COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Länderreport / 7. 9. 2010 Vom Giftmüllhügel zum Energieberg in Georgswerder Autorin: Verena Herb Redaktion: Claudia Perez Atmo Schritte durch Gras Es geht bergauf. Die Grillen zirpen, die Sonne scheint. Nach zehn Minuten ist das Ziel erreicht: Der Gipfel von Georgswerder: O-Ton Jetzt sind wir sozusagen 40 Meter über Normal-Null. Also, für Hamburg einfach sehr, sehr hoch. Man hat einfach einen Rundumblick auf die Innenstadt Hamburg, auf Wilhelmsburg, auf Harburg - Süddeutschland, da hinten... Und eben auch auf Industrieanlagen, Norddeutsche Affinerie - Arubis, Autobahn. Also sozusagen einen Gesamteindruck auf die Stadt. Doch letztendlich steht man hier auf einem grünen Hügel... Einem Hügel mit einer besonderen Historie. Atmo - Tagesschau-Ausschnitt Intro-Musik, darüber Text Autorin Dezember 1983. Die Schreckensmeldung sorgt in Deutschland und international für Aufsehen. O_ton Tagesschau-Sprecher 1983 Auf einer der größten Mülldeponien Deutschlands, in Hamburg-Georgswerder, ist hochgiftiger Abfall entdeckt worden. Darunter Dioxin, chemisch TCDD, das sogenannte Seveso-Gift. Seit den 40er Jahren ist die Deponie im Süden Hamburgs in Betrieb: zwischen 1967 und 1974 wird sie als zentrale Deponie für Sondermüll genutzt. Auch flüssige Industriestoffe werden dort per Tanklaster abgelassen. In Hochzeiten steuern 1000 LKW pro Tag das Gelände im Hamburger Süden an. Insgesamt sind in 10 Flüssigkeitsbecken mehr als 150 Kubikmeter flüssige Sonderabfälle und über 100 Tausend Fässer eingebracht worden. 1979 wird die Deponie geschlossen. Das Ergebnis: 13 Millionen Kubikmeter Abfall - ein Müllberg, 40 Meter hoch. O-Ton Kuhbier Die Deponie Georgswerder ist damals so aufgebaut worden, dass man alles durcheinander geschmissen hat. Hausmüll, Sonderabfälle, Industriemüll, Ölreste. Und zwar hat man gedacht, wenn man irgendwie so ein Bett aus Hausmüll macht, und dann irgendwie das Öl darein schüttet und die Altöle aus den Industriebereichen, dann wird das sozusagen wie von einem Löschblatt aufgenommen, und wird dann stabilisiert und bleibt da drin. Und man hat gemeint, das sei ne ganz tolle Idee. Erklärt Jörg Kuhbier, in jener Zeit, zu Beginn der 80er Jahre, verantwortlicher Senator für die Stadtentsorgung. Nichts deutet damals darauf hin, dass etwas nicht in Ordnung ist. Im wahrsten Sinne des Wortes wächst Gras über den Müllberg. Ringsherum bauen Anwohner in ihren Kleingärten Gemüse und Obst an, die Stadt plant, auf der ehemaligen Müllablade einen Freizeitpark zu errichten. Mit Spazierwegen und Sitzbänken, ein Naherholungsgebiet vor den Toren der Stadt. Volker Sokollek von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt: O-Ton Sokollek Allerdings dann fiel auf, dass auf der Kuppe das Grün nicht so recht wachsen wollte, das war nur ein ganz kümmerlicher Graswuchs. Das heißt, wir hatten dort Gasaustritte, das war das eine Problem, und das andere Problem waren die Flüssigkeiten, die am Deponiefuß ausgesickert sind, und provisorisch in Gräben gefasst wurden, das Öl wurde auch mit aufgefangen, das mit herauskam. Man wusste noch nicht genau, was da drin war. O-Ton Curilla Wir haben im Verlauf des Jahres 1983 dies untersucht, und zwar auf die verschiedensten Schadstoffe. Und gegen Ende des Jahres 1983 wurde dann, nachdem wir auf Dioxin untersucht hatten, deutlich, dass in den Abwässern, in der Ölphase, auch entsprechendes gefunden wurde. Erinnert sich Wolfgang Curilla. Er ist der erste Umweltsenator der Freien und Hansestadt Hamburg, muss damals die politische Verantwortung übernehmen. In einem Interview mit dem Norddeutschen Rundfunk antwortet Umweltsenator Curilla sieben Tage nach Bekanntwerden der Dioxin-Funde im Dezember ´83 auf die Frage, ob er beunruhigt sei: O-Ton Curilla 1983 Was verstehen Sie unter beunruhigt? Ich meine, nach der Auskunft der Mitarbeiter aus unserem heutigen Kenntnisstand, dass eine unmittelbare, akute Gesundheitsgefährdung nicht besteht. Er habe immer die Wahrheit gesagt, so Wolfgang Curilla. Räumt aber aus heutiger Sicht ein: O_Ton Es ist allerdings durchaus denkbar, und in diesem Falle wohl auch so gewesen, dass zu einem früheren Zeitpunkt, ich den Kenntnisstand noch nicht hatte, Monate vorher. Weil es auch die Ergebnisse gar nicht gab. Und dass man dann möglicherweise eine nicht zulässige Prognose macht, das kommt vor. Dioxin - der gefährlichste Giftstoff, der jemals von Menschen hergestellt wurde. 1976 explodiert im italienischen Städtchen Seveso eine Chemiefabrik. Dioxin gerät in die Luft, Menschen werden krank, Tiere verenden. Die Panik in Hamburg, 7 Jahre später, ist groß. Ist hier das Gleiche passiert wie damals in Italien? Auch nah am Berg ist nichts zu riechen, nichts zu schmecken, nichts zu sehen - außer dem braunen Rinnsal am Fuße des Hügels. Die direkten Anwohner im Stadtteil Georgswerder sind beunruhigt. O_Ton Anwohner 1983 Ich hab zwei kleine Kinder, weiß ich, was diese Kinder in Zukunft zu erwarten haben? Jetzt zur Zeit fühle ich mich irgendwie ständig unruhig und bedroht, weil keiner genaue Aussagen machen kann darüber. Man hasst den Müllberg. Meine erste Reaktion war Panik. Panik hier weg zu müssen. Und ich will nicht hier weg, weil ich sehr gerne hier wohne. Und um so mehr finde ich es eigentlich unverschämt, wie fahrlässig eigentlich mit dem Müllberg seitens der Behörden umgegangen wird. Helga Schors lebt seit 1981 in Georgswerder. Ihr Haus steht 300 Meter Luftlinie von der ehemaligen Deponie entfernt. Ihr Mann hat es Ende der 70er Jahre gebaut. O-Ton Helga Schors Alle in der Bevölkerung haben sich total erschrocken: Umwelt war ja ein Thema, was sehr abstrakt ist und eigentlich nur den Fachleuten vorbehalten war. Und deshalb konnte niemand mit dem Thema und diesem Problem recht was anfangen. Und man hatte leider auch das Gefühl, dass selbst die Politiker, die meistens ja Juristen oder Verwaltungsbeamte sind, auch ziemlich hilflos waren. Eine Auffassung, die der ehemalige Senator für Stadtentsorgung, Jörg Kuhbier, teilt. Man habe politisch und technisch ziemlich ratlos vor diesem Problem gestanden - O-Ton Es war für uns auch eine Schocksituation, wir waren nicht drauf vorbereitet, es war eine außerordentliche, einmalige Situation in dem geordneten Hamburg. Dann hat sich das eben richtig zu einem handfesten Skandal entwickelt... Besonders als die Frage nach den Verursachern, den Schuldigen gestellt wird. Das Problem: Keiner weiß, wer was wo und wie auf der Mülldeponie abgeladen hat, bekennt Umweltsenator a.D. Wolfgang Curilla: O_Ton Bei Georgswerder war nicht klar, wo denn hier die dort gefundenen Dioxine herkommen würden, weil zum Teil auch aus dem Ausland Einlieferungen in Georgswerder gewesen sind. Leider. Im Hamburger Raum übernimmt häufig die Firma Gareg, die Garagenreinigungsgesellschaft, den Transport der Abfälle von anliegenden Chemiefabriken und Industriebetrieben. Mit Tanklastwagen fahren sie nach Georgswerder: O-Ton Stimme verfremdet, LKW-Fahrer GAREG Ja, man hat uns immer gesagt: Die Chemikalien fressen sich gegenseitig auf. Da sollen wir uns keine Gedanken drum machen. Aber wenn die Sonne geschienen hat, dann konnte man das damals nicht aushalten, so hat das damals gestunken. Und wenn sie damals Chemikalien darein gemacht haben oder reingedrückt haben, dann hat also die ganze Grube gekocht... Berichtet ein LKW-Fahrer der GAREG 1984 in einem Interview mit dem Norddeutschen Rundfunk. Seine Stimme ist verfremdet, er will nicht erkannt werden - aus Angst vor Strafverfolgung. Im Grunde ist das Abladen des Sondermülls auf Georgswerder erlaubt, doch die Kontrollen sind unzureichend: O_Ton Vor allem nachts, wenn kein Platzwart da war, und wir mussten nachts arbeiten, da musste der Kram ja irgendwo bleiben. Kein Zaun trennt das Gelände ab, die Deponie ist für jeden zugänglich. Auch wird nicht festgehalten, welche Firmen ihren Müll dort abladen konnten. Der LKW-Fahrer erinnert sich: O-Ton LKW-Fahrer mit verfremdeter Stimme Ja, es ist mal gewesen, dass wir auf den Platz gefahren sind, da auf der fiskalischen Straße, und dann der Platzwart zu uns sagte: Was habt ihr drin? Ich habe gesagt: Boehringer... ja,sagt er - komm her: Hier sind wieder Ratten. Ja, dann haben wir also unseren Schlauch in die Rattenlöcher reingesteckt und es vergingen ein paar Minuten, da kamen die Ratten raus, also: schreiend und quietschend... und ich bin der Meinung, dass das für die Ratten nicht schön war, und für uns der Anblick war auch nicht gut. Die Firma Boehringer gibt später zu, ihre Industrieabfälle dort entsorgt zu haben. Doch ob ausgerechnet ihr Müll mit den giftigen Dioxinen belastet war... niemand kann das nachweisen. Wolfgang Curilla: O_Ton Das ist natürlich schwierig, wenn eine Fülle von Verursachern in Betracht kommt. Und man es niemandem konkret nachweisen kann. Im Februar 1984 wird ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss, eingesetzt, der ein knappes Jahr später zu ähnlichen Ergebnissen kommt, wie ein erster Untersuchungsausschuss schon Mitte der 70er Jahre: Die Firmen, die durch illegale oder unsachgemäße Ablagerungen diesen Umweltskandal zu verantworten haben, verweigern sich einer Regresspflicht oder einer angemessenen Beteiligung an den Sanierungskosten. O-ton Klar wird man da wütend. Auf der anderen Seite muss man aber auch sagen: Die Behörden haben geschlampt. Heute weiß man, wie ökonomische Firmen denken, und dann kann man nicht unterstellen, wenn die Kontrollen unzureichend sind: die werden sich schon an ihre Gesetze und Auflagen halten, ohne Kontrollen. Das geht nicht. Gibt Helga Schors zu bedenken. Die Politik bemüht sich um Schadensbegrenzung: Zum einen was den Umgang mit dem Müllberg Georgswerder als solchen angeht, als auch was den Umgang mit der Bevölkerung angeht. Besonders Senator Jörg Kuhbier sucht das Gespräch mit den Anwohnern. O-Ton Kuhbier Die ganze Empörung, und die Verärgerung und die Befürchtung und die Ängste, die natürlich auch sehr stark da waren, das war - wie gesagt - eine aufgeheizte Stimmung, ja, da hätte man auch Prügel beziehen können. Atmo Veranstaltung Georgswerder - O-Ton junge Studentin 1984: Wenn sich wirklich kein anderer Ausweg mehr finden lässt, dann könnte man doch vielleicht ne Pipeline vom Müllberg Georgswerder direkt zum Rathaus legen, oder zu den Wohnorten der einzelnen Politiker...(Buh-Rufe), damit diejenigen, die davon profitieren, von den Produkten auch das andere bekommen... Regelmäßig gibt es Informationsveranstaltungen auf der Elbinsel, die Politiker erklären den aktuellen Sachstand, die Bürger diskutieren mit. Renommierte internationale Wissenschaftler werden im Juni ´84 zu einem Symposium nach Hamburg geladen. Man diskutiert, tauscht sich aus und erstellt daraufhin ein Sanierungskonzept für die Mülldeponie Georgswerder. Wolfgang Curilla. O-Ton Es gab leider zum damaligen Zeitpunkt keine Schublade, die man aufziehen konnte um ein Rezept da heraus zu holen, sondern erstens: Deponien solcher Größenordnung wie Georgswerder gibt es außerordentlich wenige. Und eine solche Gefährdungslage war auch anderswo nicht in ähnlicher Weise bisher behandelt worden. Es ist die Zeit - Mitte der 70er, Mitte der 80er Jahre, wo das Umweltbewusstsein der Menschen allmählich wächst. Die Grüne Alternative Liste, wie die Grünen in Hamburg heißen, schafft 1982 erstmals den Sprung in die Hamburger Bürgerschaft. Das habe damals einiges bewirkt, erinnert sich Curilla: O_Ton Erstmal ist, dass sie überhaupt hereingekommen sind in das Parlament war, wenn man so will, mit ein Anzeichen dafür, dass das Umweltbewußtsein bei vielen Menschen gewachsen ist. Aber die Grünen haben das nicht alleine bewirkt. Das ist ganz klar, sie waren aber insofern ganz offen gesagt, auch eine gewisse Unterstützung für jemanden, der Umweltpolitik betrieb. Helga Schors, die Anwohnerin aus Georgswerder, engagiert sich seit jener Zeit in einem Arbeitskreis für die Belange ihres Stadtteils. Sie war maßgeblich in die Diskussionen über das Sanierungskonzept der Deponie eingebunden und erinnert: O_Ton Ich sagte schon, dass wir viele Unterlagen zur Verfügung gestellt bekamen, aber die Grünen haben auch noch geheime Unterlagen zur Verfügung gestellt und das war für uns natürlich dann Anlass, doch ein bisschen mehr zu hinterfragen als gewöhnlich. 1986 wird mit den Sanierungsarbeiten an der Müllhalde begonnen. Das Investitionsvolumen für die Arbeiten damals: 200 Millionen Mark. Atmo Metallgerät wird in die Erde gebohrt Anfang September, 2010. Ein junger Mann bohrt drehend einen langen, silbernen Stab mit einem Holzgriff in die Erde. Jonas Goy ist Geographiestudent. Als der Dioxin-Skandal um die Mülldeponie Georgswerder öffentlich wird, ist er gerade einmal ein Jahr alt: O-Ton Dieses Gerät das nennt sich Edelmannbohrer. Ja, und damit führt man bodenkundliche Untersuchungen durch. Und das mache ich hier im Hinblick auf meine Diplomarbeit. Auf eine Untersuchung: ich ermittle den Ist-Zustand der Rekultivierungsschicht der Deponie... Heute gilt Georgswerder als "rekultiviert": Der Giftberg ist unter Kontrolle sagt Volker Sokollek, unter dessen Ägide der junge Student seine Messungen für die Diplomarbeit durchführt. Sokollek ist Mitarbeiter der Hamburger Umweltbehörde, da verantwortlich für die Altlastensanierung. Er hat das Projekt "Sanierung Georgswerder" von Beginn an begleitet. Das Konzept sieht eine Kombination von Sicherungs- und Dekontaminationsmaßnahmen vor, erklärt der Experte: O-Ton Die größte Maßnahme ist die Einkapselung. Sprich, eine komplette Oberflächenabdichtung. Mit einem mehrschichtigen System. Das entscheidende dabei ist, dass eine Kombinationsdichtung eingebaut ist, die wir hier an der Oberfläche, wir stehen hier im Gras, nicht sehen. Aber sie befindet sich in etwa ein Meter Tiefe... Abkapseln, das bedeutet, dass die Schadstoffe überwiegend drin bleiben. Das heißt: Nach wie vor ist der Berg verseucht, das Dioxin und andere Giftstoffe schlummern im Inneren - der einzige Schutz: eine rund 2 mm Kunststoffdichtungsfolie, die wiederum auf einer 60 cm dicken Schicht Geschiebemergel liegt: ein Ton-Kalkhaltiges Material. Diese Schicht verhindert, dass Regen in den Deponiekörper eindringen kann und die giftigen Stoffe nach außen gespült werden. Außerdem sorgen diverse Spezialbrunnen dafür, dass die sich im Berg bildenden Gase, Methan beispielsweise, nicht austreten. Stattdessen fördern die Gasbrunnen das Deponiegas, was wiederum zur benachbarten Kupferhütte Aurubis gepumpt und dort als Erdgasersatz verwendet wird. Atmo Hubschrauber, leise, draußen Die Deponie Georswerder ist heute ein Sicherheitsbauwerk: Maren Otte ist für den Betrieb und die Überwachung der Sanierungsanlagen zuständig. Die Entfernungen auf dem Gelände sind weit: 45 Ha umfasst die ehemalige Deponie, der Umfang des Berges beträgt rund zweieinhalb Kilometer. Maren Otte und ihr Kollege Volker Sokollek nehmen den Dienstwagen, um zum östlichen Rand der Deponie zu gelangen, zu den Flüssigkeitsbecken fünf und sechs. In der Ferne rauschen die Autos über den Asphalt der A7. Auf einer ebenen Grasfläche stehen zwei blaue Container, kleine Rohre mit Verschluss ragen aus dem Boden: Unter der Erdoberfläche sind zwei der insgesamt 10 Flüssigkeitsbecken eingelassen, erläutert Maren Otte: O-Ton Auch in diesem Bereich ist Öl, ist Dioxin festgestellt worden. Dieses ist jedenfalls sehr, sehr hoch kontaminiert. So, dass wir es auch nicht in unserer Anlage vor Ort behandeln wollen...in dem Sickerwasser, was aus dem Berg heraus sickert, das behandeln wir vor Ort in der Deponie - Sickerwasseraufbereitungsanlage, und dieses sehr hoch kontaminierte Wasser direkt aus diesen Becken, das geben wir direkt in die Hochtemperaturverbrennung. Immer noch sickert Flüssigkeit aus dem Berg: nun kontrollierter durch eine Drainage-Leitung, die die Öl-Wasser-Verbindung aufnimmt, in ein Rohrsystem führt und von dort in eine Aufbereitungsanlage pumpt. Und nach wie vor sickern Schadstoffe ins Grundwasser. 400 Meter über den Deponierand hinaus, im Südwestlicher Richtung, hat sich eine Schadstofffahne gebildet - seit 1997 pumpt man das Grundwasser an dieser Stelle ab - und wird das, nach Schätzungen, auch noch die nächsten 25 Jahre tun müssen. Erst dann seien die Schadstoffe komplett erfasst. Wie lange es dauern wird, bis die ehemalige Deponie komplett saniert ist? Simona Weisleder geht von hundert Jahren aus. O-Ton Diese Deponie ist hier, die war hier, die wird auch noch die nächsten hundert Jahre hier sein. Auch in ihrer Gefährlichkeit oder in ihrer Dramatik. Und letztendlich ist dieser Ort bis jetzt hier abgeschottet - Das wird sich ändern: Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung, kurz IBA, die 2013 in Hamburg eröffnet wird, soll die Deponie zu einem "Energieberg" werden. Simona Weisleder ist Projektleiterin bei der IBA und verantwortet dieses Vorhaben: Atmo Windrad, danach kurz Hubschrauber - darüber Text Autorin Ein Windrad dreht sich in behäbiger Regelmäßigkeit. Die rotierenden Flügel werfen lange Schatten auf die Hügellandschaft - bereits 1992 wurde die erste Windkraftanlage auf dem Berg errichtet, mittlerweile sind es vier. Bald werden zwei ältere Anlagen durch eine neue, leistungsfähigere ersetzt. Repowering heißt das Neudeutsch. Atmo Schritte auf Asphalt Simona Weisleder geht auf einem schmalen Teerweg hinunter, der zu einem Solarfeld führt: Über 1.900 Photovoltaikmodule auf einer Gesamtfläche von 5000 Quadratmetern fangen das Sonnenlicht ein und wandeln es um in Energie. Ende letzten Jahres wurde diese Anlage, vom kommunalen Energiebetreiber Hamburg Energie, eingeweiht. Fertig ist sie noch nicht: O-Ton Das ist der erste Bauabschnitt. Bis 2013 soll noch mal das Doppelte kommen. Zusammen mit der Windkraftanlage, die uns im Rücken stehen würde, die 3 MW umfassen wird... rein rechnerisch werden rund 2000 Haushalte damit versorgt. Das Projekt Energieberg, das ist das eine. Das ganze Gelände soll auch landschaftlich neu angelegt werden. Dazu hat die IBA einen Architekten- Wettbewerb ausgeschrieben. Die Aufgabenstellung dabei: In der Gestaltung soll sich die Geschichte des Ortes widerspiegeln. O-ton Und dann aber - und das war die Herausforderung für die Landschaftsarchitekten, Wie kann man hier auch Zeichen setzen ohne zu übertreiben, oder es kitschig darzustellen oder es zu verniedlichen. Das Konzept der Gewinner, ein Landschaftsarchitekturbüro aus Berlin: Auf einer den Berggipfel umrundenden Promenade, dem "Horizontweg", sollen die Besucher den Berg erfahren. Entlang des Weges werde es Informationen zur Geschichte geben: Zu den Dioxinfunden, zur Sanierung der Deponie und zu anderen Themen der Altlastensanierung. Auch O-ton wie sind eigentlich die Menschen umgegangen mit Rohstoffen, mit Ressourcen, so dass man - wenn man oben ankommt sieht, was man heute mit Ressourcen machen kann - nämlich erneuerbare Energien einzusetzen. O-ton Wir wollen uns dem auch nicht entgegenstellen - Wirft Maren Otte, die Betriebsleiterin der noch geschlossenen Deponie ein. Sie findet die Ideen der IBA gut, aber O-ton Das ist natürlich ein Konflikt. Wir haben hier eine Deponie, eine gesicherte Deponie. Sie ist gesichert. Aber es ist eine Deponie: Mit ihren Schadstoffen und mit ihrem Gefahrpotential. Und damit müssen wir verantwortungsbewusst umgehen. Wir haben hier sehr viele Sanierungseinrichtungen, technische Einrichtungen, und bevor wir diese Deponie öffnen, müssen wir gewisse Sicherheitsmaßnahmen schaffen. Bestimmte Bereiche müssen gesperrt und oder gesichert werden, so Maren Otte. O-ton Als sie gebaut wurde, war nie auch nur in der Planung, dass hier mal jemand überhaupt wieder hinkommen wollte. Hier wollte auch keiner hin. Das war der Giftberg. 2013 wird aus dem Giftberg dann der Energieberg Georgswerder. 1