COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Die Kleine Sprachgeschichte. Hamburgisch - Oder: Warum die da so anders sprechen - Autor Hartwig Tegeler Red. Claus Steohan Rehfeld Sdg. 13.01.2011 - 13.07 Uhr Länge 18.57 Minuten Moderation Eigentlich ist ja "ahlns klor": Der Volksmund, der in Hamburg jedenfalls, weiß es schon seit Jahrhunderten: "Hochdüütsch kann jeder Dösbaddel snacken, Platt is för de Plietschen!", was in zeitgemäßes Deutsch übersetzt etwa bedeutet wie: Hochdeutsch kann jeder Dummkopf, Platt ist was für die Schlauen. Ansonsten ist es mit der Hamburger Sprachgeschichte so einfach nicht, denn der eigentliche Hamburger Dialekt zeichnete sich ursprünglich durch drei Großdialekte aus - unter dem tun es die Hanseaten in der Freien und Hansestadt nun mal nicht. Und dann gibt es ja noch diesen Regionaldialekt namens Missingsch, der is stark ne. Was es mit diesem Sprachgemisch und anderen Dialektzutaten so auf sich hat, Hartwig Tegeler kann und will es uns auch erklären. Bitte. -folgt Script Beitrag- Script Beitrag Musik Lotto King Karl "Hamburg, meine Perle" - Läuft weiter! E 01 (Ingrid Schröder, Uni Hamburg) "Also, wenn sie mich fragen, wer spricht Missingsch [...]" AUT Jouh, Frau Professorin, das frach ich inner Taaaht, näh! E 02 [Schröder.] "Es gibt ein relativ prominentes Beispiel. Das ist Lotto King Karl, der auch Lieder singt." AUT Na ja, das is ja nun wirklich ´n büschen untertrieben: Lieder. Lieder? Hamburch-Hymnen! Und dann natürlich die HSV-Stadion-Hyme. Musik Lotto King Karl "Hamburg, meine Perle" - Läuft weiter! E 03 [Schröder.] "Also, an dem Lied kann man alles, was auch als Missingsch gilt, dort studieren. Das ist ganz schön. Die Vokalisierung des ´r´ beispielsweise zum ´a´. Oder zum ´i´ - ´Hamburch´. Und ´Peärläh´. Musik Lotto King Karl "Hamburg, meine Perle" - Läuft weiter! AUT Also, mal eine Sache vorwech! Musik am Anfang macht sich dramaturgisch immer gut! Also, deswegen vorwech: Hamburg, meine Perle von Lotto King Karl. Also: "Pääarle" ist, wenn du´s hochdeutsch siehst, isses "Perle", aber ob es denn eigentlich Hamburgisch is´ - oder Missingsch, und was is´ eigentlich der Unterschied, na ja, nu ma nich´ zu schnell -, jedenfalls Pääarle, also, Hamburch, meine Pääarle, oder was auch immer das middem Hamburgischen oder Missingschen auf sich hat! Entweder so - Hamburgisch ist ... E 04 (Schröder) "Hamburgisch ist alles das, was in Hamburg gesprochen wird." AUT Da nimmt uns die Hamburger Wissenschaftlerin Ingrid Schröder vom Germanistischen Institut der Uni Hamburg nun hier am Anfang gleich also jegliche Illusionen über einfache Klarheit und Eindeutigkeit, und wir müssen am Anfang hier von unsere kleine Hamburgische Sprachgeschichte feststellen, dass das middem Hamburgischen so einfach denn doch nich is, wie das denn vielleicht gewisse Leute in Frankfurt, Münschen, Bäärlihn, ja Bäärlin, inne Hauptstadt wohl gerne hätten. So nich! Es ist viel komplizierter. Also, reden wir jetz´ ma´ nich´ von Missingsch - kommt später -, sondern erst mal von Niederdeutsch identisch mit Plattdeutsch. Und auch der nächste Speziaalist, der Experde mit seine Expertise macht´s da nich´ weniger komplex: Gerd Spiekermann, Plattdeutsch-Redakteur beim offiziellen fürs Norddeutsche zuständigen ARD-Sender NDR. Also, Herr Spiekermann, so, hier, im Prolog, also Hamburgisch is. E 05 (Gerd Spiekermann) "Also, eine Mixtur aus ... tja ... natürlich niederdeutschen Substraten, weil ja hier in Hamburg die angestammte Sprache bis Mitte des letzten Jahrhunderts ..." AUT ... also von 19. Jahrhundert, näh ... E 06 [Spiekermann) ... sehr deutlich Niederdeutsch war. Also bei den Bürgern, bei den einfach Bürgern, bei den einfach Menschen, da sprach man Niederdeutsch." AUT Abzulesen, historisch, sach ich mal, am Bürgereid, und zwar am Hamburgischen Bürgereid [...] E 07 (Spiekermann) "[...] der Hamburgische Eid, auf den ja auch bis Mitte des letzten Jahr... vorletzten Jahrhunderts " AUT Richtig! E 08 "[Spiekermann] ..., also bis ins 19. Jahrhundert alle Hamburger Bürger eingeschworen wurden, die mussten den also auch auf Niederdeutsch sprechen können. Das ist das Substrat, das ist der Grundbestand. Daneben hat es natürlich einen Höheres Bürgertum, Händler gegeben, für die war Niederdeutsch natürlich nicht genug." AUT Also, was wir als Zweites lernen inne Kleine Hamburger Sprachgeschichte: Ohne eine Reise inne Geschichte wird´s nix midde Sprachgeschichte. [Ausgestellt hochdeutsch:] Wir reise, liebe Hörerinnen und Hörer, von der Vergangenheit in die Gegenwart! - Und was wir als Wissen ma´ kurz auffrischen, n bisschen Unterhaltung kann nich schaden, und deswegen gibt's hier mal immer zwischendurch so als kleine Erholung von all dem hochtrabigen Gesabbel ´n kleines Sprachquiz. Wegen de Konkretheit und wegen Bildungsauftrag, näh! Wir nehmen den ne´mich Ernst. [Extrem gestochen hochdeutschen gesprochen!] Sprachquiz 1.1. Was bedeutet "drömelich"? OT-Collage 1 - "´Drömelich´ ist ... - Keine Ahnung. Durcheinander! Oder? - Ja, so dösig ... - Wenn man völlig puschelig im Kopf ist. - [Berlinerisch:] Keene Ahnung! - Schläfrig vielleicht. Müde? - Verträumt! Schleppend! - Büschen ... - Wuschelig! - ... Büschen langsam und einfältig." AUT Sprachquiz 1.2. Was bedeutet"maddelich"? OT-Collage 2 - "´Maddelich´ ist, wenn´s einem nicht gut geht, wenn man sich schlecht fühlt. - Schlecht zuwege! - Ja, kaputt! Schwächlich, ja hier ... [Pfeift.] - [Berlinerisch.] Ja, irgend sowatt. - Bisschen wie ´drömelich´. - Krank? - Nicht gut auf´m Damm. - Kuschelig, puschelig, wuschelig." G 01 Mix "Hanse [Schiffe, Meer etc.]" AUT Also, liebe Hörer, wie versprochen, once upon a time, näh, wir gehen zurück inne ... Vergangenheit. E 09 (Spiekermann) "Die Sprache ist da schon ein Reflex auf das, was ökonomisch vor sich geht." AUT Einst, na ja, vor ein paar Jahrhunderten - jouh, das ist nu hier eben Sprachgeschichte - wurde in Hamburg eben nich´ Hochdeutsch, sondern Plattdeutsch gesprochen, was wir jetz´ mal synonym mit Niederdeutsch verwenden. E 10 (Schröder) "Während der Hanse haben alle Kaufleute hier in diesem Sprachraum Niederdeutsch gesprochen." AUT Tja, kann man sich heute kaum noch vorstellen, aber das war so inne Hansezeit. E 11 (Spiekermann) "In den Kontoren haben sie Niederdeutsch gesprochen. Ziemlich sicher, ja." AUT In der Hansezeit, also Mitte des 17. Jahrhunderts, setzte dann ein Sprachwandel ein. Warum? Um mit Billy Boy, dem Ex-Präsidenten der Amis zu sprechen, "it´s the economy, stupid", "es geht um die Wirtschaft, du Dödel!" Also, hier Hanse, also Wellen, Meer, Ostsee, Nordsee, Waren, Güter, Dienstleistungen ... G 02 Mix "Hanse [Schiffe, Meer etc.]" plus Musik AUT ... von Stockholm, näh, ganz weit oben links auffe Karte, da, Skandinavien, ja, da links, bis nach rechts, Osten, immer ´n büschen kälter, zumindest damals, bis nach Nowosibirsk, eiiinäh Sprache. Eine Sprache, ein Sprachraum. Kann man sich heudäh kaum vorstellen, war aber so. Heute gibt´s in Schweden noch Lehnworte, die aussem Plattdeutschen stammen. Wahrscheinlich! Sprachhistorische Kontroversen darüber ... na ja, die lassen wir jetz hier ma´ kurz beiseite. E 12 "Lehnwort-Sound" - Läuft weiter! AUT Also Lehnworte bei den Nachbarn. Also das hochdeutsche "Wein". Im Plattdeutschen "Wien" - wie da bei den Österreichern. Und im Schwedischen "V-i-n-e". Oder anderes Beispiel: "Haus". Im Plattdeutschen "Huus". Und im Schwedischen "Huus". Oder Erkältung. Hochdeutsch: "erkältet". Plattdeutsch: "verkühlt". Im Schwedischen "förkyld" (gesprochen: fer´schült"). Und so weiter! Lehnworte ausse Hansezeit. Wahrscheinlich. Denn in der Zeit der Hanse, also ca. seit dem 12. Jahrhundert ... G 02 Mix "Hanse [Schiffe, Meer etc.]" plus Musik AUT ... war die Sprache des Kontoors, da, wo die Kohle gemacht wurde in Hamburch, näh, vonne Pfeffersäcke, egal, wegen mir auch Lübeck, die Sprache vonnen Kontor jedenfalls, die war Plattdeutsch. Hochsprache war Plattdeutsch. Herrschaftssprache - bis ungefähr Midde von 17. Jahrhundert. Dann wandelte sich das. G 02 Mix "Hanse [Schiffe, Meer etc.]" plus Musik AUT Bei den Buddenbrooks von Thomas Mann - die ja im Roman so rund um die Midde des 19. Jahrhunderts rum wirkten - da hat sich das schon ganz deutlich geändert. Wi´ snack platt! Nee, das gilt nich´ mehr für´s Kontor, sondern für die Arbeiter und Bauern. E 13 (Schröder) "Je gebildeter man war, desto eher hat man das Hochdeutsch übernommen." E 14 (Spiekermann) "Das Volk sprach weiterhin platt, selbstverständlich." AUT Als die Revolution 1848 auch Norddeutschland erreicht, benutzt der Konsul Buddenbrook - im Roman - das Plattdeutsche, das er mal gelernt hat, das sich für ihn als Verkehrs- und Handelssprache aber schon lange nicht mehr geziemt, als Herrschaftsmittel, wenn die Arbeiter ´n büschen auf die Barrikaden gehen wollen. E 15 (Buddenbrooks & Gerd Spiekermann) - "Gevst nu mal Ruhe hier. - Lüt, dat is Konsul Buddenbrook. - Lüt, wat is das denn nu mal für´n dumm tüch, wat ihr da anstellt. - Dat is kien dumm tüch, Herr Konsul, hier kommt ne andere Ordnung inne sach. - Geht nach Huus, stört hier nicht die Ordnung. Nicht mal die Lampen sind angezündet. Dat geith doch nun to wiet midde Revolution. - [Spiekermann:] Die Herrschaftssprache ist natürlich Hochdeutsch, und jetzt kommt das Volk ... - Wat wull ji nu eegentlich, nun seggen se doch mal. - De Lüt wollen nun ne Republike! - - [Spiekermann:] Und denn sagt er: Ji hebt ja all eene. - Du Döskopp. Ji hebt ja schon eene. - Herr Konsul, denn wullt se wohl noch eene! [Gröhlendes Lachen.]" AUT Jouh, sagen wir mal, eine für unsere Kleine Sprachgeschichte bannig plitsche Szene, auch wenn se nich in Hamburg, sondern in Lübeck abspielt, aber das soll hier mal keine Rolle spielen: Sprachliches Krisenmanagement! Sprache als Herrschaftsmittel, jouh, Herr Spiekermann, da hässu recht: E 16 (Spiekermann) "Das heisst den Dialekt sozusagen als Sozialschmiere genommen hat. Der Konsul spricht Plattdeutsch und lässt sich sozusagen auf die Ebene des Volkes herab und entschärft damit die Situation. Gout ma´ wieder na´ Huus. Jouh, denn gout wie wieder na´ Huus." AUT Also um es noch mal zu sagen, es is ne bannig plitsche Szene, kann man nich´ anners sagen: Sprache als Reflex auf das, was da im beginnenden Industriezeitalter ökonomisch vor sich geht, Alter! G 02 Mix "Hanse [Schiffe, Meer etc.]" plus Musik AUT Hamburger Sprachquiz 2.1. "Schieterich"?! OT-Collage 3 - "´Schieterich´ ... - Joh, dreckich! - Ist, wenn man ... - Würde ich sagen, hat etwas mit Durchfall zu tun. Aber bin ich mir nich´ sicher [Lachen.] - Wenn man was Falsches gegessen hat und schon ´n bisschen grün ist und einem schon schlecht geworden ist. Oder? - Ja, so dösig ... - Wenn man völlig puschelig im Kopf ist. - [Berlinerisch:] Keene Ahnung! - Schläfrig vielleicht. Müde? - Verträumt! Schleppend! - Büschen ... - Wuschelig! - ... Büschen langsam und einfältig." AUT Hamburger Sprachquiz 2.2. "Bregenklöterich"?! OT-Collage 4 - "´Bregenklöterich´? - Ha ick noch nie jehört. - Bregenklöterich ... - Ja, wenn oben im Kopf nich´ mehr alles ... - Bregen...k...glö...derich? - Bregen is ja Hirn, wenn ich mich nicht allzu sehr irre und ... - Keine Ahnung! - ... klöterich is ... - Wenn die Dachlatten nich´ mehr so richtig auf´n´ander liegen. - Is, wenn der Kopf vielleicht ein bisschen verrenkt ist und man keine Aspirin zur Hand hat. - Keine Ahnung! Wahrscheinlich einfach ´hirnamputiert´." G 03 Hafen, Schiff AUT Inne Hamburger Sprachgeschichte, der Kleinen, sind wir also nun also da, wo wir schon am Anfang waren, beim Missingsch, dem Hamburger Regiolekt. Mok waddu wullst, de Lüü´ snakt doch. Also: Wat snakt der Hamburger? E 17 (Schröder) "Wenn wir das Breite im Ohr haben, meinen wir eigentlich immer das Hamburgische Hochdeutsch. Dieses typische Hamburgische Hochdeutsch. Und das ist eine Ausformung des Missingsch." E 18 (Spiekermann) "Das ist der Versuch des Plattdeutschen, Hochdeutsch zu sprechen." AUT Oder wie Kuddel Tucholsky einst schrieb: "Missingsch ist das, was herauskommt, wenn ein Plattdeutscher hochdeutsch sprechen will. Er krabbelt auf der glatt gebohnerten Treppe der deutschen Grammatik empor und rutscht alle Nase lang wieder in sein geliebtes Platt zurück." Als die Pfeffersäcke nämlich in den Zeiten der Hanse und denen danach, achtzehntes, neunzehntes Jahrhundert, zwanzigstes auch, schon lange kein Platt mehr sprachen - wieder Sprachwandel jetzt, klar! -, breitete das Hochdeutsch sich auch in Richtung untere Schichten aus. E 19 (Schröder) "Man behilft sich am Ende so gut, wie man kann." AUT Und versucht, sich Hochdeutsch auszudrücken. So bleiben eben viele Merkmale aus´, ne Mixtur aus Hochdeutsch mit niederdeutschen Ausdrücken. Nichts Genormtes, sehr flexibel, häufig gerade in der Mixtur von Hochdeutsch und Missingsch geprägt von ziemlicher Sprachkomik. E 20 (Schröder) "Es heisst dann ´ümmer´ und nicht ´immer´. Und ´bün´ und nicht ´bin´. Dass man das ´a´ nach hinten verlagert. Es heisst nicht ´Hafen´, sondern ´Hoafen´. Und nicht ´aber´, sondern ´oaber´." AUT Gerd Spiekermann, der ja nich´ nur kluch schnacken, sondern auch bannig gut vorlesen kann, mit Dirks Pauluns Geschichte von Meta und Erna. Höa´ ma´ ´n beten tou: E 21 (Gerd Spiekermann liest Dirks Paulun) "Hallo, Meta. - Erna! - Erst mal möcht ich wissen, was von dein Annonze geworden is. Wahnsinnig neugierig. Erzähl. - Tja, das is meis in Sande verlaufen. - Wieso, hat da kein auf geschrieben? - Doch, sieben Mann hoch. - Und, hast se dir von dichten besehen? - Hab ich. - Und? - Und ? War nix. - Nö, war nix. - War´n sie nich richtig. - Neeh, war´n sie nich. - War´n sie nich? - War´n sie nich!!! - Wirklich? Waahnsinnig? - Waahnsinnig war´n sie nich, bloß richtich war´n sie nich. - Und wieso war´n sie nich richtig? - Tja, hab sie laufen lassen. - Wie sie mich kennenlernten, sagten alle dasselbe. Bin doch nich waahnsinnig." AUT Sprachquiz 4.1. Was bedeutet "in brast"? OT-Collage 7 - "Ich kenne ´in brast´. Middem ´t´. - In brass ist ärgerlich sein, sauer sein. - In Wut. In Wallung. - Wenn man jetzt wirklich gleich einen Wutausbruch bekommt." AUT Sprachquiz 4.2. "Sabbelbüddel"?! OT-Collage 8 - "´Sabbelbüddel´, das ist mein Mann. - Ja, sagt das Wort schon. - Ah, das ist jemand, der viel quatscht. - Ja, ein Schnacker, ja, einer der ... ist doch so, oder? Sabbelig. - Ja, wer das Reden nicht nachlassen kann. - Ne Labertasche. - Sabbelbüddel ... - Ich verstehe fast alles, nur die Bedeutung ist bei mir anders. - ... das ist jemand, der ... - ... nicht aufhört zu reden. - ... einem gern man ein Ohr abkaut. Und viel zu erzählen hat." AUT Übrigens, noch ma´ Sprachwandel in unsere Kleine Hamburger Sprachgeschichte, und noch ma´ Lehnworte. Wir hatten ja die in Schweden, wo sich das Plattdeutsche eingenistet hatte. Umgekehrt gibt´s ja auch im Hamburgischen jede Menge Lehnworte, 1.000 heute allein, die aus dem Französischen kommen. Vom Englischen hier mal ganz zu schweigen, weil das mit die Seefahrt und Hamburch Tor zur Welt und so weiter und so fort, aber Französisch: Tasse, Portmonee, Trottoir beispielsweise. Klar, eben seit Jahrhunderten all die Einflüsse aus aller Herren Länder, und die Dialekte - wenn wir mal das Hamburgische als Dialekt sehen, ohne jetzt mal zu enge oder auch genaue Grenzen zu ziehen zu wollen -, Dialekte sind sehr konservativ, was das Beibehalten von Lehnworten betrifft. Also in Hamburch, wenn du auf´n Dom gehst oder ins Theater oder ins Kino, da hieß es lange nicht ne "Karte" kaufen, sondern "Billeters" mitnehmen. Oder anderes Beispiel, was Gerd Spiekermann meint, die Hamburger Fußleisten mit ihrem französischen Lehnwort: E 22 (Spiekermann) "´N berühmtes Wort: Lamperien. Das gibt´s fast nur hier. Das kommt aus der Zeit, als man anfing, die Wände zu vertäfeln. Das heisst im Französischen ´lamperie´. Und ´Lamperien´ sind dann übrig geblieben." AUT Wenn die Katze es also mal nicht zum Klo geschafft hat, dann?! E 23 (Spiekermann) "De Kat het an de Lamperien megen." AUT Na, so´n Schwinkram! Hamburger Sprachquiz 3.1. Was bedeutet "Grünhöker"? OT-Collage 5 - "Ein ´Grünhöker´? ... - Grünhöker ist ein Gemüsehändler. - Ein Spatz. - Gemüsehändler. - Ja, der is ja im Grünen irgendwie draußen und. - Das ist ein Gemüseladen, das ist doch völlig klar. - Aah, das isset ´n Blumenladenheini. - Das ist ein Gemüsehändler. - ´N Gemüsehändler? Aah! Ick fahr wieder nach Berlin, det wees ick allet nich." AUT Sprachquiz Teil 3.3. "Fünsch"?! OT-Collage 6 - "´Fünsch´? - Bitte was? - Stinkig! Sauer! - Fünsch is, wenn man ... - Fisch? - Vergrellt! Böse! - ... wenn man ´fünsch´ is, ja. - Aufgeregt. - Kenn ich gar nicht. Fünsch? - Fünsch ist ... - Fünsch? - ... wenn man ´muksch´ is. Ist auch ein falsches Wort. Wenn man ... - Fünsch ist ... puh ... - ... beleidigt ist. - ... Tja, was issen das? - Stinkig, sauer." AUT Was aber ja nun auf keinen Fall unerwähnt bleiben darf bein Hamburgischen, dass ist natürlich das ´alveolare S´. Biddäh? Ja, das "sp"itze "S" mein ich. Wir müssen natürlich an dieser "St"elle unseren ehemaligen Bundeskanzler Helmut Schmidt zitieren. E 24 (Schröder) "Helmut Schmidt spricht in der Tat ... wir würden sagen: das alveolare S vor P und T. Also ´sp´itzer ´St´ein." AUT Ja, sicher, aber er hat das schon mal besser gemacht. Oder? E 25 (Helmut Schmidt) "Die Goldberg-Variationen an´st´ändig zu ´sp´ielen, setzt schon eine ganze Menge an technischem Können voraus. Das Land ist nicht in einer ´sp´eziellen Krise, das ist ein Irrtum." AUT Also, das Hamburgische Stolpern über den spitzen Stein! E 26 (Schröder) "Ein sprachliches Merkmal, das mit solchen Konnotationen wie ´hanseatisch´ ausgestattet wird, ´hamburgisch´. Aber auch etwas Gediegenes hat. Dann ist dieses auch als ein typisches hamburgisches Merkmal wahrgenommen worden, weil es eben auch in einer Sprachform verwendet wurde, die von sich aus prestigehaltig war, oder die von Sprechern verwendet wurde, die bekannt waren, die angesehen waren, und deswegen ist da zu so einem Hamburgischen Merkmal geworden. Aber das lautliche Merkmal gibt es auch woanders, aber hat nie diese Bedeutung bekommen." AUT Damit sind wir nun allerdings in unsere Sendung mit dem konfrontiert, was das Leben schlechthin und das Hamburgische in Besonderen [...] E 27 (Schröder) "Das gibt es kaum noch." AUT [...] charakterisiert: midde Vergänglichkeit nä´m´ich: E 28 (Schröder) "Ja, es verschwindet immer mehr, das stimmt auch. Und man hört es auch immer weniger in der Öffentlichkeit." AUT Klar, Sprachwandel, ob nu in zwölften, siebzehnten oder einundzwanzigsten Jahrhundert, ist natürlich immer auch Verschwinden. Als Hamburg 1945 zerbombt war, hatten sich eben auch "Sprachquartiere" aufgelöst midde Bomben, die Menschen mussten sich anders orientieren, und die Regiolekte einzelner Stadtteile hatten sich aufgelöst. Da, wo man noch vor´n Kriech ´n klassisches Hamburger Platt gesprochen hatte, war´n de Lüt dod und hatten kein Haus mehr und zogen weg. Hamburger Sprachquiz - Teil 5.1 oder so. Jetzt wird´s ´n büschen verdwast! Welches sind nämlich ... die Bedeutungen von "antüddeln"? Gibt es drei? Oder gar vier? Eine Frage, die natürlich inne Kleine Hamburger Sprachgeschichte unbedingt zu klären ist, näh. OT-Collage 9 - "´Antüddeln´: einmal sich was anziehen. - Fertig machen. - Antüddeln echt ja, heisst das antüddeln." AUT Sodann folgende Bedeutung: OT-Collage 10 - "De het sick eenen ´antüddelt´. - Einmal sich einen antrinken. - Sich einen kleinen gönnen aus der Buddel. - Und das dritte?" AUT Jouh! Das ist die Frage? OT-Collage 11 - "Etwas anbinden. Antüddeln und Antüddern. - Aah, jetzt weiß ich. Antüddeln ist auch, wenn ich etwas festbinde mit einem Band." AUT Aber jetzt wird´s interessant. Nummer vier? OT-Collage 012 - "Keine Ahnung. - Nee, mehr kenn ich nicht. - Vielleicht, sich einen Kerl an Land ziehen. [Dreckiges Lachen.]" AUT Tja, ehrlich gesagt, um die vierte Bedeutung zu wissen, muß man [...] E 29 (Spiekermann) "Ja: schwindeln!" AUT [...], muss man wohl wie dieser Native-Hamburch-Speaker daselbst in Hamburch-Barmek, in Osten von Hamburg, geboren worden sein. E 30 (Spiekermann) "Ja, is einfach so: Lüg mich nich an. Ja! Nur daher kenn ich das. Ja, antüddeln: anziehen. Aber das Ursprüngliche, daher kenn ich das aus meiner Kindheit, ist ´schwindel mich nicht an´, ´lüg mich nicht an´." AUT Also, Conclusio, Schlussfolgerung, summa summarum: Hamburgisch wird immer weniger, das ist nun klar. Bedroht von Damoklesschwert der Vergänglichkeit oder auch vonnen Sprachwandel. Was spricht heute man in Hamburch? Wenn man kein Hochdeutsch spricht! Ja, ich weiß, Hamburger sprechen das beste Hochdeutsch überhaupt, sogar noch besser als die in Hannover, ich weiß, aber wennse ma´ nich´? Was sprechen die Hamburger dann? E 31 (Spiekermann) "Dann sprechen sie Türkisch und Griechisch und Portugiesisch ganz viel. Und im Süden Hamburgs sprechen sie auch ganz viel Niederdeutsch. Und da auch immer noch sehr regional differenziert. Bis in die vierziger Jahre hinein konnte man in Hamburger sehr deutlich differenzieren. Also, ein echter Hamburger hörte, ob jemand aus Altona, aus Barmbek, aus Finkenwerder oder aus den Vier- und Marschlanden kam. Und sogar in den Vier- und Marschlanden noch differenziert zwischen Spadenland und Curslack und Kirchwerder. Da unten gilt das noch." AUT Da unten, aber generell, Diggäh!, was bleibt, beim Hamburgischen, in Gegenwart und Geschichte, das ist der Hamburger Tonfall [...] E 32 (Spiekermann) "Hamburger Akzent würde ich das nennen." AUT Und, gans wichtich, in Hamburch rundet man gerne ab: E 33 (Spiekermann) "Alle Dialekte neigen dazu, Redundanzen möglichst abzustoßen. Wenn man mit weniger auskommt ... Menschen sind faul! Also werden hinten ... [lallt künstlich] ... die Sil´en wer´n wech´e´lassen." AUT Gerd, min Djung, woddu rech´ has´, hassu Rech´. -ENDE Script 1