Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in den §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. © DeutschlandRadio Deutschlandradio Kultur ? ?Zeitfragen? Scheues Reh oder dummes Schaf? Wie das Kapital dorthin kommt, wo es gebraucht wird Von Jan Uwe Stahr Produktion: 13.11.2015 / RBB Sprecher Markus Hoffmann Sprecher 2 Nina West ANSAGER: Nina West Musikakzent oder Regie-Geräusch: zu Geldflut Sprecher 1: Europa wird mit Geld überschwemmt: Monat für Monat steigt die Geldflut weiter an ? um 60 Milliarden Euro. Die Europäische Zentralbank, EZB, hat die Schleusen geöffnet. Das zusätzliche Kapital soll Europas Krisenländer zu Wirtschaftswachstum verhelfen. Ihre Volkswirtschaften damit aus Schuldensumpf und Massenarbeitslosigkeit befreien. Ob diese Therapie funktioniert ist völlig offen. Denn das Verhalten der Finanzmärkte und ist kaum vorhersagbar. Mal ist das Kapital wie ein scheues Reh Regie-Geräusch zu scheuem Reh Sprecher: 1: und schreckt zurück vor neuen Investitionsmöglickeiten. Mal folgt es einem Herdentrieb wie die Schafe Regie-Geräusch zu Schafherde Sprecher 1: und stürzt in das Verderben, wie zum Beipiel bei Aktien- oder Immobilienblasen. Doch wer steuert das Geld? Wohin und wohin nicht? Eine Spurensuche bei Menschen, die viel Kapital bewegen ? oder es bewegen wollen.... ANSAGER: ?KAPITEL EINS: GELD SUCHT IDEE? Atmo 1: Straße Atmo Frankfurter Innenstadt, mit Straßenbahn...1´11min Sprecher 2: Frankfurt am Main ? Deutschlands Bankenmetropole. Das Finanzviertel beginnt gleich hinter einem schmuddeligen Rotlichtbezirk. Mainzer Landstraße 11-17: Der Sitz der ?Deutschen Asset & Wealth Management?, einem der größten Kapitalverwalter - weltweit. Ein unscheinbares, granitstein-verkleidete Gebäude. Innen: Kühles Ambiente aus schwarzem Marmor, poliertem Stahl, Glas und indirekter Beleuchtung. Die Büros der Geldmanager sind gläsern wie der Lift im Foyer. Über sechs Etagen saust er auf und ab. Im zweiten Zweiten Stock: Das Büro des ?CIO? ? des ?Chief Investment Officers?. Er trifft strategische Entscheidungen über die Geldanlagen. Derzeit sind es 1,15 Billionen Euro. 115 Tausend Milliarden also. Atmo 2: ins Büro: Kommen Sie rein. Wollen sie Kaffe, Tee, Wasser... 1:12min Sprecher 2: Asoka Woehrmann bittet in sein kleines, gläsernes Büro, hängt sein dunkles Jacket an die Garderobe. Er weiß, sein ungewöhnlicher Vorname zum deutschen Familiennamen überrascht manche Geschäftspartner. Woehrmann lächelt. Dann erzählt er seine Geschichte. Mit 12 Jahren kam er aus Sri Lanka nach Deutschland. Oton: Woehrmann 1977 ist der Bürgerkrieg in Sri Lanka zwischen Tamilen und Singhalesen angefangen. Das war auch in Columbo, wo ich gewohnt hatte, schon spürbar. Es gab große Unruhen, Häuser brannten. Ich habe gute Erinnerungen. Ich gehörte zur Mehrheit, zur singhalesischen Mehrheit, so dass eher die Tamilen damals bedroht waren in Columbo. Sprecher 2: Asokas Eltern schickten den Jungen alleine ins sichere Deutschland. Nach Ostwestfalen zu einer Pflegemutter, Frau Woehrmann, die ihn dann adoptierte. Später studierte der mathematisch begabte junge Migrant Volkswirtschaft. Nicht auf einer englischen Eliteuni, wie so viele der heutigen Topmanager der Finanzindustrie, sondern in Bielefeld. Bis heute lebt Woehrmann in der ostwestfälischen Provinz. Beruflich ist der 50jährige weltweit unterwegs. An den wichtigsten Finanzplätzen: New York, Tokio, Singapur. Frankfurt, wo heute sein Schreibtisch steht, sah er zum ersten Mal als 12jähriger sah, wenn auch nur von Ferne. Oton: Woehrmann Ich kann mich sehr gut erinnern, als wir damals vorbeigefahren sind, in Frankfurt und es gab nur die Deutsche Bank-Türme-die Skyline war völlig aufgeräumt! Also es ist mir auch ein Bild von damals hängen geblieben. Sprecher 1: Globalisierung ist damals, 1978, noch ein wenig benutzter Begriff. Die Kapitalmärkte weitgehend eingehegt. Heute dagegen investieren kleine wie große Geldanleger weltweit. Ob in Unternehmen, Immobilien, Institutionen oder in Aktien und anderen Wertpapieren. Gleichzeitig haben sich die Finanzmärkte enorm beschleunigt, durch den Einsatz von Hochleistungscomputern. Eine gefährliche Umwelt für das Kapital: Für die scheuen Rehe, wie für die Herdentiere. Regiegeräusch: Rehe und Schafe Sprecher 2: Aber auch hinter anonymen Märkten stecken letztlich immer noch Menschen, sagt Groß-Kapitalmanager Woehrmann. Oton: Woehrmann Die Menschen sind defensiv. Und die Menschen in der westlichen Welt haben ein stabiles, gutes Einkommen verglichen zu anderen Ländern und daher versuchen sie, nicht zu sehr risikoreiche Anlagen zu bevorzugen. Sprecher 1: Doch seit dem Finanzcrash von 2008 in den USA und der anschließenden Schulden- und Währungskrise im Euro-Raum, haben sich die Finanzmärkte dramatisch verändert. Mit sicheren Geldanlagen, wie zum Beispiel Staatsanleihen, gutes Geld zu verdienen ist heute nicht mehr möglich. Seitdem die EZB jeden Monat für 60 Milliarden Euro die Schuldscheine europäischer Staaten aufkauft, sind deren Preise immer weiter gestiegen und die Verzinsung gleichzeitig gesunken. Ein Problem besonders für die scheuen Rehe, die Pensionsfonds und Lebensversicherer. Oton: Woehrmann Das heißt auch der professionelle Geldmanager muss sich in einem neuen Ansatz denken, wie kann man Werterhaltung, Wertvermehrung für unsere Kunden schaffen? Und welche Ansätze gibt es? Heute hat Vermögens-Management eine ganz anderen Drift bekommen, eine Richtungsänderung durch verfallene Zinsen Sprecher 2: Praktisch bedeutet das: Wer heute sein Geld arbeiten lassen möchte, muss heute mehr auf Aktien- oder Immobilien setzen, anstatt auf festverzinsliche Wertpapiere. Ohne Risiko geht es nicht mehr, das versucht der Anlagenstratege seinen Kunden klar zu machen. Oton: Wöhrmann Risiko ist eine symmetrische Größe, d.h. man hat Chancen aber man kann auch verlieren. Das muss man nicht mit seinem gesamten Vermögen tun aber mit dem Teil den man nicht braucht, die langfristige Altersvorsorge die man anlegen will, der muss man bestimmte Risiken eingehen. Und das ist eine dramatische Wende, meines Erachtens, im Vermögensmanagement. Sprecher 1: Das Problem bei den Risiken: Sie sind nicht mehr wie früher mit der tatsächlichen Wirtschaftsentwicklung gekoppelt. Sondern vor allem mit der Geldpolitik der Notenbanken. Die von ihnen verursachte Geldschwemme führt, ungewollt, zu gefährlichen Herdentrieben an der Börse und sich scheinbar gut entwickelnden Anlagemärkten, zum Beispiel bei Rohstoffen. Es bilden sich Blasen, die irgendwann unweigerlich zerplatzen ? wie schon die Internetblase kurz nach der Jahrtausendwende oder, weit folgenreicher, die Immobilien-Kreditblase in den USA, deren Platzen den weltweiten Finanzcrash von 2008 auslöste. Regiegeräusch: Schafe Sprecher 1: Heute sind die im Umlauf befindlichen Geldmengen noch um ein zigfaches höher und damit auch die Risiken. Der Börsencrash in China, der auch deutsche Aktien abstürzen ließ - lieferte jüngst eine kleine Kostprobe. Sogar auf dem ? zumindest in Deutschland ? bisher soliden Immobilienmarkt bilden sich nun gefährliche Blasen. Sprecher 2: Der vorsichtige, wie anpassungsfähige Investmentstratege Asoka Woehrmann sucht ? obwohl eigentlich ein Aktien-Fan - auch nach neuen, solideren Möglichkeiten ? besonders für langfristige Kapitalanlagen. So wie sie z.B. Pensionsfonds und Versicherungen benötigen. Er denkt dabei auch an öffentliche Themen: Wie die dringend erneuerungsbedürftigen Straßennetze und an die Energiewende. Oton: Woehrmann Ja, ich denke insbesondere Infrastruktur-Investitionen spielen eine wesentliche Rolle. Insbesondere Umbau der Energieversorgung und (wo) vielleicht der Staat die Hälfte finanziert und auch Anleger, die langfristig investieren wollen, dort investieren sollten und solche Projekte mittragen sollten. Das ist, glaube ich, ein Markt, der entstehen wird. Der entsteht jetzt schon. Sprecher 1: Vater Staat ist knapp bei Kasse. Gleichzeitig fühlt sich das Kapital dort noch immer sicher. Langfristige private Investitionen in die öffentliche Infrastruktur könnten also eine neue Grundlage schaffen für Wirtschaftswachstum. Auch in Europa, wo in vielen Regionen die Menschen ihre Heimat verlassen, weil sie dort keine wirtschaftliche Perspektive mehr sehen. Gute Ideen und eine große Nachfrage für derartiges Anlagekapital gibt es durchaus.... Musikakzent ANSAGER: ?KAPITEL ZWEI: IDEE SUCHT GELD? Atmo 3 im Café Gesamtlänge 6:13, falls benötigt Sprecher 2: Ein kleines Café auf dem Budapester ?Szváb hégy? dem vornehmen Schwabenhügel. Ein Herr in einem dunklen Mantel betritt die Konditorei ?Zur schönen Aussicht?, hängt seinen Mantel an die Garderobe, legt einen kleinen, tragbaren Computer auf den Tisch. In den 90er Jahren hat György Horuczi mitgeholfen, die ungarische Energieversorgung zu privatisieren. Später entwickelte er Konzepte zur Erschließung erneuerbarer Energien für Ungarn ? speziell der Geothermie, also der Energienutzung aus Erdwärme. Und was macht der 62jährige heute? Oton Horuczi Heute, wo ich alle Datensammlungen, Erkundungs- und Recherchearbeiten im Bereich der Geothermie abgeschlossen habe, suche ich großen Unternehmen, die Interesse haben, in 14 Ländern in geothermische Energiegewinnung zu investieren. Sprecher 2: Es gehe ihm nicht um Geld für einzelne Anlagen ? es gehe um die Erschließung eines langfristig profitablen Marktes, sagt Horuczi. Um ein strategisches Investment, wie er es nennt. In vielen Ländern Zentral- und Südosteuropas ist das Erdgas heute der wichtigste Energieträger: Ganze Städte werden mit Hilfe gasbefeuerter Fernwärmenetze beheizt. Früher gab es das Gas aus der Sowjetunion zum sozialistischen Freundschaftspreis. Doch heute verlangt Gazprom Weltmarktpreise. O-Ton 9 Horuczi In den letzten zehn Jahren sind die Gaspreise um das sechsfache gestiegen. Kann sein, das sich das westliche Volkswirtschaften leisten können aber für uns ist das absolut nicht machbar. Bereits 2010 haben wir die Grenze dessen erreicht, die die Gesellschaft noch tragen kann. Sprecher 1: Viele Bürger und Unternehmen können die Fernwärme-Versorgungs-Kosten nicht mehr bewältigen. Die teure Importenergie ist ein volkswirtschaftliches Entwicklungshemmnis ersten Ranges. Hinzu kommt: Es ist völlig offen, wie Südosteuropa nach 2019 mit Gas versorgt werden kann: Denn die Pipelines durch die Ukraine ? an der die gesamte Region hängt ? wollen die Russen dann abschalten. Alternativen bisher nicht in Sicht. Eine mögliche Lösung für diese existenz-bedrohenden: die Nutzung riesiger, aber bisher nicht erschlossener Erdwärmevorkommen in der Region. Atmo 4 Computerpräsentation startet (Horuczi erzählt auf englisch: This is the surface, this is the different types of sandstone, carstic, whatever layers... Musik unter text abblenden) 15sec Sprecher 2: Horuczi hat seinen Computer aufgeklappt, mit einer Präsentation erläutert er seinen ?Business-Plan?. Die erste Grafik zeigt verschiedene Gesteinsschichten, die von dem darunterliegenden flüssigen Erdkern aufgeheizt werden. Und die in der Erdkruste eingelagerten Wasserreservoirs. Sie wären vielerorts kommerziell nutzbar zu machen. O-Ton 10 Horuczi "Auf der Oberfläche haben wir die Technik, wir haben den Markt - alles was man braucht, um die Hitze aus der Tiefe zu übernehmen, um daraus elektrischen Strom zu erzeugen, um damit Städte zu beheizen oder die Industrie zu versorgen.".... Musik unter Text wegblenden Sprecher 1: Im sogenannten pannonischen Becken, in dem Ungarn und Teile seiner Nachbarländer liegen, ist die Erdkruste nur ein Drittel so stark wie andernorts in Europa. Die Erschließung der Erdwärme wäre viel billiger als zum Beispiel in Süddeutschland, wo sie schon vielerorts genutzt wird. Anders als dort existieren in den ehemals sozialistischen Ländern bereits die notwendigen Fernwärmenetze. In Ungarn gibt es schon Kommunen, die wirtschaftlich von der dauerhaft preiswerten Geothermie profitieren. Diese Bohrungen stammen jedoch noch aus der früheren Öl- und Gassuche. Heute gibt es dafür kein Geld mehr. Sprecher 2: Viele Male schon war György Horuczi auf der Vulkaninsel Island. Dort wird die Erdwärme schon seit längerem kommerziell genutzt. Auch für die Stromerzeugung. Der Effekt: Die Kilowattstunde kostet dort nur ein Zehntel des europäischen Durchschnittspreises. Das hat energieintensive Industrien aus aller Welt angelockt ? zum Beispiel zur Aluminiumherstellung. Die erfahrenen isländischen Geothermie-Experten halfen Horuczi bei der Entwicklung einer Heißwasser-Suchmethode. Mit ihrer Hilfe durchforstete der Ungar fünf Jahre lang vorhandene Datensätze aus der Öl- und Gassuche in Zentral- und Südosteuropa. Oton 11 Horuczi Am Ende wussten wir, wenn man zum Beispiel eine geothermische Untersuchung machen in Polen machen möchte, wo ? vom geologischen Aspekt her ? wo die erfolgreichen Regionen sind, auf welche man sich konzentrieren sollte. Sprecher 2: Auch die Märkte und potentiellen Anwender für die unterirdischen Heißwasservorkommen hat Horuczi bereits recherchiert. Insgesamt rund 100 lohnende Projekte habe er identifiziert. Es gibt dort konkrete Interessenten: Kommunen und Unternehmen, wie zum Beispiel Gewächshausbetreiber. Sie alle haben ein großes Interesse an der unerschöpflichen, erneuerbaren Energie. Auch weil die Preise dafür langfristig stabil bleiben. Ein isländisches Ingenieurbüro wartet in Budapest seit Jahren darauf, dass es losgeht mit der Geothermie-Erschließung im pannonischen Becken. Doch der ungarische Geothermie-Entwickler ein Problem: Oton 12 Horuczi "Ich habe die Märkte, ich habe die Technologie ? ich habe nicht das Kapital. Aber wird das Kapital diese Märkte erschließen, mit unserem Wissen, unserer Infrastruktur und unserer Technologie ? das ist der Punkt." Sprecher 1: Weltweit suchte der Energie-Experte nach Investoren, die an einer sicheren und langfristen Rendite interessiert sind. Denn diese könnte die Erschließung der Geothermie in Südosteuropa garantieren, so kann es der studierte Mathematiker und Ingenieur Horuczi vorrechnen. Doch bisher hat er keinen potenten Kapitalgeber gefunden. Sie scheinen scheu wie die Rehe. Investieren lieber dort, wo alle anderen auch investieren: Zum Beispiel in Shopping Malls, die keiner braucht. Oder in ferne Schwellenländer, die sagenhafte Wachstumsraten versprechen. Geräusch Schafe Sprecher 1: Immerhin ein Investment-Experte für erneuerbare Energien hat sich kürzlich nach Budapest aufgemacht. Von einem der weltweit größten Kapital-Anleger der Welt aus Frankfurt am Main. ANSAGER: ?KAPITEL DREI: GELD FINDET IDEE ? aber traut sich nicht? Atmo 5 leise Stimmen Sprecher 2: In seinem hellen Anzug hebt Björn Peters sich optisch ab aus der überwiegend dunklen Anzugwelt der Kapitalverwalter. Peters ist Wissenschaftler, hat theoretische Physik studiert. Dann im Bereich der Gehirnforschung promoviert. Heute arbeitet der 55jährige in der Finanzindustrie. Oton 13 Peters In der Welt der Physiker ist das Geschehen an den Finanzmärkten stochastisch, also es spielt sich in großen Sprüngen ab und hochgradig nicht-linear. Da können Sie so viel mathematische Ausbildung haben, wie Sie wollen, brauchen Sie sich gar nicht zu ärgern - das ist nicht berechenbar. Aber das macht es dann eigentlich auch sehr spannend, weil man muss dann auf andere Gesetzmäßigkeiten achten und sich entsprechend offen halten für große Veränderungen. Und die riechen, wo die kommen könnten. Sprecher 2: Für die Investmentfirma ?Deutsche Asset & Wealth Management? entwickelt der gelernte Physiker sogenannte ?Alternative Fonds?. Sprecher1: Es geht dabei um Geldanlagen im Bereich Infrastruktur und Rohstoffe. Auch das Thema erneuerbare Energien zählt dazu. Für diese langfristigen Geldanlagen gelten andere Regeln als für liquide, also flüssige Investments zum Beispiel in Aktien. Oton: Peters Im liquiden Bereich, wo wir ja hauptsächlich herkommen als Bank, da können Sie jeden Tag sagen: das Investment gefällt mir nicht mehr, ich steige jetzt aus, ich verkaufe. Im Bereich der geschlossenen Fonds, das sind illiquide Anlagegegenstände, da sind sie auf 10,15,20 Jahre gebunden an ihr Investment. Sie müssen sich sehr wohl Gedanken machen, wie sich eine politische Änderung, gesellschaftliche Änderung, technologische Änderung dann auswirkt in 5 oder 10 oder 20 Jahren. Sprecher 2: Als Entwickler für diese langfristige Geldanlagen müsse er sozusagen in eine Glaskugel schauen, um sich ein Bild von der Zukunft zu machen. Das gelte auch für die großen Themen Klimawandel und Energieversorgung. Denn diese würden auch die Finanzmärkte zunehmend beeinflussen, prognostiziert Björn Peters: Oton: Peters Wenn ich in meine Glaskugel schaue, was sehe ich da? Ich sehe, dass es ein Skandal ist, dass wir so viele fossile Energieträger verbrennen, die dann zukünftigen Generationen nicht mehr zur Verfügung stehen. Ich sehe es als einen Skandal an, dass wir ein Terra-Forming-Experiment machen, indem wir den CO2 Gehalt verdoppeln in wenigen Generationen. Also das wird sich verändern. Bin mir sicher das auch in 20,30 Jahren sich eine Sensibilität eher noch verstärkt als abschwächt. Die Frage ist: was kann man tun? Und wie groß ist das Problem wirklich? Sprecher 1: Was man als nächstes tun muss, im Bereich erneuerbarer Energien, das ist für den Physiker und Finanzexperten Peters klar ? zumindest theoretisch: Investieren in sogenannte grundlastfähige Technologien. Solche, die unabhängig von Sonne und Wind den Basisbedarf an elektrischen Strom decken können. Wasserkraft ist dafür geeignet. Aber auch die Stromerzeugung aus der Erdwärme, der Geothermie. Sprecher 2: Kürzlich war Peters bei einem ungarischen Geothermie-Entwickler. Dieser verfügt über umfangreiches Datenmaterial zu kommerziell nutzbaren Geothermie-Vorkommen in Zentral- und Südosteuropa. Peters hat es sich angeschaut. Fand es sehr interessant. Und doch ist er zurückhaltend. Denn er weiß, wie seine Kunden denken: O-Ton Peters Die haben bisher vielleicht nur in Westeuropa investiert. Und wenn man denen jetzt sagt, ihr sollt in einen neue Technologie investieren, also neu für den Finanzmarkt, die Geothermie und noch in einem Land, wo sie vorher nicht waren, dann kriegen die zu Recht kalte Füße. Regiegeräusch: scheues Reh Sprecher 2: Das Kapital ist ein scheues Reh. Deshalb sucht der Fondsentwickler nun nach einem Partner, der vorweggeht in diesen aus Investorensicht ?wilden? Teil Europas. Peters sucht ein erfahrenes Unternehmen, an dem man sich dann beteiligen könnte. Nur: Die großen Energiekonzerne, wie RWE und Eon, die sich auch in Südosteuropa engagiert haben, waren hier bisher keine Vorreiter für erneuerbare Energien. Und haben gerade deshalb jetzt eigene Existenzprobleme. Oton: Peters Mir ist eigentlich keine größere Firma bekannt, die jetzt in Südosteuropa maßgeblich Geothermie Kraftwerke entwickelt. Und natürlich ist das auch ein Henne-Ei-Problem. Sprecher 1: Wenn sich kein Geldgeber findet, kann auch kein Unternehmer hier etwas wagen. Hinzu kommt: Länder wie Ungarn, wo es gute kommerzielle Chancen für die erneuerbaren Energien gibt, setzen weiterhin auf Atom und Gas. Und sie verunsichern ausländischen Investoren durch ihre unkalkulierbare Wirtschafts- und Finanz- und Rechtspolitik. Sprecher 2: Doch es gibt auch andere Beispiele, sagt Peters. Länder, in die er sich als Investor für erneuerbare Energie - zumindest versuchsweise - hineinwagt. Obwohl auch sie vielen Anlegern als abenteuerlich erscheinen. Oton: Peters Das sehen wir zum Beispiel in Albanien ganz anders, wo wir ja auch investieren, in der Wasserkraft. Dort hat das eine Priorität auch für die nationale Regierung, die Stromversorgung sicherzustellen. Und da helfen wir natürlich auch gerne dabei. Also das ist etwas, mit einer sehr etablierten Technik in ein Land geht, das neu ist, das erklärungsbedürftig ist. Aber das ist dann eben nur ein Schritt und nicht zwei oder drei zusammen. Sprecher: Wenn es dann klappt, wird noch mehr Geld in die Wasserkraft nach Albanien fließen, glaubt Peters. Weil auch andere dann dort investieren wollen. Wenn die Scheu des Kapitals erst einmal überwunden ist, setzt nicht selten ein Herdentrieb ein. Regiegeräusch Schafe Sprecher 1: Scheu wie die Rehe ? Herdentrieb wie bei den Schafen. Das ist ein immer wieder zu beobachtendes Verhaltensmuster von Kapitalgebern und ?verwaltern. Für eine nachhaltige Entwicklung der Wirtschaft ist das manchmal problematisch. Doch dieses Verhalten des Kapitals könnte vielleicht auch genutzt werden ? für die Rettung des Weltklimas. ANSAGER: ?KAPITEL VIER: IDEE VERTREIBT GELD? Atmo Kneipe Sprecher 2: Münster in Nordrheinwestfalen. Im Hinterzimmer einer Studentenkneipe werden Stühle und Tische verrückt. Vorbereitungen für eine Podiumsdiskussion der ?Divest-Kampagne?. Auch ein grüner Europa-Abgeordneter hat sein Kommen zugesagt. Es geht hier um Klimapolitik, sagt Tine Langkamp, die Organisatorin des Treffens.. Die 30jährige ist die Deutschland-Sprecherin der internationalen Klimaschutz-Kampagnen-Organisation ?350? Oton: Langkamp 350 steht für Teile pro Million CO2 in der Atmosphäre. Und James Hansen, der NASA-Wissenschaftler und -Klimaforscher hat einmal festgestellt, dass 350 eigentlich die sichere Zahl von CO2 in der Atmosphäre ist. Dann, wenn noch keine Gletscher abschmelzen, wenn Inseln noch nicht den Meeresanstieg spüren und extreme Wetterereignisse sich in Grenzen halten. Sprecher 1: Die aktuelle CO2-Menge in der Atmosphäre liegt bereits weit über dieser kritischen Schwelle: Bei 400. Tendenz steigend. Die Konsequenz aus dieser Erkenntnis: Der Verbrauch an Kohle, Öl und Gas muss drastisch eingeschränkt werden. Und zwar sofort. Die noch vorhandenen fossilen Rohstoffe müssen im Boden bleiben. Die internationalen Klimakonferenzen haben dazu bisher nichts beigetragen. Doch nun steigt der Druck aus der Zivilgesellschaft. Nach dem gescheiterten Klimagipfel von 2009 in Kopenhagen, haben kalifornische Umweltaktivisten eine neue, internationale Strategie entwickelt. Sie nehmen nun die 200 größten Energie- und Rohstoffkonzerne ins Fadenkreuz, Unternehmen, denen der Profit wichtiger ist als das bedrohte Weltklima. Und greifen dort an, wo sie verwundbar sind ? beim Geld. Mit dezentralen Kampagnen will man ?das scheue Reh? Kapital von den Feldern der fossilen Energiewirtschaft vertreiben: ?Divestment? heißt das Werkzeug dafür ? also das Gegenteil von ?Investment?. Oton: Langkamp Ob jetzt in Münster oder in Johannesburg, Südafrika oder in Seattle in den USA ? überall können sich Menschen zusammen tun, ein Ziel auswählen, zum Beispiel ihre Universität oder ihre Stadt und dann in der Öffentlichkeit eine Kampagne anfangen, also Medienarbeit machen, öffentliche Organisationen, Social Media usw., die Forderung nach Divestment, also nach dem Abzug aus den 200 größten Kohle, Öl oder Gas-Unternehmen der Welt zu fordern. Also das öffentlich zu machen und auch immer wieder öffentlichen Druck aufzubauen, damit die EntscheidungsträgerInnen vor Ort aktiv werden. Sprecher 2: Zuhause in Münster haben Tine Langkamp und ihre Mitstreiterinnen mit der Divest-Kampagne gleich vor der Haustür angefangen. An der Uni in Münster: Oton: Langkamp Die Universität Münster zum Beispiel besitzt 18 Millionen ? Finanzanlagen. So. Und wir haben einmal nachgefragt, wo das investiert ist. Und das ist unter anderem in Fonds Investiert, die auch fossile Unternehmen haben. Das ist zum Beispiel auch über die Deutsche Bank investiert, die eine der größten Geldgeber ist in Deutschland für Kohle. Kohle-Verstromung. Sprecher 1: Die Universität Münster weigert sich bisher beharrlich, ihre indirekten Investments in fossile Energien abzustoßen. Doch auf kommunaler Ebene tut sich was in Münster: In den rot-grünen Koalitionsvertrag des Stadtrates wurde ein Ausstiegsvorhaben aus fossilen Energie-Investments aufgenommen. Wird dieses Divestment-Vorhaben umgesetzt, müsste sich die Stadt von ihren Anteilen an dem Energiekonzern RWE trennen ? der Braunkohle-Verstromer ist Europas größter CO2-Emittent. Oton: Bütikofer 8sec Ich finde das ist eine der bemerkenswertesten Initiativen innerhalb der Klimaschutzpolitik, die ich seit vielen Jahren erlebt habe. Sprecher 2: Auch den Europa-Politiker Reinhard Bütikofer interessiert die agile Klimaschutz-Bewegung um Tine Langkamp. Aus Straßburg ist er deshalb in die Studentenkneipe nach Münster gekommen. Die Divestment-Bewegung verbinde ökologische und ökonomische Impulse, sagt der grüne Politiker. Oton: Bütikofer Divestment ist eine Strategie, das kann ich mit meiner Sparkasse diskutieren, das kann ich mit meinem Anlageberater diskutieren, das kann ich mit meiner Kirchengemeinde diskutieren, das kann ich mit meiner Kommune diskutieren ? alle die können, indem sie solche Entscheidungen treffen, dazu beitragen, dass der Druck zum Umlenken stärker wird. Sprecher 2: Der wachsende Wille zum Umdenken und Umlenken bei Investitionen in fossile Energien werde schon jetzt immer sichtbarer. Auch bei großen Geldanlegern, sagt Bütikofer: Oton: Bütikofer Es gibt in Amerika den Rockefeller Brothers Fund, das ist sozusagen das alte Öl-Geld. Die haben entschieden, Sie gehen aus Fossilen raus. Es gibt ganz viele Endowments, also Vermögen von Universitäten, von denen amerikanische Universitäten finanziert werden, die entschieden haben: unser Geld nicht in Fossile. Der größte Wealth Fund weltweit, der norwegische Pensionsfonds, hat entschieden: wir gehen aus der Kohle raus Sprecher 1: Das trifft den zweitgrößten deutschen Energieversorger, RWE, hart. Sein Aktienwert halbierte sich seit Jahresbeginn. Betroffen sind davon auch viele Städte und Kommunen in Nordrheinwestfalen, die wie Münster, Anteile an dem inzwischen notleidenden Kohleverstromer haben. Zu lange an Investitionen in fossilen Energierohstoffen festzuhalten, entwickelt sich angesichts des fortschreitenden Klimawandels immer mehr zum Risiko. Sogar die englische Zentralbank ?Bank of England? warnte kürzlich davor. Wenn sich, wie allgemein erwartet, der Klimagipfel in Paris endlich auf Beschränkungen bei der Nutzung fossiler Rohstoffe einigt, dann wird sich das auf die Kapitalmärkte auswirken. Die Vorstellung vor einem wachsenden Überangebot an fossilen Energieträgern breitet sich aus. Die Furcht vor einer Kohlenstoff-Blase. Oton: Bütikofer Deswegen reden die Leute von Carbon Bubble. Und das ergibt den schönen Umstand, dass Leute die ursprünglich gar nichts mit Klima am Hut haben, die aber von zu einer sehr nüchternen Finanzanalyse Ahnung haben, sagen, da ist etwas dran. Und jetzt anfangen, ihr Geld da raus zu ziehen aus diesen Bereichen, um es neu in Energieeffizienz und erneuerbare Energien zu stecken. Sprecher 2 Die Vergangenheit hat wiederholt gezeigt: Finanzmärkte können sich sehr dynamisch verändern. Oder anders ausgedrückt: Kapital ist ein scheues Reh. Und es folgt einem Herdentrieb. Vielleicht geht es dieses Mal in eine richtige Richtung... 21