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Auf dieser für den Nahen Osten so untypischen Panoramastraße begann vor etwas mehr als 140 Jahren das Siedlungsabenteuer einer deutschen Sekte. Musik einblenden: Rabih Abou.Khalil: "Selection", track 7 CD: enja ENJ 9525 2 (2009) DLR-Code: 93-68651 Darauf Autorin: Vier Männer schickte die württembergische Tempelgesellschaft 1865 auf eine Expedition ins Heilige Land. Sie sollten die Lebensbedingungen erkunden und prüfen, ob ein paar hundert, vielleicht tausend Pietisten dauerhaft in Palästina existieren könnten. Heftiger Streit mit der evangelischen Kirche hatte 1858 zum Ausschluss der Tempelgesellschaft geführt. Die Templer, die wie die Urchristen im Heiligen Land leben wollten, wurden als Sektierer angesehen. Ihre Kundschafter kehrten nach Stuttgart zurück, und 1868 gingen die ersten Templerfamilien in Haifa an Land. Christoph Hartmann, der die Tempelgesellschaft gegründet hatte, begann mit dem Aufbau der ersten und größten deutschen Siedlung in Palästina - zweihundert Meter entfernt vom Hafen in Haifa . Take 1 (Dan ) : Anyone who does research about the Templars ... Darauf 1. Sprecher: Jeder, der sich ausführlich mit der Geschichte der Templer im Heiligen Land beschäftigt, erkennt sofort, dass sich hinter der Historie, hinter den architektonischen Hinterlassenschaften und Eingriffen in die Landschaft menschliche Tragödien auftun. ... which is very tragic. Autorin: In allen Siedlungen, die die Templer in Palästina gegründet hatten, gab es Lokalorganisationen der NSDAP. Unter den mehreren hundert eingeschriebenen Mitglieder fanden sich fanatische Parteigänger und Mitläufer. Der Architekt Danny Goldman hat die steinernen Zeugnisse der Templer in Israel untersucht und Nachkommen der christlichen Siedler kennengelernt. 1941 - nach den Erfolgen der deutschen Wehrmacht in Nordafrika - ordnete die britische Mandatsmacht in Palästina die Aussiedlung von 655 Templern an. Ein Schiff brachte sie nach Australien. Einige wenige Familien kehrten nach Deutschland zurück. Viele Israelis assoziieren mit den Templern bis heute zuerst deren Parteinahme für die Nationalsozialisten und die Unterstützung arabischer Aufständischer, die zwischen 1936 und 1939 Anschläge auf jüdische Siedlungen verübten, um eine totale Einwanderungssperre für Juden zu erreichen. Der Publizist Ralf Balke spricht von einem einzigartigen Prozess der "Selbstnazifizierung". Yossi Ben-Artzi, Professor für historische Geographie und Direktor der Universität Haifa, sieht die ideologische Verblendung der Deutschen, urteilt aber weniger abschließend über die Mitglieder der Tempelgesellschaft. Take 2 (Yossi) : They gathered this hatred ... Darauf 2. Sprecher: Sie haben sich Hass und Feindschaft zugezogen, weil sie unfähig waren, dem Druck der Nazis in Deutschland etwas entgegenzusetzen. Es gab warnende Stimmen in der Gemeinde, meist waren es Lehrer. Die Alten, die noch im 19. Jahrhundert eingewandert waren, dachten nicht nationalistisch. Man hatte sie einst angegriffen, weil sie nicht in den Krieg der Preußen gegen Frankreich ziehen wollten. In Jerusalem wollten sie auf die Wiederauferstehung des Herrn warten, zusammen mit den Juden. Wie also konnte die Nazi-Ideologie nur so anziehend für die jungen Templer werden? Schließlich haben sich auch die Araber von den Templern abgewandt. Die ganze Kalkulation ist fehlgeschlagen. ... The whole calculation failed. Autorin: Yossi Ben-Artzi ist vorsichtig mit Schätzungen, die die Zahl der Parteieintritte betrifft. Israelische Historiker sprechen davon, dass jeder dritte Templer ein Parteibuch der NSDAP besaß. Andere Erforscher der Templergeschichte gehen von weniger als zehn Prozent aus. Take 3 (Yossi) : Yes, there was pressure from Germany on the Templars ... Darauf 2. Sprecher: Es wurde Druck von Deutschland ausgeübt, indem man einzelne Familien bedrohte und die Kinder von Templern bedrängte, die gerade in Deutschland studierten. Es war unter Templern üblich, Kinder für ein paar Jahre zum Studium nach Deutschland zu schicken. Aber in unserem Fall wurde der Druck wohl doch stärker innerlich empfunden, denn schließlich ist das hier nicht Europa. Palästina war nicht die Tschechoslowakei oder Österreich. Hier herrschte die britische Mandatsmacht. Sie brauchten Leute, die von innen her die nationalsozialistischen Ideen weitertragen. ... to promote the nazi-ideas. ATMO hist. Propagandaton Autorin: Die Schriftstellerin Nava Semel hat mit ihrem Buch "Nächtliche Spiele" einem Lehrer der Templergemeinde in Haifa ein Denkmal gesetzt. Friedrich Lange verlor drei Kinder. Sie starben in jungem Alter an Malaria. Der einzig verbliebene Sohn trat in Deutschland in die NSDAP ein und kam in SS- Uniform zurück nach Palästina. Take 4 (Nava) : And I ask in my book: What does the teacher teach? Darauf Sprecherin: Was also lehrte der Lehrer? Wie kommt es, dass er drei Kinder in Palästina begraben muss und das vierte wird ein Nazi? Ist es möglich, dass eine Ideologie sich ferngesteuert exportieren lässt? In Palästina gab es keinen Antisemitismus. Wie kommt es, dass Menschen sich von diesem bösartigen Denken infizieren ließen? Ich habe eine Rede gefunden, die Friedrich Langes Sohn vor geladenen Gästen im "Beit ha-am", im Volkshaus der deutschen Siedlung in Haifa gehalten hat. Es war pures Gift. Ich habe das Grab von Friedrich Lange in Haifa besucht. Ich konnte mich mit diesem Mann, der einen Dämon in seinem Haus hatte, identifizieren. Wie hat dieser Sohn seinen Parteigenossen wohl erklärt, dass er im Grunde ein "Sabra" war, ein in Eretz Israel Geborener - ganz so wie ich auch. Er war hier genauso verwurzelt wie ich es bin. ... comes from the same roots. ATMO Straße und Stimmen Autorin: Ob die Häuser auf der Ben Gurion-Allee in Haifa damals mit Hakenkreuzfahnen beflaggt waren? Danny Goldman geht mit mir zu dieser Straße, die mitten durch die deutsche Siedlung führt und am Fuß des Bahai- Gartens endet. "Ha-moschava ha-germanit" bildet einen eigenen kleinen Stadtteil im Zentrum von Haifa. Vor zehn Jahren hat die Stadtverwaltung mit der Restaurierung der zweistöckigen Steinhäuser begonnen. Über den Haustüren wurden Psalmen eingraviert: "Bis hierher hat der Herr geholfen" oder "Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn. Er wird's wohl machen". Take 5 (Dan) : What we see is that the frontgarden ... Darauf 1. Sprecher: Man sieht, dass die Vorgärten der Häuser als eine Art Promenade geplant waren. Die Achsen sind nicht als bloße Hauszugänge gedacht, sondern sie sind öffentlicher Raum. Der Abstand von einem Haus zum anderen, über die Straße hinweg, ist riesig. Zur damaligen Zeit waren die Straßen in Palästina sehr schmal. Die Juden haben diese Art der Siedlungsplanung übernommen. Für sie waren die deutschen Kolonien Vorbild. ... german colonies as a benchmark. Autorin: Im Oktober 1898 besuchte Kaiser Wilhelm II auf seiner Palästina- Reise zuerst die deutsche Kolonie in Haifa. Die Templer führten den Kaiser auf den Carmelberg, von dem aus der Blick auf die Siedlung mit ihren leuchtenden, für Palästina so untypischen roten Ziegeldächern noch mehr beeindruckte. Take 6 (Dan) : You will find a file "hallucinators" ... Darauf 1. Sprecher: Im baden-württembergischen Landesarchiv gibt es die Rubrik "Spinner". Da findet man Verweise auf die Tempelgesellschaft. Man hielt sie wirklich für verrückt. Nach der Gründung des Deutschen Reiches erkannte man jedoch den Erfolg der deutschen Siedler im Ausland. Und der Kaiser erteilte dem ganzen Unternehmen seinen Segen. ... his blessing to the enterprise. Atmo Deutschlandlied Darauf Autorin: "Wenn irgendeiner von Euch Meines Schutzes bedarf, so bin Ich da" versprach Wilhelm II den Templern in Jerusalem. Diese wiederum beschlossen nach dem Besuch des Kaisers die Gründung einer weiteren Kolonie. 1902 entstand südlich von Tel Aviv die Siedlung Wilhelma. Heute heißt sie Bnei Atarot. Nava Semel hat unter den Hinterlassenschaften eines Vorfahren ihrer Familie eine Medaille gefunden, die ihm für Übersetzerdienste beim Besuch des Kaisers verliehen wurde. Asriel Selig Häusdorf war im Jahr 1840 als 17jähriger Junge ganz allein aus Düsseldorf nach Jerusalem ausgewandert. Mit den Templern verband ihn nichts außer der Frömmigkeit und dem Wunsch, nahe bei den biblischen Stätten zu leben. 1873 errichteten die Templer im Refa'im-Tal, südlich der Jerusalemer Altstadt, ihr religiöses Zentrum. Nava Semel: Take 7 (Nava) : When the first jewish pioneers ... Darauf Sprecherin: Als die ersten jüdischen Pioniere, die in Rishon-le-Zion siedelten, nach Palästina kamen, fuhren sie nach Jerusalem zu Christoph Hoffmann, um sich Rat zu holen. Er sagte zu ihnen: Wenn ihr eine Gemeinde aufbauen wollt, braucht ihr zuerst eine Schule und zweitens eine Synagoge, ein Gotteshaus. Diese zwei Säulen sind das Wichtigste. Und dann gab er ihnen lauter landwirtschaftliche Ratschläge. Das Oberhaupt der Sekte war der Mentor der jüdischen Siedler im Lande Israel. ... in the land of Israel. Autorin: Danny Goldman geht in der Anerkennung der Pionierleistungen noch einen Schritt weiter. Take 8 (Dan) : We owe them - we as jewish settlers - we owe ... Darauf 1. Sprecher: Als jüdische Siedler schulden wir ihnen Dank dafür, dass sie als erste Landwirtschaft betrieben, Fabriken für die Milchwirtschaft und die Honigproduktion gebaut haben. Sie haben den Kutschverkehr zwischen Haifa und Akko, Jaffa und Jerusalem aufgebaut. Es gab ja nicht mal Straßen hier. Nichts. Was immer sie anfingen, sie haben es sorgsam und systematisch getan. ... meticulously, systematically. Autorin: Die Templer-Siedlungen galten als "Inseln der Modernität und des Wohlstands" - als wundersames Stück Europa mitten im Nahen Osten. Fragt man Israelis, welche Orte sie mit dem Wirken der Templer verbinden, dann nennt jeder die Städte Haifa und Jerusalem sowie den Stadtteil Sarona in Tel Aviv. Aber auch zwei landwirtschaftliche Siedlungen in Galiläa kennen viele dem Namen nach. Sie heißen Bethlehem-Haglilit und Alonei Abba - die "Eichen meines Vaters". Am Eingang des 1908 gegründeten Dorfes "Alonei Abba" steht auch der von den Templern genutzte Name "Waldheim" auf dem Ortsschild. Die Eltern der Schriftstellerin Nava Semel waren in deutschen Vernichtungslagern. Als sie 1947 mit einer Gruppe Überlebender ein Kibbuz gründen wollten, wiesen die Briten ihnen die verlassenen Templer-Häuser in Waldheim zu. Take 9 (Nava) : Can you imagine that the first home that my mother... Darauf Sprecherin: Können Sie sich vorstellen, dass in dem ersten Haus, in das meine aus Auschwitz kommende Mutter einziehen sollte, lauter Hakenkreuze und Fotos von Hitler hingen und Exemplare von "Mein Kampf" herumlagen? In den Nachbarhäusern sah es nicht anders aus, und das erste, was sie taten, war, mitten im Dorf ein riesiges Feuer anzuzünden und alles zu verbrennen. ... burning everything. Autorin: Nava Semels Eltern lebten bis 1953 in Waldheim. Dann zog die Familie nach Tel Aviv. Nur wenige Kilometer entfernt von Waldheim liegt das Dorf Bethlehem-Hagligit. Kobi Fleischman wohnt in einem Templerhaus, das er stundenweise als Galerie offenhält. Für Yossi Ben-Artzi ist Kobi Fleischmann jemand, der sich mit Anekdoten und Mythen wichtig mache und jedem die Hakenkreuzfahne zeige, um zu beweisen, dass alle Palästina-Deutschen Nazis gewesen seien. Und tatsächlich: Das erste Dokument, das er mir reicht, ist ein Ahnenpass. Take 10 (Kobi) : Someone sent it to me ... Darauf 3. Sprecher: Das hat mir jemand geschickt ... Die deutschen Arbeiter der Ortsgruppe Bethlehem-Waldheim - in treuem Gedenken. Autorin: Die hohen Wände des Eingangsflurs sind dicht behängt mit Fotografien der ursprünglichen Besitzer Karl und Elsa Wagner. In einem Holzbalken eingraviert finden sich lobende Worte auf einen türkischen Sultan. Ein Harmonium steht im Raum. Auf dem Tisch liegt eine Wärmflasche aus Messing neben Haushaltsutensilien und einem großen Steingutkrug, in dem früher Schmalz aufbewahrt wurde. Kobi Fleischmann zeigt auf eine Fotografie, die am Ortseingang von Bethlehem-Haglilit aufgenommen wurde. Take 11 (Kobi): In 1939 - this is the entrance of Bethlehm Haglilit ... Darauf 3. Sprecher: 1939 marschierten hier Soldaten ... Auf diesem Bild vom 20. April 1936 sieht man eine Versammlung zu Ehren von Hitlers Geburtstag. Zweihundert Kinder liefen in Reih und Glied von Waldheim nach Bethlehem, mit der Hakenkreuzfahne. 1948 kamen israelische Siedler aus Nahalal und Kfar Gidon hierher. Sie besetzten die Häuser und wohnen bis heute darin. In diesem Haus lebten bis 1954 vier verschiedene Familien. Alle Israelis nahmen an einer Haus-Verlosung teil. Der Vater meiner Frau zog das Los für dieses Haus, und nun wohnen wir darin, seit unserer Rückkehr nach Israel vor 16 Jahren. ... came back 16 years ago. Autorin: Es gab Templer, die zu Nazis wurden und 1941 - nach der Einnahme der lybischen Stadt Tobruk durch Rommels Armee - glaubten, dass schon bald eine deutsche Gauleitung Palästina verwalten würde. Andere sahen ihr Lebenswerk - die Aufbauarbeit einer christlichen Gemeinde im Heiligen Land - durch eifernde Anhänger der NSDAP gefährdet. Die Briten fürchteten Anschläge durch die Templer. Sie beschlossen die Evakuierung. Am 20. April 1948 wurden die letzten Templer nach Zypern verschifft, und mit diesem Tag endet ihre Geschichte in Palästina. MUSIK "Es kennt die Herr die Seinen" T: Karl Johann Spitta K: Johann Michael Haydn Darauf Autorin: In Tel Aviv ist die Geschichte der Templer in Palästina durch die umfassende Restaurierung der von ihnen hinterlassenen Häuser ins öffentliche Bewußtsein gerückt. 1872 wurden die ersten Häuser in Sarona gebaut, Zitrusplantagen angelegt, Palmen und Eukalyptusbäume gepflanzt. Sarona liegt heute mitten in Tel Aviv und heißt Ha-Kirya. Nach der Staatsgründung Israels im Mai 1948 bezog das israelische Verteidigungsministerium einen Teil der soliden Templerhäuser. Das Areal ist eine hoch gesicherte Festung. Ihr gegenüber verfielen andere Bauten, bis eine Gruppe von Denkmalschützern und Historikern begann, sich vehement für eine Restaurierung der Templerhäuser einzusetzen. Die Architektin und Denkmalschützerin Nitza Szmuk erforscht seit den neunziger Jahren die Substanz der Templerhäuser. Take 13 (Nitza) : It is also jewish culture that didn't consecrate ... Darauf Sprecherin: Die jüdische Kultur hat sich nicht unbedingt mit ästhetischen Dingen, mit Architektur und Kunst befasst. Für die meisten Israelis zählt die Architektur nicht zu den Künsten. Hier ist nichts heilig, nichts, nichts! In den Komitees, in denen ich arbeite, höre ich oft, ah, in Europa macht man das so und so. Das ist ja schön, aber leider wollen sie hier nichts davon wissen, dass in Europa bauliche Entscheidungen auf der Grundlage sorgfältiger Analysen getroffen werden. ... a thorough analysis, every decision. Autorin: 37 Templer-Häuser stehen mittlerweile unter Denkmalschutz, doch nicht alle Bürger Tel Avivs waren für den Erhalt der Templerbauten. Die Templer hatten die ersten Maschinen- und Zementfabriken gegründet, Sägewerke, Eisengießereien und Ölmühlen gebaut. Sie eröffneten Banken und Hotels. Deutsche Juden, erzählt Shay Farkash, arbeiteten in den Betrieben der Templer. Doch in den dreißiger Jahren, als die wirtschaftliche Lage aufgrund der massenhaften Einwanderung prekär wurde, begannen Verteilungskämpfe und Feindseligkeiten. Take 14 (Shay) : Some day the Templars decided .... Darauf 3. Sprecher: Eines Tages entschieden die Templer, dass Juden keine Geschäfte mehr in Sarona machen dürften und sie sollten dort auch nicht mehr wohnen. Dreißig Prozent der Bevölkerung in Sarona war aber jüdisch. Nicht alle Templer waren dafür, nur ein paar führende Persönlichkeiten der Gemeinde. Es war ein furchtbarer Schock für die Juden. Die Entscheidung war in Deutschland getroffen worden. ... and it came from Germany. Autorin: 1946 wurde Gotthilf Wagner, der letzte deutsche Bürgermeister von Sarona, ermordet. Er war nicht bereit gewesen, dringend benötigtes Land an Juden zu verkaufen. Nach dem Zweiten Weltkrieg mussten Unterkünfte für die Überlebenden der Konzentrationslager geschaffen werden. Wagner aber weigerte sich kategorisch, Land abzugeben. Er war Inhaber einer Fabrik, somit Arbeitgeber und wähnte sich vermutlich unantastbar. Von den Behörden wurde der Mord nicht aufgeklärt. Shay Farkash restauriert die Innenwände der Templerhäuser. Schicht um Schicht löst er ab, staunt über das kräftige Blau der ersten Anstriche und die kunstvollen Schablonenmuster. Mit ihm durchstreife ich das parkähnliche Gelände am Rand der vielbefahrenen Kaplan-Straße. Als die Straße 2007 verbreitert wurde, setzte man fünf Häuser auf Schienen und verschob sie um etwa 50 Meter. Eine logistische Meisterleistung. Take 15 (Shay) : This house that we are standing ... Darauf 3. Sprecher: In diesem Haus war das Landwirtschaftsministerium untergebracht. Als es im Jahr 2000 auszog, kam ich zufällig vorbei. Ich sah, dass das Haus offenstand und ich trat einfach ein. Ich sah Wandmalereien und war völlig überrascht ein Wohnhaus vorzufinden, mit Küche-, Schlaf und Kinderzimmern. ... kitchen, bedroom, you can see the childrens room. Autorin: Anhand von Fotos, die Templer-Nachfahren aus Australien schickten, konnte man einen anderen Bau als ehemalige Kegelbahn identifizieren. Man will die Gebäude wieder so herrichten, wie sie einst waren. Take 16 (Shay) : This was a public house ... als ATMO unterlegen Darauf Autorin: Shay Farkash steuert die ehemalige Weinkelterei der Siedlung an. Eine Treppe führt hinab in hohe Kellergewölbe. Take 17 (Shay) : When Israel was established in 1948 the israeli army ... Darauf 3. Sprecher: Nach 1948 hat die israelische Armee ein paar zurückgelassene Flugzeuge der Briten hierher geschafft, in diesen Keller, und aus den Einzelteilen wurde dann das erste kleine israelische Flugzeug gebaut. Das war der Beginn der israelischen Flugzeugindustrie. ... israeli aircraft-industry. Autorin: Unterirdisch ist die Weinkelterei durch einen Gang mit einer Schnapsbrennerei verbunden. Take 18 (Shay): After 1948, here is the government took over all the ... Darauf 3. Sprecher: Nach der Staatsgründung hat die Regierung die gesamte Weinkelterei in Besitz genommen, und in diesem Keller stand der Tresor, in dem das Staatsvermögen, Gold und Dokumente verwahrt wurden. Es war ein absolut geheimer Ort. Nur ganz wenige hatten Zutritt. Hier sehen Sie noch die alten Safetüren. Später hat die Regierung in diesen Räumen ihre Druckerei untergebracht. ... for the israeli government. Musik Adash Hradistan "Sim Shalom" Darauf Autorin: Um eine kleine Tüte mit Goldmünzen rankt sich eine Geschichte, die ihren Anfang um 1900 nahm und erst hundert Jahre später endet. Danny Goldman erzählt von dem Templer Hugo Wennagel. Dessen Vater Josef war am Bau von Eisenbahnstationen auf der 1300 km langen Strecke von Damaskus nach Medina in Saudi-Arabien beteiligt. Die Hedschas genannte Linie wurde zwischen 1900 und 1908 vom Osmanischen Reich errichtet und mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs in großen Teilen zerstört. Dahinter steckte Thomas Edward Lawrence, besser bekannt als britischer Spion "Lawrence von Arabien" -Drahtzieher und Anführer zahlreicher Aufstände arabischer Stämme. Danny Goldman: Take 19 (Dan) : Lawrence was sabotaging the Turkish railway ... Darauf 1. Sprecher: Lawrence sabotierte die türkische Bahnlinie und Josef baute sie auf. Wir wissen, dass Lawrence als Archäologe ein geschultes Auge für antike Funde besaß. Er bezahlte alles und jeden in Gold. Wie ein Fass ohne Boden. Und die Briten gaben ihm viel Gold, um die Aufstände der Araber gegen die Türken zu bezahlen. Auch Josef hat er mit Gold gekauft. Als sein Sohn Hugo 1941 von den Briten aufgefordert wurde, Palästina zu verlassen, durfte er keine Wertsachen mitnehmen. Er musste das Gold also entweder verstecken oder es arabischen und jüdischen Nachbarn geben, damit sie auf sein Haus aufpassten. Er entschied sich dafür, es in der Wand zu vergraben. ... in the wall. Autorin: Danny Goldman und ein Helfer brauchten nach dem Plan des seinerzeit 102 Jahre alten Hugo Wennagel nicht mehr als eine Stunde, um das Gold aus einem Loch in der Wand herauszuholen. Take 20 (Dan) : We took the goldcoins and went to the military service ... Darauf 1. Sprecher: Wir sind damit zur Militärbehörde gegangen und haben erklärt, dass wir das Gold gern dem alten Hugo zurückgeben möchten, und wir haben schnell mitbekommen, dass jeder dort das Gleiche wollte. Eine so gute Geschichte braucht einfach ein glückliches Ende. ... needs a happy ending. Musik Adash Hradistan "BaOlam HaBa" Autorin: Die 37 Templerhäuser in Sarona gehören der Stadt Tel Aviv und dem Staat Israel. 54 Millionen DM zahlte Israel in den 50er Jahren als Entschädigung für das konfiszierte Palästina-deutsche Eigentum. 2007 wurden die Häuser in Sarona an zwei Investoren verkauft. Diese werben für das Projekt "Sarona Garten" und suchen Pächter oder Käufer, die die Häuser bewirtschaften. Niemand darf sie privat bewohnen. Es sollen Galerien, Cafés und Restaurants einziehen, wissenschaftliche Archive und Buchhandlungen. Es gibt Platz für Theater- und Konzertbühnen. In etwa zwei Jahren sollen alle Häuser in Sarona vollständig restauriert und bezugsfertig sein. Am Rand der ehemaligen Siedlung werden Hochhäuser mit luxuriösen Eigentumswohnungen entstehen. Nitza Szmuk hat in Tel Aviv schon den Bau mancher Wolkenkratzer verhindert. Take 21 (Nitza) : Some of the towers are the prize ... Darauf Sprecherin: Einige der Wohntürme sind der Preis für die 37 Häuser. Zu Beginn der 90er Jahre gab es weit weniger! (Lachen) Die Achse der Türme durchschneidet die Kolonie diagonal. Ich würde eine U-förmige Lösung, die die Kolonie umschließt, bevorzugen. Wir hoffen jedenfalls, dass uns die Türme in 20 Jahren nicht allzu sehr stören beim Spaziergang durch die grüne Kolonie. Man wird einen Teil mit Nutzgärten, Blumen und Büschen anlegen, so wie es früher aussah. Stellen Sie sich vor, dass zu Beginn der 90er Jahre geplant war, sämtliche Bäume abzuschlagen und einen Parkplatz zu bauen. Nur Steine. Da hat sich doch eine Menge geändert. ... The changes are a lot. Autorin: 140 Jahre nach ihrer Gründung soll die ehemalige Templer- Kolonie Sarona zu einer innerstädtischen Oase im Ballungszentrum Tel Aviv werden. Nachlässigkeit und Geldmangel der britischen und später der israelischen Behörden verhinderten den Abriss der Häuser. Das Ausmaß der Kriegsgräuel und der Holocaust machten eine nüchterne Betrachtung der Geschichte der deutschen Templer in Palästina jahrzehntelang unmöglich. 2009 erinnerte sich Tel Aviv seiner Gründung vor 100 Jahren. Sarona inmitten der Stadt ist älter, und noch älter sind Spuren, die andere Völker, nicht zuletzt die Palästinenser, auf dem Territorium des Staates Israel hinterlassen haben. Vieles wurde zerstört oder dem langsamen Verfall preisgegeben. Dass die über das Land verstreuten Siedlungen der Templer heute ländlich-idyllisch anmuten, erleichtert die Akzeptanz. Yossi Ben-Artzi, vertraut mit allen kulturellen und geschichtlichen Wanderungsbewegungen in Eretz Israel, schätzt den pragmatischen Umgang, zu dem die israelische Gesellschaft mit dem deutschen pietistischen Erbe gefunden hat. Take 22 (Yossi): Most of the Israeli take the german heritage ... Darauf 2. Sprecher: Die meisten Israelis betrachten das deutsche Erbe als ein Stücke im Puzzle aus mehreren Kulturen, die hier seit vielen Generationen Spuren hinterlassen und allesamt dazu beigetragen haben, das Land, das wir heute vorfinden, mit zu formen. Die Haltung ist positiv. ... The attitude is positive. 1