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Dessen Schicksal vor Augen, verfasste Friedrich Schiller sein Drama Die Räuber. 1848er Revolutionäre wurden "weithin sichtbar weggeschlossen", ebenso Antifaschisten. Nach dem II. Weltkrieg wurde der Hohenasperg zum Zentralkrankenhaus für den Strafvollzug. In den 1970er Jahren war der RAF-Terrorist Sonnenberg auf dem Hügel inhaftiert. Uschi Götz nun nimmt eine Ausstellung im ehemaligen Arsenalbau des Gefängnisses zum Anlaß, um am Beispiel von Häftlingsbiografien auf die Geschichte des Freiheitsentzugs in Baden-Württemberg und in der Republik zu blicken. -folgt Script Beitrag- Script Beitrag M 01 Arie (Ausschnitt Museum Hohenasperg/ Aufnahme frei zur Veröffentlichung) AUT Der Gesang drang durch meterdicke Festungsmauern. Tag und Nacht. Irgendwann verstummte die Sopranistin Marianne Pirker. Viele Jahre Einzelhaft hatten sie wahnsinnig gemacht. Auf dem Hohenasperg, dem Männergefängnis. 1756 wurde sie auf Befehl von Herzog Carl Eugen weggeschlossen. Acht Jahre lang. G 01 Atmo: Hall/ Gang E 01 (Dunkel) Weil sie in der Opernwelt eine unliebsame Zeugin der Liebschaften von Karl Eugen war und einfach verschwinden musste. Sie war eine ganz berühmte Opernsängerin gewesen, sie war in London, in Kopenhagen gewesen, vielleicht hat sie unter Händel gesungen ... könnte gewesen sein ... G 02 Atmo: Hall/ Gang AUT Eine sang gegen die Mauern an, andere blieben stumm hinter den Mauern. Schubart, der Dichter, sprach mit Würmern - so groß war seine Einsamkeit. Haft ist eine Beklemmnis, auf der Festung Hohenasperg nahe Ludwigsburg wurde sie zum Alptraum. Viele saßen ein, weil sie sich gegen die Herrschenden aufgelehnt hatten. Der Asperg sollte sie bessern, also ihre Überzeugung brechen. Nur wenigen gelang die Flucht von oben. Atmo Donnerkanonen ( langer Hall) E 02 (Bolay) Die Leute in der Umgebung haben gewusst, wenn sie ein-zwei-drei- viermal schießen, in welche Richtung man gehen musste. Das war dann das Zeichen, dass sich die Bauern oder bestimmte Leute in der Umgebung mit Prügeln bewaffnen mussten und den Flüchtling suchen. AUT Gertrud Bolay kennt den Asperg seit ihrem dritten Lebensjahr, wohnt dort am Fuße des höchsten Berges in Württemberg. Der ist in Wirklichkeit nicht einmal hundert Meter hoch ist, dennoch wirft seine Geschichte lange Schatten. Der Berg, das Gefängnis, die Häftlinge, die kleine Stadt Asperg - die Geschichte hat sie aneinander gekettet. Atmo Donnerkanonen ( langer Hall) / Stimmen "Dorf" / dezent Hühnerstall E 03 (Bolay) Ich kann mich einmal erinnern, meine Großmutter hat in der Seestraße gewohnt und die hat mich hinausgeschickt. Die hat hinten so ein Hühnergarten gehabt, mit einem Hühnerhaus. Und ich komme in den Hühnergarten hinein und guck und die Türe vom Hühnerhaus war offen und da saß so einer mit einem grauen Anzug mit den roten Streifen. Und das war mir dann klar: Der ist durch! Dann bin ich ins Haus gerannt (lacht) und habe gesagt: Oma, Oma schnell komm, da draußen sitzt einer. Der war dann natürlich nimmer da ...! (lacht) E 04 (Walter) Früher hat man mit diesen Gefangenen gelebt, weil die konnte man sozusagen mieten, wenn im Weinberg gearbeitet wurde oder im Garten oder sonstige Arbeiten zu verrichten waren, dann hat man Strafgefangene geholt. Das hat aber schon Ende der 60er Jahre aufgehört. AUT Jürgen Walter. Der Landtagsabgeordnete der Grünen aus Asperg kämpfte jahrelang dafür, dass eines der ältesten Gefängnisse, mehr noch seine vielen politischen Gefangenen endlich eine öffentliche Würdigung erfahren. E 05 (Walter ) Ende der 70er Jahre hat Horst Brandstätter dieses Buch geschrieben "Asperg, ein deutsches Gefängnis", das leider vergriffen ist, und daraus ist eine Bewegung entstanden, auch ausgehend von den Naturfreunden. Ich kann mich noch erinnern: Ende der 70er Jahre war Luise Rinser in der Stadthalle und damals wurde schon eine Gedenkstätte, ein Museum gefordert. Doch dann ist es Jahre wieder eingeschlafen. Lothar Späth hat dann den damaligen Leiter des württembergischen Landesmuseums Zöge zu Mannteuffel beauftragt, ein Konzept zu entwickeln. Das war ein tolles Konzept - mit Gedenkstätte, mit Museum, mit Künstlerateliers, mit einem Hotel ... 1992 sollten die letzten Gefangenen den Asperg verlassen und das ist bis heute leider nicht geschehen. AUT Die Regierenden ignorierten jahrelang den Asperg, die Asperger gaben jahrelang keine Ruhe. Sie gründeten einen Förderverein, der Landtagsabgeordnete Walter bearbeitete den früheren CDU Ministerpräsidenten Günther Oettinger so lange, bis Oettinger ein Museum in Auftrag geben ließ. Im Sommer 2010 wurde das Museum "Hohenasperg. Ein deutsches Gefängnis" oben auf dem Berg eröffnet. Der Eintritt in eine Zeitreise durch die deutsche Gefängnis- und Justizgeschichte ist möglich, ist einzigartig. Paula Lutum-Lenger und Franziska Dunkel vom Haus der Geschichte haben die Ausstellung kuratiert. Atmo schwere Schritte AUT Über einen Brückengraben gelangt der Besucher in den sogenannten Arsenalbau. Einige Häftlinge saßen genau an diesem Ort ein. Die verschiedenen Namen, die sie dem Berg gaben, sagen viel über die politische Kartographie aus. Dr. Paula Lutum-Lenger: E 06 (Lutum-Lenger) Höchster Berg Württembergs, Deutsche Bastille, Demokratenbuckel, Freiheitsgrab, Schicksalsberg, Tränenberg, Zelle mit Aussicht, Höllenpforten .... AUT Die Festung ist gewaltig, düster, erhebt sich drohend sichtbar bis ins entfernte Ludwigsburg über das Land zwischen Stuttgart und Heilbronn. Der Weg auf die Festung ist mühsam und steil. Atmo Schritte AUT Bis heute sitzen hinter den meterdicken Steinmauern Häftlinge ein. Peter Graf kennt das Gefängnis von innen, auch der mittlerweile verstorbene sogenannte Remstalrebell, Helmut Palmer, Vater von Boris Palmer, der heute Oberbürgermeister in Tübingen ist. Auf dem Hohenasperg befindet sich seit 1968 das baden- württembergische Justizvollzugskrankenhaus: E 07 (Bolay) Der Rebell vom Remstal ist ja ein paar Mal oben gewesen, der ist nicht hehlingen (heimlich) eingeliefert worden, da war immer ein Auflauf dort oben. Oder der Vater von der Steffi Graf ... Da sind auch genug oben gestanden und haben geguckt. Atmo Schritte/ Hall/ Gemäuer Gang AUT Die Biografien von Palmer und Graf finden sich nicht in dem neuen Museum. Auch nicht die des Frauenmörders Heinrich Pommerenke, der im Jahr 2008 auf dem Hohenasperg starb. Die Ausstellung im Museum konzentriert sich auf den historischen Rückblick: E 08 (Lutum-Lenger) Es ist eine Ausstellung, die anhand von 22 Häftlingsbiografien die Geschichte des Gefangenseins auf dem Hohenasperg ausstellt. Es beginnt bei Josef Süß Oppenheimer, Marianne Pirker, dann Schubart, dann eine Reihe von 1848ern und es endet bei Günter Sonnenberg, dem Terroristen der Roten Armee Fraktion. AUT Die Ausstellungsräume sind dunkel, schlicht, bei jedem Schritt knarzt der Holzboden. Die Begrüßung erfolgt wenig freundlich mit dem Satz: SPR (männlich) "Jedermänniglich zum abscheulich exempel" AUT Der Satz war für den Juden Joseph Süß Oppenheimer bestimmt. Oppenheimer, der Finanzrat, und wurde wegen angeblichen Hochverrats inhaftiert. Im Februar 1738 dann hingerichtet. Sechs Jahre lang stellte man Oppenheimers Leichnam in Stuttgart aus - in einem Käfig, öffentlich. Oppenheimers Geschichte wurde die Vorlage für den antisemitischen Propagandafilm "Jud Süß". Atmo Pferdegespann (mühsam) / hält an AUT Einige Jahrzehnte nach Oppenheimer, im Jahr 1777, wurde der Schriftsteller und Journalist Christian Friedrich Daniel Schubart auf den Hohenasperg verschleppt. Dr. Thomas Schmidt, Leiter der Arbeitsstelle für literarische Museen, Archive und Gedenkstätten in Baden-Württemberg am Deutschen Literaturarchiv Marbach: E 09 (Schmidt) Er hat eine Zeitschrift herausgegeben, "Deutsche Chronik" hieß die. In dieser Zeitschrift hat er verdeckt, was die namentliche Zuweisung angeht, aber thematisch doch sehr direkt, die Willkürherrschaft Carl Eugens hier in Württemberg angegriffen. Das hat dem Herzog nicht gepasst. Das war auch eine ziemlich persönliche Sache. Atmo Zelle / düster AUT Im ersten Haftjahr war Schubart völlig isoliert. E 10 (Dunkel) "Der leuchtende Wurm, der die Wand bekroch, war mir nun ein lieber Gesellschafter bei Nacht ... " AUT Kritzelte Schubart dahin: E 11 (Dunkel) Weil er so einsam war, dass er mit den Tieren angefangen hat zu reden. Atmo Schritte AUT Friedrich Schiller besuchte Schubart auf dem Hohenasperg. In seinem ersten Drama "Die Räuber" bringt der junge Schiller dann seine Eindrücke vom Schicksal des schreibenden Kollegen zu Papier. Auch er - Schiller - musste damit rechnen, irgendwann auf dem Asperg nicht als Besucher zu landen. Die Inhaftierung Schubarts zog weite Kreise: E 12 (Schmidt) Es wurde wahrgenommen, weil Schubart war kein unbekannter Mann. Es gibt ja den schönen Kloppstockschen Begriff der Gelehrtenrepublik. Also das ist sozusagen ein Netzwerk wie damals die Humanisten über ganz Europa verteilt, ein Netzwerk, natürlich gegeben hat und die Leute sich gegenseitig gelesen und wahrgenommen haben. Und wer Schubart war, das war bekannt unter den deutschen Aufklärern. Natürlich auch unter den Stürmern und Drängern oder ehemaligen Stürmern und Drängern. Und dass dieser Mann dann auf einmal weggesperrt wird, das hat Wellen geschlagen, das war in den Köpfen drin. AUT Nach über zehn Jahren Haft lässt der Herzog Schubart wieder raus ... und ernennt ihn zum Musik- und Theaterdirektor am Herzogshof zu Stuttgart. Eine neue Zeit stand bevor: Die Revolution von 1848. Das Gefängnis auf dem Hohenasperg wurde nun zu d e m Ort in Süddeutschland für Unbeugsame. Dr.Franziska Dunkel. E 13 (Dunkel) Ja, seine ganz besondere Bedeutung hat der Hohenasperg als Gefängnis in der Revolution 1848/1849. Und deswegen zeigen wir insgesamt sieben Häftlinge aus dieser Zeit, verschiedene Formen des Protestes, Anführer, Mitläufer, Leute, die sich ganz demokratisch beteiligt haben, Leute, die tatsächlich auch die Republik gewünscht haben. AUT Die Biografie von Friedrich List ist dabei. Der Vordenker einer europäischen Wirtschaftsunion hatte schon im Vormärz die Missstände im Königreich Württemberg benannt. Festungshaft auf dem Hohenasperg. Ebenso ein Rückblick auf das Leben von Gottlieb Rau, überzeugter Demokrat und Herausgeber der volksnahen Zeitschrift "Die Sonne". ATMO Schritte AUT Über 400 politisch Gefangene waren 1848/1849 auf dem Hohenasperg inhaftiert. Mit so viel Freiheitswillen hatten die Herrschenden nicht gerechnet. E 15 (Dunkel) Das heißt, das Gefängnis wurde überfüllt und dadurch verschlechterten sich auch die Haftbedingungen wieder. Sie mussten auf Strohsäcken schlafen, weil es einfach nicht mehr genügend Bettstätten gab. Sie waren zu sechst und zu siebt in so einem Zimmer, das eigentlich für zwei Leute ausgerichtet war. Zu sechst und zu siebt hatten sie dann einen Nachttopf, den sie sich dann gemeinsam teilen mussten. Darüber haben sie sich beschwert, aber es wurde dann immer versucht, diesen Beschwerden nachzugehen und die Situation zu verbessern. AUT Den Revolutionären folgten die Studenten. Ihre Inhaftierung verlief gelassener. Bevor sie in den Knast gingen, wurde unten in Asperg gefeiert. Gertrud Bolyas Mutter hat ihren Kindern oft von den Begegnungen mit den Studenten Im Hirsch erzählt: Atmo Wirtshaus - Gelächter E 18 (Bolay) Wenn die Studenten, das ging etwa bis zum 1. Weltkrieg, wenn die beim Duellieren erwischt worden sind, dann haben sie also Festungshaft bekommen. Weil das verboten war. Der Student hat auf den Asperg müssen und der Saalgeber. Dann war das immer ein großes Remidemi, wenn die eingeliefert worden sind, weil das haben sie oft auch frei wählen können, wie es mit der Prüfung passt. Und dann war da immer ein großes Essen Im Hirsch in Asperg. Und dann haben die Kinder natürlich ... was ist denn in Asperg früher losgewesen? ... dann haben die mit den Kindern Wurstschnappen gemacht und Bonbons hinausgeworfen und da hat der Hirsch-Wirt aufgetischt und dann sind sie auf den Asperg hinauf. AUT Die Studenten kamen meist schnell wieder runter vom Berg. Ihre politischen Verfehlungen galten als weniger schlimm. Anders das Schicksal eines Kommunisten. Im November 1923 wurde der junge Kommunist Walter Häbich nach den gescheiterten Erhebungen in Sachsen und Thüringen zu drei Jahren Haft verurteilt. Auch er saß teilweise in Festungshaft auf dem Hohenasperg ein. Später ermordeten die Nazis den Schwaben in Dachau. E 19 (Dunkel) Also es sind natürlich auch Häftlinge auf dem Hohenasperg gestorben. Aber in erschreckend großer Zahl letztlich erst in der Zeit ab 1942. Da war hier der Hohenasperg vor allem eine Tuberkulosestation, wo aus den Süddeutschen Gefängnissen alle Inhaftierten hier hingebracht wurden. Und es gab dann von dem Justizminister Thierack die Direktive, dass also nur Volksdeutsche Tuberkulosekranke Häftlinge gut versorgt werden dürfen. Diesen kriegsbedingten Situationen haben dazu geführt, dass eine sehr sehr hohe Häftlingssterblichkeit herrschte. Es gab dann diesen Gefangenenfriedhof, hier am Fuße des Hohenaspergs, wo eben Gefangene vom Hohenasperg aus der Zeit des Dritten Reichs, die dort gestorben sind, die dort beerdigt sind. AUT Während des Naziregimes diente der Hohenasperg auch als "Sammellager" für Sinti und Roma. Die Dokumente der Listen der Zwangsinhaftierten sind in Vitrinen ausgestellt, auf den Listen viele Namen von Kindern und Jugendlichen. Sie waren meist nur wenige Tage auf dem Hohenasperg. Fast alle der auf der Liste stehenden Menschen wurden nach Polen deportiert. In der Ausstellung kann der Besucher den Abtransport der Sinti und Roma durch ein Fernrohr verfolgen. Das Fernrohr ist auf die kleine Stadt Asperg gerichtet. Der Betrachter sieht: E 22 (Lutum-Lenger) Die Sinti und Roma, wie sie eben an einem strahlenden Maientag bei strahlend blauen Himmel hier von dem Hohenasperg heruntergeführt werden, durch den Ort. Und wir sehen eben die Gemeinde Asperg und die Menschen in Asperg, wie sie am Straßenrand stehen und diesem Zug der Sinti und Roma, die jetzt von hier deportiert werden, zuschauen. Atmo Karren - Schritte schleppend ruhig ...... AUT Lange, sehr lange dauerte es, bis einer der Hauptverantwortlichen für die Vernichtung von Juden auf dem Hohenasperg in Haft kam. Der hoher SS- Funktionär Karl Jäger kam erst im Juni 1959 auf den Berg. Jäger war als Kommandeur des SS-Einsatzkommandos 3 in Litauen verantwortlich für die Ermordung von über 137.000 Juden. E 23 (Dunkel) Karl Jäger ist ein Beispiel für die Art, wie die Bundesrepublik mit der nationalsozialistischen Vergangenheit zunächst umging. Er konnte nämlich unerkannt unter seinem richtigen Namen bis 1959 in der Nähe von Heidelberg als Landarbeiter leben, obwohl schon seit 1948 ein Haftbefehl gegen ihn bestand. Erst als in Ludwigsburg die Zentrale Ermittlungsstelle 1958 gegründet worden war, da wurde er dann ganz rasch gefunden, was natürlich den Verdacht nahelegt, dass man vorher nicht sehr gründlich nach ihm gesucht haben kann. AUT Der NS- Verbrecher entzog sich dem drohenden Prozess. Am 16. Juni 1959 erhängte er sich in seiner Einzelzelle auf dem Hohenasperg. An keiner Stelle hatte er zuvor seine Taten bereut. Noch einmal kam das Gefängnis Hohenasperg, mittlerweile ein Strafvollzugskrankenhaus, bundesweit in die Schlagzeilen. Das war im Juni 1977. Der RAF-Terrorist Günter Sonnenberg wurde in das Vollzugskrankenhaus oben auf dem Asperg eingeliefert. Sonnenberg hatte bei seiner Verhaftung schwere Hirnverletzungen durch einen Kopfschuss erlitten. Das Justizvollzugskrankenhaus wurde einmal mehr zu einer regelrechten Festung umgebaut. Türen und Fenster verstärkt. Auch in Asperg galt der Ausnahmezustand. Der Berg, der Hausberg, konnte nur noch unter verschärften Bedingungen für einen Spaziergang genutzt werden. E 24 (Bolay) Da hat man sich zuerst gar nicht und dann nur mit dem Personalausweis auf dem äußeren Wallweg bewegen dürfen. Atmo Gang/ Hall/ dezent E 25 (Dunkel) Von Günter Sonnenberg zeigen wir vor allem das sogenannte Zellenkontrollbuch, was belegt, was ab dem 18. Oktober 1977 passiert ist. Und in diese Zeit der Rekonvaleszenz fiel die Nacht von Stammheim. Und nach der Nacht von Stammheim wurden die Überwachungsbedingungen für alle RAF-Häftlinge unglaublich verschärft. Man kann hier nachvollziehen, wie oft das Licht angegangen ist in der Nacht: um 20.30 Uhr, um 20.40 Uhr um 20.50 um 21.00 Uhr usw. AUT Nicht nur Sonnenberg beschwerte sich. Am 17. Februar 1979 schrieb auch Rudi Dutschke dem damaligen Baden-Württembergischen CDU-Ministerpräsidenten Lothar Späth einen Brief: SPR "Ihrem Vorgänger, ich muss es bekennen, hätte ich einen solchen Brief nicht geschrieben. Von demjenigen, der die Menschenrechte mit juristischen Füssen trampelte, wäre Menschlichkeit schwerlich zu erwarten gewesen. Ich kenne G. Sonnenberg weder persönlich, noch sind seine Ideen, soweit die bekannt sind, seine Tätigkeiten vor der Verhaftung etc. mit meinem sozialistischen und demokratischen Selbstverständnis vereinbar. Allerdings kann ich mir seine jetzige Lage sehr gut vorstellen, ich meine die Lage eines Kopfverletzten in der Rekonvaleszenzperiode. Ist es noch immer unmöglich in der Bundesrepublik einen aufzufinden, der sich dadurch auszeichnet, die Anerkennung der Menschenrechte etc. und die Einwände von "amnesty international" über die Gefängnisse in der Bundesrepublik Deutschland echt ernst zu nehmen? In der Hoffnung positiv überrascht zu werden Rudi Dutschke" AUT Die Überraschung kam später. Der Terrorist wurde 1978 in Stuttgart zu zweimal lebenslanger Haft verurteilt und 1992 auf Bewährung entlassen. Dann wurde es ruhig um den Hohenasperg. Nur die Einheimischen plagt ihr Gefängnis auf dem Berg. Der bauliche Zustand des heutigen Justizvollzugskrankenhauses ist bedenklich. Am 1.April 2007 gelang einem Häftling die Flucht aus dem Justizvollzugskrankenhaus. Auf eine Anfrage des grünen Landtagsabgeordneten Jürgen Walter teilte das Justizministerium Baden-Württemberg mit, dass das Justizvollzugskrankenhaus Hohenasperg nach Stuttgart-Stammheim verlegt und dort eine neue psychiatrische Abteilung errichtet werde. Das war 2008. Seitdem ist nichts geschehen. So wächst also immer noch eine weitere Generation zu Fuße des Hohenaspergs mit der Drohung auf: E 27 (Bolay) "Pass auf, du kommst auf den Asperg." E Gefängnistür -Ende Script- 1