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Regie Blende zu Atmo 2 (Center morgens) Erzähler Vor dem Container steht ein sieben, acht Meter langer Biergartentisch, auf der Bank davor sitzt eine Dutzend Männer, fast alle Latinos, die meisten vermummt in Kapuzenpullis. Vom Pazifik fegt der Wind herüber, es ist empfindlich kühl. Auf dem Tisch liegt eine Ticketrolle. Antonio Jimenez trennt ein Los ab, reißt es in zwei Teile, steckt einen in seine Hosentasche und wirft den anderen in eine Blechdose. O-Ton 1 Antonio "When we get here we just sign the sheet over there with our name and our number. And when somebody comes to pick up somebody to work the draw a ticket from the little can that they use. They say the name of the person or the number and the person raises his hand: Here I am. And the people who come for the worker take him. That's they way they do it here." Länge: 0:30min Sprecher 1 Voice Over Antonio "In diese Liste hier tragen wir uns ein, mit Namen und Losnummer. Wenn jemand kommt und Arbeiter sucht, greift er in die Dose und zieht ein Los. Dann wird der Name aufgerufen und der entsprechende Arbeiter meldet sich: Hier bin ich! Der Arbeitgeber nimmt ihn dann mit. So läuft das hier." (Atmo 2 läuft weiter) Ansage Für eine Handvoll Dollar - unterwegs mit Tagelöhnern im kalifornischen Malibu Eine Reportage von Tom Noga Erzähler Antonio Jimenez zieht den Kragen seines Holzfällerhemdes hoch. Er ist 61 Jahre alt, das Haar voll und schwarz, mit grauen Strähnen an den Schläfen. Ein drahtiger Mann, dem man ansieht, dass er Zeit seines Lebens harte Arbeit verrichtet hat. Eine Stunde ist er heute Morgen unterwegs gewesen, von Hawthorne, einer Vorstadt im Süden des Großraums Los Angeles, bis nach Malibu, die Enklave der Reichen und Schönen. Was gibt es heute zum Frühstück, fragt Antonio in die Runde. Das Übliche, lautet die Antwort, Toast mit Erdnussbutter und Kaffee, angerichtet auf einem Resopaltisch unter einer löchrigen Markise. Regie Atmo 2 als Trenner kurz hoch ziehen. Erzähler Antonio gießt Kaffe in einen Pappbecher, nimmt einen Schluck und lässt den Blick schweifen. In die Runde, die immer größer wird. Lärmend mischen sich Obdachlose unter die Latinos, unter Männer mit ernsten Gesichtszügen und misstrauischen Blicken, die nicht mehr sagen als nötig. Und auf die Baustelle weiter hinten Richtung Meer. Dort wird die Straße neu asphaltiert. Vor einem Jahr noch ist dies Antonios Welt gewesen. Eine Mittelklassewelt mit einem ordentliche Job, einem Haus mit drei Schlafzimmern, zwei Autos, mit Frau und zwei Kindern, die beide studieren. Das ist viel für jemanden, der 1970 mit weniger mehr als der Kleidung auf dem Leib aus dem mexikanischen Bundesstaat Jalisco in die USA gekommen ist. Mehr oder weniger legal, wie Antonio es formuliert. Er ist mit einem Touristenvisum eingereist und nach dessen Ablauf geblieben. O-Ton 2 Antonio "When I came here I started working for a landscaper for 8 years and after that I worked for a construction for 20 something years, like 25 years. But that company went out of business. Then another company took over. And then I was working for them before I came here, but now they don't have no work." Länge: 0:26min Sprecher 1 Voice Over Antonio "Hier in den USA habe ich erst acht Jahre als Landschaftsgärtner gearbeitet, dann über 20 Jahre für eine Baufirma, an die 25 Jahre sogar, wenn ich mich recht erinnere. Die Firma ging pleite, eine andere hat mich übernommen. Das ging noch ein par Jahre gut, aber jetzt haben sie keine Arbeit mehr für mich." Regie (Atmo 2 läuft weiter) Erzähler Macht zusammen fast vierzig Jahre. Nicht als Angestellter, sondern als freier Bauarbeiter auf Wochenbasis, wie in den USA üblich. Das hat Antonio nie gestört, es hat ja immer genug Arbeit gegeben. Bis die Immobilienblase geplatzt und die Großbank Lehman Brothers pleite gegangen ist. Seitdem sind landesweit 7,5 Millionen Jobs verloren gegangen, die Arbeitslosenquote ist auf über zehn Prozent gestiegen, in Kalifornien ist schon fast jeder siebte ohne Job. Antonio gießt Kaffee nach und tritt in den Container der Malibu Labor Exchange. Regie Blende zu Atmo 3 (Center drin) Erzähler Drinnen ein Büro, eingerichtet mit Möbeln aus zweiter Hand: Schreibtisch, Hängerregister, Schrank, Plastikstühle und ein zerschlissenes Sofa. An der Wand eine US-Flagge und ein Raum hohes Plakat. Rechts darauf Totenschädel, die im Hintergrund verschwimmen, links Arbeiter, die einen Acker bestellen. Und in der Mitte ein Bild des legendären Gewerkschaftsführers César Chávez, inszeniert wie ein Heilsbringer. Darüber steht in schwarzen Buchstaben "La causa". O-Ton 3 Óscar "La causa is the cause. It was a union, but it was more than a union, it was the idea of helping people to help themselves also by enabling them to do something fort themselves. He gave them faith, means of action, non-violent action: go protest, go ask, go due, help others - inspirational. Here, it's something smaller. Here people are looking for jobs, and we try to get that for them. It's the only thing we can give them: jobs." Länge: 0:33min Sprecher 2 Voice Over Óscar "La causa ist die Sache. So hieß die Gewerkschaft, aber sie war mehr als das. Dahinter steckte die Idee, Leuten zu helfen, sich zu organisieren und damit wiederum anderen zu helfen. Chávez hat den Leuten Selbstvertrauen gegeben und Möglichkeiten zu gewaltloser Aktion: protestiert, fragt nach, erledigt eure Pflicht, helft anderen. Er war eine Inspiration. Das hier ist ein paar Nummern kleiner. Die Leute hier suchen Arbeit, und wir versuchen, sie ihnen zu vermitteln. Mehr können wir nicht für sie tun." Regie Blende zu Atmo 4 (Center registrier) Erzähler Óscar Mondragón hat mit Chávez gearbeitet. Als Bürger von Malibu um den Schauspieler Ron Hayes vor 17 Jahren die Labor Exchange gründeten, als Anlaufstelle für lateinamerikanischen Tagelöhnern, haben sie ihn engagiert. Seitdem führt Óscar seinen Kampf für "die Sache" hier fort. Regie Atmo 4 als Trenner kurz hoch ziehen Erzähler Ihm gegenüber sitzen Nídia und Ramón González, ein Paar aus Chipas in Mexiko. Sie zierlich, mit langen, schwarzen Haaren und Grübchen auf dem Kinn, er kräftig, mit grauem Bürstenschnitt und wachen Augen. Beide haben kürzlich ihre Jobs verloren, Nidia in einer Näherei, Ramón im Autobau, nachdem die Firmen ihren Hintergrund überprüft und herausgefunden hatten, dass sie illegal im Land sind. Óscar fragt ihre Daten ab: Sie haben vier Töchter, zwei davon minderjährig, wohnen in Los Angeles, zur Miete in einer Zweizimmerwohnung für 700 Dollar im Monat. Auto? Ja, aber nur Ramón hat einen Führerschein. Steuernummer? Beide legen einen Ausweis der Finanzbehörden vor. O-Ton 4 Óscar "United States provide, even if you don't have documents to work in this country, they still provide with a special number, it's called Individual Tax Identification Number. Even if you are undocumented and you work here you have to pay taxes - that's the American way. And many do. They want to show that if the immigration reform comes around and they are asked if they had been here before .- how can they prove it ? They gonna prove it with the tax returns." Länge: 0:30min Sprecher 2 Voice Over Óscar "Auch wenn du hier keine Arbeitserlaubnis hast, kannst du eine sogenannte individuelle Steuernummer beantragen. Selbst als Illegaler sollst du also Steuern zahlen - das ist Amerika. Und die meisten zahlen auch Steuern. Sollte es nämlich klappen mit einer Reform der Einwanderungsgesetze können viele amerikanische Staatsbürger werden. Dafür müssen nachweisen, dass sie schon länger im Land sind, und das geht am einfachsten mit ihren Steuererklärungen." (Atmo 4 läuft weiter) Erzähler Noch rasch ein Foto vor der US-Flagge, dann bekommen Nídia und Ramón Ausweise der Malibu Labor Exchange. Ein wichtiger Service, denn mit dem Personalausweis ihrer Heimatländer haben sie zwei Dokumente, die ihre Identität belegen - das verlangen amerikanische Banken etwa fürs Eröffnen eines Kontos, manchmal aber auch Polizisten bei einer Verkehrskontrolle. So lässt sich ein halbwegs normales Leben in der Illegalität führen. O-Ton 5 Nídia "Pero también hay un poco de miedo por revisen de la migra. Cuando yo trabajaba en la costura muchas veces llegaban los inspectores y nosotros teníamos que salir rápido, corriendo. Corríamos, nos escondíamos y eso también no me gustaba. Ahora que vengo acá es un poco más descansado, menos estrés, Länge: 0:27min Sprecherin 3 Voice Over Nídia "Trotzdem hast du ständig Angst vor der Einwanderungsbehörde. Als ich in der Näherei gearbeitet habe, kamen es oft zu Razzien. Wir mussten dann schnell verschwinden und uns verstecken. Das war schrecklich. Hier ist es ruhiger, nicht so stressig." Regie Blende zu Atmo 5 (Center Frauen) Erzähler Der Papierkram ist erlegt, Nídia und Ramón ziehen ein Los, dann setzt er sich zu den Männer draußen und sie in einen Nebenraum im Container. Der ist Frauen vorbehalten. Die Trennung der Geschlechtertrennung ist eine Vorsichtsmaßnahme, um mögliche Konflikte zu vermeiden. Lange hat sich dieses Problem nicht gestellt, erzählt Oscar, hier ist sind nur Bauarbeiter und Gärtnern vermittelt worden. Doch seit die Krise das Land im Griff hat, kommen immer mehr Frauen. Ab und an rufen auch Büroarbeiter, aber für sie, bedauert Óscar, gibt es hier keine Jobs. Regie Atmo 5 als Ternner kurz hoch ziehen Erzähler Halb acht morgens. Es ist voll in der Malibu Labor Exchange. Fünfzig, sechzig Männer haben sich mittlerweile eingefunden und ein Dutzend Frauen. Endlich klingelt das Telefon. Regie Blende zu Atmo 6a (Center Job) Telefon klingelt Óscar nimt ab: "Labor Exchange, how can I help you?" Runter blenden Erzähler Ein Job. Der Vertreter einer Eigentümergemeinschaft braucht drei Bauarbeiter, die Beton gießen können, einer von ihnen soll ein Auto haben, man könne die Arbeiter nicht abholen. Werkzeug muss mitgebracht werden, Arbeitsbeginn ist in einer Stunde. Óscar geht die Meldeliste durch und vergleicht sie mit den Profilen der Anwesenden. Regie Atmo 6a bei 0:20min hoch ziehen Óscar: "Let me see...." Runter blenden Erzähler Exakt drei Mann macht er ausfindig - kein Fall also für die Verlosung. Er klatscht in die Hände... Regie Blende zu Atmo 6b (Center Job 2) Óscar: "Getting work, no turning around." Runter blenden Erzähler ... und macht sich auf die Suche nach den drei Glücklichen Regie Atmo 7 bie 0:12 hoch ziehen Óscar: "¿Cuántos? ¿Cuántos?" Erzähler Cuántos, cuántos ist so etwas wie die ironische Begrüßung bei der Malibu Labor Exchange. Gewöhnlich sammeln sich Tagelöhner in Kalifornien, Arizona und sonstigen an Mexiko grenzenden US- Staaten an bestimmten Straßenecken. Nähert sich ein Auto stürmen alle darauf zu, mit dem Ruf "¿cuántos, cuántos?" - wie viele, wie viele? Óscar geht auf Antonio zu: Ob er will? Was für eine Frage. Auch die andere beiden wollen, Álex aus Honduras und Jorge aus El Salvador. Und so sitzen sie zehn Minuten später in Antonios Grand Am und biegen auf die Küstenstraßen ab, den berühmten Highway 1. Regie Blende zu Amto 1 (Autofahrt) Erzähler Ihr Weg führt Richtung Norden, links der Pazifik, dunkel und geheimnisvoll im fahlen Licht der aufgehenden Sonne, rechts die schroffen Santa Monica Mountains, an deren Flanken riesige Anwesen kleben. Im Grunde ist Malibu nur ein 27 Kilometer langer Küstenstreifen. Genau das macht den Reiz aus für Hollywood-Stars wie Mel Gibson, Party-Sternchen wie Paris Hilton, Pop-Sänger wie Sting oder deutsche Showmaster mit Vorliebe für Rokoko-artige Jackets. Antonio deutet auf eine Wohnwagenkolonie am Strand. Leute die ihre Häuser verloren haben. Auch hier rekrutieren die Reichen aus Malibu Tagelöhner. Und an Point Dume, ein paar Meilen weiter nördlich, Nur gibt er's dort keine Vermittlung, die Stundensätze Löhne sind noch geringer, manche Arbeitgeber zahlen gar nicht erst. Und trotzdem denkt Antonio darüber nach, es mal dort zu versuchen. Dies ist seine erste Arbeit seit drei Wochen, was auch an der Konkurrenz bei der Malibu Labor Exchange liegt, mit an die hundert Abreitsuchenden täglich. In Point Dume dagegen sind ex selten mehr als zwanzig. Und er denkt über die Zukunft nach, seinen Ruhestand. O-Ton 6 Antonio "I can retire now, if I wanted to, with union. To get social security I need to be at least 62, one more year. Maybe I think about it next year, with those two I probably can make it." Länge: 0:15min Sprecher 1 Voice Over Antonio "Ich könnte jetzt in Rente gehen, mit der Pension meiner Gewerkschaft. Für die staatliche Rente muss ich mindestens 62 sein. Vielleicht mache ich das nächstes Jahr. Mit beiden Renten kann ich ich über die Runden kommen." (Atmo 1 läuft weiter) Erzähler Bis dahin muss er durchhalten. Das ist schwer genug, Arbeitslosengeld bekommt er nicht, zum Sparen hat der Verdienst nie gereicht. Gut dass seine Frau einen Job hat, sagt Antonio während er nach der richtigen Seitenstraße sucht. Sie arbeitet in einem Hotel, als Aufseherin der Zimmermädchen. O-Ton 7 Antonio "You see, right now I have to pay college for my children. Right now everything is going to be expensive, everything. The good thing is that I don't have to pay rent but everyone has to have a car, my wife to go to her work, I to go to mine, my children to go to college. Food is also high, that's why all the money goes right away." Länge: 0:16min Sprecher 1 Voice Over Antonio "Ich muss für das Studium meiner Kinder aufkommen, und alles wird teurer. Wenigstens muss ich keine Miete zahlen, aber jeder von uns braucht ein Auto, meine Frau und ich, um zur Arbeit zu kommen, meine Kinder für den Weg zur Uni. Lebensmittel werden auch immer teurer. Was ich verdiene, ist sofort weg." (Atmo 1 läuft weiter) Erzähler Antonio biegt in die Latigo Canyon Road ab. Die Straße frisst sich Serpentine um Serpentine den Berg hinauf, vorbei an verkohlten Bäumen - Überbleibseln der Waldbrände vom letzten Herbst. Hinter einer Kuppe öffnet sich ein grünes Tal, gerahmt von zackigen Bergspitzen. Auf jeder Anhöhe thront ein Haus, Terrasse und Garten Richtung Pazifik ausgerichtet. Vor den Türen Luxuskarossen deutscher und britischer Fabrikation oder italienische Testosteronbomber. Vor einem dieser Häuser wartet ein weißhaariger Mann ganz in Jeans: ausgebeulte Hose, verwaschenes Hemd, Schlapphut. Don Kowalewsky ist der heutige Arbeitgeber. Regie Blende zu Atmo 7 (Old Chimney) Erzähler Eine kurze Arbeitsbesprechung, dann ziehen die drei ihre Gummistiefel an. Antonio packt die Werkzeuge aus: Kelle, Spachtel, Holzlatte, Gummibesen. O-Ton 8 Antonio "We gonna pour concrete, we gonna start on there and we gonna pour it all the way up there. They want to fix the road, I think, they want to have it ready when the rain comes, so they can drive over to the houses. I don't know how it was before because I have never been here before." Länge: 0:16min Sprecher 1 Voice Over Antonio "Wir sollen Beton gießen, von hier unten bis dort oben. Sie wollen die Straße wohl fertig haben, bevor die Regenzeit beginnt, damit sie besser zu ihren Häusern kommen. Keine Ahnung, wie das vorher aussah, ich war ja noch nie hier." Regie Blende zu Atmo 8 (concrete 1). Wir hören zurück setzenden LKW Erzähler Die erste Laster setzt zurück in die kleine Stichtrasse, Antonio weist den Fahrer ein. Dann öffnet Don die Rutsche am Betonmischer. Regie Blende zu Atmo 9 (concrete 1). Wir hören, wie Klappe geöffnet wird. Blende zu Atmo 10 (concrete 3) Erzähler Sofort fließt eine zähe Masse heraus. Álex verteilt den Flüssigbeton mit dem Gummibesen, Antonio und Jorge glätten ihn, indem sie die Holzlatte darüber ziehen. Dann machen sie sich mit Kelle und Spachtel an die Feinarbeit. Vergesst die Drainage nicht, ruft Don, während er den Zufluss vom Betonmischer reguliert. Antonio springt auf und entfernt eine Schalplatte - durch die Öffnung kann das Regenwasser später abfließen. Nach einer guten haben Stunde ist der Beton aus dem ersten Laster gegossen, fünf weitere werden folgen. Regie Blende zu Atmo 11 (Old Chimney) Erzähler Don Kowlewsky gibt jedem Arbeiter eine Flasche Wasser. Er ist der offizielle Geologe der Gemeinde Malibu. Ein Job wie die Lizenz zum Geld drucken. Unten am Strand wird buchstäblich auf Sand gebaut, hier oben im Gefälle, außerdem ist Malibu erdbebengefährdet - für jedes Bauvorhaben über 40 Quadratmeter ist deshalb ein umfangreiches geologisches Gutachten vorgeschrieben. O-Ton 9 Don "There's fair amount on the beach and in the mountains. It's actually great because I get to hike on the beach and hike in the mountains, things I used to do as a kid. And they pay me for that, very well they pay me for that." Länge: 0:12min Sprecher 4 Voice Over Don "Während meiner Arbeit verbringe ich eine Menge Zeit am Strand oder in den Bergen - das habe ich schon als Kind geliebt. Und jetzt verdiene ich Geld damit, sehr viel Geld sogar." (Atmo 11 läuft weiter) Erzähler Die Häuser hier oben beginnen bei 800.000 Dollar, erzählt Don, für größere muss man anderthalb Millionen anlegen. Seine Nachbarn? Unter anderem ein Drehbuchautor, ein Sound-Mann vom Film, zwei Unternehmer im Ruhestand, ein Regisseur und zwei berühmte Schauspielerinnen, deren Namen er nicht verraten darf. Die Eigentümergemeinschaft umfasst zwanzig Häuser. O-Ton 10 Don "We got a bid form a company and they wanted 13.000 dollars for each road. I am putting these roads in for about 6.000 dollars. So it would have been more expensive and we would have hired someone like me to supervise it but we would have been paying him probably 40 dollars an hour. So it's more efficient to do it this way. Actually they get 100 dollars for each day. I told them we pay them a full day's wage for doing this thing. When they are done with this thing they are worn out, they cannot go an get another job at the end of the day. If they work 4 hours they get paid for the whole day, if the work 6 hours, they get paid for the whole day." Länge: 0:30min Sprecher 4 Voice Over Don "Wir hatten ein Angebot von einer Firma, sie wollte 13.000 Dollar für jede Straße haben. Auf meine Art kostet uns das nur 6.000, und wir müssen noch nicht einmal jemanden anheuern, der die Arbeit überwacht - das hätte weitere 40 Dollar die Stunde gekostet. So ist es effektiver. Jedem Arbeiter zahle ich 100 Dollar pro Tag. Wenn sie hier fertig sind, sind sie eh zu kaputt, um noch anderswo zu arbeiten. Deshalb der Deal: ein Tagessatz, egal wie lange sie brauchen." Regie Blende zu Atmo 12 (concrete 4) Erzähler Der nächste Laster ist da, und die Arbeit geht wieder von vorn los. Don an der Rutsche, Antonio, Álex und Jorge glätten den Beton. Das muss schnell gehen, solange die Masse noch flüssig ist. Nach fünfeinhalb Stunden ist das letzte Stück der Straße fertig. Weil noch Beton übrig ist, lässt Don die Arbeiter noch rasch eine Zufahrtstraße ausbessern. Dann ist Feierabend. Regie Blende zu Atmo 13 (raise) Erzähler Antonio packt Werkzeuge und Gummistiefel ein. Er bewegt sich langsam, wie in Zeitlupe. Ein Biss in das Sandwich, das Don von einer Kette unten am Meer hat bringen lassen. Bisher ist dafür keinen Zeit gewesen - die drei haben ohne Pause durchgearbeitet. Regie Atmo 13 bei 0:47 hoch ziehen "Don: I like the job, I give you a raise. Even I said 100 I think 120 is better. Buy maybe a diner." Runter blenden Erzähler Gute Arbeit, lobt Don, deshalb gibt's mehr Geld, 120 statt 100 Dollar. Geht lecker Essen, schlägt er jovial vor. Okay, antwortet Antonio, Álex und Jorge schweigen. Don notiert ihre Telefonnummern, nächste Woche ist eine andere Zufahrt fällig - er will anrufen. Antonio lächelt matt. Und schüttelt den Kopf, nachdem Don Kowalewsky sich verabschiedet hat. O-Ton 11 Antonio "This job should be more money. At least 25 dollars per hour. Anyway, they said 100 and give us 120, that's better anyway." Länge: 0:16min Sprecher 1 Voice Over Antonio "Für diese Arbeit müsste es mehr Geld geben, mindestens 25 Dollar die Stunde. Andererseits sind 120 Dollar besser als 100." Regie Blende zu Atmo 5 Erzähler Nachmittags an der Malibu Labor Exchange. Noch immer warten vierzig, fünfzig Männer auf Arbeit. Sie dösen unter Platanen, laufen ziellos umher oder spielen Domino. Im Container sitzen die Frauen. Ein Fernseher läuft ohne Ton, ab und an beginnt ein Gespräch, das rasch wieder verebbt - worüber soll man auch reden, jeden Tag von morgens bis abends. Auch Nídia und Ramón, die beiden Neuneen sind noch da. Regie Atmo 5 als Trenner kurz hoch ziehen Erzähler Óscar Mondragón lehnt sich in seinem Bürostuhl zurück. Ein ruhiger Tag bisher: acht Neuanmeldungen, ein Job mit einer Bezahlung weit unter Tarif. Macht die Labor Exchange damit nicht anderen Firmen Konkurrenz und drückt letzlich die Stundenlöhne? Óscar holt tief Luft. O-Ton 12 Óscar "Our center, we don't set rates. Whatever you agree to, that's what it is, it's their choice with the employer. So wages vary a lot. The contractor tries to take the most money for himself. The homeowner might assume that the workers are getting 15 or 20 dollars an hour when they are getting 10 or 11 dollars. They don't want to get involved with the workers themselves, most homeowners won't do that, they usually don't. They hire contractors, it's the middle man that screws things up. They say to a worker: I wanna pay you minimum wage, take it or leave it, hundreds of people there that can work here. Terrible attitude." Länge: 0:36min Sprecher 2 Voice Over Óscar "Wir setzen keine Stundenlöhne fest, das ist Sache von Arbeitgeber und -nehmer. Und wenn Bauunternehmer zwischengeschaltet sind, wird's nicht besser, im Gegenteil. Bauunternehmer versuchen, möglichst viel für sich abzuzweigen. Die Hausbesitzer nehmen vielleicht an, dass die Arbeiter 15 oder zwanzig Dollar die Stunde bekommen, tatsächlich sind's oft nur 10, 11. Die meisten Hausbesitzer wollen nicht direkt mit den Arbeitern zu tun haben, das nutzen die Bauunternehmer aus. Manche setzen ihren Arbeitern die Pistole auf die Brust: Wir zahlen Mindestlohn, wenn dir das nicht passt, nehmen wir jemand anderen, es gibt Hunderte, die scharf auf diesen Job sind. Eine schreckliche Haltung." (Atmo 5 läuft weiter) Erzähler Vor allem jetzt, wo auch bei den Reichen in Malibu das Geld nicht mehr so locker sitzt. Noch vor ein paar Jahren ist jeder Tagelöhner hier auf zwei, drei Jobs die Woche gekommen, jetzt ist es einer im Monat, wenn überhaupt. Und natürlich ist die Labor Exchange ambivalent: Hier sind die Bedingungen für die Tagelöhner besser, sie sind versichert und bekommen ihr Geld, aber gleichzeitig sorgt die Organisation für Nachschub an billiger Arbeitskraft und stützt so ein unfaires System. O-Ton 13 Óscar "What we do provide is a hope for workers to look at a place and say: There in this big city of Los Angeles, there is a place called Labor Exchange in Malibu and I at least get a chance to get a job. Otherwise there's nothing, where do I go now? So, this is a place of hope. Sometimes this hope materializes into a job, sometimes not and people go home with nothing in their hands. So the hope didn't materialize, but it's still there. The opportunity for them to get help and to get a job is here. And we do the best we can by saying that our doors open to anyone who wants to come here." Länge: 0:43min Sprecher 2 Voice Over Óscar "Aber wir vermitteln den Leuten Hoffnung. Seht her: In der Metropole Los Angeles mit ihren Millionen Einwohnern gibt es einen Ort, die Malibu Labor Exchange, wo ihr zumindest die Chance habt, Arbeit zu finden. Wo sollen sie sonst hingehen? Es gibt ja nichts vergleichbares. Dies ist ein Ort der Hoffung. Manchmal materialisiert sich die Hoffung in Form eines Jobs, manchmal nicht, und die Leute gehen mit nichts nach Hause. Trotzdem bleibt die Hoffnung. Hier wird ihnen geholfen, hier können sie Arbeit finden. Und wir geben unser Bestes und öffnen unsere Türen für jeden, der zu uns kommt." Regie Atmo 5 läuft weiter, Atmo 6 (Center Job) drüber setzen Telefon klingelt Óscar nimt ab: "Labor Exchange, how can I help you?" Runter blenden Erzähler Endlich, ein weiter Job. Eine Frau ist am Apparat. Óscar greift zu Papier und Stift und schreibt die Eckdaten mit. Er runzelt die Stirn: Ja, will er vortragen das Angebot, und sollte keine der Anwesende wollen, versucht er es mit einem Rundruf, vielen Dank für das Angebot. O-Ton 14 Óscar "It was a lady who lives in Malibu and she wanted to hire a couple to live in her house. She provides lodging and food, and they get paid 350, 400 dollars a week. Actually it's for one, the man only lives there and can get a job somewhere else. So the lady wants to make sure that the housekeeper is with her husband or couple and won't be lonely, because it's up in the hills." Länge: 0:30min Sprecher 2 Voice Over Óscar "Das war eine Dame aus Malibu, sie sucht ein Paar, das bei ihr im Haus leben soll. Sie stellt Wohnraum und Lebensmittel und zahlt 350, 400 Dollar die Woche, allerdings nur für die Frau, sie soll dort als Haushälterin arbeiten, der Mann kann sich anderswo einen Job suchen. Die Dame sucht ein Paar, weil sie weit oben in den Bergen wohnt, sie möchte nicht, dass sich ihre Haushälterin dort einsam fühlt." Regie Blende zu Atmo 14 (Center pareja). Soll kurz frei stehen Erzähler Óscar trägt den Frauen das Angebot vor. Ein Full-Time-Job, setzt er an und erklärt die Modalitäten. Und was zahlt sie, wollen die Frauen wissen Regie Atmo 14 bei 0:20 hoch ziehen Frauen: "300 400 por pareja..." Runter blenden Erzähler Warum will sie den Mann denn nicht bezahlen? Die Frauen schütteln den Kopf, dann brechen sie in Lachen aus. Regie Atmo 14 bei 0:45 hoch ziehen Gelächter, alle reden durcheinander. Frauen: "¡Mire, mire! Voy a preguntarlo si piensa que no tengo donde vivir porque vaya dormir donde trabajo ... " Runter blenden Erzähler Eine Frau regt sich auf: Was denkt die Dame denn von uns? Dass wir kein Dach überm Kopf haben und leben müssen, wo wir arbeiten? Eine andere vermutet, dass der Mann als Fahrer dienen soll, keine im Raum hat schließlich einen Führerschein. Nída und Ramón blicken sich an. Sollen wir, sagt ihr Blick. Er schüttelt verärgert Kopf. Regie Blende zu Atmo 5 O-Ton 15 Ramón "Jamás he visto un Asiático hacer los trabajos que hacemos nosotros, nunca lo he visto. No lo hacen para el pico que pagan. Nosotros, los inmigrantes y los inmigrantes sin papeles, hacen los trabajos que los Norteamericanos no quieren hacer. Hacemos los trabajos más humildes, más duros yo por eso nos dan trabajo. Y nosotros nos conformamos con eso porque lo que ganamos con eso es diez veces más que ganamos en nuestros países. Aunque es poco aquí, pero para nosotros es suficiente. Nosotros estamos acostumbrado a una vida de mucha pobreza y mucha necesidad, en mi país no hay trabajo y todas las cosas son carísimas. Entonces, aquí con un día de trabajo llena uno su refrigerador de comida y de todo y eso es bueno. Les conviene a los Norteamericanos porque nos pagan barato. Eso es la doble vía que funciona este país." Länge: 0:49min Sprecher 4 Voice Over Ramón "Ich habe noch nie einen Asiaten gesehen, der so eine Arbeit macht, nicht für das bisschen, was sie zahlen. Wir Immigranten, vor allem, wenn wir keine Papiere haben, machen die einfachsten und härtesten Arbeiten, Jobs, die kein Nordamerikaner machen will. Nur deshalb geben sie uns überhaupt Arbeit. Und wir finden uns damit ab, weil wir damit zehnmal mehr verdienen als in unserer Heimat. Hier mag es wenig sein, aber für uns ist es genug, denn wir sind von zu Hause Not und Armut gewohnt. Hier reicht ein Tag Arbeit wenigstens, um den Kühlschrank für eine Woche aufzufüllen, das ist schon mal etwas. Den Nordamerikanern ist das recht, weil sie uns nicht so viel zahlen müssen. Das ist die verlogenen Art und Weise, nach der dieses Land funktioniert." (Atmo 5 läuft weiter) Erzähler Seit Monaten hat Ramón nicht mehr gearbeitet, Nídia putzt wenigstens jeden Donnerstag in einem Privathaushalt. Vor einem Jahr war's noch dreimal die Woche, neben ihrer Arbeit in der Näherei, und mehr Geld gab's auch. Aber ihre Arbeitgeberin sagt, dass sie sich das nicht mehr leisten kann. Ramón hat große Hoffungen in Obama gesetzt und dessen Versprechen, endlich ein Reform der Einwanderung einzuleiten. Er schnauft verächtlich O-Ton 16 Ramón "No lo veo posible. Va a ser una legalización pero muy recortada. Mucha gente no va a cualificar, pensamos que nosotros tampoco nos vamos a cualificar. Voy a esperar un año y medio más, si no hay una legalización que nosotros estén en este país legalmente, yo me voy a México, yo me regreso. Porque aquí so se vive tranquilo, con esta paz que necesita para progresar, para hace negocios. Sin tener número de seguridad social uno no puede hacer ningún tipo de negocio, ni puedo uno progresar. Por eso, sin este número, si no hay esperanza para nosotros, yo me regreso. Länge: 0:40min Sprecher 4 Voice Over Ramón "Ich glaube nicht mehr, das sich viel tun wird. Irgendeine Reform wird es geben, klar, aber sehr begrenzt. Viele Leute werden sich nicht für eine Legalisierung ihres Aufenthalts qualifizieren, wir vielleicht auch nicht. Anderthalb Jahre gebe ich mir noch, wenn wir dann nicht legal hier sind, gehe ich zurück nach Mexiko. Du hast einfach keine Ruhe und keinen Frieden in deinem Leben, ohne Sozialversicherungsnummer kannst du kein Geschäft aufmachen, du kommst einfach nicht voran. Deshalb gehe ich zurück, wenn sich kein Hoffungsschimmer zeigt." (Atmo 5 läuft weiter) Erzähler Betreten blick Nídia zu Boden. Dann nimmt sie Ramón tröstend in den Arm. O-Ton 17 Nídia "Ahorita nos falta trabajo, ahorita la situación económica no está bien aquí, pero tenemos que aguantarlo porque no podemos regresar tampoco porque ahí está pero la situación." Länge: 0:11min Sprecherin 3 Voice Over Nídia "Natürlich fehlt uns momentan fehlt Arbeit, aber wir können doch nicht zurück, dort ist die Situation doch noch schlechter." Regie Blende zu Atmo 16 (Óscar Tel) Erzähler Kurz nach sechs Uhr abends. Nídia und Ramón machen sich auf den Heimweg, die meisten Tagelöhner schon weg. Óscar sucht immer noch eine Haushälterin für die Dame, in den Bergen. Vielleicht ist Lorena interessiert... Regie Atmo 16 klurz hochziehen "¿Buenos días, como está usted?... Bien ... .. Sí, Lorena ... ." Runter blenden Erzähler Nein, Lorena lehnt das Angebot. Und auch bei den weiteren Anrufen holt sich Óscar Absagen. Antonio schaut noch einmal rein. Er hat die Rush Hour abgewartet und im Supermarkt eingekauft. Jetzt will auch er heim. Endlich mal wieder Geld verdient - ein gutes Gefühl raunt er, doch Stimme und Gesichtausdruck sagen das Gegenteil. O-Ton 18 Antonio "You feel allright..... you feel allright." Länge: 0:02min Erzähler Eine Autostunde ist es bis nach Hawthorne, vielleicht etwas länger um diese Uhrzeit, gegen acht kann er zu Hause sein. Dreizehn Stunden später wird er bei der Malibu Labor Exchange wieder eine Nummer ziehen, wie Nídia, Ramón und knapp hundert andere. Und dann hoffen, dass jemand Arbeit hat und sein Los gezogen wird. Absage Für eine Handvoll Dollar - unterwegs mit Tagelöhnern im kalifornischen Malibu Eine Reportage von Tom Noga ENDE DER VERANSTALTUNG 1