COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandradio Kultur Länderreport Es geschah... mit den Symbolen Autor Jens Rosbach Redaktion Perez/Stucke Sendung 04.06.2010 - 13.07 Uhr Länge Beitrag 18.54 Minuten Länge Sendung 20.02 Minuten -folgt Manuskript Beitrag- Manuskript Beitrag COLLAGE (DDR-Geräusche) DDR-Polizei / Schwarzer Kanal / Rufe: Seid bereit! - Immer bereit! / Marschtrommel / Hymne / Aktuelle Kamera OT (Theissen) Das geht einfach darum, sich noch mal der eigenen Geschichte zu stellen. Und nicht einfach zu sagen: Das muss weg und dass muss auch aus dem Blickfeld verschwinden. Wir wollen zeigen, was wir heute auch noch damit anfangen können. ATMO (Rascheln) AUTOR Symbole. OT (Thomsen) Unsere meistverkaufte Fahne ist ja die DDR-Fahne. Und da haben wir eine Idee bekommen: Die sind doppelt zusammen genäht, da füllen wir die mit Schaumstoff und da haben wir ein schönes Kissen. DDR-Kissen - und original.(Rascheln) AUTOR Klänge. OT (historisch, DDR-Sprecher) Signale des Warnsystems der DDR. Zuerst das allgemeine Warnsignal. GERÄUSCH (DDR-Sirene) OT (Frau) Also ich erinnere mich, dass das jedes Mal wie so eine Art Schrecksekunde war. Also das Ding ging los, diese Sirene. Und nach dieser Schrecksekunde natürlich der Gedanke: Es ist wieder mittwochs, es ist um eins, es ist also alles in Ordnung. AUTOR Gerüche. OT (Ludwig) Die Leute sehen DDR-Dinge und versetzen sich in die Zeit zurück und bilden sich dann auch zum Teil ein, es würde auch so riechen. ATMO (Simson-Moped) OT (Wolfgang) Aber - es musste weg! Es war politisch! Schluss! SPRECHERIN Der Palast. ATMO (draußen) AUTOR Bernd Wolfgang: 62 Jahre alt. Grauer Schnauzbart, Sonnenbrille, Goldkettchen - steht mit hängenden Schultern in Berlins Mitte, auf einer Rasenfläche an der Spree. Dort, wo einst der Palast der Republik stand. Traurig sagt Wolfgang: Also ich sage mal - von der Sache her war ich Hausmeister im Volkspalast. OT (Wolfgang) Also ich sage mal von der Sache her: Dieses Haus musste weg. Weil hier man vermutet hat, hier wurde regiert. Und regiert wurde hier nicht. Und hier hat auch kein Honecker drin gewohnt oder regiert. Dieses Haus musste eben weg. Es war ein politischer Hintergrund. Ein Symbol. AUTOR Für die einen: Symbol eines Verbrecherstaates. Für die anderen: Symbol eines Ost-Glamours - ein Ort pompöser Shows, extravaganter Konzerte sowie zahlloser gläserner Kugellampen: "Erichs Lampenladen". Der Palast der Republik hatte jedoch - unabhängig von der Sichtweise - seine Schattenseiten. Und zwar bereits vor seiner Eröffnung im Frühjahr 1976. OT (Wolfgang) Dass natürlich geschweinsludert wurde, das haben wir schon gesehen im Februar 1976. Da hieß es: Großreinemachen. Da war in dem Haus eine Staubwolke drin, ich hab gedacht, ich bin irgendwo im falschen Film. Ich sagte: Jungs, ihr könnt hier machen, was ihr wollt. Ich hab Feierabend. Ich bin aus dem Haus abgehauen. Ich konnte mir das schon denken, dass das Asbest war. Dass man dann gesagt hat: Hier machen wir in die Wand ein Loch rein und da hängen wir was dran und dann is jut. Aber dass dahinter das Asbest, die Luft reingelassen worden ist, da hat keiner dran gedacht. OT (historisch, Honecker) Liebe Genossen und Freunde! Wir legen heute den Grundstein für den Palast der Republik. Mein erster Hammerschlag gilt unserem sozialistischen Vaterland. Möge die Deutsche Demokratische Republik zum Wohle ihrer Bürger blühen und gedeihen! AUTOR 14 Jahre lang stand der "Palazzo Prozzo", bis 1990 das Licht ausgeschaltet wurde in dem Lampenladen. Kurz nach der Währungsunion stellt ein Gutachten fest, dass durch Besuchermassen zahlreiche Asbestfasern frei gesetzt werden könnten. Daraufhin ordnet der zuständige Minister Klaus Reichenbach von der Ost-CDU die Schließung an. Klar ist zu jener Zeit, dass vor allem die Westberliner CDU und auch Bundeskanzler Helmut Kohl das DDR-Symbol weg haben wollen. Folgt Reichenbach also nur einem politischen Wunsch des Westens? Nein, es sei eine reine Sachentscheidung gewesen, beteuert der Ost-Minister später: "Das schwöre ich". OT (Wolfgang) Ich denk, ich höre nicht richtig. Gehe zum Einlassdienst: Du, wir machen heute schon eine Stunde eher zu! Ich frag: Warum denn das? Wir machen komplett zu - wegen Asbest! Das letzte Schild habe ich zuhause. Was am Fenster stand, wo drauf hingewiesen wird: Diese Einrichtung ist geschlossen! ATMO (draußen) AUTOR Sieben Jahre lang passiert erstmal gar nichts mit dem "Ballast der Republik", wie er im Volksmund auch heißt. Erst 1997 beginnt die Asbestsanierung; sie dauert bis 2003. Im selben Jahr beschließt der Bundestag den Abriss des DDR-Vorzeigeobjektes. Bernd Wolfgang, der heute bei einer Bundesbehörde arbeitet, schimpft: Man hätte den Palast weiter betreiben sollen! Doch die Politik habe das Gebäude lieber platt gemacht. OT (Wolfgang) Wenn man das Haus eingerichtet hat und räumt es wieder aus. Und nachher ist es weg. Da ist dann schon ein bisschen Wehmut dabei. SPRECHERIN Die Statue. ATMO (Polizei, Baumaschinen) AUTOR Ein weiteres DDR-Symbol verschwindet nach der deutschen Vereinigung aus Ost-Berlin: Lenin. Sprich: die 19 Meter große Lenin-Statue auf dem Platz der Vereinten Nationen. OT (Umfrage) Dass also friedlich demonstrierende alte Leute, über 70-Jährige hier, von der Polizei im wahrsten Sinne des Wortes weggeräumt wurden und zusammengeschlagen wurden/ Aber wie! Die Brillen zerschlagen, getreten, gegen die Schienbeine getreten, nur weil sie den Befehl hatten, 6.45 Uhr muss das Tor frei sein für die Bauarbeiter/ Und das lädt geradezu zu Gegengewalt ein! AUTOR Anwohner, Autonome und PDS-Genossen protestieren lautstark - können aber nicht verhindern, dass der rote "Stein des Anstoßes" zerlegt und in einem Berliner Waldstück vergraben wird. ATMO (Steinklopfen) AUTOR Doch Lenin kommt nicht zur Ruhe. In den Folgejahren versuchen mehrmals Diebe, Teile des Granit-Revoluzzers wieder auszugraben. So rätselt im Jahr 2003 der Forstbeamte Marc Franusch, ob Ostalgiker oder Geschäftemacher für die nächtlichen Aktionen verantwortlich sind. Franusch ärgert sich über die Grabungs-Schäden. OT (Franusch) Hier sehen wir jetzt die Spuren der Buddelarbeiten. Das heißt, der eigentlich komplett unter Erde unter Sand verborgene Lenin ist hier in Teilen im Zentrum in einem tiefen Krater freigelegt, insbesondere sehen wir auch Bauteile, die die Montagebolzen zeigen - und das ist natürlich Grund genug sich Gedanken zu machen, wie wir das wieder kaschieren können. AUTOR Jahrelang lässt die Berliner Verwaltung immer wieder Gras über den bolschewistischen Untergrund wachsen. Doch das soll sich bald ändern: Das Kulturamt Berlin-Spandau will das Ostsymbol aus Ruinen auferstehen lassen. Amtsleiterin Andrea Theissen fordert Lenins Kopf - für eine Kunst- Ausstellung. OT (Theissen) Der Kopf allein ist so groß wie ich - 1,70 Meter. Und wiegt acht Tonnen. Das wird ne Riesenaktion mit Kränen und Schwertransporten. Aber es ist natürlich ne richtig große Kraftanstrengung. ATMO (Schaufel) AUTOR Schaufeln, schaufeln und nochmals schaufeln - verkündet die Kuratorin. OT (Theissen) Lenin ist als Symbol für die Denkmalkultur einerseits der DDR sehr aussagekräftig. Denn es stand ja an jeder Ecke Thälmann, ein Lenin. Und dann kennt man ja auch diesen wunderbaren Film "Good bye Lenin", der in der ganzen Welt Furore gemacht hat. Denn wir haben das festgestellt, als wir einfach mal das ins Gespräch gebracht haben: Wir wollen Lenin auf die Zitadelle holen. Wir haben so viele Anfragen von ausländischen Presseagenturen und Zeitungen bekommen, das hat uns völlig überrollt. Und da haben wir gesehen, das ist eigentlich immer noch brisant. ATMO (Trailer "Good Bye Lenin") Mein Name ist Alexander Kerner. Ich bin Bürger der Deutschen Demokratischen Republik. Und ich habe ein Problem: Die Mauer ist weg. AUTOR "Enthüllt - Berlin und seine Denkmäler" soll die Ausstellung auf der Spandauer Zitadelle heißen. Mit 170 Monumenten. Lenin wird sich in Gesellschaft von Nazi-Skulpturen und Preußen-Gestalten befinden - wie Königin Luise. Geplante Eröffnung: 2013. OT (Theissen) Es geht eben auch darum, die Spuren der Geschichte anhand der Denkmäler zu zeigen. Es ist ein ganz wichtiger Punkt, das soll man sehen, dass da eine Vernachlässigung oder auch Zerstörung stattgefunden hat. SPRECHERIN Das Ostprodukt. ATMO (Bagger) AUTOR Ostberlin im Vereinigungsfieber: Der Palast der Republik wird geschlossen. Amtsstuben entsorgen ihre Honecker-Bilder. Straßen werden umbenannt. SED-Parolen übertüncht. DDR-Aufkleber von den Autoscheiben gekratzt. Bekannte Ostmarken - von der Club-Cola bis zur Amiga-Schallplatte - verschwinden. Dafür taucht knallige Coca-Cola-Werbung zwischen dem Grau der DDR auf. OT (Thomsen) Ich habe damals eine Gaststätte gehabt, ich habe in die Nacht gesehen, wo die Mauer gefallen ist und den Tag danach das hab ich zu die Stammgäste gesagt, das hat mich sehr gerührt und man soll eigentlich ein Bagger nehmen, mein Freund hat einen gehabt und zur Mauer hinfahren und abreißen, damit helfen nicht. Ja, haben die gesagt, wenn ich da mache, dann kriege ich so und so viel Geld, das war eine Wette und dann hab ich alles geplant. ATMO (Bagger) AUTOR Gunnar Thomsen ist Däne. Er tuckert in der Wendezeit auf seinem Bagger - mit 20 km/h - drei Tage und drei Nächte lang nach Berlin. Zurück geht es über die Dörfer, quer durch Ostdeutschland, immer auf der Suche nach möglichst "ostigen" Souvenirs für seine Kneipen-Kumpel. OT (Thomsen) Und auf so einer Fahrt habe ich Grenztruppenkaserne in Schwerin hab ich da gefragt, ob ich da ein paar Mützen bei denen kaufen konnte. Die haben gesagt: Nein, kann ich nicht! Aber ich kann den ganzen BA-Lager kaufen. Und ich hab gefragt: Was ist das? Ja, unser ganze Lager von Uniformen, Mützen, Stiefel, Zubehör und alles. Habe ich alles gekauft. 18 Tonnen. 5000 Mark, D-Mark, aber das war ein Schnäppchen. AUTOR Und so geht es weiter: Hier 40 Tonnen Bücher aufgegabelt, dort 800 Militärfahrzeuge. Ob DDR-Fahnen, Feuerwehr-Socken oder Gasmasken - der Däne hortet alles, was die DDR-Bürger seit dem Ende des Sozialismus wegwerfen. Thomsen eröffnet schließlich in Berlin-Malchow einen Relikte- Laden - bis heute ein Mekka für DDR-Symboljäger: für Ostalgiker, Westsammler, Teenager im Retro-Fieber, Filmausstatter...und: Porno- Produzenten. OT (Thomsen) Ja, schwarze Gasmasken und schwarze Schläuche. Alles, was schwarz ist und aus Gummi ist, das geht in die Pornoindustrie. Und da haben wir verschiedene medizinische Operationsbesteckteile, geht auch da in Porno. SPRECHERIN Das Signal. OT (historisch, DDR-Sprecher) Signale des Warnsystems der DDR. Zuerst ein drei Minuten dauernder Dauerton. Bei diesem Signal sind Rundfunk- und Fernsehgeräte einzuschalten und weitere Informationen abzuwarten. ATMO (Sirene) AUTOR Der Arbeiter- und Bauernstaat hatte auch seine markanten Geräusche: das Röhren der Trabis, das Jingle der Aktuellen Kamera. Und: den Probealarm - das Signal der DDR. Zu hören von Rostock bis Suhl, jeden Mittwoch um 13 Uhr. Bis zur Wende beschallen mehr als 35.000 Sirenen Ostdeutschland. Sirenen, die auf Rathausdächern, VEB-Schornsteinen und LPG- Schweineställen stehen. Mit einem 20-Sekunden-Dauerton wird getestet, ob im Kriegsfall die Warnung vor Luftangriffen funktionieren würde. OT (Winter) Jeden ersten Mittwoch im Monat 13 Uhr hat immer der Bürgermeister, also der Hausmeister im Rathaus oder Gemeindehaus auf den Knopf gedrückt. Jeden zweiten Mittwoch wurde auf Kreisebene die Sirene ausgelöst. Dann jeden dritten Mittwoch wurden die Sirenen 13 Uhr immer auf Bezirksebene ausgelöst und jeden vierten Mittwoch dann immer einmal hier aus dem Bunker zentral für das Gebiet der kompletten ehemaligen DDR. ATMO (Wald) AUTOR Silvio Winter - kurze graue Haare, Dreitagebart, dicker Bauch. Der ehemalige NVA-Offizier steht in einem Waldstück im brandenburgischen Fürstenwalde. Steht und verweist stolz auf ein tarnfarbenes Gebäude: den Eingang zu einer gigantischen, einst geheimen Bunkeranlage. Ihr Name: Gefechtsstand-14. Ihre Funktion: die militärische Luftüberwachung der DDR. Der so genannte Fuchsbau hatte über 200 Räume, 350 Mitarbeiter und einen riesigen Führungssaal. OT (Winter) Also Führungssaal müssen Sie sich vorstellen ist ein acht Meter hoher Saal im Bunker, also ist das Kernstück des Bunkers. Dort drei große Darstellungswände, vier mal vier Meter Luftlagedarstellung. In der Mitte eine Luftlagedarstellung wie sie heute zum Beispiel in der Nato genutzt wird, abgedämmtes Licht und entsprechend Technik, die aus Bundeswehr- und NVA-Zeiten stammen. AUTOR Aufbewahrt ist auch ein blaues Schaltpult, 1,50 Meter breit, mit zahlreichen Knöpfen und Lampen. An dieser "Warn- und Alarmierungszentrale", kurz WAZ, wurde der Schalter umgelegt für den DDR-weiten Probealarm. Ebenfalls im Bunker: eine schlichte Holzkabine mit einem Mikrofon. Von dieser Kabine aus hätte man im Kriegsfall zusätzlich Radio-Nachrichten senden können. OT (historisch, DDR-Sprecher) Das Signal Atom- und Luftalarm. Ein auf- und abschwellender Ton im 5- Sekunden-Rhythmus. ATMO (Sirene) AUTOR Mit dem Ende der DDR verklingt auch das 20-Sekunden-Probesignal. Der Geheimbunker - einst von der Waffen-SS errichtet, dann von der NVA ausgebaut - bekommt 1990 einen neuen Besitzer: die Bundeswehr. 1995 verlässt auch sie den Betonbau. Jahre später beginnen Ex-Bunkersoldat Silvio Winter und seine Freunde das unterirdische Objekt zu restaurieren. Der Verein "Interessengemeinschaft Bunker-Fuchsbau" wird gegründet, die Anlage unter Denkmalschutz gestellt und Schülerklassen hindurch geführt. Doch dann fällt der Hammer: Ein westdeutscher Holzhändler kauft das Areal vom Bund und wirft im vergangenen März Silvio Winters Nostalgie- Verein hinaus. OT (Winter) Der Eigentümer oder Besitzer hat jegliche Denkmalschutztätigkeit einstellen lassen und hat die Bunkeranlage zugeschlossen. Und hat gesagt: Besucherverkehr ist nicht mehr und hat dem Verein Hausverbot erteilt. AUTOR Seitdem tobt ein juristischer Streit um die NVA-Anlage mit ihrem Schaltknopf für den Probealarm - das Ton-Signal der DDR. SPRECHERIN Der Geruch. ATMO (Niesen) OT (Theissen) Ich denke eben auch an Gerüche. Meistens habe ich davon Kopfschmerzen bekommen, wenn man in der kalten Jahreszeit nach Ostberlin gefahren ist. Die Heizabgase und so, das war ich eigentlich nicht so gewöhnt. Das ist eben doch so, dass es ne andere Luft war über West- und Ostberlin. ATMO (Flasche aufdrehen) AUTOR Symbolische Gebäude. Vorzeige-Denkmäler. Ostige Produktmarken. Signaltöne. Schließlich: der typische Geruch der DDR. Andreas Ludwig schraubt eine weiße Plastik-Flasche auf: "Fein-Desinfektionsmittel", Inhalt 500 Gramm, "Nicht zum Einnehmen!". OT (Andreas Ludwig) Also das ist hier ein Reinigungsmittel, ein Desinfektionsmittel Wofasept. Hergestellt im Chemiekombinat Bitterfeld. das Standard Desinfektions- und Reinigungsmittel für Krankenhäuser, Kindergärten - überall dort, wo Hygiene wichtig war, wurde es benutzt. Es könnte ein Teil des typischen DDR-Geruchs gewesen sein. Leicht süßlich, leicht stechend, wenn man dran riecht, denkt man, man ist sozusagen auf irgendeinem DDR-Postamt. AUTOR Ludwig ist Leiter des Dokumentationszentrums "Alltagskultur der DDR" in Eisenhüttenstadt. Der Historiker erinnert sich an eine Ost-Geruchswolke aus Reinigungsmitteln, Zweitaktmotoren, Kohleöfen, brennenden Mülltonnen, muffigem Ost-Büroleim - und aufringlichen Küchendämpfen. OT (Ludwig) Ich meine, es roch natürlich traditionell nach meinem Empfinden, indem einfach sehr viele Kantinen existierten und deswegen Essensgerüche sehr präsent waren. Und das sind eben traditionelle Gerichte. Also es wurde an Gemüse eben sehr viel Kohl verkocht, es roch nach traditionellen Soßen, es roch nach Fleischgerichten. Das ist sozusagen genau dieser Geruch, den ich persönlich in Erinnerung habe. AUTOR Im Sommer 1990 beginnt in Ostberlin ein neuer Wind zu wehen: Westseife, Gasheizungen, Viertaktmotoren und Dönerbuden halten Einzug. ATMO (Riechen) AUTOR Andreas Ludwig lockt jedes Jahr bis zu 10.000 Besucher in sein DDR- Museum. Die Berliner, Brandenburger und auch westdeutschen Gäste bestaunen original Ost-Küchen und Wohnzimmer, sorgsam eingerichtet mit Spitzendeckchen, Blumentreppchen und Couchtischchen. Eine große Tageszeitung titelte im vergangenen Jahr: "Hier lebt er noch, der süße Duft der DDR". Das kann gar nicht sein! - protestiert der Museumsdirektor. Der Geruch habe sich längst verflüchtigt. OT (Ludwig) Die Leute sehen DDR-Dinge und versetzen sich in die Zeit zurück und bilden sich dann auch zum Teil ein, es würde auch so riechen. AUTOR Ludwig ist überzeugt: Er kenne sich mit dem DDR-Geruch so gut aus - weil er nicht aus dem Osten stammt. Der 56-Jährige kommt aus Westberlin. Mit dem Duft sei es wie mit allen anderen Dingen, die mit der deutschen Vereinigung verschwanden, meint der Historiker: Als Außenstehender war und ist man viel sensibler für alles DDR-Typische. OT (Ludwig) Wenn man dort gelebt hat, glaub ich, hat man es in der Form gar nicht so wahr genommen. Es ist wahrscheinlich auch schwierig, diese normalen Alltäglichkeiten so zu formulieren, dass sie als etwas Besonderes gelten könnten. COLLAGE (DDR-Geräusche) DDR-Polizei / Schwarzer Kanal / Rufe: Seid bereit! - Immer bereit! / Marschtrommel / Hymne.... - ENDE - 1