Weltoffen und streitbar Eine Lange Nacht mit Volker Schlöndorff zum 80. Geburtstag Autor: Josef Schnelle Redaktion: Dr. Monika Künzel Regie: Rita Höhne Sprecher: Udo Schenk Sendetermin: 30. März 2019 Deutschlandfunk Kultur 30./31. März 2019 Deutschlandfunk ___________________________________________________________________________ Urheberrechtlicher Hinweis: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © Deutschlandradio - unkorrigiertes Exemplar - insofern zutreffend. 1. Stunde Der französische Freund Musik: Die Blechtrommel Marschmusik zu Walzer-szene Frage: () Wenn Sie auf ihr Leben zurück schauen Schlöndorff: Ungern Frage: () Haben Sie es manchmal bereut, Filmemacher geworden zu sein? Schlöndorff: Überhaupt nicht. Ich kann mir gar nicht vorstellen, dass ich irgendwas Anderes in meinem Leben gemacht hätte, als Filme. Ich kann mir vorstellen vielleicht andere Filme gemacht zu haben oder andere Privatleben gelebt zu haben, aber ich kann mir nicht wirklich vorstellen – ich wäre eigentlich gerne Architekt geworden – aber ich kann´s mir eigentlich nicht vorstellen. Um Gottes willen. Das wär ja schrecklich gewesen. Ich hab einfach das Gefühl ich hab das für mich genau Richtige gefunden, ja Erzähler: Volker Schlöndorff ist sehr aktiv und lebendig, hat viele Pläne für neue Filmprojekte und ist offen für alle auch für die politischen Fragen, die derzeit die Welt bewegen. Auf sein bewegtes Leben soll in dieser Langen Nacht gemeinsam mit dem Jubilar zurückgeblickt werden: mit einem besonderen Augenmerk auf seine Lehrzeit im französischen Kino der „Nouvelle Vague“ der 1960er Jahre mit Lehrmeistern wie Louis Malle und Jacques Rivette, mit einem ausführlichen Blick auf das Kino des Jungen Deutschen Films, das er entscheidend geprägt hat und mit einem besonderen Schlaglicht auf seinen erfolgreichsten Film „Die Blechtrommel“ nach Günter Grass Roman für den er 1979 die Goldene Palme in Cannes gewann und wenig später einen Oscar mit nach Hause nehmen konnte. Er setzte mit dem beispiellosen Erfolg des Films auch beim Publikum das neue deutsche Kino auf die Landkarte der Weltkinematografie und schuf ein zeitloses Meisterwerk der Verfilmung von Werken der Literatur. Heinrich Böll, Max Frisch, Arthur Miller und Marcel Proust lieferten unter anderen die Vorlagen für seine Filme. Aber er ist nicht nur Literaturverfilmer. Sein filmisches Gesamtwerk hat ästhetische Maßstäbe gesetzt, die darüber hinausweisen. An der besonderen Bedeutung, die „Die Blechtrommel“ für sein Leben hatte, ändert das jedoch auch in der Selbstwahrnehmung Volker Schlöndorffs nichts Musik: Die Blechtrommel Marschmusik zu Walzer-szene O- Ton Schlöndorff: Also dass man sich überhaupt noch an mich erinnert und ich weiter arbeiten kann liegt immer wieder daran. Ich muss nur wieder dieses eine Wort wie ein Markenzeichen fallen lassen: Blechtrommel The Tin Drum, dann spitzen alle die Ohren und dafür kann man ja nur dankbar sein. 34:20 Szene: „Die Blechtrommel“ Trommeln Oscar mit Schrei Musik: „Un Amour de Swann“ Hans Werner Henze 2013 Stück 3: Die Liebenden Erzähler: Geboren ist Volker Schlöndorff als Sohn eines Arztes in Wiesbaden. Wenn er von seiner ersten Begegnung mit der amerikanischen Kultur schon in den Kindheitstagen berichtet, dann klingt das wie eine kleine Kinoerzählung, wie ein Film, den man gerne sehen möchte und man versteht auch wieso ihm später nach dem Gewinn des Oscars die Anpassung an die amerikanische Kultur für eine geraume Zeit so leicht gefallen ist O- Ton Schlöndorff: Die amerikanische Kultur ist meine Muttermilch gewesen, denn ich war sechs Jahre alt, als die Amerikaner nach Deutschland kamen und es ist übrigens eine meiner allerersten Kindheitserinnerungen, das so mit dem Ruf voraus: Sie kommen, sie kommen! wir uns im Wald versteckt haben. Ich wohnte mit meinem Vater und meinen beiden Brüdern in so ´ner Holzhütte im Behelfsheim in Schlangenbad im Taunus – wir waren ausgebombt gewesen – dann kamen tatsächlich die Amerikaner durch diesen Wald auf einer breiten Straße ungeteerten Straße mit ihren riesigen Fahrzeugen und wir waren versteckt außerhalb des Hauses im Wald hinter Bäumen und haben die da vorbeifahren sehen. Das wird ich nie vergessen: die Macht dieser Fahrzeuge. Das waren keine Panzer, waren große LKWs und Jeeps und Crafttracks. Die Fahrer waren beeindruckend, weil die waren schwarz. Das waren die ersten Schwarzen, die wir gesehen hatten mit ihren weißen Zähnen und die haben dann in diesem kleinen Kurort ihren Model-Pool aufgemacht und da lauter Hotels und Pensionen waren sehr geeignet um Soldaten unterzubringen. Dann haben die da so´n kleinen Stützpunkt gehabt. Und von dem Tag an im April 1945 sind wir Kinder jedenfalls mit den Amis aufgewachsen. Da wurden sehr schnell Freundschaften geschlossen, jeder hatte seinen Ami. Mein Ami. Die waren interessiert einfach so. Das waren ja blutjunge Burschen aus irgendwoher Nebraska, Iowa, Sonstwoher , 19, 20 Jahre alt, verteilten Chewing-Gums und Chocolate all diese berühmten Geschichten in der Nachkriegszeit. Vor allen Dingen die Schwarzen waren sehr sehr kinderlieb. Unsere Eltern ham das, unser Vater jedenfalls, mit viel viel Vorbehalt beobachtet. Die konnten überhaupt mit dieser kultur nix anfangen. Na ja, das nächste Wort ist „Jazz“ und ist da locker im Jeep rumzufahren mit einem Bein was rausbaumelt und das war also sowas von anders als die deutschen Landser, die gerade kurz vorher noch vorbeigezogen waren und ihre Waffen da in irgendwelche mit Regen gefüllten Bombentrichter schmissen umd das los zu werden, abgemagerte, geschlagene Gestalten und dann kamen diese jungen Sieger – manchmal hab ich gesagt die waren deshalb unsere natürlichen Verbündeten, weil sie unsere Eltern besiegt hatten - das war mir wahrscheinlich da nicht so bewusst aber wir sind mit Begeisterung zum Feind übergelaufen. Ich war – wie gesagt – sechs Jahre alt und mein älterer Bruder war fünf Jahre älter und die Jungs und Mädchen im Dorf, die waren auch meistens etwas älter aber alle haben sich den Amerikanern an den Hals geschmissen, nicht weil se die Sieger waren, sondern weil sie überzeugende Sieger waren. Musik O- Ton Schlöndorff: Die hatten natürlich die Musik auch. Das war noch nicht Mal unbedingt Jazz aber Glenn Miller, die amerikanischen Schlager, das war auch Hillibilly und wir ham sofort natürlich wie das Kinder tun – Englisch gelernt, jedenfalls genug , um uns zu verständigen. Wir haben jeden Tag AFN American Forces Network gehört, kannten sämtliche Sprüche auswendig, die da drin waren, swap-shot hillibilly und the Glenn Miller-Hourmit , Montovani fällt mir sofort ein. Ich bin mit mindestens soviel amerikanischen wie deutscher Kultur in dieser Nachkriegsphase aufgewachsen. Un als ich dann 40 Jahre später nach New York kam, hatt ich das Gefühl: es ist mir alles vertraut. Ich kenn es nicht nur ausm Kino natürlich, sondern ich kenn es aus der Kindheit. Die Offiziere ham ja dann auch ihre Familien mitbringen können und wir hatten dann auch kleine amerikanische Spielkameraden in unserem Alter. Also das iss ne Kultur, die mir völlig vertraut war und die ich wirklich geliebt hat und die ich mir auch durch Trump und alle Vietnamkriege und alles was es Schreckliches inzwischen gegeben hab nicht ausreden lasse. Das ist eine Kultur – so wie wir sie erfahren haben – die einfach Freiheit atmet, die Lockerheit atmet, die dem Individuum vertraut, die den Tatsachen mehr als den Ideen vertraut. Ich war vollkommen in dieser Kultur drin und wenn Amerika nicht so weit gewesen wäre, wär ich wahrscheinlich nach Amerika gegangen statt nach Frankreich. Das wurde dann meine zweite Kultur. Ich weiß gar nicht, ob ich ne deutsche Kultur hab, wenn ich drüber nachdenke. Erzähler: Doch das Schicksal meinte es ganz anders mit Volker Schlöndorff. Zwar kam er schon in Wiesbaden bei seinen Besuchen in der Filmbewertungsstelle Wiesbaden-Biebrich mit Franz Rath zusammen, der dort die Filme vorführte und später bei Schlöndorffs Erstling „Der junge Törless“ 1966 die Kamera bedienen sollte. Doch erst ein Schüleraustausch mit Frankreich führte zu einer entscheidenden Wende in Schlöndorffs Leben. Er brachte ihn 1955 an ein Jesuiten-Internat in Vannes in der Bretagne. Er lernte dort aber nicht nur Französisch, sondern blieb anders als seine Klassenkameraden bis bis zum Baccalauréat und schaffte das französischen Abitur am „Lycée Henri Quatre“ in Paris. Auch sein Blick aus das Leben veränderte sich. Er entdeckte seine Liebe zum Film. Dafür war vor allem ein bestimmter Pater verantwortlich, den die Mitschüler wegen seiner Leidenschaft für die Künste „Pater Picasso“ getauft hatten. O- Ton Schlöndorff: () Es gibt zum Beispiel eine wunderbare Karikatur von Kalder () der war tatsächlich ein sehr, sehr kunstsinniger und aber auch sehr politischer Jesuit, der in der Résistance war, wovon er nie gesprochen hatte, aber der gleich nach dem Krieg sich um Flüchtlingslager in Deutschland gekümmert hat, der dadurch deutsch sprach und als ich nun als Deutscher dann auf das Internat kam, wurde ich ihm zugeteilt. Eine glückliche Fügung, denn er war auch Leiter unseres Film- und Theaterklubs und dann hat er mich erstmal in die Theatergruppe gesteckt. Ich konnte kein Wort Französisch, hat mir eine kleine Rolle in irgendeinem Stück gegeben, musste ich halt diese zehn Sätze aus diesem Stück auswendig lernen, die hab ich dann überall wo ich konnte angebracht. Dann hab ich zum ersten Mal einen Stummfilm gesehen, da auf seinem 16mm-Projektor  und das war die Jeanne d’Arc von Dreyer, die unglaublichen Großaufnahmen von der Falconetti , wie ihr die Haare geschoren werden und wer noch ergriffener war als ich, das war dieser Pater Picasso, wie wir ihn nannten, in dem also buchstäblich bei jedem Mal wieder die Tränen übers Gesicht liefen und da hab ich auf einmal gemerkt: Kunst, das ist ja nicht nur die Oper in Wiesbaden, sondern das ist ja etwas, was einen wirklich an Bauch und an die Nieren gehen kann. Und der hat dann als er meine eigene Begeisterung für Film spürte, mir gesagt „Ja dann musst du auch Film mache, dann darfst du jetzt nicht Medizin oder Jura studieren, du musst das ernst nehmen, was du das in dir spürst“. Einen solchen Rat hätte mir bestimmt kein Lehrer auf unserem Gymnasium in Wiesbaden gegeben und dafür bin ich ihm sehr dankbar.28:27 Musik: Der Junge Törless (Henze) Erzähler: Während Volker Schlöndorff also offiziell auf Wunsch seines Vaters ein biederes Jura-Studium absolvierte, bereitete er sich heimlich auf die Aufnahme an der Filmhochschule „Institut Des Hautes Etudes Cinématographique“ IDHEC in Paris vor. 1960 stellte ihn der filminteressierte Schriftsteller Roger Nimier seinem Freund Lous Malle vor, für den er den frühen Klassiker des Film Noir „Fahrstuhl zum Schafott“ geschrieben hatte. So wurde der filmbegeisterte junge Deutsche zunächst nachgeordneter Hospitant bei „Zazie in der Metro“. Es begannen fünf Jahre, in denen Schlöndorff bei den „jungen Wilden“ des französischen Kinos als Regieassistent herumgereicht wurde - zu Alain Resnais und Jean-Pierre Melville zum Beispiel. Und so kommt es, das Volker Schlöndorff vor seinem ersten eigenen Film mit einer Reihe von Meisterwerken in Verbindung gebracht werden kann. Als Regieassistent betreute er 1963 den stilbildenden Film „Der Teufel mit der weißen Weste“ mit Jean-Pierre Belmondo als kleinem Gangster bei dem von Schlöndorff sehr verehrten Regiestar Jean- Pierre Melville und in „Letztes Jahr in Marienbad“ feierte er 1961 mit Regisseur Alain Resnais die kühne Umsetzung eines avantgardistischen „Nouveau Roman“ von Alain Robbe-Grillet ins Filmmedium. Immer wieder arbeitete er vor allem mit Louis Malle zusammen, mit dem er sogar 1965 an dessen Kultfilm „Viva Maria“ mitwirkte. Worum es eigentlich geht in dieser komödiantischen Geschichte einer Zirkuskompagnie, die in die Wirren eines lateinamerikanischen Aufstandes hineingezogen wird, fragt einmal die anarchistische Kunstschützin Maria im Film, gespielt von Brigitte Bardot und bekommt diese Antwort: Filmausschnitt: Viva Maria: Revolution Um mich herum gab es nichts als Armut und Not. Hunger. Unrecht und Gewalttätigkeit. Ich konnte es nicht mehr ertragen. Ich bin in die Dörfer gegangen. Die Bauern haben mich angehört. Einige sind mir gefolgt. Aber wir hatten so gut wie keine Waffen. Sie wurden alle gefangen oder getötet . Seit zwei Monaten haben mich Rodriguez Leute überall gesucht. Auf meinen Kopf steht ein Preis. Ich weiß was mich erwartet. – Aber, was haben Sie gemacht? – Revolution! O- Ton Schlöndorff: Die Regieassistentenzeit war die Schönste. Man hatte alle Privilegien und keine Verantwortung. Man hatte nicht die Verantwortung für den Film. Man hatte zwar die Verantwortung für den Drehplan, für den nächsten Drehtag und das die Organisation lief aber man nicht dieses Gewicht auf der Schulter wie gerade zum Beispiel bei „Viva Maria“ der Louis Malle der zwischen den beiden Stars Brigitte Bardot und Jeanne Moreau lavieren musste. Ich kannte beide Schauspielerinnen schon von früheren Filmen wo ich Regieassistent gewesen bin. Das war sehr sehr anstrengend das zusammen zu halten, da durch Mexiko zu ziehen mit so einem Wanderzirkus aber es war natürlich unglaublich schön, weil man das Gefühl hatte man erfindet das Kino neu, man hat das Privileg zum Beispiel, dass da immer 30 Pferde am Set sind, die man auch reiten konnte. Man hatte diese alten Kutschen, den ganzen Zirkusteil. Filmausschnitt: Viva Maria-Lied Kurzfassung (Atmo) O- Ton Schlöndorff: Ich bin ja eh so´n Zirkusnarr. Wir hatten ja unseren eigenen Zirkus dabei und das war einfach ne wunderbare Zeit obwohl ich da gegen Ende mit dem Louis Malle sehr in den Clinch gekommen bin, weil ich mich doch in die Regie einmischen wollte, ohne mir dessen bewusst zu sein und das bemerkte weil ich immer an ihm rumkritisierte oder wenn er ne Szene einrichtete und murmelte: das könnte doch auch hier und warum nicht da bis er sagte: ich glaub, ich hab keinen Assistent mehr an meiner Seite sondern einen Richter. Das war natürlich schrecklich, denn ich hab ihn verehrt und wollte nicht das. Aber das war gleichzeitig der Fußtritt, der mich in die Unabhängigkeit befördert hat. „Das muss ich selbst machen. Ich kann mich nicht mehr hinter nem Regisseur verkriechen, jetzt muss ich selbst die Verantwortung übernehmen.“ Und bin dann nach Deutschland zurück gekommen. Ich merke wie begeistert ich darüber spreche. Im Grunde war die Assistenzzeit die schönste Zeit. Es waren verschiedene Regisseure, es waren verschiedene Stoffe und alles war zum ersten Mal. Bei jedem Film immer wieder . Ungefähr ein Dutzend Filme in den fünf Jahren und ich kann mich heute noch an jeden einzelnen Tonmann wie er das Mikro gehalten hat, so Namen Buhlat Uhr, Roger Cipion, der eine war Aufnahmeleiter, der andere der Hauptbühnenarbeiter. Das hat sich mir – ich war ja sehr jung angefangen mit 20 und mit 25 hab ich aufgehört – und was man in den Jahren erlebt hat. Das prägt sich ein für immer. Besser als das was gestern passiert ist jedenfalls. Musik: Soundtrack Viva Maria Musik 3´30 Lied Jeanne Moreau/Brigitte Bardot (Mittendrin stumme Passage mit folgendem Text darin ) Erzähler: Weil die Zuhörer im Saloon sich langweilen und erst aufwachen, als die eine „Maria“, gespielt von Brigitte Bardot, aus Versehen ein bisschen Stoff von ihrem Krinolinenrock herunter reißt, worauf auch die „andere Maria“, gespielt von Jeanne Moreau ihr Kleid zu zerfetzen beginnt, bis die beiden so ganz nebenbei den Entkleidungstanz entwickeln, einen Striptease, den sie immer lustvoller im Wettbewerb miteinander zum komischen Chanson verknüpfen, das auch perfekt in die damalige Zeit beginnender sexueller Freizügigkeit passt. Überhaupt erfreute sich der Film in den Kreisen der rebellischen Studentenbewegung der 1960er Jahres eines Kultstatus mit Bardot und Moreau als attraktive „Spaßguerilla“-Kämpferinnen. (Weiter Lied Viva Maria) Erzähler: Schlöndorffs Lehrzeit bei seinen Freunden von der „Nouvelle Vague“, die auch einen nie erlahmenden Dialog über die Bedeutung und den besonderen Einfluss der Filmkunst auf Kultur und Politik führten, prägten ganz entscheidend auch das künftige Leben des Filmemachers. Das sollte ihn von allen anderen Regisseuren des Jungen Deutschen Films unterscheiden. Louis Malles heitere Mitmenschlichkeit, Alain Resnais hintergründige Experimentierlust und Jacques Rivettes kreative Formstrenge finden jeweils ihren Widerhall in Volker Schlöndorffs Werk. Aber auch die allgemeine Neugier auf das stete Pulsieren der Filmkunst und deren nie endender Austausch mit der Filmgeschichte hat sich Schlöndorff in Paris angeeignet und später in das deutsche Kino eingebracht. Eine besonders wichtige persönliche Rolle spielte für Schlöndorff übrigens Bertrand Tavernier, für den er ebenfalls als Regieassistent und in anderen Rollen tätig war, den er aber schon sehr lange persönlich kannte. O- Ton Schlöndorff: Bertrand Tavernier war in der Schule mein Sitznachbar in derselben Bank. Wir haben dann schnell entdeckt, dass wir beide zum Film wollten. Er ist dann den Umweg über die Filmkritik gegangen. Beziehungsweise Hauptsächlich Als Journalist hat er Interviews gemacht, um an Regisseure ranzukommen und so haben wir uns gegenseitig die Beziehungen zugespielt und den Weg geebnet. Und es war für mich auch ne tolle Erfahrung, denn er ist aus einer sehr intellektuellen Familie. Allein den Umgang bei den Sonntagmittagessen wo man dann über Literatur, den neue Buch von Aragon diskutierte bevor der rauskam oder plötzlich Queneau , oder „Zazie in der Metro“ und alle ganz aufgeregt, was da jetzt wieder passiert ist. Das war wirklich. Da war ich voll im Sud der französischen Kultur drin auf dem besten Niveau... Erzähler: Bertrand Tavernier hatte auch Schlöndorffs ersten 12-minütigen Kurzfilm mit dem frechen Titel: „Wen kümmerts“ 1960 mitproduziert und seinerseits dabei den Regieassistenten gespielt. Außerdem war er sich – wie übrigens auch der formal so strenge Jean-Luc Godard – nicht zu schade, als Presseagent zu arbeiten. Die meisten Regisseure der „Nouvelle Vague“ kamen schließlich direkt aus dem Filmjournalismus und verleugneten das nie. Vor allem nicht Tavernier, der später die sensibelsten Charakterporträts des neuen französischen Kinos gemacht hat. O- Ton Schlöndorff: Erst hat er Interviews gemacht. Dann hat er Filme betreut. Zum Beispiel bei „Der junge Törless“ und den nächsten Filmen war er Presseataché - bis er dann seinen ersten Film gemacht hat. Das ist einfach ein Freund fürs Leben. Ich bin auch Pate für seinen ersten Sohn, der inzwischen auch Regisseur und über 40 ist. Also dieser Aufenthalt in Frankreich. Das waren natürlich die Jahre in denen man seine Freunde bildet. Ich bin mit 16 hingekommen und mit 25 weg, da trifft man eigentlich die Freundschaften fürs Leben, die immer halten. Deswegen bin ich da so stark verwurzelt. Das ist gar nicht so sehr dass ich in der Kultur verwurzelt bin. Ich bin in den Menschen und in dem Land verwurzelt. 26:34 Musik: Soundtrack „Eine Liebe von Swann“ Erinnerungen: Stosszeit (Henze) Erzähler: Volker Schlöndorff ist beginnend mit der Musil-Verfilmung „Der junge Törless“ 1966 Filmemacher in Deutschland geworden. Seine Wurzeln in der französischen Filmkultur hat er aber nie verleugnet. Immer einmal wieder wurde er auch mit Stoffen französischen Ursprungs in Verbindung gebracht. Soweit wie 1983 bei „Eine Liebe von Swann“ nach einem Kapitel des Großromans „Auf der Suche nach der verlorenen Zeit“ von Marcel Proust hat er sich aber nie aus dem Fenster gelehnt und dessen Porträt des „Fin de Siecle“ als Lebenshaltung zugespitzt auf die Melancholien des filmischen Moments. Man kann „Eine Liebe von Swann“ als Schlöndorffs Hommage auf das Frankreich seiner Jugend verstehen. Was ihn an dem Stoff gereizt? O- Ton Schlöndorff: Ich bin ja nicht im Frankreich der Jahrhundertwende aufgewachsen, aber als ich in mein erstes Internat in der Bretagne kam. Bei den Jesuiten. Das waren keine Bretonen, sondern fast alle aus Paris und zwar alle von den besten Familien, und Adeligenfamilien, die ihre „schwarzen Schafe“ ins Internat in die Provinz verdammten. Das sind auch Freundschaften, die ich bis heute Pflege, wo ich dann fasziniert war, wenn ich dann bei denen zu Hause in Paris war oder auch in ihren Schlössern an der Loire: wie da im Grunde die vorrevolutionäre Zeit noch weiter lebte. Die Rolle, die der Adel - vielleicht nicht sichtbar - in der französischen Revolution in der Gesellschaft aber immer noch spielt. Ne ganz eigene Art zu sprechen, zu prononcieren, auch natürlich die Wahl der Vokabeln, Abgesehen von den Umgangsformen und da hab ich also noch sehr sehr viel mitbekommen und hab auch damals zur Internatszeit schon die „Liebe von Swann“ gelesen und war vollkommen fasziniert davon, weil sich durch das Buch mir im Grunde die Welt meiner Schulkameraden, meiner Freunde erschlossen hat und umgekehrt durch die Besuche bei meinen Freunden und irgendwie die adlige Großmutter die alle jedes Wochenende zur Jagd und zwar zur Jagd zu Pferd, oft „chasse a court“ also den Hirsch zu Pferd gejagt, ohne Gewehr mit Hundemeute oder im Jockeyclub in Paris mal mit hingekommen. Das war n soziologisches Studium. Das hat mich so interessiert. Ich wäre nie darauf gekommen darüber nen Film zu machen. Das war so ungefähr das Exotischste was ich in meinem Leben erlebt hab, viel exotischer als die amerikanischen Soldaten 1945. Das es diese Welt überhaupt gab. Und als dann Jahre später , 20 fast 25 Jahre später das Angebot kam, durch Zufall weil ich mit Peter Brook und Jean Claude Carriere am Tisch saß und Peter Brook hatte den Film vorbereitet und konnte ihn nun nicht machen wegen Theaterterminen. Der Film musste aber aus rechtlichen Gründen in diesem Jahr gedreht werden. Da hab ich natürlich spontan gesagt: Ja also Peter, wenn Sie das nicht machen können, dann mach ich das gerne. Und die Produzentin war froh, dass ihr Projekt weiterging. Und da hab ich dann noch mal alle meine alten Bekannten aus der Schulzeit aufgesucht und hab die zusammen getrommelt und der Salon ist, wo musiziert wird. Musik: „Eine Liebe von Swann“ Der vergiftete Strom (Henze) O- Ton Schlöndorff: Dann waren das keine Komparsen sondern da war wirklich der halbe französische Adel und Hochadel Le Bon l´arriere Bon waren da alle vertreten inclusive einem Mann, der für die Verhaltensregeln der Spezialist war. Der wusste wie eine Dame sich auf den Sessel setzt und wie tief sie sich in den Sessel setzen darf, mit welcher Hand sie den Fächer hält und wie der Handkuss richtig und falsch ist usw, was alles so nach Papritz klingt, aber das war dort noch eine Stufe raffinierter und dann eben Fanny Ardant, die sich mit Begeisterung auch da rein geschmissen hat, da sie nun die von allen immer bewunderte Duchesse de Guermantes spielen durfte. Es war eine auch am Drehort, weil Sie sagen, die Atmosphäre, hatte ich das Gefühl ich mach hier mehr ne anthropologische Arbeit als ne Inszenierung. Ich versuche so genau wie möglich diese Gesellschaft noch Mal aufleben zu lassen und dann ist mirs ganz wurscht ob Leute sagen: Proust kann man verfilmen oder kann man nicht verfilmen, sondern die Aufgabe war: hier ist das Drehbuch jetzt versuch das Mal herzustellen. Und wie Sie schon bemerkt haben auch in der Ausstattung und es war ne unglaublich schöne Arbeit weil der Kameramann Sven Nyquist, den ich inzwischen ja kennen gelernt hatte und mit dem ich gearbeitet hatte, der hinkam und nun mit seinem schwedischen Bergmann-Auge auf einmal diese französische Gesellschaft gesehen und gefilmt hat und ihm war das alles vollkommen fremd, weil er auch kein Wort von dem Dialog verstanden hat und immer gesagt hat: Um so besser, dann kann ich genauer hinschauen, wenn ich nicht verstehe was die da sagen. Das war ne ganz besondere und schöne Arbeit. Henzes Musik hat noch dazu beigetragen Musik: Eine Liebe von Swann 12 Variations a corde ..... (Henze) O- Ton Schlöndorff : Es gibt ja Vorbilder bei Proust spielt die kleine Violinensonate eine große Rolle, wird ausführlich beschrieben und natürlich haben sich alle Spezialisten darüber gebeugt und gesagt ist das nun von Forré, ist es von Debussy, oder ist es von diesem oder ist es von jenem, man hätte ja nun eines dieser Musikstücke aus Frankreich verwenden können. Ich bin eben zu Henze gegangen und hab eben gesagt: Können Sie nicht diese Musik neu spielen, so dass man das Gefühl hat, oder neu komponieren, dass man sie noch nie gehört hat. Wenn wir heute natürlich ein Stück von Forré hören, das haben wir ja x-mal im Radio und überall gehört. Es hat nicht mehr diese Fremdheit, denn das war ja damals für die Gesellschaft als es zum ersten Mal gespielt wurde war das ja fast revolutionäre Musik. Und so kam es, dass eben Henze eine 12-Ton-Violinensonate und dieses Thema komponiert hat. Und ich finde das trägt sehr viel zu der Merkwürdigkeit des Films bei. Schlussendlich sind das alles Gespenster, was man da sieht. Bei Proust ist es ja am Ende, dass sie praktisch als Gespenster da sitzen, aber wenn wir das heute evozieren ist es fast irgendwie von Anfang an fast wie aus den Büchern von Proust auferstandene Gespenster. Und die Musik trägt da auch sehr sehr viel dazu bei, weil sie so was Irreales hat. Musik: Eine Liebe von Swann 12 cordes... (Henze) wieder hoch O- Ton Schlöndorff: Ich glaube, lange vor dem Tonfilm gab´s die Filmmusik. Lange vor dem Dialog gab es ja die Filmmusik. Film ist ja eigentlich ne Fortführung der Oper bebildert und aber erst Mal mit großer Musik. Und der Dialog. Im Gegenteil: Der Tonfilm hat die Musik verdrängt. Das ist das Paradox. Aber die Musik ist hartnäckig und drängelt sich immer wieder auf. Und ich bin immer sehr sehr sparsam mit Musik umgegangen aber ich weiß, dass das wenige was ich an Musik hatte vom ersten buchstäblich bis zum letzten Film sind bei den Filmen 25 Minuten Musik bei den Filmen. Also nach heutigem Maßstab sehr wenig. Aber diese Momente wenn sie dann einsetzt, dann muss man sie hören. Ich mag keine Musik die man nicht hört, die so untendrunter klimpert als Kleister und sie muss wie man so sagt ´n Akzent setzen und plötzlich der Szene noch mal nen neuen Schub geben () Sogar Filmmusiker verstehen das nicht immer. Sie meinen sie müssten die Szene illustrieren. Sie meinen sie müssten dem Zuschauer suggerieren was er jetzt empfinden soll. Also: Trommelwirbelschlagzeug bei ner Verfolgungsjagd und Geigen bei der Liebesszene. Und der Zuschauer braucht das gar nicht, wenn er mit dem Charakter ne Szene empfindet, empfindet er das sowieso. Aber wenn man dann diese Empfindung des Zuschauers, die ja nachdem er sie erst mal hat. Dann darf erst die Musik einsetzen 16:57 Musik: Montauk Soundtrack Max Richter O- Ton Schlöndorff: Meistens wird Musik eben zu oft und vor allen Dingen zu früh eingesetzt. Und Max Richter hat so eine interessante Mischung samermal: er hat zwar das Geigensolo aber darunter passiert soviel Irritierendes an Elektronik oder so, dass es eben nicht der Stehhausgeiger ausm Café ist, der jetzt noch seinen Schmalz über die Szene gießt, sondern ist fast wie ne Irritation. Die Geige singt so das Lied: wie könnte es so schön sein, wenn es denn so wäre, weil wir wissen ja so ist es nicht.. Ich hab seit vielen Jahren die Musik von dem Max () Richter verfolgt und muss dazu sagen: es ist ja meistens gar nicht Musik, die er zu gewissen Szenen komponiert, sondern er komponiert und dann wird die Musik adaptiert zu den Szenen und so war´s auch in unserem Fall. Er hat auf Sachen zurück gegriffen, die er zum Teil vor zehn Jahren gemacht hat und die wir dann gemeinsam in seinem Studio in Oxford sozusagen adaptiert haben auf den Film wo könnte das hinkommen, wie verändert das dann etwas in der Mischung und wo geht das hin. Wie vieles ists fast ne Sache von Montage. Es ist eben nicht mehr, dass er sich hinsetzt und ne Symphonie schreibt. Der hat nen anderen Umgang für Musik, die glaube ich sehr modern ist. Erzähler: Filmmusik ist für Volker Schlöndorff immer sehr wichtig geblieben. Er setzt sie sehr bewusst und sehr hintergründig ein und lehrt seine persönlichen Prinzipien in diesem Bereich der Filmkunst auch schon einmal an der Filmhochschule in Paris. Hans-Werner Henze war da für ihn sehr wichtig. Der hatte 1966 schon die Musik für Schlöndorffs ersten Film „Der junge Törless“ geschrieben. Bei „Eine Liebe von Swann“ spielt die moderne Musik Henzes für den Stoff, der die Dekadenz der Jahrhundertwende des 19ten zum 20sten Jahrhundert zum Thema hat eine ganz besondere äußerst verfremdende Rolle und erweitert den Film neben aller visuellen Detailtreue und darstellerischen Genauigkeit noch einmal um eine weitere Ebene: Musik: Eine Liebe von Swann - Angst (Henze) Schlöndorff: Es heißt zwar „Eine Liebe von Swann“. Aber es geht aber nicht nur um Gefühle und Eifersucht. Es geht ja im Großen bei Proust auch um den versteckten Antisemitismus in der französischen Gesellschaft. Die Zeit der Dreyfuss-Affäre war das. Irgendwo kommt auch das zwischen den Zeilen überall durch. Man weiß auch inzwischen, dass das Vorbild für diesen Charles Swann war keineswegs der Haas oder ein anderer, sondern das war ein Bankierssohn, die da in der Nähe hinter dem Park wohnten Parque Monseaut. Das ist also sehr sehr spannend sich mal da rein zu begeben. Filmszene: Eine Liebe von Swann - Salonszene Charles. – Tag Bazin – Sie sehen blendend aus – Auriane wird sich freuen, dass Sie hier sind – Kommen Sie, kommen Sie, Ich möchte Sie als Kenner um einen Rat fragen. Ich möchte Ihnen ein Bild zeigen. – Einige Leute behaupten ja diesen Herrn Swann könne man nicht in seinem Haus empfangen. Du solltest das am Besten wissen, da Du ihn rund 50 Mal eingeladen hast und er nicht gekommen ist. (Lachen) - Mein lieber Charles . Ich habe schon vermutet: Sie wollten mich überhaupt nicht mehr sehen. – meine Verehrung Auriane – Ahnen Sie eigentlich wie ich mich langweile wenn Sie nicht da sind? – Warum besuchen Sie uns nicht einige Tage auf Guermantes ? – Meine Schwiegermutter wäre außer sich vor Freude. – Leider kann ich mich im Augenblick nicht aus Paris entfernen. – Charles? – Guten Abend – Heute Nachmittag bleiben Sie aber noch bei uns . Das letzte Mal sind Sie so rasch aufgebrochen. Nur wenn Sie zwanzig Jahre älter wären und ein Blasenleiden hätten könnte man Ihnen das verzeihen. – Haben Sie nicht meinen Bruder gesehen? – Ich bin mit ihm gekommen aber er musste gleich wieder gehen. – Aus welchem Grund? – Wegen einer Besorgung. – Aber wie geht es Ihrem Cousin Guibert. Ich höre er liegt im Sterben. – Aber nein, der wird doch nicht abkratzen um uns den Tag zu verderben. – Jules iss... – Er sagte ihrem Cousin ginge es sehr schlecht. Jeden Augenblick sei mit seinem Ableben zu rechnen. – Das heißt: Er lebt noch und wo Leben ist ist Hoffnung. – Ich kenne doch Guibert. In einer Woche ist er munterer als ich. (Beifall) O- Ton Schlöndorff: Bei Proust heißt es immer: Es ist alles elegant. Für Proustianer ist ein edel eingerichteter Salon im Halbdunkel – Wispern und ne Harfe im Hintergrund – das betrachten die als proustisch. Aber Proust ist ja nun ganz anders: Proust beschreibt die Oberfläche dieser Eleganz und um so grausamer zu zeigen wie´s dahinter stinkt. Deshalb: Eine Episode als die Herzogin, die beste Freundin von Swann nun aufbricht zu einem Abendempfang und der Swann kommt sie besuchen und will ihr im Grunde sagen, dass er nur noch ein paar Tage zu leben hat.Oder so was, dass er sehr krank ist, dass es ihm nicht gut geht. Und der Jeremy Irons sieht ja da auch aus wie ein Gespenst und dann sagt sie: ja da müssen wir drüber reden, nächste Woche kommen Sie wieder wenn ich Zeit habe. Ich muss jetzt schnell los, steigt in die Kutsche und beim Einsteigen bemerkt sie, dass sie die falschen Schuhe anhat. Jetzt hat sie auf einmal, die sie keine Zeit hat, zehn Minuten Zeit zurück in ihr Schlafzimmer zu gehen. Die richtigen Schuhe anzuziehen und dann wieder in die Kutsche einzusteigen und dann dem Freund zuzuwinken. Also, die Schuhe waren wichtiger als Leben und Tod des besten Freundes. Davon ist ja Proust gespickt voll und es ist ne wunderbare Sache, das inszenieren zu dürfen. Filmzene: Eine Liebe von Swann Die roten Schuhe Ich glaube Ihnen kein Wort mein Lieber. Wir sprechen noch darüber. Kommen Sie zum Essen wann immer Sie wollen. – Aber Auriane was ist denn das. Du hast ja noch die schwarzen Schuhe an. Zu einem roten Kleid. Geh rasch hinauf und zieh Dir rote Schuhe an. – Aber wir sind doch ohnehin schon in Eile. – Das spielt keine Rolle. Die werden sich schon gedulden. Jedenfalls kannst Du da nicht in schwarzen Schuhen erscheinen. Schnell. Sagen Sie dem Zimmermädchen. Sie soll die roten Schuhe herunter bringen. Ah wir armen Ehemänner aber ohne mich hätte Auriane schwarze Schuhe zum roten Kleid getragen. – Ich fand es nicht hässlich. - Ich will Ihnen nicht widersprechen aber gleich bei der Erzherzogin hätte sie es bemerkt und dann hätte ich zurückfahren müssen um die roten Schuhe zu holen. Kommen Sie, gehen Sie. Wenn sie Sie hier trifft fängt sie wieder an zu reden. – Es tut mir unendlich leid, dass der arme Charles krank ist aber das ist kein Grund, dass ich seine Frau und seine Tochter empfange. Das wäre zu einfach. Da könnte auch der Kutscher kommen und sagen: meine Tochter ist krank führen Sie mich bei der Prinzessin von Parma ein. Nein. (Kutschengeräusche) Erzähler: Doch wie reagiert eine Gesellschaft, der man auch mit den Mitteln eines großen Kostümfilms den Spiegel vorhält. Was immer Volker Schlöndorff 1984 erwartet haben mag. Die Reaktion seiner Freunde und Weggefährten aus Frankreich war vernichtend, auch wenn Drehbuchautor Jean-Claude Carrière schon mit Louis Bunuel zusammen gearbeitet hatte und eigentlich als Garant für stilistisch über jeden Zweifel erhabenes französisches Kino galt und Volker Schlöndorff besonders viel Herzblut in die Regie dieses Films investiert hatte. Schließlich sollte dieser Film als I-Tüpfelchen seine persönliche Assimilation an die französische Kultur demonstrieren. Mit nur 800 000 verkauften Kinokarten in Frankreich blieb der Film hinter allen Erwartungen zurück. Verletzender noch aber war die Reaktion der Kritik. O- Ton Schlöndorff: Ich war sehr sehr enttäuscht ist das falsche Wort, fast ein bisschen verletzt, dass die erste Reaktion der Franzosen auf den Film war also allgemeine Ablehnung. Da gabs Mal nicht, die einen dafür, die anderen dagegen, sondern irgendwie gabs ne allgemeine Ablehnung aber ohne ne wirklich Auseinandersetzung ungefähr: na ja, dieser Deutsche, ein Barbar, der hat ja keine Ahnung von Proust und der versteht das ja nicht. Das hat mich deshalb verletzt weil ich behaupte, dass ich sehr viel mehr als viele meiner französischen Freunde davon verstehe und sehr da rein gegangen bin. Dann hat es aber Gott sie Dank so einen Umschwung gegeben, dass jetzt in den letzten Jahren zählt das auf einmal als Klassiker in Frankreich und man das jetzt mit mehr Abstand sieht. Es hat auch. Vielleicht war es auch ungeschickt in der Besetzung , die Ornella Muti war natürlich ne Provokation wo alle gerne eine Catherine Deneuve da gesehen hätten in der Rolle der Odette. Das war mir aber zu edel ich wollte das schon zeigen, dass das eine Kokotte war und naja. Verblüffend war immerhin auch der Alain Delon – wir haben furchtbare Auseinandersetzungen gehabt nicht mehr miteinander gesprochen, mit Zetteln korrespondiert am Drehort von Regisseur zu Schauspieler und zurück. Aber seine Darstellung von Charlus ist schon sehr interessant und hält auch stand. Erzähler: Gerade die Auswahl der Schauspieler mit Jeremy Irons als anämisch wirkender bleicher Swann, der wie eine kaum noch lebendige Leiche wirkt, Fanny Ardant als aristokratisch auftrumpfende Madame Guermante und Alain Delon als bester und vernünftiger Freund der Hauptfigur bleiben als darstellerische Glanzleistungen im Gedächtnis der Kinematographie. Umstritten war für die Franzosen vor allem die aus dem italienischen Genre-Kino kommende Erotik-Prinzessin Ornella Muti in der Rolle von Swanns großer Liebe Odette, eine zweifelhafte Halbweltdame, die sich ihm immer wieder entzieht. Besonders bei Swanns erotischen Befragungen Filmausschnitt: Eine Liebe von Swann Odette Odette mein Liebes. Ich weiß ich bin ein schrecklicher Mensch aber ich muss Dich etwas fragen. Du erinnerst Dich doch an den Verdacht, den ich hatte über Dich und Madame Dadurin. Bitte sag mir ob ich da Recht hatte mit ihr oder mit einer anderen. – Wer hat Dir nur derartigen Unsinn eingeredet. Ich versteh gar nicht, was Du meinst. Wovon redest Du? – Hast Du schon einmal so etwas mit einer Frau gemacht? – Mit Frauen nein. – Bist Du sicher? – Das weißt Du doch. – Sag nicht. Das weißt Du doch. Sondern sag: Ich hab so etwas noch nie mit einer Frau gemacht. In meinem Alter muss man die Wahrheit wissen. – Ich habe so etwas noch nie mit einer Frau gemacht. – Und das kannst Du mir auf dem Medaillon der heiligen Jungfrau schwören? – Hör jetzt auf mit dem Unsinn. Was ist den heute mit Dir los? Willst Du unbedingt, dass ich Dich hasse? – Du irrst wenn Du glaubst , ich sei Dir deswegen böse. Ich bin Dir deswegen überhaupt nicht böse. Ich weiß viel mehr über Dich als ich sage. Was ich nicht ertrage das ist nicht was Du tust. Das verzeih ich Dir, denn ich liebe Dich ja. Sondern Deine Falschheit, Deine unsinnige Falschheit. Wie kannst Du abstreiten was ich mit Sicherheit weiß. Wenn Du willst ist gleich alles vorbei. In einer Sekunde. Dann hast Du Deine Ruhe für immer. Schwör mir auf Dein Medaillon ob Du´s getan hast oder nicht. – Was weiß ich denn, vielleicht vor langer Zeit ohne zu wissen was ich überhaupt tat, vielleicht zwei oder drei Mal O- Ton Schlöndorff: Odette ist ja jemand der von der Straße kommt. Aber es gab diese Vorstellung. Die Welt von Proust ist dieses Edle und deshalb müssen das auch Schauspieler von einem gewissen Niveau sein, die da drin sind und da kann man nicht so ne italienische Sexbombe auf einmal reinbringen. Ich fand eben, dass die Ornella das sehr sehr gut gemacht hat. Sie hat bis zum Ende selbst nicht dran geglaubt, dass Sie es könnte, fühlte sich immer etwas fehl am Platz, was ja auch richtig war für die Rolle. Aber sie hat sehr viel Feingefühl, menschliches Gefühl gezeigt und in allen ihren Reaktionen mit dem Jeremy war das ja so´n bisschen: der Jeremy ist der Adel des Schauspiels und sie ist eben nicht gerade der Adel des Schauspiels und auch das Verhältnis der beiden zueinander war also geprägt von, dass er von ihrer Schönheit und Sinnlichkeit fasziniert war, aber sie eingeschüchtert war und gleichzeitig bewunderte seinen schauspielerischen Adel. Das hat schon gut gepasst. Erzähler: Besser als die von der französischen Kritik damals eingeforderte französische Edelschauspielerin Catherine Deneuve, die erst in Raul Ruiz Proustverfilmung „Die wiedergefundene Zeit“ 1999 als weitgehend stilisierte Odette auftreten durfte. Bei aller persönlichen Verletzung durch die Reaktion auf „Eine Liebe von Swann“ diesen seinen französischsten Film, der eine erneute Annäherung an Frankreich sein sollte, fehlt Volker Schlöndorff in Deutschland generell eine Filmkritik, die eine vergleichbare Rolle wie die Kritik in Frankreich im Vorfeld und in den goldenen Zeiten der „Nouvelle Vague“ gespielt hat und immer noch spielt, vor allem deren intellektueller Zugriff auf Kino und Gesellschaft, der die fortwährenden Debatten in der kulturellen-politischen Szene unseres Nachbarlandes prägt. O- Ton Schlöndorff: Filmkritik ist ganz ganz wichtig nicht nur für das Publikum sondern auch für die Filmemacher. Filmkritik ist mir in Frankreich, wo sie natürlich sehr viel Raum einnimmt in allen Zeitungen wie in allen Gesprächen, ist dort aber sehr sektiererisch, das heißt wenn die eine Zeitung dafür ist wird die andere dagegen sein. Das geht gar nicht anders und jeder Kritiker trägt so sein eigenes Programm, seine eigene Ästhetik und seine eigenen Erwartungen vor sich her. Das hab ich schon in der Cinemathek erlebt. Nach der Vorführung sind dann die aufgesprungen und sind aufeinander losgegangen: das eine waren die Vertreter von den „Cahiers du Cinéma“ , die anderen von „Positif“ , die anderen von noch anderen Filmzeitschriften, die es „en masse“ gab. Lauter Sektierer. Also wenn der eine dafür war, dann war der andere dagegen und es gab große Auseinandersetzungen. Dass man überhaupt so über Film diskutieren kann, das war für mich die allererste und erstaunlichste Erfahrung aber das setzt sich bis heute in den französischen Tageszeitungen und Medien durch. Es gibt nicht diese Einstimmigkeit, wie dann in Deutschland, alle Kritiker haben den Film gleichzeitig in der gleichen Pressevorführung gesehen und haben sich beinah abgesprochen, wie sie darauf reagieren. Und wenn man dann eine gelesen hat, hat man alle gelesen. Erzähler: Aus den Kritikern wurden in Frankreich die Filmemacher der nächsten Generation: Francois Truffaut, Jean-Luc Godard und Jacques Rivette. Sie schufen die „Auteur“-Theorie als Filmhistoriker und dann als Filmemacher das „Autorenkino“, das von den 1960er Jahren an zumindest das europäische Kino beherrschen würde. Auch Volker Schlöndorff wurde zum anerkannten Autoren von Filmen abseits des Hollywoodsystems. Und ist damit ein Resultat der Kinorevolte jener Zeit, die auch auf den deutschen Film übergriff. Francois Truffaut hat das einmal so gesagt: Die beste Filmkritik ist die einen neuen Film zu machen. Und das hat er auch sehr ernst genommen. O- Ton Schlöndorff: Da ist er dann hin gelangt. Die besten Filmkritiken, die aufregendsten, die hat er geschrieben. In der Zeitschrift „Art“ damals , das weiß ich noch, die kam immer am Mittwoch raus , wie wir darauf gewartet haben auf die nächste Nummer, manchmal eine ganze Seite um einen Film zu besprechen, beinahe im Format von der „Zeit“ und das waren aber entweder unglaubliche Lobeshymnen, die sich überschlugen in Begeisterung die Schönheit einer Frau (zu feiern) die also jenseits von dieser Welt sein musste und, und, und. Oder aber es warn Verrisse , bitterböse Verrisse vor allen Dingen des klassischen französischen Films. Im Grunde hat er damit sein Sprungbrett als Regisseur vorbereitet, denn nachdem dann die die vor ihm waren vernichtet waren, konnte er a auftreten. Nein, das ist jetzt so gesagt. Es war viel viel Kalkül dabei, lassen Sie sich nicht täuschen auch in den intellektuellen Auseinandersetzungen in Frankreich, das hab ich ja an der Uni und an der Schule mitbekommen, wie sehr dieses sektiererische Denken von sagen wir Sartre auf der einen Seite und Merleaut-Ponty auf der anderen Seite und Raymond Aron auf der wieder woanders, Claude Levi-Strauss wie das Teil des französischen Denkens ist, dass man sich in lauter Splitterparteien aufspaltet. Da gibt’s keine großen Koalitionen. Musik: „Eine Liebe von Swann“ 12 Variations Erzähler: Schon in seinen Tagen als Regieassistent hatte Schlöndorff angefangen , ein Drehbuch zu schreiben, das sich mit Robert Musils Internatsroman „Der junge Törless“ beschäftigte wobei einige persönliche Erfahrungen als Internatszögling einflossen. Louis Malle unterstützte ihn dabei und übernahm später die „künstlerische Oberleitung“ wie es im Abspann heißt und fungierte für die „Nouvelle Editions Paris“ als französischer Koproduzent. Von Mexiko aus als Regieassistent bei „Viva Maria“ bemühte sich Schlöndorff um die Rechte an Musils Vorlage . Ein weicher Übergang vom französischen zum deutschen Film? O- Ton Schlöndorff: Ja also im Gegensatz zu heute, das kann man sich gar nicht mehr vorstellen so Ende der 50er, Anfang der 60er Jahre gab’s ja in Deutschland weder Filmschulen noch überhaupt Filmproduzenten oder Regisseure, die sich um Nachwuchs gekümmert hätten, Das war eben so Routine-Produktionen, Papas Kino und damit war’s und davor war ich ja nach Frankreich geflohen schon mit der geheimen Absicht, vielleicht schaffst du’s ja irgendwie zum Film zu kommen und nachdem ich genügend mich umtriebig verhalten hab, bin ich also tatsächlich auch dann mit Regisseuren zusammen gekommen, mal mit Mèlville und mal mit Malle vor allen Dingen. Hab viele Filme als Regie-Assistent gemacht, war zum Schluss ein richtiger Profi als Regie-Assistent und als ich dann meinen ersten Film machen wollte, haben die gesagt: Ne, ne, ne! Nicht hier in Frankreich! Geh du mal schön zurück nach Deutschland. Wir haben genug eigene Regisseure, wir wollen jetzt mal, dass du uns deine Geschichten erzählst, also deutsche Geschichten erzählst. Und mit diesem Ansatz kam ich nach München mittenrein in eine Szene, die gerade im Entstehen war mit Alexander Kluge, Peter und Ulrich Schamoni mit Werner Herzog, Straub war schon da, mit Daniel Schmid und plötzlich hab ich, bin ich zwar von außen gekommen, aber wir hatten alle den gleichen Ansatz, nämlich wir wollten also Filme machen, die deutsche Geschichten in unserer deutschen Wirklichkeit und Gesellschaft erzählt und ja und daraus ist dann die, als genügend kritische Masse beisammen war, ist dann der Funke geflogen und es war plötzlich gab es den jungen deutschen Film. Musik: Der junge Törless Musik Henze Sprecher: Weltoffen und Streitbar Eine Lange Nacht mit Volker Schlöndorff. Zweite Stunde Deutscher Film Stunde Null. Volker Schlöndorff und der junge deutsche Film. Musik 2. Stunde Deutscher Film Stunde Null. Volker Schlöndorff und der junge deutsche Film Musik: Soundtrack „Der junge Törless“ (Henze) Erzähler: „Die Verwirrungen des Zöglings Törless“ war 1906 Robert Musils Debütroman. Der Autor blickte mit gerade 26 Jahren auf seine Jugend unter autoritären Bedingungen im Vorfeld des ersten Weltkrieges in einer militärisch-erzieherischen Kadettenanstalt zurück. Volker Schlöndorff war ungefähr im gleichen Alter, als er den Stoff für seinen ersten Film auswählte und wohl auch auf seine eigenen Erfahrungen im bretonischen Internat zurückging. Sein Film betont die sado-masochistische Komponente der Selbstfindung des jungen Törless und zeigt wie er sich, gespielt von Matthieux Carrière, als passiver Teilnehmer der quälerischen Rituale an einem Mitschüler mitschuldig macht. Schlöndorffs fulminanter Einstieg in die Filmbranche wurde gleich mit vielen Preisen und einer Teilnahme am Wettbewerb der Filmfestspiele von Cannes belohnt, wo allerdings nur die Kritiker vom Weltverband FIPRESCI den besonderen Wert der Inszenierung mit ihrem renommierten Preis anerkannten. Im Trailer wird der Film schon vorweg als vielversprechende authentische Arbeit eines jungen Regisseurs gelobt. Filmausschnitt: Zusammenschnitt Trailer Törless: Lächle doch, lächle. Willst Du nicht. Dann werden wir Dir einen Grund zum Weinen geben. – Lasst mich los. Ich war das nicht. „Zeigt den Leidensweg eines Ausgestoßenen, die sadistischen Foltern, denen er ausgesetzt wird.“ – Hilfe – Es gibt nicht eine schmutzige und eine saubere Welt. Es ist die gleiche Welt in der beides geschieht. „Es ist die Geschichte eines jungen Menschen der plötzlich entdeckt, dass Bosheit möglich ist, das wir alle Schurken und Engel, Folterknechte und Opfertiere in einer Person sind. „Der junge Törless“ ist keine akademische Literaturverfilmung. Es ist ein lebendiger, eindrucksstarker Film. Das persönliche Werk eines jungen deutschen Regisseurs.“ Erzähler: So sahen das nicht alle Zeitgenossen: Der Leiter der deutschen Delegation in Cannes zum Beispiel, der Kulturattaché Bernhard von Tieschowitz zeigte sich bei der Uraufführung an der Croisette empört und verließ ostentativ den Kinosaal, weil er den Film als übertriebene deutsche Selbstkritik missverstand und so hatte Schlöndorffs erster großer Auftritt auf dem Kinoparkett bei aller Anerkennung in der Fachwelt auch gleich seinen passenden Skandal. Die Freunde von der „Nouvelle Vague“, Louis Malle oder Jacques Rivette, gegen den Schlöndorff im Wettbewerb von Cannes sogar antrat, waren allerdings gerade von dem ebenso selbstkritischen wie genuin deutschen Flair des Films besonders angetan. Wäre es denkbar gewesen, unter ihnen als französischer Filmemacher seine Karriere zu beginnen? O- Ton Schlöndorff: Das war mein erster Gedanke. Natürlich. Es war ja das Naheliegendste. Ich war da und es gab auch Produzenten, die mit mir sprachen. Da ging aber ein Aufschrei durch die Reihen meiner Freunde. () Das war eindeutig. Ich hab das sofort kapiert, dass es ja unsinnig ist hier in Konkurrenz zu treten und ich in Deutschland noch was zu entdecken hab. Da war natürlich auch son Funke Patriotismus dabei. Damals galt der Deutsche Film gar nix, egal ob er von der DEFA kam oder von der UFA oder ob er aus Wien kam, der hatte in Frankreich oder auf den internationalen Festivals überhaupt keinen Wert. Nun ist ja schon schlimm genug, wenn man sich für die deutsche Geschichte schämt, aber jetzt soll ich mich auch noch für den deutschen Film schämen. Es muss doch möglich sein, nachdem ich jetzt in der Cinemathek gesehen hab was wir deutschen in den 20er Jahren für Filme gemacht haben. Ich hatte ja Sternberg kennengelernt. Ich hatte Fritz Lang kennen gelernt. Aber ich hatte vor allen Dingen ihre Filme kennen gelernt. Auch da gab´s immer irgendwo immer diese Aufforderung oder die Frage: Was ist denn jetzt in Deutschland los? Ham die die Emigranten gefragt, () Das man das Gefühl hatte: Du musst schon hier irgendwann den Stab aufnehmen in diesem Staffellauf und versuchen, können wir nicht wieder zu einem Filmland werden, können wir nicht nochmal so wie in den 20er Jahren wirklich mitspielen. Erzähler: Volker Schlöndorff kam mit diesem Anspruch als „Fremder“ aus Frankreich nach München, wo er auf den Jungen Deutschen Film traf - als schon fest gefügte Bewegung, in der jeder seine Rolle übernommen hatte. Gab es da eigentlich keine Vorurteile gegenüber dem „Halbfranzosen“ Schlöndorff mit seinen eigenen Ansprüchen, der schon „geadelt“ war durch die „Lehrzeit“ bei der „Nouvelle Vague“, der unter dem Verdacht stand, den jungen deutschen Filmemachern nur zeigen zu wollen, wie man´s macht? O- Ton Schlöndorff: Ich hatte das Gefühl: ich bin der einzige Profi hier, der Einzige der schon Mal richtig beim Film gearbeitet hat und nicht dilettantisch da ran geht. Dann hab ich ganz schnell gemerkt, dass diese Art von Können, die ist erlernbar. Das wichtige ist doch die Persönlichkeit und die Kreativität des Einzelnen und was Alexander Kluge gemacht hat mit „Abschied von Gestern“ war ich vollkommen verblüfft, wollte sofort bei meinem zweiten Film mit seiner Schwester, der Alexandra Kluge arbeiten, weil ich dachte, da ist was zu holen, was du überhaupt nicht hast. Das ist ein ganz anderer Zugang oder eben dieses fast Reportage mäßige und witzige von Uli Schamoni und der legendenhaft starke von Werner Herzog gleich bei seinen ersten Filmen. Das hab ich sehr wohl erkannt. Das ist zehn Mal mehr wert als meine Professionalität. Es ist gut wie ich die habe. Aber das reicht nicht. Erzähler: Volker Schlöndorff musste sich erst einmal „bewähren“ und als „Handwerker“, der allerdings sein Handwerk bei Jacques Rivette und Louis Malle gelernt hatte, seinen Platz finden unter all den „Genies“ des Neuen Deutschen Films, die nach dem Debakel von „Opas Kino“ in Deutschland ja den Film ganz neu erfunden zu haben glaubten. Das war anfangs sicher nicht so leicht wie der Name von Schlöndorffs erster eigenen Firma, die er 1969 zusammen mit seinem ebenfalls aus Frankreich von der IDHEC kommenden Regiekollegen Peter Fleischmann gründete, suggeriert. Die hieß „Hallelujah-Film“ und produzierte später unter anderem Schlöndorffs Meisterwerk „Die Blechtrommel“. Doch es begann eher bescheiden mit einer Produktion für die damals eben erst auftrumpfenden dritten Programme des Hessischen und des Bayrischen Rundfunks, mit Bertold Brechts anarchistischem Frühwerk „Baal“, das erst 2014 reichlich verspätet ins Kino gebracht wurde. Filmausschnitt: Baal: Choral vom großen Baal (Stimme: Fassbinder) Erzähler: Im Unterschied zu vielen anderen im deutschen Film hatte Schlöndorff sofort das besondere Talent von Rainer-Werner Fassbinder erkannt, der seinen ersten Film gedreht hatte und noch unentschieden war zwischen einer Karriere als Schauspieler oder als Filmregisseur. Schlöndorff besetzte ihn in der Titelrolle des Baal, dessen kreative Selbstbesoffenheit Fassbinder ganz fest ans Herz drückte. „Baal“ ist einer der „kleinen“ Filme Schlöndorffs, doch scheinen in ihm schon sämtliche Talente auf, die ihn später groß gemacht haben: sein Gespür für Sprache, sein Sinn für filmischen Rhythmus und die Liebe für außergewöhnliche Darsteller und Darstellerinnen im Film: Filmausschnitt: Baal: Und der Wald (Fassbinder) Und ein Mann starb im ewigen Wald wo ihn Sturm und Strom umbrauste, starb wie ein Tier in Wurzeln eingekrallt, schaute hoch in die Wipfel wo über dem Wald der Sturm seit Tagen ohne aufhören brauste Und es standen einige um ihn, und sie sagten dass er stiller werde. Komm wir tragen dich jetzt Heim Gefährte aber er stieß sie mit seinen Knien, spuckte aus und sagte: Und wohin, denn er hatte weder Heim noch Erde“ O- Ton Schlöndorff: Ja, der Rainer Werner Fassbinder gehörte deshalb nicht zum Jungen Deutschen Film, weil er Jahre später kam, nicht so viele, vier fünf Jahre, aber das zählte eben. Da war dieser Artikel schon etabliert: der Junge Deutsche Film. Und er hat dem dann einen ganz neuen und anderen , das war wie wenn man eine weitere Raketenstufe zündet, wie er daran gegangen ist. Was ihn hauptsächlich von uns unterschieden hat: in unsere Bemühen dass Film auch Kunst ist und dass Film auch gesellschaftlich anerkannt sein sollte und ne Rolle spielen soll in der Gesellschaft haben wir vielleicht immer zu sehr auf diesem Kunstbegriff beharrt und der Rainer kam dazu und hat von Anfang an auf das Triviale gesetzt, also hat das umgekehrt gesagt: das Triviale ist die Kunst. Das andere ist Ausstattung, ist Bildungsbürgerkultur. Das ist gar keine Kunst, was ihr da macht. Das Triviale ist die Kunst. Ich hab ihn entdeckt durch seine ersten Filme: „Liebe ist kälter als der Tod“ der war ja sowas von anders als was wir gemacht haben und deshalb auch von meinen Filmen er hat bei mir ganz spontan mitgemacht im „Baal“ mitgespielt, weil er war begeistert von meinem zweiten Film „Mord und Totschlag“, der einzig „triviale „ Film, wenn man so will als Begriff nur nicht als Qualitätsbegriff. Das fand er ganz toll. Der „Törless“ das hat ihn gar nicht interessiert obwohl ihn der Törless wegen der Homosexualität, der Abhängigkeit und der Machtverhältnisse hätte interessieren müssen. Das war ihm wahrscheinlich zu edel. Und das war eben das für den deutschen Film wirklich Revolutionäre , dass der Rainer aus dieser Haltung heraus die einfach seinem das war eben kein Bildungsbürgerkind daran gegangen ist Kino: für ihn war das Größte der Malteserpalast. Das war das Kino, wo die Actionfilme spielten. Sein Ehrgeiz war, dass er Filme macht, die in diesem großen Publikumskino laufen Filme, die dann irgendwie im Filmkasino oder in Filmkunsttheatern spielten, das interessierte ihn nicht so. Das war ´ne spannende Auseinandersetzung. Erzähler: Und nicht die einzige. Eine neue Art von Filmen allein, das merkte Volker Schlöndorff bald, genügte noch nicht, um in den 1960er und 70er Jahren die Bedeutung des Kinos in der Gesellschaft zu ändern. In Frankreich war es gar nicht vorstellbar, dass in einer beliebigen Abendgesellschaft nicht über die neusten Filme geredet würde. Das gehört quasi mit zur Allgemeinbildung hinzu und wie allgemein diskutiert wie die neusten Bücher oder Theaterstücke. In Deutschland war das Kino immer nur etwas für die „Schmuddelkinder“ der Gesellschaft. Und auch das wollte Schlöndorff ändern. O- Ton Schlöndorff: ()...Ich kam nach München und hatte keine Ahnung von Deutschland und vom Deutschen Film und kam aber mit der festen Absicht, Kino hier wieder gesellschaftsfähig zu machen. () Aber jedenfalls in Frankreich ist das einfach eines der zentralen Gesprächsthemen und der Verbindungsstoff, der Klebstoff der Gesellschaft. Und das hat sich bis heute nicht geändert. Ich hab gerade in Paris ne Theater-Inszenierung gemacht und da hab ich das wieder erlebt und war verblüfft wie dann abends über all diese Filme, die ich natürlich inzwischen alle nicht gesehen hatte, gesprochen haben. Also, das gehörte dazu und das war unsere große große Hoffnung so Mitte der 60er Jahre als das anfing, dass wieder Film so eine Rolle spielen würde wie in den 20er Jahren. Und wir haben eben auch gemeint, dass wir Themen in der Gesellschaft. Das dadurch automatisch das Gespräch zu Stande kommt. Vielleicht nicht bei meinem ersten Film „Der junge Törless“ das war noch so eine Hommage von mir an den Deutschen Stummfilm aber dann hat Uli Schamoni „ES“ gedreht und „Es“, das ist das abgetriebene Kind und es ging in Berlin um ein junges Paar, das das Kind nicht haben wollteu ja von einem Gynäkologen zum anderen. Das waren alles echte Gynäkologen und jeder hat irgendeine faule Ausrede gebracht, warum er das nicht machen kann. Der Junge war aber Immobilienverkäufer und musste immer die Zahnärzte und andere, die aus Westdeutschland kamen , um steuergünstige Immobilien zu suchen durch Berlin führen. Das sind natürlich – und das war ein sehr sehr populärer Film auf Anhieb, wie überhaupt der Junge Deutsche Film zu Anfang sehr sehr schnell auf sein Publikum gestoßen ist, weil er die Themen aus der Gesellschaft aufgegriffen hat, was damals im Fernsehen gar nicht vorkam. Filmausschnitt: Der plötzliche Reichtum der Leute von Kombach „Schau Jakob. Ich wüsst´ ein Mittel wodurch uns arme Leut´ geholfen wird wenn Du und noch ein paar uns vertraute Leut´ mit mir einverstanden wärn. Du weißt es fährt alle Monat´ ein Geldkärrchen mit den Steuereinnahmen von Biedenkopf nach Biesen. Das wollen wir zusammen angreifen, das Geld herausnehmen und wenn es uns gelingt, dann sind wir doch auf unser Lebtag geborgene Leut. Wir greifen es auf Kurhessischem Boden an denn dann muss der Kurfürst von Hessen unserem Großherzog das Geld wieder ersetzen. Gesetzt es wird nun deshalb eine neue Steuer ausgeschrieben so kann es höchstens zwei drei Kreuzer kosten für jeden. Das tut keinem weh und uns wär damit auf immer geholfen.“ Erzähler: Volker Schlöndorff verstand sich von Anfang als politischer Filmemacher und so drehte er 1970 als einen seiner ersten Filme gleich ein politisches Pamphlet: „Der plötzliche Reichtum der armen Leute von Kombach“ die Geschichte von Sozialrebellen, die einen Geldkarren mit Steuergeldern rauben, sich dann noch Gedanken machen ob und wem das überhaupt schaden könnte. Doch dann mit dem unverhofften Reichtum gar nicht und vor allem nicht klammheimlich umgehen können. So werden schnell wieder eingefangen und hingerichtet, weil nicht reich werden kann wer nun einmal arm ist. Wie eine naive Holzschnitzerei wirkt von Heute aus gesehen dieses auf Büchners „Hessischen Landboten“ verweisende Lehrstück mit der Aufforderung zur Revolte und zählt als spröder Heimatfilm zu den fast unbekannten, grob unterschätzten politischen Filmen des frühen Schlöndorff. Er war mit seinen politischen Engagement nicht allein. Politisch engagiert verstand sich ja das Kino des Neuen Deutschen Films generell. Es war schließlich in eine Zeit hineingeboren, in der die studentische Jugend auf der ganzen Welt aufbegehrte . O- Ton Schlöndorff: Aber das hat schon gleich 1968 angefangen, schon früher, aber jedenfalls: im Moment als ´68 in Berlin die Studenten waren, sind wir im Grunde - angefeuert von den französischen Kollegen – in München zusammen gekommen – Geissendörfer war da ganz aktiv auch - und haben das so genannte Syndikat der Filmemacher gegründet, was schon aus dem Gangster-Chicago übernommen war mit Absicht. Also. Man wollte sich als Kampfgruppe konstituieren. Das war eigentlich für uns alle Programm: man kann nicht nur Filme machen, sondern wenn wir uns jetzt zu einem Kollektiv zusammenschließen, dann ist das keine Interessenvertretung wie ´ne Gewerkschaft sondern: da geht’s um politische Inhalte: wir wollen die gleichen Inhalte vorwärts bringen. Rosa von Praunheim war mit den Homosexuellen, Geissendörfer wollte die Arbeiterklasse einbeziehen - das hat letztlich zur „Lindenstraße“ geführt. Viele Keime sind da entstanden aus dieser politischen Überzeugung: Film nicht nur als Kunst verstehen, sondern wir müssen es als revolutionäres Mittel verstehen. Das ist unsere Verpflichtung der Gesellschaft gegenüber. Heute denk ich da sehr differenziert drüber, aber egal damals war das unsere Überzeugung, von der sich einige sofort abgesondert haben. Werner Herzog sagt: kommt überhaupt nicht in Frage. Da hab ich gar nix mit am Hut. Für mich ist Film was vollkommen Anderes oder ist eminent politisch aber nicht mit politischen Aussagen, wie auch immer () aber sonst war eigentlich das große fast ne Einheitsmeinung und das hat sich natürlich da in den Filmen niedergeschlagen unmittelbar danach hab ich den „Baal“ gemacht, der ja auch schon mit Fassbinder ein revolutionärer oder anarchischer Aufruf , auch ne ästhetische Revolution. Danach kam „Der plötzliche Reichtum der armen Leute von Kombach“ , die deutsche Geschichte mal aufgearbeitet hat im Sinne von Büchner und von dem „Hessischen Landboten“. Das ist für mich n Heimatfilm gewesen aber ein politischer Heimatfilm, weil es die Gegend war aus der ich komme und diesen frühen Versuche von Aufständen und die in Deutschland immer daneben gegangen sind und immer zu noch mehr Reaktionärem geführt haben. Dann kam das persönliche Engagement auf dem Umweg über die „Rote Hilfe“ und dann kam noch obendrein die Katharina Blum. (Also ) Eins hat sich aus dem anderen ergeben und es war aber eben auch so: nicht nur wir waren politisch, die Filmemacher. Sondern das Publikum hat ja geradezu darauf gewartet: Wann kommt der Nächste. Ja.() Dass die Katharina Blum so ein Erfolg wurde. Das war ja fast wie ne Volksabstimmung für Heinrich Böll, dass man sagte : wir akzeptieren dieses Schlagwort „Sympathisanten“ nicht, sondern wir sind alle für Veränderungen und wir lassen die Gesellschaft nicht jetzt hier militarisieren unterm Vorwand, dass es da acht durchgeknallte RAF und Baader-Meinhoff-Leute gibt () Wir haben uns die Zeit nicht ausgesucht. Wir sind in die Zeit reingeboren. Ob wir Agenten war oder wie weit wir das mitinitiiert haben. Das kann man überhaupt nicht sagen. Das hat einer auf den anderen eingewirkt. Wenn dann die Schüsse auf Dutschke waren, dann hat eben Peter Schneider das „Messer im Kopf“ geschrieben. Als der Holger Meins verhungert iss () sind wir auf die Straße gegangen () Und entsprechend waren auch die Filme. Und wenn sie´s heute nicht mehr sind, dann liegt das einfach daran, dass die Zeiten nicht mehr die gleichen sind. Filmausschnitt: Die verlorene Ehre Erste Szene (Klingel und Zugriff)Da hinten.- Woisser? – Keiner Da Chef – Woisser? – Er ist weg – Das gibt’s doch gar nicht. Das Haus wird seit gestern Abend observiert. Wenn er nicht hier ist. Weit kann er nicht sein. Wir kriegen ihn bald. Wenn Du nicht willst dass er zum Krüppel geschossen wird, dann sag uns lieber gleich wo er ist. Kann sich ja nicht in Luft aufgelöst haben. Los Los – Alles nach Waffen durchsuchen lassen. – Woher wissen Sie denn, dass er hier war . Wann ist er weg? – Ich bin vor einer halben Stunde aufgestanden, da war Ludwig schon weg. – Ohne Abschied? – Ja. – Hat er dich denn gefickt? – Ich würde es nicht so nennen. – Wir haben uns irgendwie gesehen.- Ja bei Görners, wo ich arbeite. Ziehen Sie sich bitte an. Das macht keinen guten Eindruck wenn Sie sich unseren Beamten halbnackt zeigen.- ich stell mich nicht zur Schau. Ich bin hier ZuHause. – (Schuß) Gib doch Acht. Erzähler: Der ruppige Kommissar Beizmenne, gespielt von Mario Adorf, kennt keine Gnade als er bei der gut situierten Anwältin eindringt und damit die Hetzjagd von Presse und Polizei auf Katharina Blum eröffnet. Zwar hat sie den gesuchten Deserteur Götten eine Nacht bei sich beherbergt, doch sie hat keinerlei Verbindung zum organisierten terroristischen Untergrund. Basierend auf einer Erzählung von Heinrich Böll spiesste Schlöndorff den Zeitgeist der „Bleiernen Zeit“ auf, als schon Matratzenlager im Wochenendhaus als verdächtiges Anzeichen für eine militante Unterstützung der Baader-Meinhof-Gruppe galten. Zusammen mit Margarethe von Trotta, die damals seine Ehefrau und für 20 Jahre auch seine künstlerische Partnerin war, schuf Schlöndorff 1975 mit „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ seinen einflussreichsten politischen Film, der auch ein großer Publikumserfolg war. O- Ton Schlöndorff: () Ich hab Heinrich Böll kennengelernt, weil wir wollten, also Margarethe von Trotta und ich das Gruppenbild mit Dame , also im Grunde die Zeit, auf die ich gerade angespielt hab (), nämlich die Zeit, die ich bewusst erlebt habe. Meine erste Erinnerung ist 1945 so ungefähr also diese Nachkriegszeit und der Wiederaufbau und das wär mit „Gruppenbild“ wunderbar gewesen, wir hatten eine Option und wir haben nie das Geld dafür bekommen. Es gab leider in Deutschland überhaupt kein Interesse daran und dann hat Böll (), mir eines Tages die Fahnen zu Katharina Blum geschickt, zu einer Zeit als er sehr angegriffen wurde als der angeblich geistige Vater der Bader-Meinhof-Bande, geistige Vater der Gewalt und das Buch hat ja auch die Katharina Blum den Untertitel „Wie Gewalt entsteht und wohin sie führen kann“. Das war also seine Antwort, seine sehr polemische Antwort und wir waren, ich war damals auch sehr engagiert über die Rote Hilfe, über die Haftbedingungen der inzwischen ja festgenommenen RAF-Leute, Baader-Meinhof-Leute und dass es áqne völlig natürliche Arbeit war, die es auch irgendwie, weiß gar nicht wie, wie in Trance so ganz schnell hingedreht, gedreht, zustande gekommen. Das war als ob man nur ein Medium ist und eigentlich diktiert einem die Gesellschaft drum herum den Film, den man zu machen hat und so wurde er einem dann auch vom Publikum aus der Hand gerissen, das lag einfach damals in der Luft, das war so etwas, was in dem Moment sein musste. Erzähler: „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ sollte in Wahrheit auch die Hetzkampagne gegen den Schriftsteller und Nobelpreisträger Heinrich Böll selbst abbilden, die sich nach dem Start des Films schnell auch auf Volker Schlöndorff und Margarethe von Trotta ausweitete. Geschichten aus dem Umfeld des deutschen Terrorismus wie „Schwestern oder die Balance des Glücks“ und „Die bleierne Zeit“ sind zentrale Elemente im Werk von Margarethe von Trotta und auch gemeinsam mit Schlöndorff war sie zum Beispiel 1978 an dem Gemeinschaftsfilm von Alexander Kluge, Rainer-Werner Fassbinder und anderen „Deutschland im Herbst“ beteiligt. Der Film beschreibt in mal dokumentarischen, mal fiktiven Episoden, die Auseinandersetzung mit den Taten und mit dem Ende der RAF. Am Schluss wird die Beerdigung von Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan Carl Raspe unter Anteilnahme zahlreicher angeblicher „Sympathisanten“ gezeigt und dazu Joan Baez mit ihrer Hymne „Here´s to you Nicolo and Bart“ eingespielt. Musik: Joan Baez Here´s to you aus „Deutschland im Herbst“ Erzähler: Joan Baez Folksong ,komponiert von Ennio Morricone, spielt auf die Hinrichtung der Anarchisten Nicolo Sacco und Bartolomeo Vanzetti 1927 an, die als offensichtliche Fehlentscheidung zu weltweiten Massenprotesten führte. Ein klares Statement der Filmemacher um Alexander Kluge und Volker Schlöndorff. Margarethe von Trottas Sohn Felix Moeller war an einigen der Filme seiner Mutter als Darsteller beteiligt. Er erlebte die Welle der Proteste als Kind mit und wurde selbst Filmregisseur. Er hat 2018 diese Zeit in dem sehr sehenswerten Dokumentarfilm „Sympathisanten“ kritisch und sehr persönlich verarbeitet. Mit seiner Mutter stöbert er in Tagebüchern: Filmausschnitt: Sympathisanten „Das steht ja alles immer vorne drauf. – Ja, aber nicht immer.- Klar, da steht sogar Schleyer-Entführung . – es wird Herbst in Deutschland: Lange Zeit habe ich gar nicht gewusst, dass meine Mutter Margarethe von Trotta seit Jahrzehnten ein Tagebuch führt. Dann aber habe ich schnell erkannt, dass es sich um ein Dokument mit fast zeitgeschichtlichem Wert handelt. Besonders die 70er Jahre interessieren mich. Eine Zeit, die ich zwar miterlebt habe. In der ich aber noch zu jung war um wirklich alles zu verstehen. Meine Mutter und mein Stiefvater Volker Schlöndorff. Sie haben Filme über diese Zeit gemacht, wichtige politische Filme, die man auch heute noch kennt. Sie waren ziemlich nah dran am Geschehen und an den Akteuren. Die Frage ist wie nah?“ Erzähler: Margarethe von Trotta war nicht nur Koautorin und Koregisseurin von Volker Schlöndorff sondern in den Filmen der 1970er Jahre auch seine Lieblingsschauspielerin. Die Schauspielerriege von Schlöndorff kann sich mit Hanna Schygulla, John Malcovich, Dustin Hofman, Julie Delpy Barbara Sukowa, Faye Dunaway Jeremy Irons, Fanny Ardant, Bruno Ganz und Nina Hoss sehen lassen. Er galt immer als Regisseur, der den Schauspielern besonders zugewandt ist. O- Ton Schlöndorff: Zu Anfang ist ja das allerschwierigste beim Filme machen, wie man überhaupt mit Schauspielern umgeht. Da ist es leicht zu sagen: Schauspieler sind Material so ungefähr, die sollen Mal ihre Sache machen, die sollen das so machen wie ich´s ihnen vorgeschrieben hab und dann benutz ich das. Kein großer Regisseur arbeitet so, auch wenn er behauptet wie Hitchcock, Schauspieler seien ja nur Cattle, seien ja nur Vieh vor seiner Kamera. In Wirklichkeit sieht man doch durch seine ganze Person wie er Einfluss nimmt auf die Spielweise, wie er egal ob Männer wie Frauen durch ´ne geradezu hypnotische Beziehung dirigiert und keineswegs nur benutzt und er sehr sehr liebevoll mit ihnen umgeht oder sehr hart mit ihnen umgeht weil er sich davon wieder ein anderes Ergebnis erwartet. Aber es kann es gar nicht geben: einen guten Regisseur der seine Schauspieler nicht ernst genommen oder betreut hätte, auch Fassbinder der wird ja geradezu geliebt von der Hanna Schygulla: Wo bist du? Wer wird uns jetzt.Wer wird uns überhaupt lieben. Soweit geht das. Und dann heißt es : er ist rabiat mit Schauspielern umgegangen. Das stimmt nicht. Man ist sensibel oder man ist es nicht. Für mich : Das Einzige, was mich heute noch am Filme machen interessiert und was mir Spaß macht, ist die Arbeit mit den Schauspielern. Wie gesagt: die Technik. Irgendwann wird man das müde damit zu spielen und mit einem Schauspieler zu versuchen: Was ist der richtige Ton für die Szene? Wie drücke ich irgendetwas: Schmerz, Trauer, Freude aus, so dass es anders ist, so dass es neu ist, dass es nicht wie n Klischee wirkt, wie etwas was ich schon Mal gesehen hab, dass es aber auch nicht amateurhaft, dilettantisch wirkt. Immer diese Gratwanderung. Es geht gar nicht drum, dass es authentisch ist, sondern hauptsächlich, dass man wieder hinhört und dass man das Gefühl hat, jetzt hab ich etwas entdeckt. Jetzt hab ich etwas verstanden. Diese Arbeit mit dem Schauspieler vor der Kamera – auf der Bühne ist noch Mal wieder etwas Anderes – das erfordert einfach Lebenserfahrung aber vor allem Zuneigung. Ich glaube, man kann das nicht machen, ohne die Schauspieler auf irgend ne Art und Weise zu lieben. Erzähler: Das spiegelt sich auch auf der Seite der Zuschauer wider. Die Zuschauer entschlüsseln die Filme nicht über den Stoff oder den Regiestil, sondern einzig und allein über die Schauspieler. Da kann man sagen: Das ist von Volker Schlöndorff oder von Federico Fellini. Das Publikum aber ordnet die Welt des Kinos nach der Aura und der Ausstrahlung der Darsteller. Das muss ein Regisseur wissen. O- Ton Schlöndorff: So bin ich auch zum Kino gekommen. Ich hab doch gar nicht gewusst, dass es ´nen Regisseur gibt n Drehbuch noch. Das hat man ja vorausgesetzt, dass ein Schauspieler den Dialog nicht erfindet vor der Kamera , aber beinahe hatte man das Gefühl. Aber mein Schlüsselerlebnis war einfach Marlon Brando zu erleben und schöne Frauen zu sehen: Grace Kelly und Eva Gardner. Das war der Einstieg für mich zum Film. Ich wusste überhaupt nicht, dass dahinter ein Regisseur ist, der denen sagt was sie machen sollen Und man erlebt den Film doch mit dem Menschen, den man sieht auf der Leinwand. O- Ton Schlöndorff: Gerade Hollywood hat genau gewusst, dass es auf das Zusammenspiel von Kamera und Gesicht ankommt. Deshalb haben sie ja die Probeaufnahmen gemacht und oft ist das nicht über die Probeaufnahmen, die noch dazu stumm waren, hinaus gegangen, weil man gleich gemerkt hat: dieses Gesicht kommt rüber und dieses kommt nicht rüber. Was das genau ist natürlich wunderbar ein Geheimnis geblieben, obwohl: es gibt natürlich Tricks das rauszubekommen. Ich hab selbst einen Trick gehabt zu Zeiten als es noch kein Video gab und wir uns keine Probeaufnahmen leisten konnten, weil das zu teuer war, da mit 35mm-Material ne Kamera aufzubauen hab ich als Regieassistent noch in Paris bei Melville und vor allem bei Louis Malle immer wenn der Regisseur sich mit dem Schauspieler oder der Schauspielerin unterhielt – also sagen wir Mal die „audition“ mit der Kandidatin für das Casting hab ich mit der „Laika“ daneben gesessen und hab einfach einen Film runter geschossen und bei der nächsten wieder so ungefähr einen Film und wenn man dann den Kontaktbogen sieht muss man gar nichts vergrößern, dann sieht man sofort ob da lauter schöne Köpfe drauf sind, gut aber: Jedes mal der gleiche Ausdruck – schlecht. Das sind die Models. Dagegen ein Gesicht, das fast auf jedem Klischee anders aussieht auf diesen 36 Kontaktbildchen: das ist ein interessantes Gesicht, das ist ein Gesicht, das sich der Kamera mitteilt. Das Extrembeispiel dafür war der David Bennent. Am Tag, als ich ihn kennen gelernt hab bin ich mit ihm aufs Oktoberfest gegangen. Da war er beschäftigt. Da hat er Bälle geworfen, geschossen und Nägel in n Brett gehauen und was man so alles machen konnte an den Ständen und ich hab ihn während der Zeit fotografiert. Dieser Kontaktbogen, der war verblüffend, denn da sah er Mal aus wie ein Baby, mal wie ein Greis und eben wie der kleine Junge, der er ist. Fast jedes Mal anders. Das ist wahrscheinlich das Geheimnis. Es geht nicht nur drum fotogen zu sein, sondern in verschiedenen Ausdrücken fotogen zu sein. Der berühmte Wechsel von ernsthaft zu Lachen. Wenn dann plötzlich ein Gesicht anfängt zu strahlen oder ein Lächeln aufgeht und das ist – wie man so schön sagt „unwiderstehlich“. Das sind die Dinge, die man bei Probeaufnahmen prüfen kann. Das entscheidet nicht über das Talent der Schauspieler oder der Schauspielerin aber das entscheidet ob sie „geeignet“ sind für Film oder ob sie besser Theater machen sollten wo ganz andere Regeln herrschen und wo sie vielleicht brillant sind. Aber beim Film kommen sie nicht rüber. Filmausschnitte: Collage ca 3-4 Min: Eine Liebe von Swann: Jeremy Irons; Fanny Ardant, Ornella Muti ; Katharina Blum: Angela Winkler; Der Fangschuß: Margarethe von Trotta; Die Fälschung: Bruno Ganz; Tod eines Handlungsreisenden: Dustin Hofman; Homo Faber: Julie Delpy; Rückkehr nach Montauk; Nina Hoss Baal: Fassbinder; Die Blechtrommel: Mario Adorf; David Bennent, Katharina Thalbach (noch in Arbeit Stimmen stets original) O- Ton Schlöndorff beim Besetzen von einem Film fällt im Grunde die Entscheidung für ´nen ganzen Film. Also wenn die Besetzung gemacht ist, dann ist der Film schon zur Hälfte gedreht bevor noch ein Meter belichtet wurde, denn wenn man dann so ein Trio hat wie Fanny Ardant, Jeremy Irons und Ornella Muti entweder stimmt die Chemie zwischen den dreien oder nicht. In dem Proust-Film ist es sehr gewagt, sehr kompliziert. Aber es geht nicht drum, dass jeder Schauspieler für seine Rolle passt, sondern alle Schauspieler zusammen müssen noch zu einem Ensemble sich fügen. Bei der Blechtrommel ist das übrigens hervorragend, der Mario Adorf und der Daniel Olbrichski, die Angela Winkler, die Katharina Thalbach, das sind alles. Für jede Rolle ne Idealbesetzung und gleichzeitig zusammen ergeben sie ein glaubhaftes Ensemble. Das gelingt nicht immer: manchmal zerfällt das. Erzähler: Vom besonderen Talent Volker Schlöndorffs für die Verfilmung von großer Literatur wird noch die Rede sein. Das hat ihm bei manchem den Vorwurf eingebracht, Stoffe nicht selbstständig zu entwickeln. Außerdem seien seine Filme deshalb nicht persönlich genug. Wenn man allerdings Schlöndorffs 2008 verfasste Autobiografie „Licht, Schatten und Bewegung“ – Mein Leben und meine Filme - liest, kann man nicht umhin, gerade die leidenschaftliche Beschäftigung mit sehr persönlichen Aspekten seines Lebens in allen seinen Filmen zu entdecken. Markante Bilder und Situationen sowie Stimmungen seines Lebens tauchen immer wieder auf. O- Ton Schlöndorff: () Plötzlich stellt sich sowas ein: Wieso hab ich das anders entschieden. Wieso sind die aus meinem Leben verschwunden. Wenn ich ihnen jetzt gegenüber steh bin ich ihnen wieder ganz nah, als ob die 15 Jahre rausgeschnitten wären. Das ist einfach ein Erlebnis, das wir alle irgendwann haben und was die Liebe betrifft, das ist ja sowieso auch ein...Das hat ja sehr viel mit Imaginärem zu tun und natürlich : nach 20 Jahren kann jeder sagen: das war Mal meine große Liebe, weil das kann er sich ja inzwischen da hin stilisiert haben. Vielleicht war´s damals gar nicht so. Sonst hätte er sich ja vielleicht anders entschieden. Ich glaube nicht, () dass es im Leben ´ne Situation gibt wo man das eine tut, obwohl man eigentlich was ganz Anderes hätte tun wollen, wie man dann nachher sagt. Aber das was man tut ist immer das, was man an dem einen Moment wollte und man kann gar nicht anders und das andere sind eben Hirngespinste. Diese Hirngespinste die haben ein langes Leben. Das sind Geister, die verfolgen einen. Und ich hab solche Geister. Nicht nur Tote. Tote sind sowieso Geister. Also auch jetzt fast 50 Jahre nach ihrem Tod – da war ich ja sehr jung – lebe ich noch mit dem Geist meiner Mutter. Es passiert mir noch, das ich mich mit ihr unterhalte. Es ist diese ewig 30 Jahre junge Frau und es gibt dann Geister, die noch leben. Menschen mit denen man mal zusammen war und wo dann irgendwas schief gelaufen ist. Meistens – was heißt meistens – eigentlich immer aus eigenem Verschulden – verschulden ist schon wieder das falsche Wort, wenn man zurück denkt gibt’s vielleicht Bedauern. Es gibt keine Schuld mehr nach so viel Jahren. Es gibt überhaupt im Gefühlsleben keine Schuld, glaub ich, sondern man ist halt so wie man ist und man ist ja nicht aus Bosheit so, sondern man ist so, weil man nicht anders kann wie in „Gefährliche Liebschaften: „It´s beyond my control“ . O- Ton Schlöndorff: Später bin ich nach Amerika gegangen, freiwillig sozusagen, weil ich ein Angebot hatte, was man nicht abschlagen kann, nämlich den Tod des Handlungsreisenden mit Dustin Hoffman zu machen und dem mir damals und allen noch unbekannten John Malkovich und das Angebot kam von niemand weniger als Arthur Miller selbst. Ja gut, das war dann erst Mal ne Theaterverfilmung. Da kann ja nichts schief gehen sagt man sich so ungefähr. Das ist ja beinahe n Gebrauchsgegenstand, ne Gelegenheitsarbeit. Das hat mir dann aber soviel Spaß gemacht. Also erstens Mal in New York zu sein, tatsächlich dort auch zu arbeiten mit amerikanischen Schauspielern zu arbeiten, dass ich einfach beschlossen hab, jetzt bleib ich hier und jetzt mach ich hier weiter und eigentlich „open end“. Ich hatte keine Pläne zurück zu gehen, nur ich wollte nicht nach Hollywood gehen, ich wollte in New York bleiben und eben Independent Cinema machen. Weil, nach ein paar Versuchen in Hollywood, einfach Gespräche mit Leuten hab ich gemerkt: wir kommen nicht zusammen. Ich bin ihnen einfach zu kompliziert. Ich war nicht greifbar genug. Da konnte man sich kein klares Bild machen, was ist das eigentlich für einer und was will der eigentlich und da kann ich ihnen keinen Vorwurf machen, weil ich das selbst nicht weiß wer ich bin. Das muss ich ja bei jedem Film neu rausfinden: kein Erfolgsrezept in Hollywood. Aber in New York hab ich mich sehr sehr wohl gefühlt und eigentlich die Arbeit mit Schauspielern wieder vollkommen neu gelernt auf die amerikanische Art, was nichts mit Actors Studio zu tun hat, sondern dieses einfache „just do it“, dieses pragmatische rangehen nicht so sehr nach Motivation zu suchen sondern zu suchen: wie kann ich spielen, wie beim Sport. Es hat was Athletisches. Man probiert es aus . Man trainiert, man trainiert und auf einmal kommt man zu einem Ergebnis. Das hat mir sehr sehr gefallen. Ich wäre da geblieben, wenn nicht die Mauer gefallen wär wo man mich gefragt hätte : was machst Du in New York. Du musst in Berlin sein. Erzähler: Noch einmal New York. Genauer gesagt Montauk in den Hamptons, dort wo die New Yorker immer ihren Kurzurlaub am Meer machen. Ein berühmter Schriftsteller auf Lesereise und auf der Suche nach einer verflossenen Liebe, die er nicht vergessen hat. Das ist Volker Schlöndorffs bislang neuster Film, gedreht 2017, uraufgeführt auf der Berlinale 2018. Ein besonderer Fall. Schon der Titel bezieht sich auf eine Tagebuchartige Erzählung von Max Frisch, in der er sich im hohen Alter neu verliebt. Doch die Reflexionen über die neue Liebe tragen ihn fort in seine Erinnerungen an vergangene Lieben. Die Hauptfigur des Films forscht nach einer besonderen quasi verwehten Liebe. Endlich der Film, in dem Schlöndorff sein gesamtes Leben direkt zu spiegeln versucht. Seine Hauptfigur sucht nach nichts weniger als der Liebe seines Lebens mit der er noch einmal im Schatten des Leuchtturms von Montauk glücklich sein möchte. Und es kommt tatsächlich zu der erwarteten Begegnung mit Rebecca und dem Aufblühen neuen Glücks. Filmausschnitt: Montauk Gestern wusste ich noch gar nicht wie ich mich fühlen würde. – Ich dachte nur mir ginge es so. – Irgendwie könnte das der nächste Tag nach unserem letzten sein. Du hast immer gesagt: wir wären World Champions – Im Glücklich sein. Erzähler: Schlöndorff ist ein großer Verehrer von Frischs Werk. Sein Arbeitszimmer wird beherrscht von einem großen Fotoporträt des Meisters. Schlöndorff fährt immer noch den Jaguar 420, den Frisch ihm geschenkt hat und geredet haben die beiden nach der Adaption von Frischs „Homo Faber“ ganz gewiss auch über eine filmische Variante von Frischs Erinnerungen an Spaziergänge mit der Geliebten in den Dünen von Montauk. Doch Schlöndorff hatte einen eher autobiographischen Film im Sinn gehabt, als er „Rückkehr nach Montauk“ drehte. Er hat die Geschichte völlig verändert. Dieses eine Mal beherrschen Schlöndorffs persönliche Erinnerungen und Sehnsüchte ganz den Film. Vielleicht hat die Suche nach Frischs Stoff in Schlöndorffs sehr freier Variation davon, die tatsächlich auf seinen eigenen Lebenskrisen und Lebenslügen basiert, viel dazu beigetragen, wie dieser Film bei Kritik und Publikum konsequent missverstanden wurde, als besonders ausgefuchste Literaturadaption. Oder gibt es doch eine geheime Verbindung beider Lesarten? O- Ton Schlöndorff: Ich glaub ein bisschen die innere Haltung ist schon etwas, was – in aller Bescheidenheit – mich mit Max Frisch verbindet. Es muss ja n Grund geben warum wir fast gute Freunde geworden sind und zum Zweiten dass ich diese Geschichten nicht erzählen könnte ohne diese Vorlage von Max Frisch. Ein Schriftsteller, ein Künstler kommt nach New York um sein letztes Produkt vorzustellen und dann innerhalb von fünf Tagen passiert was, das ist der Rahmen, den ich von ihm übernommen hab. Nur das, was passiert, ist natürlich vollkommen anders als bei Max. Die Menschen, denen er begegnet sind vollkommen anders. Bei Max Frisch ist das ne junge Amerikanerin, die kommt bei uns vor, spielt aber keine größere Rolle und bei mir ist das eine Deutsche, die in New York lebt und die mal seine große Liebe war und der er plötzlich gegenüber steht. Diese Figur gibt es bei Max Frisch überhaupt nicht () insofern gibt’s den äußeren Anlass und die innere Wahlverwandtschaft. Erzähler: In der heftigen polemischen Reaktionen auf seinen persönlichen Film hat Volker Schlöndorff erlebt, was ihm sonst immer erspart geblieben ist, ganz persönliche Angriffe. Wie schwer ist es, damit umzugehen? O- Ton Schlöndorff: Vor allen Dingen dann, wenn man sich ne Blöße gibt, dann draufzuhauen. Das ist mir ja klar gewesen. Ist ja nicht n Film wie jeder andere, wenn man so die Hosen runterlässt und so das Innerste nach außen kehrt, dass das unglaublich riskant ist. Da rechnet man natürlich mit einer gewissen Barmherzigkeit bei den anderen, dass sie nicht sagen Aha und Altmännersentimentalität oder sowas, denn als junger Mann war ich viel sentimentaler. Erzähler: Auch Schlöndorffs Leben könnte man trotzdem – da ist er sich sicher – ausschließlich mit seinen Filmen erzählen, wobei manchmal einzelne Szenen wichtiger sind als ganze Filmgeschichten, die sich unmittelbar ins Leben übersetzen lassen. Wie sähe eine solche filmische Autobiographie aus? Ein Versuch. O- Ton Schlöndorff: Es gibt natürlich ´n Faden der sich durchzieht. Das ist mir ganz klar, dass ich die Literatur schamlos benutzt hab um von mir selbst zu sprechen ohne dass die Leute es merken. Und erst jetzt hab ich sozusagen mir die Blöße gegeben. Aber natürlich der Törless das waren meine Internatserlebnisse. „Der Fangschuß“ das war meine Beziehung zu Margarethe von Trotta. Die politischen Filme ham wenig Bedeutung. In der Blechtrommel ganz bestimmt die Mutter und der Verlust der Mutter, was nur Nebenthema bei Oskar ist. Das ist etwas was mir sicher bei dem Film sehr sehr geholfen hat. In dem Handlungsreisenden hab ich mich selbst erkannt wie man so in der Familie immer so tut als könne man für die anderen leben und so geht das weiter: die Eifersucht bei Proust bis jetzt halt zu diesem hier. () Nicht in allen Filmen ist das so stark aber ich könnte so etwa durch ein Dutzend meiner Filme auch meine Autobiografie nacherzählen anhand von ganz präzisen Szenen, die ich daraus nehmen würde. Erzähler: Manchmal handelt es dabei gar nicht um die großen für die Handlung des Films entscheidenden Szenen, sondern mehr um Rätsel und Gefühlsmomente. Auf die Frage nach dem Moment, der ihn bei den Dreharbeiten von „Rückkehr nach Montauk“ am meisten beeindruckt hat beschreibt Schlöndorff einen ganz schlichten Moment zwischen Stellan Skarsgard und Nina Hoss, zwischen dem Schriftsteller auf der Reise in seine Vergangenheit und seiner verflossenen Liebe. Es ist der Moment in dem die Unmöglichkeit der Widerkehr dieser Liebe auf ganz einfache Weise klar wird. Welche Szene hat Volker Schlöndorff beim dreh dieses Films selbst am meisten beeindruckt. O- Ton Schlöndorff: () Na ja, das ist ´n ganz einfacher Moment. Der geht durch den Wald mit ihr. Dann hält sie plötzlich an und sagt: könnten wir unser Leben nicht noch Mal neu anfangen Ham wir nicht ´ne zweite Chance? Das ist nicht nur ´ne wichtige Frage. Sie gibt die Antwort : Nein. Und diese Antwort kann ich bis heute nicht verstehen. Filmszene: Montauk Musik: Montauk Hauptmotiv Sprecher: Weltoffen und Streitbar Eine lange Nacht mit Volker Schlöndorff zum 80sten Geburtstag Dritte Stunde: Die Blechtrommel - Sternstunde der Literaturverfilmung Musik 3. Stunde Die Literatur war immer gut zu mir oder „Die Blechtrommel“ Filmausschnitt: Oscar trommelt und zersingt Glasscheiben O-Ton: Oscar-Rede Volker Schlöndorff (Academy Press) engl 1:30 Zitator: der Held unseres Filmes heißt Oscar und beim Dreh des Films haben wir uns gefragt: ob das ein gutes Omen sein würde. Ein kleiner Junge spielt den Oskar und mit diesem Oscar hat er gemein, dass er klein ist, aber nur in seiner Größe. Wissen sie: Es ist der allererste Preis an einen Film aus meinem Land. Dafür gibt es viele Gründe, die wir kennen. Ich nehme es als Auszeichnung für meine Regiekollegen drüben und vor alle in deren Tradition wir stehen, die wir aufgreifen und der wir folgen wollen und die hier gelebt und gearbeitet haben. Ich meine Fritz Lang, Billy Wilder, Lubitsch, Murnau, Pabst. Sie kennen sie alle und haben sie willkommen geheißen. Danke. Erzähler: 1980: Eine Sternstunde für den deutschen Film. Die Bundesrepublik Deutschland gewinnt den Oscar für „Die Blechtrommel“. In seiner Dankesrede ordnet Volker Schlöndorff sich geschichtsbewusst ein in die Tradition der Emigranten des deutschen Films, die in Amerika eine neue Heimat gefunden hatten. Das Signal ist deutlich: Wir sind wieder da! Wenige Monate zuvor hatte Schlöndorff ex aequo mit Francis Ford Coppola in Cannes die Goldene Palme hoch in die Luft gehoben. Für den Deutschen Film und insbesondere den Autorenfilm der Rebellen des Jungen Deutschen Films beanspruchte Schlöndorff einen Platz an der Sonne der Weltkinematographie und schrieb damit Filmgeschichte. Mit dem saftigen und kritischen historischen Roman des deutschen Nobelpreisträger Günter Grass hatte er aber auch einen Stoff aufgefahren, dem die amerikanische Filmakademie nicht widerstehen konnte. Schon Wochen vorher war er nach Amerika gereist und nahm alle schon mit der Oscar-Nominierung verbundenen Ehrungen mit. Mehr noch als die Oscarverleihung im pompösen Konzertsaal „Dorothy Chandler Pavilion“ in Los Angeles, die er nach eigener Aussage atemlos und berauscht erlebt hat, begeisterte den damals knapp 41jährigen Filmemacher ein Galadiner mit den berühmten Hollywoodkollegen gleich nach seiner Ankunft in Amerika. O- Ton Schlöndorff: Dann ging´s am nächsten Tag los mit eigentlich dem schönsten Ereignis der Oscars – einem Mittagessen, das die älteren – es können auch jüngere sein – jedenfalls die amerikanischen Regisseure geben für die Oscar nominierten Regisseure , soweit sie da sind. Das war in diesem Fall der Billy Wilder da, da war aber auch noch der alte William Wyler , da war noch King Vidor, da war Mamoulian, da war George Cukor unglaublich, der ganze Zenit der amerikanischen und europäischen Filmgeschichte war da, insgesamt 18 Leute. Und der George Cukor hat dieses Essen als sozusagen „Maitre de Ceremonie“ begleitet und statt dass man nur mit seinem Nachbarn redete, hat der immer das Wort erteilt und jeder dieser Regisseure erzählte nun wie er zum Film gekommen ist. Stanley Donen muss ich noch erwähnen war auch dabei, der hat eine der lustigsten Geschichten erzählt und Vincente Minelli. Und jeder von denen war im Grunde durch Zufall zum Film gekommen, wie das früher war, als es noch keine Filmschulen gab und ich war einer der Letzten die über eine solche Art Zufall, Laborgehilfe bei einem Photographen und dann 5ter Assistent beim Film oder so dazu gekommen sind und so waren die alle über den mail-raum in der Postzustellung gearbeitet haben oder in der Kostümabteilung oder sonstwo und das war ein großartiger Moment wo man erlebt hat wie der Film sich eigentlich selbst erfunden hat zu unseren fast unseren Lebzeiten. Nun ist er 100 und paar Jahre alt ... 11:46 Heute beginnt die Filmgeschichte ja bei Blade Runner. 12:27 Erzähler: „Die Blechtrommel“ markiert einen solchen Einschnitt in der deutschen Filmgeschichte, das auch Volker Schlöndorff immer darauf festgelegt wird, nach dem Prinzip Volker Schlöndorff - Klammer auf - „Die Blechtrommel“- Klammer zu, als habe er seine weiteren mehr als 30 Filme überhaupt nicht gemacht. Hat er diese Zuordnung jemals gehasst? O- Ton Schlöndorff: Nein, ich hab das nie verflucht. Ich bin da sehr locker mit umgegangen. Günter Grass hat das Mal so schön auf den Punkt gebracht, weil es ihm ja auch so ging, dass er immer auf dieses Buch festgelegt wurde, sogar beim Nobelpreis 40 Jahre nach dem Erscheinen, hat er gesagt naja es gibt Schlimmeres oder Besser damit als gar nicht. Nein, ich bin natürlich sehr sehr stolz auf dieses Markenzeichen unterlass es aber nie zu sagen, ja Moment Mal, Ich hab auch die Katharina Blum, den Törless und vieles Andere gemacht und dann erwähn ich die letzten zehn Filme, die keiner gesehen hat, die mir genauso wichtig sind. Also für den David ist tatsächlich „Die Blechtrommel“ ein „Fluch“ gewesen. Das tut mir ganz besonders leid für ihn. Weil wir auch im Leben weiter befreundet sind nach fast 40 Jahren, dass man ihn immer wieder auf diese Rolle festnagelt obwohl er zum Beispiel im Theater mit Peter Brook große Erfolge hatte, auch mit seinen Solo-Abenden ist er wunderbar. Er hat immer noch diese tolle schrille Stimme. Er hat immer noch diesen geradezu magnetischen Blick aus seinen blauen Augen. Aber er hat nie wieder eine Rolle gefunden, wo er das so einsetzen konnte wie bei der „Blechtrommel“. Und wenn „Die Blechtrommel“ heute immer noch überlebt und so präsent ist. Dann liegt das natürlich an der großartigen Vorlage von Günter Grass, liegt es vielleicht auch an meiner Arbeit aber es liegt vor allen Dingen an der Präsenz von David Bennent. Wenn ein anderer diese Rolle gespielt hätte. Dann wäre der Film längst vergessen. Filmausschnitt: Die Blechtrommel Dialog David Bennent: „Da hielt meine Mama ihren Vetter Jan zum ersten Mal. ich weiß nicht ob sie ihn später jemals glücklicher gehalten hat. – Diese junge Kriegsliebe blieb ungetrübt bis ein Herr Matzerath auftauchte, Alfred Matzerath, gebürtiger Rheinländer war ein Silberhammer auf rheinisch-fröhliche Art. Er war ein Liebling aller Krankenschwestern. – Wat hat se gesach? – Sie sagt, sie sind ein geborener Koch, Herr Matzerath: sie verstehen Gefühle in Suppen zu verwandeln.“ Erzähler: Obwohl mit Mario Adorf, Angela Winkler, Katharina Thalbach und Charles Aznavour viele berühmte Darsteller den Film prägen, steht der damals gerade mal 12 Jahre alte David Bennent als Oskar Matzerath, der aus Protest gegen diese Welt beschließt, nicht mehr weiter zu wachsen im Mittelpunkt des Films. David hat tatsächlich eine veritable Wachstumshemmung und beherrscht als eine Art Zauberwesen mit seinen besonderen Eigenschaften diesen Film. Er ist ein Gnom, der später in einer Zwergentruppe beim Zirkus Unterschlupf findet und zugleich ein vollwertiger Mann, der wahrscheinlich sogar mit der Dienstmagd Maria seinen Halbbruder Kurtchen zeugt. Schlöndorff musste also einen glaubhaften kleingewachsenen Darsteller finden, dem man auch all seine Frechheiten, seine glaszersingende Stimme und sein trommlerisches Talent glaubte. Anfangs war sogar an die Besetzung der Rolle mit einem richtigen Schauspieler wie Dustin Hofmann gedacht worden. So brauchte es Langmut und einen ganz besonderen Zufall um auf den kleinen David Bennent, damals noch Laiendarsteller, zu kommen und ihm die Rolle anzuvertrauen. O- Ton Schlöndorff: Die Entdeckung von David Bennent war über viele Umwege – buchstäblich, denn er hat mit seinen Eltern zwei Straßen weiter von mir in München gewohnt. Aber: wir wussten ja nix von seiner Existenz und wir sind mit Hein Bennent befreundet gewesen, seinem Vater, weil er auch in der „Katharina Blum“, die wir gerade vorher gedreht hatten, den Rechtsanwalt Börner gespielt hat aber nie seinen Sohn erwähnt hat. Also sind der Produzent Franz Seitz mit mir losgezogen. Wir sind zum Beispiel in Goslar gewesen auf dem jährlichen Treffen kleinwüchsiger Menschen in Deutschland. So was gibt es. Da geht’s aber hauptsächlich um Krankenkasse und Konfektionsgrößen für Klamotten. Die waren alle entzückend. Aber wir konnten uns nicht vorstellen, dass einer von denen die Rolle spielt. Dann bin ich rumgezogen Zirkus Krone, Zirkus Sarassani, Althoff in Frankreich, le Cirque Richard in Italien und hab sämtliche Clowns, Zwergclowns und Liliputaner kennen gelernt und wieder ging das nicht. Bis uns auf einmal gedämmert ist: Es ging ja gar nicht darum, dass das ein Zwerg ist, sondern ein Kind, das nicht mehr wachsen will. Also können wir ja einfach ein begabtes Kind nehmen und in dem Zusammenhang hab ich dann in München Professor Butenland, Arzt, getroffen, der doch in Wachstumsproblemen spezialisiert war. Von dem wollt ich eigentlich nur wissen: Ist das denn vorstellbar wenn jemand die Treppe runter fällt, dass er dann nicht mehr wächst. Da sagt er: na das ist vielleicht ne schöne Erfindung. Der hat vielleicht Knochenbrüche und verwächst irgendwie. Was gibt es denn noch. Sagt er. Früher wenn das auf dem Land vorkam, dann ist das ne Missgeburt und die wurde dann im Stall mit den Tieren aufgezogen weil man sich dafür geschämt hat aber es gibt einen Fall, den kann ich Ihnen sagen ohne Datenschutz zu verletzen, denn hier ist gerade eine Reportage in der Zeitung über die Familie Bennent und der kleine David Bennent, der ist bei mir in Behandlung. Der ist jetzt zehn Jahre alt und ist halt fast nur halb so groß wie er sein sollte. So hab ich den David Bennent kennen gelernt und dann bin ich mit ihm, um ihn kennen zu lernen bei der ersten Begegnung aufs Oktoberfest gegangen. Und danach war uns klar, dass nur er das spielen kann. Es war ja wie eine Erleuchtung für uns. Er war sowohl ein Kind als auch irgendwie altklug und man nahm ihm auch das „Erwachsene“ ab und er selbst hat das ja auch sofort verstanden, denn er ist nach Hause gekommen zu seinem Vater Heinz Bennent und hat gesagt: „Papi ich hab eine Rolle wie du sie nie gehabt hast und nie haben wirst.“ Doch im Zirkus trifft er auf den Liliputaner Bebra. Filmausschnitt: Die Blechtrommel David Bennent im Dialog mit Zirkusliliputaner: „Schau schau, heutzutage wollen die Dreijährigen schon nicht mehr wachsen. Bebra, mein Name, ich stamme in direkter Linie vom Prinzen Eugen ab, ergo von Ludwig XIV, denn dieser war sein Vater, nicht irgendein wie behauptet wird. An meinem zehnten Geburtstag habe ich das Wachstum eingestellt, etwas spät aber immerhin. - Oskar – Schauen Sie bester Oskar sie dürften jetzt 15 oder 16 Jährchen sein. – 12, 12einhalb. – nicht möglich und wie alt schätzen Sie mich. – Mh 35. – Sie sind ein Schmeichler junger Freund. 35 – das war einmal. Im August feire ich meinen 53sten. Ich könnt ihr Großvater sein. Sind Sie auch Künstler? – Nicht eigentlich. Wiewohl ich (Trommeln, Schrei) wie Sie sehen durchaus zu einem Kunststück fähig bin – Bravo, bravissimo. Sie müssen zu uns kommen, unbedingt.“ Erzähler: Papa Heinz Bennent bekam auch eine kleinere Rolle in „Die Blechtrommel“, doch den unvergesslichen stilistisch prägenden Einfluss auf Schlöndorffs Meisterwerk hatte allein David Bennent als mit einer Art filmischen Zeichenstift überhöhte skurrile Gestalt, die die „Verkrüppelungen“ der deutschen Geschichte und auch die Befreiung davon - kongenial der Rolle Oscar Matzeraths in Günther Grass Roman folgend - verkörpert. Dass es überhaupt dazu kam, das Volker Schlöndorff ausersehen wurde, das literarisch äußerst bedeutsame Werk rund 20 Jahre nach seinem Erscheinen 1959 zu verfilmen kann als Glücksfall der Film- wie der Literaturgeschichte verstanden werden. Schließlich galt der Roman mit seiner Fülle an wagemutigen Bilderfindungen und seiner epischen Spannbreite vom kaschubischen Kartoffelacker bis zu „Polnischen Post“ in Danzig stilistsch und erzählerisch als „unverfilmbar“ und Volker Schlöndorff war abgesehen von der Böllverfilmung „Die verlorene Ehre der Katharina Blum“ 1975 noch nicht als besonders erfolgreich bekannt. Doch Günter Grass, der an der Entwicklung des Stoffes mitarbeiten wollte, unterstützte Schlöndorffs Engagement. Doch der traute sich das Projekt mit einem Etat von mehr als sieben Millionen Mark zunächst keineswegs zu: O- Ton Schlöndorff: Also ich hatte überhaupt keinen Mut, denn ich hab das sofort abgesagt ,als das Projekt zu mir kam. Franz Seitz() kam mit diesem Vorschlag und ich hab gesagt: Nein, das ist ja überhaupt nicht meine Art. Das ist was für Polanski oder Fellini oder jemanden der so eine wilde Bildfantasie einerseits hat und andererseits im Grotesken zu Hause ist und hab versucht, ihm das auszureden. Also ich hab nein gesagt und er () klopfte immer wieder an die Tür bis ich, weil ich immer weiter immer wieder gelesen hab, einmal hängen geblieben bin in der Szene in der Strandkabine Brösen an der Ostsee, wo er mit seiner zukünftigen Stiefmutter und wenn man so will auch seiner zweiten Frau der jungen Katharina Thalbach da in der Badekabine sich umzieht und für mich selbst waren das so Kindheitserinnerungen, die auf einmal hochkamen. Badekabinen, Schlangenbad im Taunus, jeden Nachmittag waren wir da. Immer gab es diese Gucklöcher , immer lagen diese Erwachsenen da rum, Seekühe im Grass: die Frauen da am Ostseestrand, immer gab es diese merkwürdige Sommerstimmung. Da hab ich gedacht: die Szene, die würd ich ja doch gerne drehen. Und das war eigentlich der Einstieg. Ne Szene in der Oskar beinah nur Zuschauer ist. Filmausschnitt: „Die Blechtrommel“ Am Strand: „Oskar komm! – (Meereswellen) – Huhu. – (Meereswellen) – Kuckuck! – (Meereswellen, Möven) – Stauer, kann man auch mit der Wäscheleine? – Jo, Jo möchten wer schon. – Richtig Fisch oder nur nen alten Schuh? – Möchte ma n bisschen kieken was dran ist .“ (Holt die Aale aus dem Kopf) Erzähler: Eine der eindrucksvollsten Szenen im Film, in dem ein Fischer Dutzende von Aalen aus einem Pferdekopf holt, den sie fressend oder als Höhle bewohnt haben, eher eine alte Ostseelegende, die man nicht vergisst als eine reale Szene. Man glaubt die Hand von Grass zu spüren, der bei den Dreharbeiten oft dabei war. Die engagierte Mitarbeit des Großschriftstellers Günter Grass, der damals noch nicht Nobelpreisträger war – das wurde er erst 1999 - am Film forderte von Schlöndorff das Letzte, was er in einem später veröffentlichten „Tagebuch“ ausführlich dokumentiert hat und es schärfte seinen Sinn für Literaturverfilmungen, die ja zu seinem Markenzeichen wurden. O- Ton Schlöndorff: Ja ich hatte nun schon vorher mit Heinrich Böll gearbeitet und hatte da ein bisschen die Scheu verloren und gemerkt. Zu Anfang hatte ich allergrößten Respekt und war eingeschüchtert auch von Heinrich Böll. () So war ich also schon geübt im Umgang mit einem lebenden Großschriftsteller. Grass war einschüchternder muss ich sagen, sehr viel einschüchternder . Auf der anderen Seite hat er aber auch gesagt: Ich will gar nicht mitarbeiten. Ich lass euch „freie Hand“. Das war natürlich schon Mal eine sehr nette Einladung. Es war mir völlig klar, der kann gar nicht loslassen und ich wollte auch, dass er sich einmischt, weil in der Arbeit als ich dann mit Jean Claude Carrière mit der ersten Drehbuchfassung zu ihm kam. Er hatte das gelesen. Dann hat er gleich wieder mit derselben Strenge reagiert, die ihm übrigens nicht bewusst war, wie er mir später gesagt hat und hat das abgetan und hat gesagt: zu cartesianisch, also zu rational und nicht katholisch genug. Das war natürlich erst mal ein Schlag für uns, denn erstens Mal ist Jean Claude Carrière sehr katholisch, beziehungsweise auch antiklerikal katholisch wie eben Bunuel. Das heißt: der ist genauso fasziniert vom Katholizismus, wie er ihn in Frage stellt, also ganz ähnlich wie Grass und rational? Das Gefühl hatten wir überhaupt nicht, aber Grass fand, dass wir zu viel Ordnung reingebracht haben. Dann haben wir ne zweite Fassung geschrieben. Das hat schon geholfen, dieser Schuss vorn Bug von dem Autor, weshalb es gut ist mit Autoren zu arbeiten, jedenfalls den Kontakt immer wieder zu suchen. Nicht unbedingt mit ihnen am Schreibtisch zu sitzen. Das geht gar nicht. Wir hatten eben bei der zweiten Fassung berücksichtigt, was er gesagt hat. Die Geschichte kommt nicht genug vor, die deutsche Geschichte kommt nicht genug vor. Hier wird ja ne kleinbürgerliche Familie geschildert, die ihr Leben lebt und dieses Leben kommt immer wieder durcheinander weil Querschläge aus der deutschen Geschichte reinkommen und da müssen sie drauf reagieren und dadurch wird der Film episch. Dadurch ist es eben nicht mehr die Geschichte von ´ner Kleinbürgerfamilie, sondern die Geschichte von dem was die Historie mit uns machte. Und das haben wir in der zweiten Fassung dann glaub ich bewusst da eingearbeitet, das war übrigens ein Hinweis den ich bis heute bei jedem Drehbuch berücksichtige. Ich find das immer sehr sehr interessant. Das man einerseits die Charaktere hat und deren Zusammenspiel, was sich aus der Konstellation ergibt, dann Konflikte, Lieben, Leidenschaften und als dritte Person die Geschichte, die Historie, die ja um sie herum sich abspielt und die immer wieder in ihr Leben eingreift und in jedes von unseren Leben eingreift ob uns das bewusst ist oder nicht und diese dritte Person, die spielt dann in allen diesen Filmen auch eine Rolle, eine unsichtbare aber - das muss man beim machen berücksichtigen – Nichts spielt sich im Luftleeren Raum ab und für alles gibt es immer Gründe. Die Gründe, die nicht unbedingt im Individuum liegen in der Psychologie. Musik: Die Blechtrommel Jarre Erzähler: Mit „Die Blechtrommel“ ist Volker Schlöndorff selbst zum Teil der Filmgeschichte geworden. Seine Erfolge mit diesem Film brachten dem Jungen Deutschen Film erstmals Weltgeltung und öffneten nicht nur ihm selbst neue Türen im internationalen Filmgeschäft. Das hatte sich schon bei den Dreharbeiten angedeutet. Und der außergewöhnliche Erfolg des Films, nationale und internationale Filmpreise und Millionen von Besuchern. All das machte Volker Schlöndorff zum ungekrönten „König“ des bundesdeutschen Kinos. Aber auch als kulturhistorisches Ereignis machte dieser Film Furore. Ab wann hat man etwa schon bei den Dreharbeiten gespürt, dass das ein Welterfolg werden würde? O- Ton Schlöndorff: Das Unternehmen Blechtrommel hat sich von allen anderen dadurch unterschieden, dass es von Anfang an vor den Augen der Öffentlichkeit stattfand. Das war ein Schaukampf. Von dem Moment an, wo das angekündigt war, das wir das machen würden, waren wir unter strenger Beobachtung aller Medien, aller Kollegen und das war mir vollkommen klar. Aber ich hatte doch schon ein gewisses Rückgrat, ich meine der Törless um wieder den rauszunehmen als erster Film in Cannes schon ein Erfolg, dann die Katharina Blum, das war ja der Durchbruch beim Publikum für den Jungen deutschen Film. Ich hatte schon genug Selbstbewusstsein, um diesen Kampf aufzunehmen, dass es dann so ein Erfolg würde war noch nicht Mal abzusehen als der Film fertig war. Wir selbst haben am ersten Drehtag angefangen, wirklich dran zu glauben. Filmausschnitt: unterlegt Maiwiesenszene O- Ton Schlöndorff: Es war diese Maiwiesn-Szene wo der Oskar mit seiner Trommel den Aufmarsch der Nazis durcheinanderbringt, weil er vom Marschrhythmus in den Walzerrhythmus, in den Dreivierteltakt übergeht und als wir da den David unter der Tribüne gefilmt haben. Erster Drehtag. Da war irgendwie. Da sprang der Funke über vom Kameramann zu mir zu dem Produzenten, der hinten stand zu Herrn Junkersdorf, der auch der Produzent war und zu allen am Set: Da ist irgendwie Etwas Besonderes was im Augenblick vor der Kamera hier passiert. Und dabei ist das nur ein kleiner Junge mit ner Blechtrommel. Es war ganz klar: Nichts Gleichgültiges kann dabei rauskommen und das muss sich eigentlich auf jeden übertragen () ().Ich hab natürlich mit Zweifeln und Angst gerungen bis zum letzten Tag und als wir den Film zum ersten Mal dem Verleiher vorgeführt haben United Artists in Frankfurt, Fred Sorg, hat der gesagt: der Film ist nicht spielbar. Den Film kann man dem Publikum nicht zeigen. Der war irgendwie empört von dem Film. Da ist uns natürlich allen das Herz in die Hose gefallen. Und ham gesagt Um Gottes Willen, jetzt sind wir so nah dran gewesen, dass wir das nicht bemerkt haben, dass das zu weit geht was wir hier gemacht haben? Und dann gabs ne zweite Vorführung in New York für die eigentlichen Leute von United Artists und das waren nun alles ausgewanderte Berliner und Prager , Norbert Auerbach, Eric Pleskow und die waren begeistert. Haben die in Frankfurt vielleicht doch unrecht und so wars dann auch. Wie geht man dann mit dem Erfolg um: Ich kann das nicht sagen, Ich glaube nicht , dass es mir zu Kopf gestiegen ist. Ich hab das sehr genossen. Ich scheu mich auch heute nicht, mit dem Film aufzutreten und zu erklären wie ich den gemacht hab, aber deshalb sind die anderen Filme keine Stiefkinder.() (). Nur bei der Blechtrommel kommt eben dazu der Resonanzboden. Diese Trommel ist halt etwas was tönt und dröhnt und die kleinste Sache, die man da gemacht hat in einer Szene, einem Blick, einer Geste, ne kleine Erfindung, die man hatte, die wird durch die Wucht des Romans ins Vielfache gesteigert. Musik: Die Blechtrommel Jarre Frage: In der Erinnerung der Menschen sind ihre Filmszenen nicht die Zeilen bei Günter Grass? Schlöndorff: Das ist wieder was anderes. Natürlich. Sogar beim Nobelpreis hat Frau Sommer mir gesagt, die Agentin von Günter Grass- Mittlerin , Impresario und alles 96 Jahre alt, da saß sie in Stockholm an einem Tisch mit 19 Herren und Teilnobelpreisträgern Medizin vorheriger Jahrgang. Also alles gewichtige Leute. Und von den 19 kannten alle „Die Blechtrommel“ aber alle nur vom Film. Keiner hatte das Buch gelesen. Insofern bin ich ein guter Propagandist für den Autor gewesen. Erzähler: Es gibt eine lange Geschichte der Literaturverfilmungen Hollywoods. Es galt immer neben der Besetzung mit Stars als sichere Erfolgsmethode, literarische Bestseller als Film zu adaptieren, um damit schon einmal deren Millionenleserschaft für das Kino zu gewinnen. „Vom Winde verweht“ von Margret Mitchel und „Krieg und Frieden“ von Leo Tolstoi sind die prominentesten Beispiele dieser Tendenz. Nicht immer handelte es sich bei Literaturverfilmungen jedoch um künstlerisch besonders wertvolle Werke weswegen eher die Kinoerfolge der Jugendromane von J.K. Rowlings um den Zauberlehrling „Harry Potter“ oder Stefanie Meyers Vampirschmonzetten um den „Biss zum Morgengrauen“ gelten eher als typisch für das Kinogenre der Literaturverfilmung. Bei anspruchsvollen Werken der Literatur ist es anders, zu denen „Die Blechtrommel“ von Günter Grass zweifelsfrei gehört. Oder Texte von Max Frisch, Arthur Miller, Nicolas Born, Michel Tournier, Marcel Proust und Heinrich Böll, mit denen sich Volker Schlöndorff im Verlaufe seiner Karriere nach „Die Blechtrommel“ unter anderem beschäftigt hat. O- Ton Schlöndorff: Erst Mal muss ich sagen, dass ich das in den ersten Jahren als ein Makel empfunden hab. Das hab ich ganz einfach übernommen von der allgemeinen Kritik. Das ist irgendwie ein sekundäres Genre, gehört nicht zum Autorenfilm. Ich wollte mir den Schuh nicht anziehen. Gleichzeitig hat es mich natürlich immer gewurmt. Ich hab immer Mal wieder Anderes versucht. Manchmal mit Erfolg, manchmal ohne Erfolg und bin dann eigentlich immer wieder zur Literatur zurück gekehrt, weil ich es einfach so liebe. Das muss ich einfach dazu sagen. Ich bin bis heute ein großer Leser und könnte mir überhaupt nicht vorstellen, abends einzuschlafen ohne ein paar Seiten zu lesen oder auch im Lauf der Woche und auf Reisen. Immer, immer und nach Möglichkeit n Roman dabei zu haben. Das ist einfach. Früh fing es an, dass ich mich da vergiftet hab mit 14 oder 15, hab mir das zugezogen und das bleibt bei mir. () Ich hab nicht mehr das Bedürfnis, mich dafür zu rechtfertigen, dass ich mich damit ganz wohl fühle.() Nein, nein Ich versteh schon wie sies gemeint haben. Gleichzeitig hab ich dann doch in den letzten Jahren entdeckt, die Befriedigung etwas also mehr selbst zu schreiben auch aus dem Eigenen heraus. Das hat früher Beispiele gegeben als ich mit der Margarete von Trotta zusammen gearbeitet hab bei „Strohfeuer“, beim plötzlichen Reichtum der armen Leute von Kombach und in den letzten Jahren eben beim „Neunten Tag“ , beim „Meer am Morgen“, bei den Filmen, die ich in Frankreich gemacht hab vor allen Dingen, jetzt hätt ich beinahe den wichtigsten vergessen „Rückkehr nach Montauk“ () dass es natürlich auch ne tolle Sache ist, selbst Erlebtes unmittelbar zu verarbeiten. Nicht nur auf dem Umweg über die Literatur. Insofern , wenn ich nochmal anfangen würde, würde ich vielleicht mit Eigenem anfangen und dann später zur Literatur übergehen. Aber dafür ist es jetzt zu spät. Musik: Musikmotiv Montauk Erzähler: Ein Buch ist kein Film und ein Film ist kein Buch. Meist muss man bei der Verfilmung eines Romans auf ganze Nebenhandlungen und bestimmte Figuren, Handlungsorte oder Erzählebenen ganz verzichten oder die Komplexität diverser Zeitebenen verdichten. Regisseur Francis Ford Coppola hat einmal gesagt, die beste Literaturvorlage für einen Film sei eine Kurzgeschichte von ein paar Dutzend Seiten, weil sie dem Filmemacher alle notwendigen Freiheiten lasse. Wenn man sich aber einmal an eine komplizierte Geschichte herangewagt hat, dann muss man erst einmal mit der Überfülle an Stoff als besondere Herausforderung einer Literaturverfilmung zu Recht kommen. Der Filmemacher muss den Geist der Buchvorlage erhalten und ihn filmisch nachempfinden. O- Ton Schlöndorff: Für mich seh ich das so, wenn ich etwas verfilme und verfilmen will. Dann liegt das ja zunächst einmal daran, dass ich das Buch mag. Ich würd nie eins verfilmen um es bloß zu stellen, kann man ja auch machen, um einen Teil davon zu benutzen, um das dann aufm Kopf zu stellen, Nein, meistens isses doch, dass es da eine Wahlverwandtschaft gibt. So verschieden die Autoren auch sein mögen, ist es oft eher ne Wahlverwandtschaft zu ihren Personen.() Rückblickend kann ich sagen, das es glaub ich darin bestanden hat, dass ich versuche, das was an dem Buch so faszinierend ist, dass man die Seiten umblättert , um zu sehen, dass man einfach nicht loskommt davon. Was ist das in jedem einzelnen Fall und es gibt ich sprech jetzt nicht wie bei nem Krimi drum, wer war der Mörder oder so, sondern da gibt’s ja irgendwie eine psychische Energie in einem Buch()Warum hat der Autor das Buch geschrieben, was hat ihn nicht los gelassen, dass er sich hinsetzen musste um Seite um Seite zu füllen. Das ist ja nicht ´ne Aufgabe, die man sich stellt, das ist ja meistens ein Druck der von Innen kommt und manchmal kommt man dem auf die Spur, wenn man mit den Autoren spricht () Mit den Büchern selbst ist es oft nicht beantwortet. (Aber, wenn man) Der Autor kann einem auch sein Buch nicht erklären. Er kann einem aber erklären unter welchen Umständen er das Buch geschrieben hat und was ihn wohl damals getrieben hat. Das hat mir oft geholfen, der geheimen Triebkraft in dem Buch auf die Spur zu kommen und das dann umzusetzen. Natürlich bei dem Oskar ist es: Er will alle Freiheiten haben und keine Verantwortung übernehmen. Das ist Kindern erlaubt aber wenn Erwachsene das tun, dann ist es kindisch. Aber das ist son Traum, der mir nicht fremd ist. Überall mitreden wollen, alles kritisieren und mich einmischen aber bloß keine Verantwortung übernehmen. Oder bei dem Törless das Gefühl zu haben: man ist als Außenseiter in die Welt geboren und man mischt sich nicht ein. Man beobachtet. Und wenn man sich dann einmischt, dann tut man´s im falschen Moment. Das ist ja so ungefähr was ihm passiert. Filmausschnitt: „Der junge Törless“ Törless beschützt nicht: „Törless. Du musst mir helfen. Ich halte es nicht mehr aus. Sie quälen mich noch tot. – ich kann Dir nicht helfen. – Aber Du warst doch vor Kurzem noch so nett zu mir. – Schweig davon. Das war nicht ich. – Ich kann es nicht mehr länger ertragen. – Du fühlst, dass Du leidest und willst dem entgehen, ja? – Mach was Du willst. – Da, sieh doch was sie mit mir gemacht haben. – Was ist denn das? Du hast geheime Zusammenkünfte mit Basini? – Er bittet mich, ihn zu beschützen. – Da ist er ja an den Richtigen gekommen. – Vielleicht hätt ich es auch getan aber mir ist diese ganze Geschichte langweilig. – Wir werden Dich schon lehren, Heimlichkeiten anzustiften. Dein Schutzengel Törless wird selbst dabei sein und sein Vergnügen daran haben. – Das wird ich nicht tun. – Auf einmal? – Ja, auf einmal. – Denn früher sucht ich hinter all dem etwas. – Ah das zweite Gesicht. – Ja aber jetzt seh ich nur noch eine Rohheit. „ Erzähler: Literaturvorlagen muss man sich aneignen, damit man einen Film daraus machen kann. Man muss deshalb sich der Differenz der beiden Medien sehr genau bewusst sein und ihn ins Filmische umdenken. Dazu muss man im literarischen Medium mit einer ganz ähnlichen Methode wie die Schauspieler des Actors Studio Situationen in seinem eigenen Erfahrungsschatz wiederfinden, um sie in eine überzeugende Filmszene verwandeln zu können. Vielleicht das Geheimnis oder das Erfolgsrezept für Schlöndorffs als Literaturverfilmer. O- Ton Schlöndorff: Ja, ja ich erkenne mich in allen meinen Literaturverfilmungen nach Vorlagen oft mehr als in den von mir selbst geschriebenen. Man kann natürlich überall was mitreinschmuggeln oder ganz bewusst und oft auch unbewusst mit rein nehmen. Also, der eigentliche Zugang zur Blechtrommel sind für mich zwei Dinge gewesen. Das Eine ist, dass ein Kind das beobachtet, die Welt der Erwachsenen. Das ist sehr sehr wichtig für mich statt zu spielen hab ich oft mehr den anderen zugeschaut, auch später noch im Leben bis dahin, dass Freunde mir gesagt haben: Du kannst nicht ewig da in der Ecke stehen und den anderen zuschauen. Du musst doch teilnehmen. Das Andere ist der Verlust der Mutter. Die Szene in der die Angela Winkler da hinter der verschlossenen Tür stirbt und der Oskar da an die Tür trommelt, die ist gar nicht in der Blechtrommel in dem Roman, die ist im Grunde mein eigenes Kindheitstrauma als ich mit vier Jahren meine Mutter verloren hab, die eben hinter dieser Tür verbrannt ist. Insofern ist dann, das muss man sich gar nicht weiter bewusst machen, aber das spielt natürlich bei jeder Szene mit, dass man da eine Sensibilität mitbringt und einen da beim Führen der Schauspieler und beim Drehen der Szenen Sachen unterlaufen, die man gar nicht so kennt. Musik: Die verlorene Ehre der Katharina Blum O- Ton Schlöndorff: Beim Arbeiten mit den Schriftstellern ist mir allmählich und vielleicht erst im Nachhinein etwas klar geworden, dass die Bücher dann oder die Romane dann gut sind, wenn der Schriftsteller etwas selbst Erlebtes und oft traumatisch Erlebtes in dem Buch verarbeitet. Das kann eine ganz kleine Keimzelle sein aber offensichtlich ist es bei Böll „Katharina Blum“ das ist natürlich die Verlorene Ehre des Heinrich Böll, weil man in damals zum geistigen Vater der Gewalt hat. Bei Max Frisch ist es auch sehr viel selbst Erlebtes, was man vielleicht in dem Satz zusammenfassen kann: wir können uns nicht nochmal durch unsere Kinder verheiraten. Also dieses inzestuöse Verhältnis. Diesem Quell muss man natürlich als Regisseur versuchen nachzugehen schon beim Drehbuch schreiben und versuchen sich das zu Eigen zu machen, beziehungsweise in sich selbst zu suchen, sowie der Schauspieler wenn er ne Rolle spielt nach Stanislawski muss er ja nach eigenen Erlebnissen suchen mit denen er die Erlebnisse der Rolle zum Leben bringen kann - emotional. Und so muss man im Grunde bei ner Literaturadaptation auch suchen, wo ist denn der Kontakt irgendwie zu meinem von mir selbst Erlebten und gibt es da irgendwas was damit zu tun hat und weshalb du vielleicht dieses Buch liebst, denn es sind ja immer ganz verschiedene Bücher, die ich gelebt hab jedenfalls von ganz verschiedenen Autoren. Man könnte ja auch sagen: ich liebe Proust und jetzt tu ich mein ganzes Leben lang nur Proust verfilmen. Das wär sicher sehr interessant. Ich lieb aber gar nicht Frisch, Böll, Grass oder Proust, sondern ich liebe gewisse Bücher und in diesen Büchern wieder besondere Figuren, bei denen ich ne Verbindung mit mir hergestellt hab. Also, ich hab Zeit gehabt darüber nachzudenken, war mir beim Machen nicht bewusst aber im Nachhinein ist es mir klar. Und da gibt es nun ein Paradox: auf der einen Seite muss das Erlebte einem Nahe sein, damit man´s umsetzen kann, damit man´s Nachempfinden kann. Aber andererseits, wenn´s zu nah ist, dann hat man keinen Abstand und kanns nicht ausdrücken. Und ich glaube das ist mir passiert bei „Rückkehr nach Montauk“, wo ich ja auf dem Umweg über die Erzählung von Max Frisch ein eigenes Erlebnis erzählt hab und erzählen wollte und gemerkt hab: ich hab zu diesem Erlebnis überhaupt keinen Abstand gehabt. Ich hab erst nachdem ich den Film gemacht hab verstanden was mir überhaupt vor 20 Jahren mal passiert ist. Und das ist natürlich zu spät. Jetzt müsste ich eigentlich jetzt noch mal mich hinsetzen und das neu machen, aber das geht im Kino nicht: man kann nicht das Remake des eigenen Remakes machen. Erzähler: Mit Ausnahme der Proust-Verfilmung „Eine Liebe von Swann“ hat sich Volker Schlöndorff vorwiegend an noch lebende Autoren gehalten und deren Kollaboration durchaus gewollt, ob sie nun wie etwa Günter Grass vom Filmischen keine Ahnung hatten oder sich wie Böll, Frisch oder Miller durchaus auch ihre eigenen Gedanken zur filmischen Umsetzung machen wollten. Ein „Regisseur unter Beobachtung“, darauf hat sich Schlöndorff bezogen auf die Schriftsteller, deren Werke er verfilmen wollte, ganz bewusst eingelassen. O- Ton Schlöndorff: Ich hab sie ja zum Einmischen aufgefordert, eingeladen. Ich hab geradezu die Nähe der Autoren gesucht, nachdem das mit Heinrich Böll so interessant war, zunächst haben wir nur drüber gesprochen und dann hab ich mich bei ihm () in die Wohnung gesetzt, wir ham nebeneinander am Schreibtisch gesessen mit Papier und ich hab notiert was er mir gesagt hat und fast () Dialoge improvisiert. Kam kam ich nach Hause hat er per Briefumschlag zwei getippte Seiten gehabt , um Szenen zu ergänzen oder Sachen hinzu zu fügen und da hab ich gemerkt, dass für nen Autor auch ein Roman nicht irgendwann unbedingt beendet ist. Natürlich ist er beendet weil er inn´ Druck geht aber wenn er die Gelegenheit hat auf dem Umweg über ein Drehbuch noch Mal darauf zurück zu kommen, dann gibt es da plötzlich noch andere Aspekte. Max Frisch hat mir nachdem er den Film gesehen hat „Homo Faber“ eben gesagt, ja es ist alles wunderbar, (jetzt hat er mehrere Fassungen) bei der letzten Fassung dann gesagt: bis auf das Ende. Dann hab ich gesagt, ja aber – da duzten wir uns schon – was meinst Du denn, was da anders sein könnte, da hat er gesagt. Das weiß ich nicht aber das würde uns dann schon einfallen. Also. Nichts ist fertig. Man könnte noch Mal dran arbeiten und es gäbe dann vielleicht doch noch ne andere Fassung. Musik: Tod eines Handlungsreisenden Erzähler: Bei der Zusammenarbeit mit Arthur Miller 1985 an der Verfilmung von dessen dramatischem Meisterstrück „Der Tod eines Handlungsreisenden“ mit Dustin Hofmann in der Hauptrolle entstand eine völlig andere Situation. Das Angebot zu dieser Arbeit kam von Arthur Miller selbst, der gleich Dustin Hofmann und John Malkovich als Darsteller mitbrachte. Und das in einer Zeit, in der Schlöndorff mit dem Gedanken schwanger ging, ganz in Amerika zu bleiben. Während er sich in New York mit dem Gedanken anfreundete, ein amerikanischer Independent-Filmemacher zu werden und parallel Gespräche mit Hollywoodproduzenten führte, gelang ihm - assistiert von Arthur Miller - einer der intensivsten und komplexesten Filme seiner Karriere: Nichts weniger als die Legende vom amerikanischen Traum mit großer Starbesetzung und mit einem der wichtigsten Dramatiker der amerikanischen Literatur. Filmausschnitt: Der Tod eines Handlungsreisenden: „Ist was passiert? – Ich sag doch, nichts passiert. – Hast Du nicht gehört? Fühlst Du Dich nicht wohl? – Was hast Du für ein Problem? – Gut ich will ganz ehrlich sein Howard. Ich habe mich entschieden, dass es besser ist, wenn ich nicht mehr herum reise. Nicht mehr reisen, was denn dann? – Euro Schwierigkeiten sind überwunden. Denkt dran, Nur wer groß einsteigt wird groß ernten. Verlang 15. An was dachtest Du denn. – Du ich weiß nicht. – Fang nicht jeden Satz mit Du an. – Du ist was für Teenager. Ein Mann der 15tausend Dollar will fängt keinen Satz mit Du an. Du machst Dich kleiner als Du bist. Tritt gleich mit einem Lacher auf. Sei nicht so bedrückt. Reiss ein paar gute Witze, um die Stimmung anzuheizen. Es kommt nicht darauf an, was Du sagst, sondern wie Du es sagst. Nur Persönlichkeit zählt im Geschäft“ O- Ton Schlöndorff: Arthur Miller ist natürlich, wenn man so will, die einfachste und schönste Zusammenarbeit gewesen, weil Arthur Miller ist n Theatermann und der ist seinem ersten stück 1947 gewohnt gewesen im Theater zu sein, wenn Elia Kazan zum Beispiel da inszeniert hat „Alle meine Söhne“ oder den „Tod des Handlungsreisenden“ . Das heißt, der weiß wie weit er sich einmischen kann, ohne den Regisseur zu stören, hat ein Gefühl dafür, dass seine Anwesenheit am Set nicht irgendwie lähmend wirkt. Im Gegensatz zu Günter Grass, als der zum ersten Mal an den Set kam, und das war ausgerechnet in Danzig, als wir da den Kartoffelacker () Da war ich so eingeschüchtert, dass ich da den ganzen Tag ein paar Tage später nochmal nachdrehen musste, weil ich war buchstäblich gelähmt und verunsichert durch diesen Blick, den er durchaus als freundlichen Blick meinte, hatte ich sofort das Gefühl: das ist alles Quatsch, was ich hier mache. () Später haben wir uns dann sehr sehr gut verstanden. Aber das ist normal, glaube ich, wenn man so sehr sich in das Universum eines anderen begibt. Und das ist eben bei Arthur Miller Theater. Es iss n Theaterstück. Er ist gewohnt, dass das jedes Jahr von soundsovielen verschiedenen Regisseuren auf soundsoviele verschiedene Arten Art und Weise inszeniert wird. Er hat da keinen Besitzanspruch mehr, keine Deutungshoheit. Im Gegenteil : der ist dann einfach neugierig wie das da geht und kann sich freuen wie ein Kind: einmal als John Malkovich zu nem Bewerbungsgespräch gehen musste, sein Vater ganz nervös draussen wartete und fragt: na wie isses denn gegangen und dann hält der ihm mit einem verschmitzten, merkwürdigen Lächeln einen Füllfederhalter hin und sagt, den hab ich geklaut bei dem Bewerbungsgespräch oben und dann flüstert der Arthur Miller mir ins Ohr: „look at this angelic face of a killer“ also das engelhafte Gesicht des Vatermörders. Er weiß genau mit diesem Federhalter, den er gestohlen hat, hat er jetzt seinen Vater aufgespießt. Diese Freude an Entdeckungen wenn man so mit vielen Theaterleuten gearbeitet hat, das hat den Arthur Miller ausgemacht. Und außerdem war er: er hat mir irgendwie Amerika erklärt. Durch einen Menschen findet man den Zugang zu einem Land. Bei mir war das privilegierter Weise Arthur Miller höchstpersönlich, denn wie das Verhältnis der Klassen und der Menschen zueinander ist, was sie wagen zu sagen? Das ist ja einerseits ganz offen, andererseits auch sehr verlogene, bigotte Gesellschaft, wo man was nehmen kann? Also dass der Willy Lohman praktisch n deutschen Namen haben muss, weil es eben so ein jüdischer „Held“ ist, das amerikanische Publikum das aber nicht akzeptieren würde, wenn der jetzt Schmul-Meierwitz heißen würde. () Als ich dann versucht hab ne andere Musik zu verwenden von einem Jazz-Musiker Ron Carter, der das auch speziell aufgenommen hat für den Film und was ich sehr gut fand, hat er gesagt: das geht überhaupt nicht. Das ist Negermusik. Das ist Schwarze Musik. Man kann nicht auf ein jüdisches Händlermilieu in Brooklyn Musik der Afroamerikaner legen. Das sind Dinge, wo man froh ist, wenn man einen Mentor wie Arthur Miller hat, der einen bei derselben Gelegenheit das ganze Land erklärt. Ein Land von dem er gesagt hat: das ist zu groß für jeden einzelnen Amerikaner, deswegen ham´ wir so ne Ich-Schwäche, weil Du bist in ein Land geboren, dessen Grenzen Du gar nicht erkennen kannst, im Gegensatz sagen wir Mal biste in Dänemark geboren, da kennst Du die Grenzen, da kennst Du sogar fast alle Einwohner. Hier bist Du aber in ein Land geboren. Das ist endlos, endlos in seinen Möglichkeiten auch.12:35 Musik: Soundtrack Homo Faber Erzähler: Schlöndorffs Literaturverfilmungen decken ein breites thematisches Spektrum ab. „Eine Liebe von Swann“ nach Marcel Proust porträtiert den Zeitgeist des Niedergang der Welt des französischen Adels im „Fin de siècle“. In der Science-Fiction-Adaption „Die Geschichte der Dienerin“ nach Margret Atwood sind die Frauen der Unterschicht zu Gebärmaschinen für die Herrschenden geworden. „Homo Faber“ nach Max Frisch erzählt eine autobiografisch gefärbte Inzestgeschichte und konzentriert sich ganz auf den Menschen als „Machenden“ als kreativen Handwerker, ein Lieblingsthema von Schlöndorff, denn genau als ein solcher „Homo Faber“ versteht er sich selbst. Der leise, sehr sensible Film ist ein weiterer unterschätzter Schaffenshöhepunkt in Schlöndorffs Leben. Mit „Der Unhold“ nach Michel Tournier kommt er auf das Thema eines Sonderlings zurück, das er in „Die Blechtrommel“ angeschlagen hatte. Der Film wirkt wie eine späte Fortsetzung davon mit Oscar Matzerath-ähnlichen Charakter, der allerdings im Unterschied zum kleinen Trommler der Naziverführung erliegt. Schlöndorffs Schnitt durch die zeitgenössische Literatur lässt doch immer wieder Leitmotive einer historischen psychoanalytischen Collage erkennen für die „Die Blechtrommel“ der Kern bleibt, ein Werk an dem sich seine Filme wie an einem Wegweiser zu orientieren scheinen, ohne dass sie ihre Diversität verlieren oder sich daraus ein geschlossenes Werksystem entwickelt. Filmausschnitt: Die Blechtrommel: Oskar trommelt bis zum Schrei, Glas zersplittert. O- Ton Schlöndorff: Naja, ich kann nur sagen, die Literatur war gut zu mir. Das heißt, tatsächlich hab ich meine besten Filme nach Büchern gemacht. Das heißt nicht, dass ich nicht auch sehr, sehr oft an sehr großen Büchern gescheitert bin, also bis heute sitzt mir im Nacken Michael Kohlhaas, Heinrich Kleist und ich würde den Film heute sehr, sehr gerne noch mal drehen, ich bin daran gescheitert. Es kann sehr, sehr schwer sein, einen Roman, den man sehr liebt und es ist eine Geschichte und es sind Personen, die man unbedingt erzählen möchte, und es gelingt einem trotzdem nicht, die auf der Leinwand zum Leben zu erwecken. Man muss ja sehr viel von sich selbst zurück nehmen, man muss sich ja irgendwie in den Dienst des Autors stellen, man muss dem Buch nachspüren, warum und wieso hat er das gemacht und das ist wie so eine Exploration, eine Entdeckungsreise, oft hat man dann beim Schreiben des Drehbuchs, aber auch ganz besonders beim Proben mit den Schauspielern gibt es so magische Momente, wo alle plötzlich sich die Härchen aufstellen und Gänsehaut, weil eine Sache ganz besonders intensiv plötzlich vibriert. Und oft sind das dann Szenen, die den Autor des Romans ursprünglich überhaupt dazu gebracht haben, das Buch zu schrieben. Also da gibt es ganz, ganz magische Kräfte. Ich bin kein Esoteriker, aber ich hab das oft erlebt, weil ich auch die Gelegenheit hatte, ob das jetzt Arthur Miller war oder mit Heinrich Böll, mit Max Frisch, mit Grass, mit vielen Autoren darüber zu sprechen und diese merkwürdigen Wege in der Kreativität, ich meine Geschichten gibt es immer wieder die selben, Arthur Miller hat mir mal gesagt „alle Geschichten sind im alten Testament aufgeschrieben und das waren professionelle Rabbis, da musste nichts dran verbessern“, die muss man nur jedes Mal wieder anders erzählen und dieses anders erzählen, die immer selbe Erfahrungen, die Menschen immer wieder machen, die neu so zu erzählen als wär es zum ersten Mal zu beleben, das ist Literaturverfilmung. Und ich kann mir vorstellen, nichts anderes ist auch die Verfilmung von einem Originalstoff. Musik: Eine Liebe von Swann Der vergiftete Strom 2nd Version (Henze) Erzähler: Jeder Filmemacher hat einen geheimen „Friedhof der Kuscheltiere“, der Projekte die er immer schon machen wollte aber noch nicht realisieren konnte oder vielleicht nie realisieren wird. Bekannt ist ja, dass ein zweiter Teil der „Blechtrommel“ existiert, der sogar schon noch zusammen mit Günter Grass zusammen geschrieben war und der mehr ist als nur eine filmische Umsetzung des restlichen Teils des Romans. O- Ton Schlöndorff: Ja, ja mit Günter Grass noch zu Lebzeiten haben wir eigentlich gleich nach dem Erfolg der Blechtrommel – das war ja mein Versprechen an ihn: dann machen wir den zweiten Teil, weil er wollte nie, dass der Film 1945 aufhört. Für ihn gab es keine Stunde Null. Das ist ein Mythos. Stimmt ja auch. Es sind dieselben Menschen im selben Land, die weiter gelebt haben und wenn man an die Gerichte und die Universitäten denkt oft in denselben Funktion´und auch in der Politik (Globke) weitergelebt ham. Keine Stunde Null. Also muss eben auch die Nachkriegszeit von Oskar Matzerath erzählt werden. Dazu ist es nie gekommen. Das find ich sehr schade weil die Fortsetzung, die wir geschrieben haben war nicht nur der Teil, der im Roman veröffentlicht ist, sondern das ging weiter bis zum Fall der Mauer. Er hat diese Person fortgeschrieben. Dieser Oskar Matzerath wurde dann Medienunternehmer und das Vorbild war Leo Kirch. (lacht) Das wäre sicher n sehr schöner Film geworden, (iss aber bei) der ist nirgends auf Gegenliebe gestoßen: die Produzenten, die Verleiher, die Fernsehanstalten. Alle haben nur den Kopf geschüttelt und haben gemeint: das beschadet rückwirkend nur den ersten Film und das geht nicht. Das ist, wenn Sie so wollen, „Kill your Darlings“ – Friedhof der Kuscheltiere, wie sie sagen, kannt ich gar nicht den Ausdruck, das ist das Projekt, wo wir heute morgen noch drüber gesprochen haben. Irgendwo geistert da etwas im Hinterkopf. Erzähler: Volker Schlöndorff wird heute Nacht 80 Jahre alt. Er hat noch viele Pläne. Der deutsche Regisseur, der dem Jungen Deutschen Film mit einem Meisterwerk, mit „Die Blechtrommel“ nach Günter Grass 1979 endlich die gebührende Weltgeltung verschaffte, wird er bleiben – ein politisch engagierter Filmemacher am Puls der Zeit ebenso wie ein begnadeter Vermittler von Literatur in filmisch vollendeter Form, der mit den größten Weltstars gearbeitet und einige erst zu dem gemacht hat, was sie heute sind. Dazu hat wesentlich beigetragen, dass er sein Handwerk in Frankreich gelernt hat, bei den Autorenfilmern der „Nouvelle Vague“. Nur eines hat er nicht geschafft: eine Komödie zu drehen. O- Ton Schlöndorff: Ja, und warum keine Komödie. Und die Frage ob das jetzt zu spät ist. Als ich mein allererstes Interview geben konnte, damals für die Süddeutsche Zeitung () beim Start von „Der junge Törless“ hab ich gesagt: Ja eigentlich möchte ich Filmemachen wie Billy Wilder. Da kannte ich den noch gar nicht und ich hab immer wieder Ansätze gemacht „Die Moral der Ruth Halbfass“ oder „Übernachtung in Tirol“ , Gott sei Dank vergessene Filme, Ansätze zur Komödie und es ist mir nicht gelungen. Das ist das große Bedauern. Also beim nächsten Mal: Filmregisseur? Ja! Aber bitte Komödien. Lachen Filmausschnitt: Marschmusik zu Walzer Die Blechtrommel Sprecher: Streitbar und weltoffen. Eine lange Nacht mit Volker Schlöndorff zum 80sten Geburtstag von Josef Schnelle Abspann Regie, Redaktion, Sprecher Musik Musikliste 1. Stunde Titel: Unterbrochene Parade Länge: 01:00 Interpret und Komponist: Maurice Jarre Label: Colosseum Best.-Nr: CL0006 Plattentitel: Die Blechtrommel - Original Filmmusik (Soundtrack) Titel: Moonlight Serenade Länge: 01:20 Interpret und Komponist: Glenn Miller Label: RCA Records Label Best.-Nr: 668716-2 Plattentitel: Candlelight Miller Titel: Oskar's Trommel Länge: 01:13 Interpret und Komponist: Maurice Jarre Label: Colosseum Best.-Nr: CL0006 Plattentitel: Die Blechtrommel - Original Filmmusik (Soundtrack) Titel: Die Liebenden; aus Un amour de Swann Länge: 02:00 Orchester: Radio-Sinfonieorchester Basel Dirigent: Hans Werner Henze Komponist: Hans Werner Henze Label: Milan Best.-Nr: A 240 Titel: Paris, Paris, Paris Länge: 03:47 Interpret: Brigitte Bardot und Jeanne Moreau Komponist: Georges Delerue Label: United Artists Best.-Nr: 669128 Plattentitel: Viva Maria, Soundtrack Titel: Stoßzeit. Große Fuge - Angst, aus: Un amour de Swann Länge: 00:35 Orchester: Radio-Sinfonieorchester Basel Dirigent: Hans Werner Henze Komponist: Hans Werner Henze Label: Milan Best.-Nr: A 240 Titel: Der vergiftete Strom, aus: Un amour de Swann Länge: 01:35 Ensemble: Orchester: Radio-Sinfonieorchester Basel Dirigent: Hans Werner Henze Komponist: Hans Werner Henze Label: Milan Best.-Nr: A 240 Titel: Klage Länge: 03:50 Interpret: Radio-Symphonieorchester Basel Komponist: Hans Werner Henze Label: Milan Best.-Nr: A240 Plattentitel: Un amour de Swann (Eine Liebe von Swann) - Original Soundtrack Titel: 12 Variations pour sextuor à corde et harpe autour de la petite phrase de la sonate de Vinteuil (12 Variationen für Streichsextett und Harfe über eine kleine Phrase aus der Sonate de Vinteuil) Länge: 01:25 Orchester: Studio-Orchester Dirigent: Hans Werner Henze Komponist: Hans Werner Henze Label: Milan Best.-Nr: A 240 Titel: Der junge Törless Fantasia für Streichsextett, Länge: 03:05 Solisten: Helmut Haag (Violine); Jacek Gebka (Violine); Malgorzata Lewandowska (Violine); Susanne Murlowski (Viola); Eckart Schloifer (Viola); Gabor Szarvas (Violoncello) Komponist: Hans Werner Henze Label: Eigenproduktion SR Best.-Nr: keine 2. Stunde Titel: Sunlight Länge: 05:37 Interpret und Komponist: Max Richter Label: Editions Milan Music Best.-Nr: B0721V8CR1 Plattentitel: Return to Montauk, Original Motion Picture Soundtrack Titel: Lullaby from the Westcoast Sleepers Länge: 00:07 Interpret und Komponist: Max Richter Label: Editions Milan Music Best.-Nr: B0721V8CR1 Plattentitel: Return to Montauk, Original Motion Picture Soundtrack Titel: Here's to you (Nicola and Bart) Länge: 02:00 Interpret: Joan Baez Komponist: Ennio Morricone Titel: Electric Landlady Länge: 03:37 Interpret: Max Richter Komponist: Kila Label: Editions Milan Music Best.-Nr: B0721V8CR1 Plattentitel: Return to Montauk, Original Motion Picture Soundtrack 3. Stunde Titel: Kaschubien Länge: 01:11 Interpret: Michael Muskett (Fujara) Komponist: Maurice Jarre Label: Colosseum Best.-Nr: CL0006 Plattentitel: Die Blechtrommel - Original Filmmusik (Soundtrack) Titel: Katharina Blum. Konzertsuite für Orchester, Länge: 06:50 Ensemble: Orchester: Radio-Sinfonieorchester Basel Dirigent: Hans Werner Henze Komponist: Hans Werner Henze Label: Milan Best.-Nr: A 240 Titel: Death of a Salesman (Tod eines Handlungsreisenden) Länge: 04:25 Orchester: Orchester Komponist: Alex North Label: unbekannt Best.-Nr: 2600304 Titel: Die Polnische Post Länge: 02:42 Interpret und Komponist: Maurice Jarre Label: Milan Best.-Nr: CDCH 804 Plattentitel: Homo Faber (Voyager) - Die Blechtrommel (The tin drum) - Original motion picture soundtrack Titel: I was just thinking Länge: 03:15 Interpret und Komponist: Max Richter Label: Editions Milan Music Best.-Nr: B0721V8CR1 Plattentitel: Return to Montauk, Original Motion Picture Soundtrack