COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandrundfahrt - 17.1.2009 "Schick gestrickt - Paris, Mailand, Apolda?" Autorin: Mandy Schielke Redaktion: Sonja Scholz Kennungsmusik darüber O-Töne.... O-Ton Rolf Rautenberg: 11 Wir gehen jetzt nicht nach Apolda und denken, wir wollen in Thüringen jetzt irgendetwas machen, das der Provinz entspricht, sondern wir wollen da mit Ideen hinkommen, die nicht das alltägliche Leben widerspiegeln. O-Ton Magdalena Kiraga: 6 Das Problem ist, das die Pullover irgendwie immer gleich aussehen. Das es aber unglaubliche Möglichkeiten gibt, die leider nicht ausgeschöpft werden. O-Ton Thomas Burkhardt: 6 1593 kam ein, wie es damals hieß, schuhgewanderter hier her. David der Strickermann. Er legte damals mit seinem Handstricken den Grundstock für eine Industrie die unsere Stadt über 400 Jahre mit Brot und Arbeit versorgt hat. O-Ton Frau Riedel: 17 Am Anfang war es in den alten Bundesländern so, na ihr seit ja aus dem Osten. Das hat sich total gelegt, wenn wir jetzt nach Kassel kommen, warten sie schon auf uns. Oder die Leute in München. Die sind begeistert, ach ihr macht das noch selbst! Sprecher: Schick gestrickt - Paris, Mailand - Apolda? Maschenmode aus Thüringen. Eine Deutschlandrundfahrt mit Mandy Schielke. --- I. ÜBERZEUGEND ODER PENETRANT Atmo: Flur im Landratsamt Autorin: Das Amtszimmer von Hans Jürgen Giese befindet sich in einem großen Haus aus gelbem Backstein. Vor einhundert Jahren befand sich hier die größte Strickwerkstatt Apoldas. Jetzt beherbergt das massive Gebäude das Landratsamt. Der 59-Jährige Hans Jürgen Giese ist Literaturwissenschafter. Seit über fünfzehn Jahren aber kümmert er sich um die Vermarktung der Mode in Apolda. Er war es auch, der den "Apolda European Design Award", den höchstdotierten Nachwuchsmodepreis Europas erfunden hat. O-Ton Hans-Jürgen Giese: 6 Ich hatte keinen Berater. Ich habe meinem Chef gesagt, wir machen einen Designpreis. Ich dachte mit so einem Preis könnte man den Fokus vielleicht auf dieses Apolda richten. Da hat mein Landrat gesagt, gut versuch es. Und dann habe ich Kontakt aufgenommen zum Designzentrum Stuttgart und hab mir einmal eine Ausschreibung zuschicken lassen. Autorin: Ein Designpreis aus der Provinz. Eine Schnapsidee, der Giese, der sei wohl übergeschnappt, hieß es damals, Anfang der 90er Jahre, erinnert sich der 59- Jährige. Aber man musste eben große Brötchen backen, klein werden sie schon von allein, sagt er lächelnd. Der Designpreis sollte der Maschenmode aus Apolda in den Neunziger Jahren also wieder auf die Beine helfen. Vor der Wende arbeitete hier schließlich jeder zweite in der Textilindustrie. O-Ton Hans Jürgen Giese: I 11.46: Jetzt kam die Wende, der russische Markt brach gnadenlos zusammen, die Betriebe wurden aufgelöst, es gab die Analyse eines Schweizer Unternehmens am besten alles platt zu machen aber es gab einige Menschen, die Betriebe ihrer Väter, die einst enteignet wurden, durch Reprivatisierung wieder erworben haben. Autorin: Denen wollte Hans Jürgen Giese Mut machen durch geschicktes Marketing und einen Nachwuchspreis. Er schickt Tausende Briefe an Unternehmen los. Er brauchte Sponsorengelder und eine Jury. Aber die meisten Briefe landeten erst einmal nur in den Vorzimmern, oft bekam Giese überhaupt keine Antwort. Also schrieb er unter die Briefe statt "Hans Jürgen Giese - Amtsleiter für Wirtschaftsförderung und Kulturpflege" "Managing Director". Das klingt frischer. Giese blieb dran. O-Ton Hans Jürgen Giese: I 3 Ich sag, man muss eine Straße entlang gehen um gesehen zu werden. Man muss immer irgendetwas tun und nicht jammern. Autorin Mitte der Neunziger Jahre wurde der Preis zum ersten Mal verliehen. Absolventen der besten europäischen Modehochschulen konnten sich dafür bewerben. Die Jury war damals noch mit lokalen Größen besetzt. Das musste sich ändern. Und es änderte sich. Irgendwann saßen Margareta van den Bosch, einst Chefdesignerin der schwedischen Modekette Hennes & Mauritz, Iris von Arnim aus Hamburg oder Redakteure von Hochglanzmagazinen in der Jury. Der Designwettbewerb sollte Teile der alten Textilindustrie retten und wiederbeleben. Diese Idee ist nicht aufgegangen. Heute gibt es nur noch eine Hand voll Strickereibetriebe in Apolda mit insgesamt 120 Mitarbeitern. Schuld ist die Globalisierung, erklärt Hans Jürgen Giese nüchtern. O-Ton Hans Jürgen Giese: I 7 Das Projekt fing einmal an, um den Apoldaer Firmen den Weg in den Markt zu bahnen. Heute ist es ein Marketingprodukt. Autorin: Giese sammelt immer noch Sponsorengelder, tingelt mit dem Leihwagen durch die Republik. Alle drei Jahre braucht er 450 000 Euro, um die Preisverleihung, das Preisgeld, Modenschauen, und Workshops für Studenten in Apolda zu bezahlen. Fast die Hälfte der Kosten übernehmen die Stadt Apolda, der Kreis Weimarer Land, und der Wirtschaftsförderverein. O-Ton Hans Jürgen Giese: 10 Dann kommt unser Job hinzu. Wir müssen wenigstens 230 - 250 000 Euro Spenden und Sponsorenmittel akquirieren. Autorin: Die nächste Preisverleihung ist 2011. Vorher sind noch Modenschauen und Workshops mit Modestudenten aus Berlin und Trier geplant. Auch die müssen bezahlt werden. 170 000 Euro Sponsorengelder hat der wache Mann mit dem Schnurrbart jetzt schon sicher, jedenfalls auf dem Papier. Jemand habe ihn einmal nach seinem Erfolgsgeheimnis gefragt, erzählt er, ob er nun besonders überzeugend oder vor allem penetrant sei? Beides, habe ich geantwortet, erinnert sich der 59- Jährige. Und die Finanzkrise? Noch habe sie sein Projekt nicht erwischt. Und wenn schon, er findet immer wieder neue Geldgeber. O-Ton Hans-Jürgen Giese: 5 Jetzt hat uns gerade die Firma Allude aus München besucht, ein Riesen- Kaschmirunternehmen. Ich hab gerade eine email bekommen, sie gibt 15 000 Euro. Autorin: Die Chefin des Hauses denke sogar darüber nach in Apolda fertigen zu lassen. Wie 1995 auch Karl Lagerfeld. Daraus geworden, ist nichts. Musik 1: James Yuill, This sweet love II. WARME WOLLE AUS APOLDA Autorin: Apolda, Kleinstadt in Thüringen, 24.000 Einwohner. Apolda liegt in einer sanften Hügellandschaft am Rande des Thüringer Beckens. Wenn man von der Autobahn zwischen Berlin und Frankfurt abfährt, sieht man zuerst eine große Bäckerei, eine Pizzabäckerei. 300 Leute haben hier nach der Wende Arbeit gefunden. Auch in der Strickindustrie hatten sich die Bewohner von Apolda neue Arbeitsplätze erhofft. Geklappt hat es nicht. Von den 60 Betrieben, die in Apolda nach der Wende neu anfangen wollten, sind noch sieben geblieben. Einer davon heißt "Strickchic". O-Ton Gerald Rosner: 14 Sie können hier dran fassen und dann fühlen sie wie schön warm das geworden ist. Atmo: Kaffeetasse Autorin: Gerald Rosner ist Ende vierzig, trägt einen dunklen Anzug und trinkt schwarzen Kaffee. Jetzt stellt er seine Tasse ab und greift an die Taille einer kopflosen Ankleidepuppe. Der Pullunder, den sie trägt, ist in der Nierengegend ganz warm geworden. O-Ton Gerald Rosner: 13 4.58 Das ist ein technisches Textil, die aktiv heizende Unterwäsche. Dazu haben wir einen Polyamidfaden eingestrickt, einen versilberten Polyamidfaden. Durch das Silber an der Oberfläche ist der Faden elektrisch leitfähig. Wir können also Strom durch das Textil schicken. Autorin: Seit knapp zwei Jahren strickt das Familienunternehmen nicht nur Damenoberbekleidung für die reife Frau sondern auch beheizbare Unterwäsche. Das war meine Idee sagt Gerald Rosner stolz. Durch die Maschen windet sich kein Draht, sondern ein Wollfaden mit leichtem Silberanteil, erklärt er weiter. Das Metall spüre man aber gar nicht, sagt er und streicht noch einmal über den Rücken der Ankleidepuppe. In einer kleinen Tasche steckt eine Batterie, so groß wie ein Handy. Die sorgt für den Strom. Die Energie reiche für drei bis sechs Stunden. 250 Euro muss man für solche Pullis oder Unterhosen auf den Tisch legen. Jäger und Wintersportler sind Rosners beste Kunden. Mit seinem Produkt hat er sich in eine Marktlücke gesetzt. Der Markt für herkömmliche Strickmode wird enger, erklärt er. Mit Asien können wir nicht konkurrieren und aus den Einkaufsstraßen verschwinden die kleinen Modegeschäfte für die Strickchic-Zielgruppe. Das Vertriebsnetz wird kleiner. O-Ton Gerald Rosner: II 13 0.16 Natürlich ist es sehr schwer im Wettbewerb zu bestehen, große Teile der Textilindustrie existieren ja in Deutschland gar nicht mehr. Aber wenn man sich gewisse Nischen sucht, hat man eine Chance. Autorin: 27 Mitarbeiter beschäftigt das Unternehmen in Apolda heute. Der Umsatz liegt bei 1,5 Millionen Euro. Viel Gewinn wirft das Unternehmen nicht ab, genauer will der Geschäftsführer nicht werden. Den Namen Strickchic trägt es seit den 70er Jahren. O-Ton Gerald Rosner: III 11 0.36 Es hieß früher Emil Motz. Mein Urgroßvater hat es 1896 gegründet. Er hieß Emil Motz und deshalb hieß auch das Unternehmen so. Er war damals arbeitslos, kam aus Weida, war auf Wanderschaft, ist in Apolda mit seiner Frau hängen geblieben, hat sich mitten in der Stadt irgendwo eingemietet und hat da zu zweit angefangen. Er hat gestrickt und die Frau hat zusammen genäht. Und das muss auch ganz gut funktioniert haben, denn schon acht Jahre später hatte er 25 Angestellte. Autorin: Hinter dem Schreibtisch hängen zwei dunkle Ölgemälde, eines zeigt Anna, das andere Emil Motz, die Firmengründer. Die Bilder des strengen Paares sind in den 30er Jahren gemalt worden. Damals hatte die Firma schon 120 Mitarbeiter. Dann kam der Krieg und es ging Berg ab, sagt der gelernte Stricker. O-Ton Gerald Rosner: II 12 1959 ist uns dann per Gesetz eine staatliche Beteiligung aufgezwungen worden und so ist das in den 60er Jahren als halbstaatlicher Betrieb von meinem Vater weitergeführt worden bis dann im Februar 1972 in einer Nacht und Nebel Aktion die Verstaatlichung erfolgte. Autorin: Innerhalb von wenigen Wochen wurden alle Produktionsgenossenschaften des Handwerks zur Verstaatlichung gezwungen. Meine Eltern hatten keine Wahl, sagt Gerald Rosner. Das Betriebsvermögen wurde verstaatlicht. Alfred Rosner, sein Vater bekam das Angebot als Betriebsleiter im volkseigenen Unternehmen zu bleiben und nahm es an. Der Betrieb hieß jetzt nicht mehr Emil Motz, sondern Strickchic. O-Ton Gerald Rosner: II 12 0.40 Ich war damals noch ein Kind aber für die Eltern war das doch ein sehr schwerer Schlag. Das hat man schon gemerkt. Autorin: Nach der Wende verhandelten Vater und Sohn, Alfred und Gerald Rosner, mit der Treuhand. 1992 unterschrieben sie am Tisch mit dem damaligen Ministerpräsidenten Bernhard Vogel den Reprivatisierungsvertrag. Das war eine spannende Zeit, sagt der 47-Jährige. Er studierte damals noch zusätzlich Informatik und entschied sich dafür, das Unternehmen nach seinem Vater weiterzuführen. Atmo: 17 plus 18 In der Strickwerkstatt Autorin: Die Fabrikhalle in der die Strickmaschinen stehen ist neu und ganz hell. Die Außenfassade besteht an zwei Seiten aus rotem Backstein. Das sind die Mauern der alten Fabrik, erklärt Rosner. Mit der kann er aber in der Marktwirtschaft nichts mehr anfangen, die Räume sind zu klein, die Wege über viele Treppenstufen zu lang und mühsam. Das hemmt die Produktivität. Atmo: Strickmaschine Autorin: Teile einer Strickjacke, weiß und türkisblau, rattern aus einer der vielen Maschinen. In einer Stunde werden alle Teile für die Jacke fertig sein. Atmo: In der Fertigungshalle, dann lange Blende in die Musik Musik 2: Denis Levaillant: Thüringer Wald (Klaviermusik ruhig), 2 min III. LAGERFELD IN APOLDA Autorin: Apolda ist eine Kleinstadt in Thüringen. 15 Kilometer nordwestlich von Jena, 15 Kilometer nordöstlich von Weimar. Nach Erfurt sind es 30 Kilometer. Atmo: Blitzlichtgewitter Autorin: So viele Fernsehleute wie im April 2005 hat es in Apolda noch nie gegeben. Damals wurde der European Design Award dort zum fünften Mal verliehen. Karl Lagerfeld kam zur Modenschau der Nachwuchsdesigner. Er soll von allen Modellen ein Polaroid-Foto gemacht haben, schrieben damals die Zeitungen. Im Kunsthaus eröffnete er am Abend seine Fotoausstellung, bestellte sich später eine Bratwurst und ging dann zu Bett. Das berichtete die Presse. Übernachtet hat der distinguierte Herr im Hotel am Schloss, der feinsten Adresse in Apolda. Peggy Lindner ist die Geschäftsführerin des Hauses. O-Ton Peggy Lindner: III 3 0.45 Wir waren alle sehr aufgeregt. Das Team stand stramm. Wir haben selten so hohe Gäste und dann auch noch solch einen berühmten wie Karl Lagerfeld. Wir wussten, was seine Lieblingsblumen sind. Er hatte ein richtig schönes Orchideengesteck auf dem Zimmer. Autorin: Gegessen hat Lagerfeld im Hotel gar nichts. Frau Lindner zweifelt deshalb auch an der Geschichte mit der Bratwurst. Lagerfeld bevorzuge ausschließlich leichte Kost, lässt sie wissen und die hat er im Privatjet selbst mitgebracht, oder besser mitbringen lassen. Seine eigene Bettwäsche hatte er auch dabei. Kapriziös habe er sich aber nicht verhalten, berichtet die Hotelchefin. Sie ist 35 Jahre alt und trägt an diesem Wintermorgen einen schwarzen Hosenanzug. Ihr Haar ist sorgfältig frisiert. Sie ist ein bisschen aufgeregt wegen des Interviews. Aber das sei jetzt gar nichts gegen das flaue Gefühl, das sie im Bauch spürte, als sie vor vier Jahren Karl Lagerfeld begegnete. O-Ton Peggy Lindner: 3 1.35 Unsere Apartments liegen am Ende des Hauses. Da sind also einige Meter zurück zu legen und ich habe ihn selbst auf sein Zimmer begleitet und wir haben uns unterhalten. Autorin: Lagerfeld blieb eine Nacht in Apolda und noch den ganzen nächsten Tag. Kurz nach seiner Abreise ließ der verkünden, dass er Apolda als Produktionsstätte für einen Teil seiner Chanel-Kollektion in Erwägung ziehe. Apolda sei im - Zitat - "siebten Himmel" schrieb die Thüringer Allgemeine Zeitung. Ein knappes Jahr blieb die Hoffnung, im Januar 2006 erreichte Apolda dann das ,Nein' aus Paris. O-Ton Peggy Lindner: 4 Es wäre für Apolda sehr schön gewesen und wir hätten ihn vielleicht auch noch öfter als Gast im Haus gehabt. Das hat leider nicht geklappt. Autorin: Aber er hat Apolda einen tüchtigen Image-Schub versetzt, das hört man überall in der Stadt. IV. DURCH APOLDA Musik Tel que tu es, Charlotte Gainsbourg Atmo: II 3 Kirchenglocken O-Ton Thomas Burkhardt: 4 Apolda wurde erstmals 1119 urkundlich erwähnt. Damals als Ackerbürgersiedlung und bekam bereits im Jahre 1289 das Stadtrecht. Autorin: Das ist Thomas Burkhardt. Eigentlich kommt auch er aus der Wolle, ist Diplomingenieur für Textiltechnik. Jetzt allerdings kümmert er sich im Rathaus um den Tourismus in der Stadt. Atmo: In der Stadt Autorin: Die Bürgerhäuser im Zentrum sind saniert. Apolda sieht hübsch und wohlhabend aus. Aber nur auf den ersten Blick. In den Geschäften bieten hauptsächlich Discounter ihre Waren feil. Ein Textilgeschäft verkauft Damenpullover für sechs Euro. In einem alten, großen Kaufhaus im Jugendstil, packen die Leute Krimskrams in die Einkaufskörbe. Thomas Burkhardt macht eine Handbewegung und steuert auf einen Brunnen aus Gusseisen zu. Er ist drei Meter hoch, seine Spitze ziert ein Apfel. Atmo: 10 Brunnen O-Ton Thomas Burkhardt: 5 Dieser Apfel ist für Apolda von geschichtsträchtiger Symbolik. Apolda bedeutet im übertragenen Sinne, das ist eine Gegend, in der es viele Äpfel gibt. Der Name hat sich zwar im Laufe der Jahrhunderte immer wieder verändert: Apolda, Apoldje...Aber geblieben ist unser Stadtwappen. Ein abgeschlagener Baumstumpf mit an den Seiten immer wieder austreibenden Keimen. Autorin: Thomas Burkhardt kennt sich aus mit der Geschichte der Stadt. O-Ton Thomas Burkhardt: 6 1593 kam ein, wie es damals hieß, schuhgewanderter hier her. David der Strickermann. Es war damals ja üblich den Nachnamen eines Menschen nach seiner Tätigkeit festzulegen. Und da er eben strickte, war er eben der Strickermann. Er legte damals mit seinem Handstricken den Grundstock für eine Industrie die unsere Stadt über 400 Jahre mit Brot und Arbeit versorgt hat. Autorin Die Stadt wuchs und wuchs. Bis Anfang der Neunziger Jahre alles anders wurde. O-Ton Thomas Burkhardt: 7 Wir haben nach der Wende jedes Jahr bestimmt 500 Einwohner verloren. Wenn eine ganze Stadt so monostrukturell geprägt war durch die Textilindustrie, wenn auf einmal alles weg bricht, da fällt man natürlich in ein Riesenloch. Autorin: Und die Äpfel? O-Ton Thomas Burkhardt: 8 Das ist uns nach der Wende auf die Füße gefallen, da unsere Äpfel nicht mehr den Normen entsprachen. Die waren viel zu klein. Weil das auch sehr alte Bestände waren. Die wollte also keiner mehr haben. Autorin: Und so geschah es wie überall im Osten. Die jungen, mutigen und gut Ausgebildeten wanderten ab gen Westen. Auch die Kinder von Thomas Burkhardt haben dort ihr Glück gemacht. Dann zeigt er auf die Martinskirche unweit vom Stadtzentrum. Hier trafen sich die Apolda Bürger 1989/90 zu Andachten, danach zogen sie in großen Demonstrationszügen durch die Stadt. Manchmal kamen 12.000 Menschen. Niemand wollte daran denken, dass mit der Freiheit auch die Arbeitslosigkeit kommen könnte. Musik 3: Holger Biege: Als der Regen niederging, 3 min V. TOLOOP - Mode verkaufen wie geschnitten Brot Autorin: Apolda liegt auf 205 Meter Höhe in der östlichen Mitte Thüringens, auf der Strecke der alten Bahnverbindung zwischen Frankfurt an der Oder und Frankfurt am Main. Atmo: 2 Auf dem Werksgelände Autorin: Es ist grau und nasskalt an diesem Nachmittag. Auf dem Weimarer Berg stehen immer noch die alten barackenartigen Fabrikgebäude des VEB Thüringer Obertrikotagen Apolda. Hinter einem Zaun bellt ein Hund. Ein paar Kleinwagen stehen zwischen den Gebäuden aus Beton. In einem Haus befindet sich jetzt ein Nachtclub, in einem anderen lagert das Nationaltheater Weimar Kulissen. In dem Haus mit der Nummer sechs wird immer noch Strickmode produziert. Mario Hammerschmidt ist der Geschäftsführer der Toloop Strickmoden und Design GmbH. 2002 war der Nachfolger des volkseigenen Betriebes Pleite gegangen, eine Beteiligungsgesellschaft aus Erfurt, für die Hammerschmidt arbeitet, kaufte den Betrieb. Jetzt arbeiten hier 30 Leute, kaum einer ist unter 50. Die Auftragslage sei gut. Nach und nach stricke sich das Unternehmen aus den roten Zahlen. Nur, uns fehlt der Nachwuchs, sagt der Geschäftsführer. O-Ton Mario Hammerschmidt: V 7 plus 10 Wir haben festegestellt bei den Lehrlingen die wir immer wieder hatten, der eine Teil wollte das hier nur als Durchgangsstation benutzen, die wollten einmal studieren, Textilgestaltung oder Design. Und die andere Klientel dachte, ich sag's mal lax, bevor wir gar nichts machen, da machen wir das hier. Es gibt keine jungen Leute, die dieses Beruf erlernen wollen, die auch bereit sind acht Stunden jeden Tag zu arbeiten. Autorin: Engagement für fünf oder sechs Euro die Stunde ist eben schwer zu finden, räumt er ein. Aber mehr können man den Strickern und Konfektionären einfach nicht zahlen. Der letzte Lehrling sei irgendwann einfach nicht mehr gekommen, erzählt Hammerschmidt. Aber nicht nur Lehrlinge auch Fachkräfte sind mittlerweile rar in Apolda. Das war mal ganz anders, sagt Franklin Kirchheimer. Er ist Anfang sechzig und kommt im Gegensatz zu seinem Chef aus der Textilindustrie. Er ist sportlich gekleidet und kümmert sich als Betriebsleiter um die Geschäfte im Unternehmen. In Apolda waren zu DDR-Zeiten knapp 10.000 in der Wolle beschäftigt, erzählt er, als Stricker, Schneider, Konfektionäre oder Programmierer. Das Werk auf dem Weimarer Berg war das größte in der Stadt. Es gehörte in den Achtziger Jahren zu dem modernsten Textilunternehmen in der DDR. O-Ton Franklin Kirchheimer: 11 plus 12 Hier haben Tausende von Leuten gearbeitet, es war hell, freundlich, alles war in Funktion. Es war wirklich beeindruckend, die Hallen waren größtenteils mit Parkett ausgelegt, die Arbeitsbedingungen waren ausgezeichnet, riesengroße Kantinen. Es gab von der Konfektionsseite her aberhunderte Frauen, die großen Sälen an Bändern gearbeitet haben. Atmo: In der Strickerei. Autorin: Günter Münzberg, früher Werktätiger heute Facharbeiter. In der Fertigungshalle läuft er zwischen Kartons für die Verpackung der Ware und den Strickmaschinen hin und her. Ab uns zu bückt er sich und überprüft das Strickteil für einen edlen Pullover, dass aus der Maschine rattert. Er ist 57 Jahre alt und auch in seinen Augen leuchtet etwas auf, wenn er von früher, damals, der Zeit vor der Wende spricht. Gut, die Maschinen konnten nur sehr einfache Muster fertigen, aber die Halle sei voller Leben gewesen. 120 Flachrundstrickmaschinen und jede Menge Arbeiter, vor allem Arbeiterinnen. O-Ton Günter Münzberg: 21 Sie müssen sich vorstellen, das war wie eine kleine Stadt hier oben. Wir hatten über 2000 Beschäftigte in dem Werk. Da können sie sich ja vorstellen, was hier an Obertrikotagen im Jahr herausgekommen ist. Autorin: 1986: vier Millionen Pullover im Jahr. Erinnerungen an die sozialistische Produktion. Die Herren kommen ins Plaudern. Der freundliche Kirchheimer fasst Münzberg bei der Schulter und erzählt, dass er damals im Betrieb für den Export zuständig war. Zuerst kam der Export in die sozialistischen Länder, die Sowjetunion, Polen, die CSSR und auch die Bundesrepublik importierte billig aus dem anderen Teil Deutschlands. Die Auslastung war groß, erinnert sich Franklin Kirchheimer, um Aufträge musste man sich nicht sorgen. Im Gegenteil. Die Bangigkeit galt der Planerfüllung. O-Ton Franklin Kirchheimer: 22 Es gab damals auch sehr viele ausländische Arbeitnehmer, die hier gearbeitet haben. Es gab ein Abkommen mit Vietnam, weil die Arbeitskräfte der DDR für die Planerfüllung nicht gereicht haben. Autorin: Und die, die Vietnamesen wurden in einem Hochhaus direkt auf dem Werksgelände untergebracht. Irgendwann verkündete Gorbatschow im Kreml die Perestroika. Drei Jahre später fiel in Berlin die Mauer. Die Marktwirtschaft dehnte sich in den Osten aus und mit billigen Exporten made in GDR war es vorbei. Die Hauptexportländer der DDR entdeckten neue Märkte und wendeten sich ab von Apolda. Kurzarbeit, Kündigung, so verlief der Weg für die meisten Stricker in Apolda. Atmo 17: Strickmaschine Autorin: Heute werden bei Toloop nicht mehr vier Millionen Stück im Jahr produziert, sondern nur noch 70. 000 Jacken, Kleider und Oberteile. Bei Toloop geht es auch nicht mehr um Masse sondern um Qualität. High End Fashion nennt Kirchheimer das, was heute auf dem Weimarer Berg gefertigt wird. Und in der Tat, namhafte Designer lassen ihre Kollektionen jetzt in der alten VEB-Halle fertigen. Auch das erfolgreiche Berliner Jungdesigner-Duo C-Neeon, das für seine avantgardistischen Formen und Muster bekannt ist, gehört zu Toolops Auftraggebern. O-Ton Franklin Kirchheimer: 15 C-Neeon ist ja ein Label, das sich sehr gut entwickelt hat und ich war bei der Auftragsabgabe dabei und ich war erstaunt, dass man sehr gute Verkaufszahlen vorweisen kann. Was sich rückwirkend wieder auf uns zurückschlägt. Autorin: Trotzdem, Mode aus Apolda verkauft sich nicht mehr wie geschnitten Brot. Der Preisdruck ist zu doch, deshalb kann Toloop auch nur noch für gehobene Modelabels produzieren. Musik 4: Zoot Woman: The Model, 3.31 min IV. IN DER MODESCHULE WEISSENSEE Autorin: Die Fahrt von Apolda in Thüringen nach Berlin dauert mit dem Auto drei Stunden, mit dem Zug ist man schneller. Atmo: in der Hochschule Autorin: Konzentrierte Stille herrscht in Raum 294 an der Kunsthochschule in Berlin Weißensee. Studenten im vierten Hochschuljahr stecken an Ankleidepuppen Entwürfe aus Nesselstoff ab, andere blicken ganz in Gedanken versunken auf ihre Skizzen. Magdalena Kiraga dreht mit dem Finger in einer Locke, legt den Kopf dabei schräg und betrachtet ihr Schnittmuster. Daneben liegt ein Stück Stoff, vier Farben - orange, rot, weiß und hellblau - sind dicht verwebt. Das Muster heißt Melange. Den Stoff hat sie in Mailand gekauft, sagt die hübsche, junge Frau und zeigt dann auf das Strickteil daneben so groß wie ein Topflappen in den gleichen Farben. O-Ton Magdalena Kiraga: IV 3 Da habe ich versucht einen Stoff den ich hier habe...nachzuahmen im Strick. Die Hose mache ich aus Stoff und der Strickpullover ist eben aus Strick, sieht völlig identisch aus ist aber eine völlig andere Textur. Autorin: Hose und Pullover schlagen in den Entwürfen große, wasserfallartige Falten. An die Arbeit mit den Maschen musste sich die Studentin erst gewöhnen. Begeistert war sie von der Aufgabe ihres Professors für die Kollektion auch ein Strickteil zu entwerfen anfangs überhaupt nicht. O-Ton Magdalena Kiraga: 6 plus 4 Das Problem ist, das die Pullover irgendwie immer gleich aussehen. Wenn man sich einen normalen Strickpullover so anschaut, so wie wir ihn tragen. Das Potenzial scheint ausgeschöpft, man denkt, was soll denn danach noch kommen, was ist denn noch möglich mit Strick. Sandra Backlund, die Designerin, sie hat uns ja gezeigt, welch andere Objekte, Skulpturen machbar sind. Dass wir uns als Designer auf neue Möglichkeiten konzentrieren müssen. Autorin: Modemacher kümmern sich um den Entwurf und suchen einen Stoff aus. Bei Stricksachen muss man auch das Material entwerfen. Das ist eine ganz neue Ebene, die nicht für alle Studenten so leicht war wie für Magdalena Kiraga. O-Ton Magdalena Kiraga: 7 Hier wird die Jacke aus klassischem Stoff genommen. Und der Strick platzt hier heraus. Der Stoff sieht aber genauso aus wie der Strick. Man wird verunsichert. Die Irritation des Auges, das ist mein Anliegen. Autorin: In zwei Monaten fährt ihr Professor, Rolf Rautenberg, mit sieben Studenten nach Apolda. Eine Woche gehen sie dann dort in die Strickereibetriebe und fertigen ihre Kollektionen. Von der Musterung bis zur Konfektionierung und am Ende gibt es eine große Modenschau, die so genannte Modenacht. Dann zeigen die Studenten ihre fertigen Kollektionen und auch die Unternehmen aus Apolda präsentieren ihre neuste Maschenmode. Noch steht nicht fest, welche Studenten nach Apolda mitkommen dürfen. Magdalena Kiraga wäre gern dabei. O-Ton Magdalena Kiraga: 5 Unsere Maschinen hier sind begrenzt, man kann hier nur in begrenztem Rahmen stricken. Das sind 50 cm im Unfang die hier rauskommen würden. In der Industrie kann man eben mehr schaffen als mit so kleinen Haushaltsmaschinen. Autorin: Rolf Rautenberg geht still zwischen den Arbeitstischen hin und her. Er ist 63 Jahre und als Professor für Modedesign seit 1993 an der Kunsthochschule Weißensee, vorher arbeitete er selbst als Designer. Zum siebten Mal wird Rautenberg mit Berliner Studenten nach Apolda zum Strickworkshop fahren. Auch Doreen Schulze von C- Neeon, die ihre Mode heute erfolgreich in alle Welt verkauft und bei Toloop in Apolda stricken lässt, war einst Studentin bei Rolf Rautenberg und auch sie hat vor Jahren an solch einem Strickworkshop in der thüringischen Provinz Teil genommen. O-Ton Rolf Rautenberg: 12 Da sind Firmen, wo der Entwurf, die Musterung eines Teils und die Herstellung in den Firmen auch gemacht werden. Und es ist toll, dass die Firmen das ermöglichen. Wir machen die Schnitte hier und dann gehen wir dahin. Wir fangen dort am Montagmorgen an zu produzieren und am Freitagabend muss es fertig sein. Sonst haben wir hier ein Semester Zeit, man denkt, wenn ich es heute nicht fertig mache, dann mach ich es eben morgen. Autorin Mode zu realen Bedingungen zu machen, dass soll der Strickworkshop leisten. Produktionsstätten, wo - wie in Apolda - noch von vorn bis hinten alles selbst gemacht wird ohne Zulieferer aus Asien oder Osteuropa, das gibt es fast nicht mehr in Deutschland, erklärt Rautenberg. O-Ton Rolf Rautenberg: 14 Wir müssen jetzt Ende Januar das Garn bestellen, damit das dann im März auch da ist. Da hat man dann ein Garn mit dem muss man dann auch arbeiten. Das kann man dann nicht mehr sagen, ich will jetzt alles anders. Das sind die Realitäten des Alltags, die auf die Studenten dann zukommen. Solch eine Woche kann ein ganzes Praktikum von sechs Monaten ersetzen. Autorin: Dann hilft er einer anderen Studentin an der Ankleidepuppe und bespricht mit ihr die Faltung eines Capes. O-Ton Rolf Rautenberg: 11 Wir gehen jetzt nicht nach Apolda und denken, wir wollen in Thüringen jetzt irgendetwas machen, das der Provinz entspricht, sondern wir wollen da mit Ideen hinkommen, die nicht das alltägliche Leben widerspiegeln. Musik 5: Jens Friebe: Bungeeseil, 3.40 min Atmo: Treppen Autorin: Enge mit Linoleum überzogene Stufen führen in die erste Etage einer alten Strickerei in Apolda. An den Wänden hängen eingerahmte Fotocollagen. Bärbel Riedel, eine flinke Frau mit freundlichem Gesicht, erklärt die Machart eines Oberteils, das eine Studentin vor vielen Jahren im Strickworkshop bei ihr gefertigt hat. O-Ton Frau Riedel: 11 Das ist alles nur gestrickt. Diese Tunnel sind zu, die sind wieder zu, die sind wieder offen... Autorin: Seit knapp zehn Jahren nimmt ihr kleiner Familienbetrieb Studenten für eine Woche zu sich. Dann zeigt sie auf Fotos, auf denen schlanke Frauen graue, eng anliegende Kleider aus feinen Maschen tragen. Geschmückt mit Pfauenfedern. Das hat die Verena gemacht, erinnert sich Bärbel Riedel. 2001 war das. O-Ton Frau Riedel: 13 Sie brauchte für ihre Arbeit Pfauenfedern. Und Verena sagte, Frau Riedel, wissen sie nicht wo man Pfauenfedern her bekommt. Ich sage ja, in Dornburg, das ist ein Stück weg, da sind Schlösser und auch Pfauen. Da gehen wir mal hin, die verlieren bestimmt was. Autorin: Jetzt lebt die einstige Studentin in Hong Kong und arbeitet dort als Designerin. Eine andere, ehemalige Praktikantin entwirft jetzt für eine große Luxusmarke in Süddeutschland, eine andere, die jetzt in Berlin als Designerin arbeitet, lässt bei Riedel Strickmoden in Apolda fertigen. O-Ton Frau Riedel: 10 Wenn die Studenten kommen, ist das eine Herausforderung. Da kommen Gestricke raus die ganz fantastisch sind die wir vorher gar nicht probiert hätten, denn wir sind so im Poduktionsablauf. Wie müssen schaffen, wir müssen was bringen, dann probieren wir nichts aus. Autorin: Eine Woche im Jahr bleibt die Produktion stehen, dann sind die Studenten dran, sagt Bärbel Riedel. In ihrem Betrieb sind sie nur zu dritt, ihr Ehemann kümmert sich um die Strickerei, die Maschinen, ihr Sohn programmiert die Muster und sie macht den Rest, sagt sie und lächelt. Angestellte haben sie nicht mehr. Dämpfen, ketteln, nähen. Dann setzt sie sich auf einen mit Kissen gepolsterten Stuhl und näht mit einer Maschine das Nahtband in ein Schulterteil ein. Atmo: III 5 7.00 An der Kettelmaschine O-Ton Frau Riedel: 5 8.21 "Jetzt muss ich natürlich aufs Muster achten. Dass das übereinander kommt. Ansonsten sieht es nicht schön aus." Autorin: Die Nähte müssen glatt und sauber sein. Das ist Qualität, erklärt Bärbel Riedel. Sie und ihr Mann Helmut haben sich noch zu DDR Zeiten, 1987 selbstständig gemacht. O-Ton Frau Riedel: 7 Es ist nicht so, dass es keine Pullover gab, die gab es, die wurden in Stückzahlen gefertigt, 100 000 Stück. Überall wo sie hinkamen, in jedem Urlaub gab es die gleichen Pullover und die Leute wollten was anderes, ein bisschen was anderes. Autorin: Das Paar eröffnete also ein Ladengeschäft. Das durften die Riedels nicht im Bezirk, in dem sich die Betriebe des Kombinats befanden, machen und so mieteten sie ein Geschäft in Bad Klosterlausnitz an. 37 Kilometer entfernt von Apolda. Verkauft wurde an einem Tag in der Woche. O-Ton Frau Riedel: 8 plus 9 0.35 Wir haben um zehn aufgemacht. Und um sechs standen die Leute schon vor der Tür. Es war manchmal bitterkalt. Dann habe ich erst einmal Tee oder Grog gemacht. Wir erzählen das heute noch. Und dann waren sie nach zwei drei Stunden ausverkauft. Die Nachfrage war so groß, wir kamen gar nicht nach. Autorin: Garne mussten beantragt werden. Geliefert wurde allerdings nie das, was Riedels bestellt hatten, erinnert sich die Geschäftsfrau. Es war nie genügend Material für den Bedarf auf zu treiben. Jetzt strickt Familie Riedel neben einer eigenen, kleinen Kollektion und Auftragsarbeiten auch Bademoden aus Wolle. Garn gibt es genug nur die Aufträge könnten üppiger sein. Bärbel Riedel ist jetzt sechzig Jahre. Sie will weitermachen so lange es geht. Atmo: Kettelmaschine 6 Autorin: Jeden Tag außer sonntags arbeiten die Riedels in der alten Strickerei. Im Urlaub waren sei seit Jahren nicht mehr. Dafür fahren wir auf Messen, so gewinnen wir neue Kunden, sagt sie. O-Ton Bärbel Riedel: 17 Am Anfang war es in den alten Bundesländern so, na ihr seit ja aus dem Osten. Das hat sich total gelegt, wenn sie jetzt nach Kassel kommen, warten sie schon auf uns. Oder die Leute in München. Die sind begeistert, ach ihr macht das noch selbst! Atmo 14 Autorin: Bärbel Riedel ist in ihrem Element. Meine Frau ist eine gute Verkäuferin, sagt Helmut Riedel. Er trägt blaue Arbeitkleidung, steht zwischen den Strickmaschinen im Erdeschoss und lächelt ihr schüchtern zu. O-Ton Bärbel Riedel: 18 Wenn ich eine Kundin seh, dann geh ich hin und zeig ihr das und das ist es dann auch. Manche sagen, naja ach der lange Strickrock macht dick, ich sage, ziehen Sie ihn doch mal an. Sie müssen ihn doch nicht nehmen. Wir haben doch jetzt Zeit alle beide. Autorin: Bei den Modenschauen zur Modenacht im April machen in diesem Jahr nur noch fünf Firmen mit, sagt Frau Riedel. Sechzig haben nach der Wende in Apolda einst ihr Glück versucht. O-Ton Frau Riedel: 16 Viele Leute gehen zur Modenacht und sagen uns, haltet nur noch durch. In Apolda hat mal jeder zweite in der Strickerei gearbeitet. In der Strickerei, in der Spulerei, in der Konfektion. Die sind alle mit Herzblut dabei gewesen... Schlussmusik Sprecher: Schick gestrickt - Paris, Mailand - Apolda? Maschenmode aus Thüringen. Eine Deutschlandrundfahrt mit Mandy Schielke. ENDE 1