeit, wenn mehrmals am Tag kräftige Schauer niedergehen. Den Golfplatz mitten im Dschungel haben Gringos gebaut, erzählt Mad Mick. Hier in Iquitos ist er so deplatziert wie die Oper wegen der die Stadt im peruanischen Amazonasgebiet bekannt ist: vor 30 Jahren hat Werner Herzog den Film Fitzcarraldo hier gedreht. Mit Klaus Kinsky in der Hauptrolle. Ein Irrer, der im Dschungel eine Oper bauen will. Iquitos im peruanischen Amazonasgebiet hat dadurch eine gewisse Attraktivität erlangt - jedenfalls hat Mad Mick hier hergefunden. Regie Atmo 1 als Trenner hoch ziehen Erzähler Nun sitzt er auf dem Balkon seiner Pension auf der Calle Putumayo im Zentrum von Iquitos. Balkon ist vielleicht ein bisschen zu viel gesagt: Auf den steinernen Vorbau mit der verzierten, schmiedeeisernen Brüstung passt exakt ein Schaukelstuhl. Darin versunken: Mad Mick - knollige Nase, mausgraue Haare und ein gewaltiger Bauch, der sich unter einem jägergrünen Polohemd wölbt. Seine Pension besteht aus drei Räumen, dem Büro, dem Schlafsaal mit vier Etagenbetten und der Küche mit zweiflammigem Gasherd, wackligem Tisch und gekachelter Spüle. In einem fensterlosen Verschlag ist die Toilette untergebracht. Duschen gibt es nicht. Sechs Dollar nimmt Mad Mick pro Gast und Nacht - das ist konkurrenzlos in Iquitos. O-Ton 2 Mad Mick "We pride ourselves on saying that we have everything here, we have water, we have good security, we are clean, we have free WiFi - we have everything here , except for privacy.? Länge: 0:10min Sprecher 1 Voice Over Mad Mick "Wir sagen immer, dass es bei uns alles gibt, Wasser, Sicherheit, Sauberkeit, freies Internet - nur keine Privatsphäre." Erzähler Seine Gäste sind Backpacker, unterwegs auf dem Gringo Trail, der legendären Reiseroute für Westler, die bei den Maya-Ruinen von Chichén Itzá in Mexiko beginnt und irgendwo in der Atacama-Wüste endet, im Grenzgebiet von Chile und Bolivien. Mad Mick wippt auf seinem Schaukelstuhl zurück, greift mit dem Arm ins Büro, fingert eine Taschenlampe aus einem klapprigen Holzregal und drückt sie seinem Gegenüber mit den Worten "absolut wasserdicht" in die Hand. Auf dem Regal lagern Regen-Ponchos, Messer, Iso-Matten und Gummistiefel aller Größen - was man für Dschungelabenteuer halt so braucht. Die Ausrüstung verkauft Mick, und kauft sie nach Gebrauch zurück, vorausgesetzt der Zustand stimmt. Mad Mick's Trading Post heißt dieser Zweig seines Unternehmens. Das englischsprachige Wochenblatt "Iquitos Times", eine Partnervermittlung und neuerdings der An- und Verkauf von Immobilien runden das ab, was Mad Mick mit einem Hauch von Ironie "mein Firmenimperium" nennt. Regie Atmo 1 als Trenner kurz hoch ziehen Erzähler Zufrieden lässt Mad Mick den Blick über die Calle Putumayo schweifen. Gegenüber das Amazonas Café, ein beliebter Treffpunkt für Backpacker. daneben das Büro der Cumaceba Lodge, eines Dschungelcamps. Die Geschäfte werden von Gringos betrieben, wie die meisten größeren Unternehmen in Iquitos. Einheimische kommen darin nur als Kellner, Köche, Putzfrauen oder Straßenhändler vor. Regie Atmo 1 als Trenner kurz hoch ziehen Erzähler Wie die Rucksackreisenden ist auch Mad Mick aus England nach Iquitos gekommen. Erst Jahr für Jahr zum Angeln. Dann für immer. Am 9.Juli 1998 ist das gewesen, das Datum hat er parat. O-Ton 3 Mad Mick "While I was here I decided that I couldn't go back to England and continue to do my job. So I went back to England, I made an appointment to see my boss and I told him that I was leaving. He thought that I was hired by another company. I told him: "No, I'm going to retire?. He said: "If you retire now, your pension will not be enough to live on.? I said: "It will be plenty where I'm going.? He said: "Where are you going??. I said: "I will be living in the Amazon.? He leaned across said: "You must be mad, Mick.? Länge: 0:36min Sprecher 1 Voice Over Mad Mick "Im letzten Urlaub hier wurde mir klar, dass ich nicht in meinen Job zurückkehren konnte. Ich fuhr heim und sagte meinem Boss, dass ich gehen würde. Er dachte, eine andere Firma hätte mich abgeworben. Ich sagte: "Nein, ich gehe in Rente." "Aber deine Pension reicht doch noch nicht", antwortete er. "Wo ich hingehe ist sie mehr als genug", gab ich zurück. "Und, wo ist das", wollte er wissen. Darauf ich: "In Amazonien". Er beugte sich über den Tisch, tippte mit dem Finger auf meine linke Schulter und sagte: "Du bist verrückt, Mick." Erzähler Er lässt die Worte nachhallen und setzt ein breites Grinsen auf - das hat er als Lob aufgefasst und daraus seinen Spitznamen abgeleitet, er, Michael Collis aus Birmingham in England, Versicherungsvertreter im Ruhestand. Er hievt sich aus seinem Schaukelstuhl und schlurft durchs olivgrün gestrichene Treppenhaus auf die Calle Putumayo. Sein "Firmenimperium" residiert im Obergeschoss eines dreistöckigen Stadthauses, erbaut von einem Kautschukbaron Ende des 19. Jahrhunderts. Iquitos ist damals neben Manaus in Brasilien der wichtigste Umschlagplatz für den Rohstoff gewesen, Glücksritter aus aller Welt sind in Scharen in die einst von Jesuiten gegründete Urwaldstadt geströmt- bis der Anbau in Asien und Afrika die Preise ins Rutschen brachte. Regie Atmo 2 (calle) Erzähler Micks Weg führt zur Plaza de Armas, den Platz im Zentrum der Stadt. Regie Atmo 2 als Trenner kurz hoch ziehen. Erzähler Dominiert wird die Plaza de Armas von der Iglesia San Juan Bautista, einer Kirche im Missionsstil, weiß, mit langem Mittelschiff und zwei Glockentürmen. Vor dreißig Jahren hat sie Filmruhm erlangt. "Schließen Sie die Augen", sagt Mad Mick, "und stellen Sie sich vor, wie sich auf einem der Glockentürme ein Mann in einem schmuddligen weißen Leinenanzug, die blonden Haare ungekämmt, der Blick wirr, von unten vor die Kamera schiebt." Klaus Kinski in seiner wohl besten Rolle, als Fitzcarraldo in Werner Herzogs gleichnamigem Film. Regie Atmo 2 als Trenner kurz hoch ziehen. Dann Blende zu Atmo 3 (Motokar) Erzähler Mad Mick winkt ein Motokar heran, eine Art Motorrad-Rikscha. 30.000 dieser Zweitakter soll es in Iquitos geben, Tag und Nacht hallt die Stadt von ihrem Geknatter wider. Autos dagegen sind selten. Weil Iquitos nicht ans Straßennetz angeschlossen ist, müssen sie teuer eingeschifft werden. In eine Stadt mit 300.000 Einwohnern, die wirkt wie ein aus den Fugen geratenes Dorf, bewohnt vor allem von Indios. Und von Typen wie Mad Mick. Regie Blende zu Atmo 4 (Casa Fitzcarraldo) Erzähler Micks Ziel ist die Casa Fitzcarraldo, eine Villa mit Pool, inmitten eines tropischen Gartens. Während der Dreharbeiten diente das Haus als Hauptquartier für Werner Herzog und sein Team. Anschließend hat Produktionsleiter Walter Saxer es übernommen - als Honorar für seine Arbeit, alles Geld war aufgebraucht. Heute ist die Casa Fitzcarraldo eine Ferienanlage. Knapp 30.000 Touristen lockt Iquitos pro Jahr an. Das ist nicht viel, die Andenstadt Cusco und die Inkaruinen von Macchu Picchu kommen auf ähnliche Zahlen - im Monat. Regie Blende zu Atmo 4 (Casa Fitzcarraldo) Erzähler Walter Saxer sitzt an der Bar, ein Mittsechziger mit Walross-Schnäuzer und lichten, weißen Haaren, vor sich ein Bier der Marke Cristal. Der echte Fitzcarraldo? Er holt Luft. O-Ton 4 Walter Saxer "Das ist ein sehr charismatischer Peruaner gewesen. Er hat ziemlich gut mit den Indianern gekonnt. Und er wurde mit seinen Projekten einer der reichsten Kautschukbarone hier in Iquitos. Und er ist relativ früh gestorben. Bei der Rückreise nach Iquitos ist er bei einem Schiffsbrand umgekommen, da war er gerade mal 35 Jahre alt. Herzog hat die Sache dann genommen und die Oper drum herum gebaut, um diese Figur, die Kultur in diese Wildnis bringen will. Und das war eigentlich auch eine sehr schöne Idee." Länge: 0:45min Erzähler Walter Saxer führt durch einen Laubengang. An den Wänden Bilder vom Set. Und immer wieder Klaus Kinski. Und die heimliche Hauptdarstellerin, die Molly Aida, ein Schaufelraddampfer. Um Kautschuk aus den Weiten Amazoniens abzutransportieren, hat der echte Fitzcarraldo ein Schiff in Einzelteile zerlegen und von Indianern über einen Berg schleppen lassen - von einem Fluss in einen anderen, parallel verlaufenden. Im Film ist es - typisch Herzog - der komplette Dampfer gewesen. Regie Atmo 4 als Trenner kurz hoch ziehen Erzähler In Iquitos lebt die Erinnerung an Fitzcarraldo fort. Eine Straße ist nach ihm benannt und ein Restaurant am Malecón Tarapaca, der Uferpromenade am Amazonas. Zu Recht findet Walter Saxer. Fitzcarraldo steht für Iquitos. Die Stadt lockt, nun ja: Abenteurer. Menschen, die anderswo gescheitert sind oder sich schlicht neu erfinden möchten, Menschen mit kühnen, vielleicht zu kühnen Ideen. Und Iquitos ist der Nährboden, auf dem diese Spezies gedeiht. Eine Stadt, die anderen hinterher hinkt, immer hinterher gehinkt ist. O-Ton 5 Walter Saxer "Wir kamen her, das war 77, da haben wir angefangen mit den Vorbereitungen für den Film. Und die ganze Straße, die gab's nicht. Das war eher ein Flussbett. Man konnte nur mit Motorrädern hier raus kommen." Länge: 0:15min Erzähler Perus Wirtschaft weist die höchste Wachstumsrate Südamerikas auf, im letzten Jahr waren es 8,8 Prozent. Aber bei den charapas kommt nichts an, bei den Schildkröten, wie die Iquiteños wegen ihrer Langsamkeit im Rest Perus genannt werden. Das Gros der Menschen lebt in Pfahlbauten, ohne Strom und fließendes Wasser. Als Kanalisation dienen die vielen Nebenarme des Amazonas. Jobs gibt es kaum, die Arbeitslosenquote liegt bei 65 Prozent. In der Innenstadt wimmelt es von Tante-Emma-Läden und fliegenden Händlern, die gefälschte Markenwaren und indianisches Kunsthandwerk anbieten. Hotels und Restaurants sind fast ausschließlich in Händen von Gringos, von Ausländern, vorwiegend Nordamerikanern. Regie Blende zu Atmo 3 (Motokar) Erzähler Auf dem Rückweg ins Zentrum von Iquitos. In einer Druckerei holt Mad Mick die neue Ausgabe der "Iquitos Times" ab. Die Zeitung ist englischsprachig, sie richtet sich ausschließlich an Gringos. Dann lässt er sich zum Dawn on the Amazon Café fahren, einem dreistöckigen lichtblauen Gebäude mit vergitterten Fenstern an der Uferpromenade. Regie Blende zu Atmo 5 (Dawn tags) Erzähler Davor, in einem Korbstuhl, einen Laptop vor sich auf dem Tisch, sitzt ein grauhaariger Mann, ganz in Weiß gekleidet. Nur trägt er keinen verbeutelten Leineanzug wie Klaus Kinski als Fitzcarraldo, sondern Shorts und kurzärmliges Hemd, beides blitzsauber und gebügelt. Captain Bill, noch ein in die Jahre gekommener Aussteiger, stellt Mad Mick vor. O-Ton 6 Captain Bill "Eight o'clock every morning, excepts for Sundays, when this place is closed and I take a days off. Eight o'clock and also he comes back at 12 and 10 after 7. This is where we meet and plan and conspire and try to figure out what's the best way to do things.? Länge: 0:19min Sprecher 2 Voice Over Captain Bill "Wir treffen uns jeden Morgen um Punkt acht zum Frühstück, außer sonntags, da haben wir geschlossen. Außerdem kommt er noch um 12 und um zehn nach sieben. Wir stecken die Köpfe zusammen und hecken neue Pläne aus." Erzähler Wie Mad Mick hat er hier ein Unternehmen aufgebaut. Ihm gehören das Dawn on the Amazon Café, außerdem sechs Boote auf dem Fluss, die er für Kreuzfahrten und Dschungelexpeditionen vermietet. Eine echte Marktlücke. Im weit verzweigten Fluss-System des Amazonas gibt es luxuriöse Camps zuhauf. Aber Touren für Individualreisende mit schmalerem Geldbeutel bieten außer Captain Bill nur wenige an. Regie Blende zu Atmo 3 (Dawn tags) Erzähler Mad Mick legt einen Stapel Zeitungen auf eine Ablage. Die "Iquitos Times" ist kostenlos, das Blatt finanziert sich durch Anzeigen. Hauptthema der aktuellen Ausgabe ist Ayahuasca. Captian Bill seufzt. O-Ton 7 Captain Bill "Ayahuasca is a very hot subject right now. Part of the thing the people in Ayahuasca believe is that the Ayahuasca spirit wants to spread the word throughout the world and it's a word of love and peace. And they think that the spirit of Ayahuaca is wanting to do it through them.? Länge: 0:23min Sprecher 2 Voice Over Captain Bill "Ayahuasca ist ein heißes Thema. Die Leute, die damit zu tun haben, sehen es als eine Art Sakrament, als frohe Botschaft von Liebe und Frieden. Und sie glauben, die Geister des Ayahuasca wollen, dass sie der Welt diese Botschaft verkünden." Erzähler Ayahuasca ist der Name einer Dschungelliane und einer Zeremonie, die bei den Indianern Amazoniens gebräuchlich ist. Dabei wird aus denn Blättern der Liane und eines Strauchs namens Chacruna ein bitter schmeckender Tee gekocht. Das Gebräu enthält DMT, ein starkes Halluzinogen. Ayahuasca ist der neue Kautschuk, sagt Captain Bill, zwei Drittel der 30.000 Touristen, die Iquitos im Jahr anzieht, kommen allein deswegen. Sie berichten von Wunderheilungen, körperlichen und seelischen. Und es wird heiß diskutiert, ob Ayahuasca eine Medizin ist oder nur die neueste Modedroge für Zivilisationsmüde. In seinem Artikel in der "Iquitos Times" lässt Mad Mick einen Experten zu Wort kommen, einen Gringo natürlich, der auf ein Missverständnis hinweist. Bei den Indios trinken nicht die Kranken Ayahuasca, sondern der Schamane -so nimmt er Kontakt zur Welt der Geister auf, die ihm wiederum zeigen, wie er seinen Patienten helfen kann. Wenn es anders herum läuft... Mad Mick setzt ein breites Grinsen auf und deutet auf eine Holzkonstruktion, die im Fluss treibt. O-Ton 8 Mad Mick "You know, they call me Mad Mick but in 2007 another Englishman turned up here called Julian Haynes. Sand he said he had this ieea, he said he ahd a vision while drinking ayahuasca and he was told by the spirits to build a giant pyramid, a giant floating pyramid on the Amazon. We all thought it was a crazy idea and it would never get off the ground, or: the water. But surely enough there were people here of the same mind and he got 125.000 dollars to build the giant pyramid of the Amazon. It was to be five storey. It is made of balsa wood with a palm roofing., The main flotation is made of 25.000 plastic Coca Cola bottles..? Länge: 0:53min Sprecher 1 Voice Over Mad Mick "Weißt Du, mich nennen sie Mad Mick. Aber im Jahr 2007 ist ein anderer Engländer hier aufgetaucht, er heißt Julian Haynes. Und er sagte, er hätte eine Vision gehabt, er hatte Ayahuasca getrunken und die Geister wollten, dass er eine gigantische Pyramide baut, eine schwimmende Pyramide. Wir dachten er spinnt, das würde er niemals aus dem Boden stampfen. Oder besser: aus dem Wasser. Aber er fand Leute, die ihn finanzierten und stellte die Pyramide fertig. Ursprünglich war sie fünf Stockwerke hoch, gebaut aus Balsaholz, das Dach aus Palmwedeln. Schwimmen sollte sie auf 25.000 Plastikflaschen ." Erzähler Mad Mick legt eine Kunstpause ein. Geplant war die Pyramide als eine Mischung aus Hotel und spirituellem Zentrum. O-Ton 9 Mad Mick "Plastic bottles don't react very well when they come in contact with water, they become very crispy after a while and deteriorate. But Julian Haynes found that you have to put a certain chemical inside to make them last. So this is what you have: 25.000 chemically injected Coca Cola bottles. When he was finished he was given permission to anker it some 2 miles downstream from the boulevard where we are now. On the memorable day we were all here when 5 big speedboats started to tow it out into the main stream. And it was going downstream, with the current, but the wind was quite strong that day. And no matter how much they tried these 5 speedboats were couldn't move this giant, this immense pyramid.? Länge: 0:57min Sprecher 1 Voice Over Mad Mick "Im Wasser werden Plastikflaschen rissig und zerfallen mit der Zeit. Aber Julian Haynes fand heraus, dass eine bestimmte Chemikalie diesen Prozess aufhält. Die Pyramide schwimmt also auf 25.000 chemisch aufgeladenen Plastikflaschen. Als er fertig war, bekam er die Genehmigung, sein Bauwerk drei Kilometer flussabwärts zu verankern. Fünf Schnellboote sollten die Pyramide dort hin schleppen. An diesem denkwürdigen Tag saßen wir alle hier und sahen zu. Es war sehr windig, und so sehr die Boote auch zogen, sie waren nicht in der Lage, die Pyramide zu bewegen." Erzähler Julian Haynes hat seine Pyramide schließlich verkauft, für sehr, sehr kleines Geld, wie Mad Mick hervorhebt. An einen Amerikaner, der sie Brett für Brett abgetragen und mit dem Holz ein Haus gebaut hat. Geblieben ist die Grundkonstruktion, die seitdem auf dem Amazonas treibt, herrenlos und kaum beachtet. Und eine Menge böses Blut unter den Investoren. O-Ton 11 Captain Bill "We have a lot of the failed businesses, that's for sure. There the story of the guy who came and he's not gonna leave until he get's it back.? Länge: 0:20min Sprecher 2 Voice Over Captain Bill "Hier gehen halt viele Geschäfte schief. Wir erzählen dann immer von dem Mann, der mit einer Million hier her kam, und so lange bleiben will, bis er sie zurück hat." Erzähler Das Geschäft mit Ayahuasca aber brummt. Zwei Dutzend spirituelle Zentren mit fantasievollen Namen wie Éspiritu de Anaconda oder Temple of the way of Light sind in den letzten Jahren im Dschungel entstanden, die meisten eine Tagesreise mit dem Boot entfernt. Die Abgeschiedenheit hat geschäftliche Gründe: Gäste sollen ihr Geld im spirituellen Zentrum lassen, und nur dort. Und rechtliche: Ayahuasca ist nur für die Indianer Amazoniens legal, alle anderen machen sich strafbar. Auch das lukrative Geschäft mit der Droge ist in den Händen von Gringos, die sich der Hilfe einheimischer Schamanen bedienen. Verschwiegenheit scheint zum Geschäft zu gehören, Besucher sind nicht gerne gesehen sich. Obwohl... Mad Mick greift zum Handy Regie Blende zu Atmo 6 (lancha) Erzähler Zehn Minuten später sitzt er in einer offenen Barkasse, die hinaus auf den Amazonas gleitet, vorbei an ausrangierten Dampfern, die hier vor sich hin rosten. Der Fluss ist mehrere Kilometer breit und macht einen ausgesprochen trägen Eindruck. Aber davon darf man sich nicht täuschen lassen, sagt Mad Mick, die Unterwasserströmungen sind stark. Regie Blende zu Atmo 6 (lancha) Erzähler Plötzlich ziehen Wolken auf. Sekunden später regnet es in Strömen. Der Fahrer händigt Plastiksäcke aus und navigiert das Boot durch einen Nebenfluss, den Río Itaya. Immer dichter wird die Vegetation, immer schmaler die Fahrrinne. Haushohe Bäume wachsen aus dem Wasser, ihre Kronen bilden ein lichtundurchlässiges Dach. Dann, wie aus dem Nichts ein Steg. Regie Blende zu Atmo 7 (bei Slokum lluvia) Erzähler Slokum ist glatzköpfig und hager. Er trägt Khakis und ein langärmeliges Hemd, im Mundwinkel hängt eine erloschene Selbstgedrehte. Unter seinem bürgerlichen Namen, David Hewson, ist er als Künstler bekannt, genauer: als Auftragsmaler, spezialisiert auf religiöse Motive. Vor zwei Jahren hat er die Malerei aufgegeben, ein Stück Land am Río Itaya gekauft, den Mädchennamen seiner Mutter als Pseudonym angenommen und sich, wie er sagt, der größten Leinwand gewidmet, die er je bearbeitet hat. O-Ton 12 Slokum (unübersetzt) "I've got 22 hectares here in the jungle, that's the biggest canvas I ever worked on.? Länge: 0:06min Erzähler Entstanden ist ein Komplex aus sieben Gebäuden, aus sechs Hütten für Gäste und dem Haupthaus, in dem Slokum selbst lebt. Alle sind aus Holz, alle spartanisch eingerichtet, alle komplett mit Fliegengitter eingefasst. Sonst würden uns die Mücken auffressen, erklärt Slokum. Gern würde er herum führen, aber alle Pfade stehen unter Wasser. Zwei Gäste hat er zur Zeit, einen Norweger, der seit drei Monate auf pflanzlicher Diät ist, sich in den Schamanismus einführen lässt und nebenbei ein striktes Schweigegelübde befolgt. Und einen Künstler aus Lima, Perus Hauptstadt, der gestern Abend einen besonders intensiven Ayahuasca-Trip erlebt hat. Ob er einer solchen Behandlung beiwohnen könne, fragt Mad Mick. Leider nein, bedauert Slokum, er wisse aus eigener Erfahrung, dass Gäste nur stören. O-Ton 13 Slokum "I tried the medicine and I was blown away by the effects not just physically cleansing me but ... The first time I drank I remember purging and it was a relationship that I had terminated almost 10 years before - I still had residue from it and I could see it coming out of my body. And I wasn't even conscious I was holding on to something. To have a medicine like that is a gift from the Gods..? Länge: 0:34min Sprecher 3 Voice Over Slokum "Als ich die Medizin zum ersten Mal genommen habe, hat mich die Wirkung umgehauen. Sie hat mich nicht nur physisch gereinigt... Ich weiß noch gut, wie ich mich damals übergeben habe. Es waren Überbleibsel einer Beziehung, die ich zehn Jahre zuvor beendet hatte, ich konnte sehen, wie sie aus meinem Körper heraus kamen. Mir war gar nicht klar, dass davon noch etwas in mir hatte. Eine solche Medizin ist ein Geschenk der Götter." Erzähler Dieses Geschenk der Götter will er an andere weiter geben und dabei ein bisschen Geld verdienen. Ein Schamane aus einem Indio-Dorf in der Nähe kocht den Tee und verordnet heilende Gesänge. Dazu bietet Slokum neben zahlreichen Diäten Ayurveda an, chinesische Medizin und Behandlungen mit San Pedro, dem meskalinhaltigen Saft eines Kaktus aus den Anden. Das Gesamtkonzept hat er selbst entwickelt. Ahnung davon hat er nicht. O-Ton 14 Slokum "I'm not qualified at anything I'm doing, not even as artist as far as I am concerned. However, it's a way of making associations of what works with me. And this is, it is basically a way of living. I want to create a free zone where people can express what they wish to express.? Länge: 0:28min Sprecher 3 Voice Over Slokum "Ich bin nicht qualifiziert für diese Dinge, noch nicht einmal für die Kunst. Ich versuche Assoziationen herzustellen zwischen allem, was bei mir funktioniert. Im Grunde ist das ein Lebensstil. Ich möchte eine freie Umgebung schaffen, in der die Menschen ausdrücken können, was auch immer sie ausdrücken möchten." Regie Blende zu Atmo 8 (Dawn abends) Erzähler Abends im Dawn on the Amazon Café. Captain Bill gönnt sich einen Pisco Sour, den peruanischen Nationalcocktail, Mad Mick ein Bier. Erzähler Matthew setzt sich zu ihnen, ein blonder Surfertyp - ihm gehört der Temple of the Way of Light. Und dann ist da Bertine aus Holland. Sie bietet Dschungeltouren an, zusammen mit einem Argentinier. Aber heute wirkt sie geknickt. O-Ton 16 Bertine "Today I am probably not that happy. What happened is that one of my best friends left. That's maybe one of the things that start hurting me a lot that a lot of people are here for a while and then they leave. And your are bound with people and then you lose them again.? Länge: 0:21min Sprecherin 4 Voice Over Bertine "Stimmt schon, ich bin heute nicht so gut drauf, weil meine beste Freundin abgereist ist. Das ist immer wieder hart: Die meisten Leute kommen nur für eine bestimmte Zeit her. Und kaum hast du dich mit ihnen angefreundet, verlierst du sie schon wieder." Erzähler Für einen Moment verstummen die Gespräche: Das haben sie alle schon mal erlebt, mehr als einmal. Andererseits, sagt Mad Mick, ist das halt der Preis fürs Leben als Gringo in Amazonien. O-Ton 17 Mad Mick "Here in Iquitos we are on the edge of civilization, it's like the Wild West. There are so many opportunities, so many opening for people who have the idea, not necessarily the capital, because I didn't have the capital.? Länge: 0:17min Sprecher 1 Voice Over Mad Mick "Iquitos, das ist die Grenze der Zivilisation. Wie der Wilde Westen. Hier gibt es so viele Möglichkeiten für Leute mit Ideen, nicht unbedingt mit Kapital. Denn: Kapital hatte ich auch nicht." Erzähler Dann prostet er den anderen zu, und mit einem Schluck ist der Anflug von Trübsal weg gespült. So ähnlich hat es auch Herzogs Fitzcarraldo gemacht, als er seinen Traum vom Opernhaus begraben musste: das Schiff verkauft, ein kleines Ensemble angeheuert und an Bord auftreten lassen. Ein Sieg der Vorstellungskraft über die Realität. 1