Deutschlandradio Kultur, Länderreport 11.9.2012 Die Geisterstadt - wie in Duisburg ein ganzer Stadtteil platt gemacht wird" Autor: Achim Nuhr Redaktion: Heidrun Wimmersberg __________________________________________________________ 1 ATMO - take 21: Abriss SPRECHER: Duisburg-Bruckhausen. Nur wenige Fremde kommen hierher, aber viele kennen die Straßen: aus den "Tatort"-Krimis mit dem legendären Horst Schimanski. Bald werden diese Straßen ganz verschwunden sein: Häuserreihen werden bereits abgerissen, um Platz zu schaffen für einen neuen Park. Neben bewohnten Gebäuden breiten sich Trümmergrundstücke aus. Nachts ziehen Plünderer umher - vorbei an Wohnungen, in denen Familien zu schlafen versuchen. Pflastersteine fliegen durch Fensterscheiben, einmal auch ein Molotowcocktail hinterher, und Diebe sägen an Gasleitungen. Solche Zustände kenne ich schon: Aber nicht aus Deutschland, sondern aus der New Yorker Bronx, aus Sankt Petersburg und Warschau. 2 ATMO - take 21: Fortsetzung SPRECHER: Was passiert den Anwohnern? Mitten in Bruckhausen steht ein Mann vor einem gepflegten Bürgerhaus. Als er mein Mikrofon erblickt, kommt er gleich auf mich zu. 1 O-TON: Ich wohne seit 1994 hier. Und seit 99 habe ich dieses schöne Haus hier. - diese ehemalige, grüne Direktorenvilla - gekauft und kernsaniert. Nicht wissend, was man für ein Schicksal später antrifft. Und 2006 haben wir dann erfahren, was auf uns zukommt. Und seitdem kämpfen wir halt. 3 ATMO - take 22: Abriss im Hintergrund SPRECHER: Der Mann heißt Turhan Senel*, seine Familie wohnt in der Bayreuther Straße. Senel erhebt schwere Vorwürfe gegen die Sanierer. Neben seinem Haus steht ein Gebäude mit einem verwaisten Ladenlokal: Darin war früher das Postamt von Bruckhausen. Von draußen zeigt Senel durch die Fensterscheibe auf ein paar unscheinbare Rohre, die drinnen kreuz und quer auf dem Boden herumliegen. 2 O-TON: Man kann sehen, dass Leitungen abgetrennt wurden. Und Kupferrohre geklaut wurden. Hier kann man es erkennen, durchs Fenster. Als Fachmann, der von der Sache Ahnung hat. SPRECHER: Senel hat Ahnung: Er ist Installateur-Meister. Er weiß, dass diese Kupferrohre aus einer Gasleitung heraus gesägt wurden. Die meisten Rohre wurden anscheinend gestohlen, Reste zurückgelassen. Seitdem klafft in dem Ladenlokal eine große Lücke in der Gasleitung. 3 O-TON: Es liegen auf der Straße Gasversorgungsleitungen der Stadtwerke Duisburg, und die gehen in die Häuser hinein. Und diese Hausanschlüsse, solange sie im Haus drin sind, können angegriffen werden oder angesägt und angeflext werden von den Dieben. Und mit einem Funken vom Lichtschalter könnte es dann zu einer Explosion kommen, was sehr verheerende Auswirkungen hätte. 4 ATMO - take 23: Straßenverkehr, Baumaschinenlärm SPRECHER: Beim Vorbeigehen entdeckte der Installateur-Meister zufällig die liegengebliebenen Rohre und wurde aufmerksam. Turhan Senel schaute sich in der Umgebung um, forschte nach und fand heraus: Viele öffentliche Leitungen führten weiterhin wochenlang Gas bis an geräumte Abbruchhäuser. In den geräumten Häusern wurden zwar die meisten Gasgeräte entfernt und dabei Kappen auf die Leitungen gesetzt, damit kein Gas ausströmt. Doch irgendwann nachts kamen Plünderer und stahlen ganze Rohre. Erst als der Installateur-Meister Alarm schlug und sich eine Bürgerinitiative bildete, reagierte die Stadt: Sie ließ eine Baugrube ausheben, bis die öffentlichen Hauptleitungen freigelegt waren. Erst dann wurden die Übergänge gekappt, um die Explosionsgefahr endgültig zu beseitigen. Seit kurzem sollen sämtliche Abbruchhäuser vom Gasnetz abgetrennt sein, informiert die Stadt Duisburg. Turhan Senel: 4 O-TON: Wir haben hier mit Nachdruck erwirken können, dass diese Gasanschlüsse abgekappt werden. Warum die Anschlüsse noch so lange drin sein sollten, frage ich mich sowieso. Das hat alles nur Kostengründe sicherlich. Aber das kann ja nicht sein, dass es um Kosten geht, wenn Leib und Leben der Bewohner der Umgebung im Spiel sind. Das ist mit nichts zu rechtfertigen. SPRECHER: Auch Senels Haus soll spätestens im nächsten Jahr platt gemacht werden. Im Mai 2010 begann der Flächenabriss des westlichen Teils von Bruckhausen. Dutzende Häuser wurden seitdem beseitigt. Nach amtlichen Zahlen sollen bereits 281 Privat-Haushalte weggezogen sein. Insgesamt 121 Gebäude werden nach Angaben der Kommune bis Ende 2013 abgerissen. 5 ATMO - take 24: Straße, Stimmen SPRECHER: Bruckhausen war schon immer ein ungewöhnlicher Stadtteil: Im Süden und Osten grenzt er an eine langgestreckte Kurve der Autobahn 42, im Norden an Bürogebäude der ThyssenKrupp AG. Im Westen erhebt sich die große Schimanski-Kulisse: das Stahlwerk von ThyssenKrupp, eines der größten der Welt. Über hundert Jahre lang trennte nur die vielbefahrene Kaiser-Wilhelm-Straße das Stahlwerk und die Wohngebiete voneinander. Aber das wird sich bald radikal ändern: Zwar bleibt das gigantische Stahlwerk auf der einen Straßenseite. Aber die Wohnhäuser auf der anderen Seite werden verschwinden. 2014 soll dann auf dieser Schneise ein großer, grüner Park errichtet werden: zwischen dem Stahlwerk und der verschonten Wohnbebauung weiter östlich. Edeltraud Klabuhn ist die Stadtteilmanagerin der verantwortlichen Entwicklungsgesellschaft Duisburg: 5 O-TON: Wenn Sie draußen schauen: Sie sehen sofort das Werk von ThyssenKrupp Stahl. Bis 2003 ist dort noch die Kokerei in Betrieb gewesen, die sehr viel Schmutz und Dreck nach Bruckhausen gebracht hat. Was dazu geführt hat, dass viele, viele Menschen weggezogen sind und auch noch bis 2007 es so war, dass die Menschen, die industrienaher wohnen, versucht haben, den Stadtteil zu verlassen. So dass dieser Wohnraum innerhalb der Kaiser-Wilhelm-Straße ja bis zum Schluss fast 40 Prozent Leerstand ausgewiesen hat. SPRECHER: Immerhin belastet Thyssen Krupp die Umwelt heute deutlich weniger als früher: Erst im letzten Frühjahr wurde ein neuer Filter eingeweiht, der mehr als eine Tonne Feinstaub pro Tag zurückhalten soll. Der Head of Umweltpolitik, Andreas Theuer, geht davon aus, dass ThyssenKrupp heute viel weniger Feinstaub verbreitet als früher. 6 O-TON: Ich würde mal ganz grob sagen, wir sind sicherlich bei einem Viertel dessen, was wir vor 15 Jahren hatten. Weil einfach sehr große Maßnahmen in den letzten zehn Jahren auch sehr gegriffen haben. 6 ATMO - take 25: Handwerker an Gerüsten auf Gelände des Stahlwerks SPRECHER: Ich wundere mich: Wenn das Stahlwerk in den letzten Jahren immer sauberer wurde, warum wird dann ausgerechnet jetzt das über hundert Jahre alte Wohngebiet gegenüber abgerissen? Prompt versichert der Umweltexperte von ThyssenKrupp: 7 O-TON: Der Grüngürtel ist keine Maßnahme, um jetzt hier bei ThyssenKrupp Verbesserungen herbeizuführen. Das ist keine Sanierung aus Umweltgründen. SPRECHER: Was die Sanierung dann aber sonst sein soll, möchte ThyssenKrupp lieber nicht verraten. Warum investiert Thyssen so viel? 8 O-TON: Dazu kann ich jetzt hier keine Stellungnahme abgeben. SPRECHER: Dabei hat ThyssenKrupp sehr großzügig für den Abriss und den Park gespendet: immerhin 36 Millionen Euro! Politisch verantwortlich ist das Duisburger Stadtparlament: Die Kommunalpolitiker sahen bereits im Jahr 2007 für Bruckhausen-West ein öffentliches Interesse an einem städtebaulichen Sanierungsverfahren. Dafür verlangt das Baugesetzbuch eine vorbereitende Untersuchung, die Duisburg an Deloitte vergab - ein Unternehmen für "Wirtschaftsprüfung, Consulting und Corporate Finance". Deloitte ermittelte prompt einen "zwingenden Handlungsbedarf" wegen der hohen Zahl "devastierender Gebäude" in West-Bruckhausen. Von devastierenden Gebäuden sprechen Stadtplaner meist nach "Kriegshandlungen, Bränden oder Seuchen", wie bei Wikipedia nachzulesen ist. Die Kommunalpolitiker zeigten sich beeindruckt und beschlossen, den Schandfleck zu beseitigen. Das Problem dabei: Duisburg ist praktisch pleite. Für die Kommune Duisburg kommentierte deren Sprecher Josip Sosic: 9 O-TON: Am schönsten wäre es, wenn die Stadt über eigene Mittel verfügt. Wenn man das selbst durch Steuern bezahlen könnte. Wir haben hier den glücklichen Umstand, dass wir zwei Quellen anzapfen konnten und das nötige Geld so zusammen kommen konnte. Aber das Verfahren wird dann so abgearbeitet, wie es vom Rat der Stadt beschlossen worden ist. Der Rat der Stadt hat im Prinzip den Rahmen abgesteckt und das ist die Grundlage für die Entwicklungsgesellschaft Duisburg und die städtischen Ämter, die damit betraut sind. Und nichts anderes. Da redet von der Seite sonst keiner herein. SPRECHER: Rund 72 Millionen Euro kostet das Sanierungsprojekt insgesamt: vor allem für die Entschädigung betroffener Mieter und Hausbesitzer, den Abriss der Gebäude und die Errichtung des neuen Parks. Die gewaltige Summe zahlen ThyssenKrupp und die Europäische Union jeweils zur Hälfte. Die Stadt Duisburg schreibt dazu auf ihrer Website: ZITATOR: Die Mitfinanzierung des Projektes durch die ThyssenKrupp Steel AG stellt eine Novität in der Bundesrepublik Deutschland dar. Erstmals wird eine städtebauliche Sanierungsmaßnahme durch ein privates Unternehmen wesentlich mitfinanziert. 7 ATMO - take 26: Abrissbagger räumt Schuttreste ab SPRECHER: Zurück im Abrissviertel. Je länger ich die verbliebenen Häuser betrachte, desto überraschter bin ich. Manche wirken zwar sehr schlicht, aber viele andere durchaus herrschaftlich und großzügig: wie die ehemalige Direktorenvilla des Installateurs Turhan Senel. Manche Bürgerhäuser wurden im Stil der Gründerzeit gebaut. Durch die Abrisslücken sehe ich begrünte Innenhöfe. Ganze Straßenzüge voller "devastierender Gebäude" habe ich mir anders vorgestellt. Auch in vielen Medien wird Bruckhausen als ärmliches "Arbeiterviertel" beschrieben. Die Stadthistorikerin Katrin Gems forscht seit langem zu dem Stadtteil. Sie kommt zu einem anderen Schluss: 10 O-TON: Bruckhausen war ein Geschäftsviertel. Da gibt es in jedem Haus ein Geschäft. Wir haben ja gerade auch diese typische Hinterhof-Bebauung in Bruckhausen, die größtenteils noch gut erhalten ist. Wo dann die Werkstätten lagen und die Backstuben. Die Leute, die bei Thyssen gearbeitet haben, die mussten essen, die mussten sich anziehen, die wollten Uhren haben und ihre Haare schneiden lassen. Und irgendwo musste das hier stattfinden. SPRECHER: An vielen Fassaden ist der Glanz der Gründerzeit allerdings inzwischen verblasst: Stuck und Steinfiguren sind schwarz angelaufen. Putz bröckelt, ganze Steine fehlen und in einigen Dächern klaffen Löcher. Bunt sind an diesen Stellen nur die Graffitis. Manche Häuser sehen auch durchaus ruiniert aus. Die Sanierer betrachten sie als Beleg, dass ein Flächenabriss notwendig ist. Es gibt allerdings auch andere Stimmen. Die Stadthistorikerin Katrin Gems wuchs im benachbarten Stadtteil Beeck auf und kennt Bruckhausen seit ihrer Kindheit: 11 O-TON: Das ist Ruhrgebiet, wie wir es alle im kollektiven Gedächtnis haben. Und Thomas Parent, der stellvertretende Direktor des LWL- Industriemuseums, sagt: Das ist wirklich der letzte erhaltene Ort, wo man das Ruhrgebiet noch so sehen kann, wie das Ruhrgebiet früher war. Er sagt, das nächste vergleichbare Ensemble, das er kennt, das steht in Oberschlesien. Also ganz, ganz weit weg. Und das ist eigentlich für das Ruhrgebiet furchtbar, was hier passiert. Dass so etwas wie die Altstadt des Ruhrgebiets vernichtet wird. SPRECHER: Als zu Anfang des Jahres massenhaft abgerissen wurde, schrieben Städtebau-Experten einen öffentlichen Brief. Unter ihnen: der international bekannte, ehemalige Städtebauminister Nordrhein- Westfalens, Professor Christoph Zöpel. In dem Brief heißt es: ZITATOR: Der in Bruckhausen eingeleitete Flächenabriss, die dabei angewandten Praktiken, die Zerstörung von baukulturell wertvoller Substanz und die Auslöschung stadtgeschichtlicher Identität sind mit den Zielsetzungen einer umsichtigen Stadtentwicklungspolitik unvereinbar. Wir alle haben uns vor Ort davon überzeugt, dass der Stadtteil mit mehr als fragwürdigen Methoden der Entmietung, Verdrängung und unter Anwendung einer Veränderungssperre in den Verfall getrieben wird. SPRECHER: Die Kritiker meinen, dass das betroffene Wohnviertel schützenswert ist. Oder zumindest war, denn neben dem Abriss setzt nun schon seit fünf Jahren die Veränderungssperre dem Viertel zu: Seitdem müssen Hausbesitzer die Kommune fragen, ob sie ihr Haus reparieren oder auch nur einen neuen Mieter aufnehmen dürfen. Die Stadt Duisburg entscheidet dann darüber. Edeltraud Klabuhn von der Entwicklungsgesellschaft Duisburg: 12 O-TON: Es musste beantragt werden. Zum Beispiel, wenn ein Haus gedeckt werden musste, weil sonst ein großer Schaden eingetreten wäre, war es möglich. Es musste nur der Stadt angemeldet werden und es musste bewilligt werden. Auf der anderen Seite konnten Hauseigentümer nicht mehr ihre Bäder vollkommen neu renovieren mit dem Gedanken: Wenn ich dann den Gutachter habe, ist mein Bad mehr wert. SPRECHER: Die Sanierer müssen den Besitzern ihre Häuser abnehmen, damit sie sie später abreißen können. Vorher ermitteln Gutachter den Verkehrswert, der den Besitzern dann als Entschädigung gezahlt wird. Alternativ können Häuser gegen "gleichwertige" Objekte anderswo getauscht werden. Betroffene und Kritiker meinen allerdings: Wo Häuser wegen der Veränderungssperre jahrelang nicht renoviert werden, fällt nachher der Verkehrswert zwangsläufig niedrig aus. Und die Stadt würde neue Mieter gerne ablehnen: Weil sie sie sonst später teuer entschädigen müsste für den Umzug. Stattdessen zahlt die Stadt sogar bares Geld an jeden alteingesessenen Mieter, der abwandert. Im Sozialplan sind zum Beispiel 2300 Euro Umzugshilfe für einen Dreipersonen-Haushalt festgelegt. Gratis gibt es Ratschläge, wo neue, günstige Wohnungen zu bekommen sind. Über 40 Prozent der abwandernden Mieter ziehen laut Statistik nur ein paar hundert Meter weiter nach Ost-Bruckhausen: dorthin, wo die Häuser stehen bleiben. Edeltraud Klabuhn: 13 O-TON: Wir haben jetzt noch etwa 60 Familien, die umziehen müssen. Die gar nicht umziehen wollen, das ist zu uns bisher noch nicht gedrungen. Das kann natürlich bei den 60 sein, das wird sich nachher herausstellen. Auf der anderen Seite haben wir einige Familien, die sich sehr schwer tun, die auch sehr verwurzelt sind und das muss man auch verstehen. Und da bemühen wir uns auch. Und wir unterstützen auch durch Sozialarbeiter, dass man diese Menschen begleitet. 8 ATMO - take 27: Abrissbagger, Container kracht SPRECHER: Doch dabei scheint auch einiges schiefzugehen. Die Stadthistorikerin Katrin Gems führt zu einer der vielen Baulücken an der Edithstraße: Der Schotter auf dem Grundstück wirkt noch frisch, und es liegt weniger Müll herum als auf anderen Parzellen. Gems zeigt Fotos von dem Eckhaus, das hier bis Juni stand: Alte Aufnahmen zeigen ein Geschäft für Haushaltwaren, jüngere eine rußgeschwärzte Hausruine: 14 O-TON: Dann hat eines Abends jemand - das ist beobachtet worden - einen Stein in die Scheibe geworfen und einen Molotowcocktail hinterher. Das war dann das Ende des Haushaltswarengeschäftes. Soweit ich weiß, war das auch einer der Eigentümer, die nicht an die Stadt verkaufen wollten. SPRECHER: Ein paar Ecken weiter bin ich mit einem ehemaligen Mieter aus der Heinrichstraße verabredet. Er hatte sich dort eigentlich gut in seiner Wohnung eingerichtet, erzählt Manfred Hoffmann. 15 O-TON: Ich hatte hinten eine Terrasse gebaut und hatte einen Schuppen gebaut für die Kaninchen. Ich wollte auch noch Hühner halten, aber dazu ist es nicht mehr gekommen. Und ich fühlte mich dort sauwohl. Bis ans Lebensende, habe ich gedacht. Aber das war mal nicht so, ne? 9 ATMO - take 28: Baulärm, Presslufthammer SPRECHER: Nein, es kam ganz anders, erzählt Herr Hoffmann. Pünktlich zum Heiligen Abend 2011 wurden ihm zum ersten Mal die Fensterscheiben seiner Erdgeschoß-Wohnung eingeworfen. Doch das war erst der Anfang. Während schon damals draußen umliegende Häuser abgebrochen wurden, hörte Hoffmann eines Tages im Nebenhaus einen Pressluft-Hammer. Dieser Hammer kam immer näher. 16 O-TON: Angeblich haben die geguckt, wie stark das Mauerwerk vom Nachbarhaus zu meinem Haus ist. Aber da haben sie so viel heraus geklopft, dass sie schon bei mir in der Küche gelandet sind. Mit dem Presslufthammer. Da sind dann Fotos von gemacht worden. Und die haben das dann anschließend notdürftig zugekleistert. 10 ATMO - take 29: Schritte hinein in Bau SPRECHER: Die Aufnahmen zeigen das Loch in der Wand. Hoffmann wollte trotzdem unbedingt in seiner Wohnung bleiben. Da eskalierten die Ereignisse. 17 O-TON: Ein Fenster haben sie eingeschmissen, obwohl alles hell beleuchtet war. Pflasterstein durch geschmissen und er landete im Sessel. Ich bin schnell hingerannt, ich hätte fast den Baseball-Schläger an den Kopf gekriegt, also zweimal in die Scheibe herein geklopft. Polizei angerufen. Alle Male, wo sie da waren, habe ich die Polizei angerufen. Die allerdings immer ca. eineinhalb Stunden gebraucht haben, bis sie da waren. SPRECHER: Die Polizei wird später in einer Stellungnahme die Backstein-Würfe als Sachbeschädigung einstufen. Sie sei jeweils etwa nach einer halben Stunde erschienen. Zum Stand der Ermittlungen könne man aktuell nichts sagen. Nach dem letzten Vorfall war Hoffmann dann bereit, umzuziehen - sein ehemaliges Wohnhaus wurde mittlerweile abgerissen. Die Stadt Duisburg vermittelte ihm eine Ersatzwohnung im Nachbarstadtteil Marxloh. Um die Miete muss er sich nicht sorgen, da sie nach seinen Angaben vom Sozialamt übernommen wird. Doch trotzdem gab es auch in der neuen Wohnung gleich neue Probleme: 18 O-TON: Da hingen erst mal die Tapeten in Fetzen herunter, die Teppiche waren kaputt. Und da waren zwei Stufen, kein Handlauf. Und für mich ist es schon schwierig, da hoch zu klettern. Der Umzug wurde von der Kirche gemacht. Allerdings zu meinem Schaden praktisch: Ein Schrank total kaputt, ein Sessel kaputt. Jugendliche waren das und die haben alles in ein Zimmer geräumt. Was das Wohnzimmer war. SPRECHER: Schließlich bekam ein Mitarbeiter des Sozialamts Mitleid: Gemeinsam mit einem Kollegen rückte er Hoffmans Möbel an die richtigen Stellen. Seine neue Wohnung empfindet Hoffmann nun als halb so klein wie die alte, genaue Quadratmeter-Zahlen habe ihm bisher niemand nennen können. Überhaupt sei auch der letzte Kontakt mit der Entwicklungsgesellschaft Duisburg unerfreulich verlaufen. Dabei wollte Hoffmann damals eigentlich nur noch ein paar Möbel aus der alten in die neue Wohnung nachholen und den Sperrmüll entsorgen. 19 O-TON: Da waren schon Bretter davor genagelt. Da habe ich mich dann beschwert bei der EGDU und da haben die gesagt: Was ist denn da noch drin? Ich sage: Ich muss den Sperrmüll noch herausholen. Denn es wurde ja gesagt: Sonst gibt es den Rest Geld nicht. Ne, unterschreiben Sie mal, wir machen das selber mit dem Sperrmüll. Damit war die Sache für den erledigt. SPRECHER: Seit Mai beschäftigt die Stadt Duisburg einen Wachdienst in Bruckhausen, allerdings nach eigenen Angaben nur "in den Abendstunden und zum Wochenende". Die 60 Haushalte, die bis jetzt in West-Bruckhausen ausharren, können da nur hoffen, dass sich Plünderer und Gewalttäter an diese Zeiten halten werden. Zum Schluss bleibt die Frage: Warum der ganze Aufwand? Warum soll der Westen von Bruckhausen auf Teufel komm raus geräumt werden? Und warum gibt ThyssenKrupp das viele Geld dazu? ThyssenKrupp verweigerte dazu trotz mehrerer Anfragen eine Stellungnahme und forderte auf, die Stadt Duisburg zu fragen. Doch darüber hatte sich deren Sprecher Josip Sosic schon im Juni gewundert: 20 O-TON: Nein, ehrlich? ThyssenKrupp hat seine Hauptverwaltung gleich nebenan, das ist sozusagen der Vorgarten von Thyssen Krupp. Und der macht nicht unbedingt einen ansehnlichen Eindruck. 1