Deutschlandradio Kultur Länderreport COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. LeseZeichen. WortZeichen - Literatur in der Straßenbahn, am Telefon und andernorts - Autor Uschi Götz (Beitrag 1) 4'16" Lettenbauer, Susanne (Beitrag 2) 3'39" Arlt, Susanne (Beitrag 3) 2'48" Günther, Matthias (Beitrag 4) 3'30" Spr. Frank Stöckle (Beitrag 1) 4'16" Red. Claus Stephan Rehfeld Sdg. 06.10.2010 - 13.07 Uhr Länge 19.00 Minuten Moderation (in vorproduzierter Sendung) -folgt Script Sendung- Script Sendung M 01 ErkMu REGIE Musik kurz frei & unter Moderator legen MOD LeseZeichen. WortZeichen. Literatur in der Straßenbahn, am Telefon und andernorts. Am Mikrofon begrüßt Sie Claus Stephan Rehfeld. REGIE Musik kurz frei & unter Moderator legen MOD Die Frankfurter Buchmesse ruft und wir schauen uns andernorts um, bleiben aber dennoch am Thema dran, was ganz gut geht, denn uns interessiert Literatur im öffentlichen Raum. Also das geschriebene Wort da oder dort, das ja die verschiedensten Formen kennt. Behördensprache etwa stolpert andauernd, sucht ihren tieferen Sinn in Ausführungsbestimmungen, dieser wortgeschöpfte Begriff sagt da schon alles, wie zum Beispiel die gerade mal 66 Buchstaben aneinanderreihende Grundstückverkehrsgenehmigungszuständigkeitsübertragungsverordnung. Auch das Literatur im öffentlichen Raum, aber wenige Leser. REGIE Musik kurz frei & unter Moderator weg MOD Das Wort im öffentlichen Raum. Vielleicht aufgeschnappt zwischen Frühschicht und Mittagessen. Kurz vor Schulbeginn nochmals an die Großen erinnert. Wer in Stuttgart U-Bahn fährt, begibt sich auf eine kleine Wortreise. "Lyrik unterwegs" heißt eine Serie, die es bereits seit 1987 gibt. In jedem U-Bahn- Wagen fahren in der Dachschräge - über den Fenstern - großformatige Texte mit. Mancher Fahrgast schaut da tief versunken nach oben, andere dann aus dem Fenster. Nachdenkliches und Heiteres - alles ist dabei. In regelmäßigen Abständen werden die mitfahrenden Worte ausgetauscht. Die Stuttgarter Straßenbahnen verlegten mittlerweile die Sammlung aufgrund der großen Nachfrage auch als Buch. Uschi Götz übermittelte uns ihren Bericht von der Wortreise durch Stuttgarts öffentlichen Raum. WortZeichen. Stuttgart / Götz - 4'16" G 01 Tür U- Bahn - auf und zu / Stempeln SPR U7 Ostfildern/Nellingen. Oben starten und landen Flugzeuge im Minutentakt. "Führe den Zeigefinger an deine Ohren, verschließe sie für einen Augenblick ganz." Jan Kopp. Komponist. G 02 Gespräch in der U- Bahn SPR Überall sind sie zu finden, die Worte. In jedem U-Bahn-Abteil fährt mindestes eine Sammlung mit. Auf weiße Folie geklebte Worte. Sie fahren hin und her. Mal mahnend, mal nachdenklich, mal unverständlich. Wer als U-Bahnfahrer die Texte über sich entdeckt, liest zweimal und denkt dann meist lange nach. "Dann öffne und schließe sie. Schnell, langsam, regelmäßig, unregelmäßig, synchron, asynchron." G 03 (Durchsage) "Nächster Halt ......" Tür auf/ zu SPR Ruhebank/Fernsehturm. Wer hat diese Worte ausgesucht? Ein junger Mann steigt ein, setzt sich auf einen gepolsterten Sitz, holt sein Handy aus der Jackentasche, bedient Tasten und versinkt in dem kleinen Display. Zwei Frauen mit kurzen Röcken und langen Stiefeln beachten ihn nicht, setzen sich unter Wilhelm Busch, auch für ihn haben sie keinen Blick übrig. "Die Selbstkritik hat viel für sich. Gesetzt den Fall, ich tadle mich. So hab ich erstens den Gewinn, ´ Dass ich so hübsch bescheiden bin." G 04 U Bahn hält/ Tür geht auf SPR "Was ist cool? Gegeelte Haare - Hosen in den Kniekehlen? Was ist cool? Stöckelschuhe Abendkleid?" Ingeborg Wenger. Die Autorin ist häufiger in den Stuttgarter U-Bahnen unterwegs. Sie ist Schülern am Stuttgarter Dillmann-Gymnasium und gilt als Wortgenie. Eine junge Frau setzt sich auf einen freigewordenen Platz. Lange blonde Haare, in ihrer Unterlippe steckt ein Ring, aus den Ohrmuscheln bohren sich jeweils drei stachelähnliche Schmuckstücke. Sie schaut nach draußen oder schaut sie sich in der Scheibe selbst an? "Was ist cool? Roter Mantel, Lorbeerkranz? Was ist cool? Bärenfell? Steinlanze? Was ist cool? Der Urknall?" U3, U6, U7, U5. Haltestelle Pragfriedhof. "An das 18. Jahrhundert Mit Krieg fingst du an, mit Kriegen endest du Mit Säbel und mit Federkriegen Jahrhundert! Sah Gott vom höchsten Himmel zu? War Kriege sehen sein Vergnügen?" G 05 Tür schließt/ Stempeln SPR Johann Wilhelm Ludwig Gleim. Hauptbahnhof. G 06 Türe U- Bahn offen SPR "Spiele mit dem Wechsel zwischen links und rechts, variiere die Lautstärke durch den Druck der Finger, erfinde Rhythmen. Verwandle die Gespräche der anderen in deinen eigenen Rap." G 07 Schritte/ Stimmen/ fern: Demonstranten SPR Stuttgart Hauptbahnhof. 19. 00 Uhr. Das Volk tobt. Es will nicht unterirdisch in die Zukunft. Am Bauzaun vor einem abgerissenen Seitenflügel hängen Tausende Texte: "An allem Unfug, der passiert, sind nicht etwa nur die schuld, die ihn tun, sondern auch die, die ihn nicht verhindern." Erich Kästners Zitat flattert im Wind. Hinter ihm ein Loch, wo einst der Seitenflügel des Stuttgarter Bahnhofs stand. Es geht abwärts. Zur U-Bahn. U2 Richtung Hölderlinplatz. An der Vorderseite des Bahnhofs, die nicht abgerissen wird, leuchten Hegels Worte allabendlich bunt und unübersehbar: "... daß diese Furcht zu irren schon der Irrtum selbst ist." G 08 U- Bahn fährt an .... -ENDE Beitrag BW- MOD Wir kommen nicht umhin und greifen zum nächsten TelefonBuch. Und vertiefen uns gar in ihm. Und zwar in einer öffentlichen Telefonzellen der älteren Art. Und wir sind uns dessen sicher, dass da auch noch ein Telefon-Buch liegen wird. Anders als gemeinhin, wo entweder kein Fernsprechbuch mehr vorhanden ist oder just die Seite fehlt, die der Bedürftige gerade sucht. Es muß also andere Gründe haben, dass jemand die Telefonzelle betritt und nach einem TelefonBuch Ausschau hält. Dies soll an dieser Stelle genügen, denn die weitere Geschichte erzählt uns nun Susanne Lettenbauer. TelefonBuchZelle. Tutzing / Lettenbauer - 3'39" G 01 Schritte auf Kies E 01 (Mann) "Ja, ich kenne sie, aber ich habe da noch nie ein Buch rausgenommen. Ich sehe es, wenn ich ab und zu mal da bin, aber ich habe es noch nicht genutzt. Ich weiss auch gar nicht, welche Bücher drin sind." AUT Tutzing am Starnberger See. Die Enten quaken leise, die Segelboote dümpeln vor sich hin. Im Biergarten sitzen einige Gäste in Decken gehüllt. Hinter ihnen, gleich neben der Schänke, steht ein rotes Telefonhäuschen, ein englisches Original, eine K6. Unauffällig, verstaubt, mit einem vergilbten Schild im Fenster. "Eins nehmen, eins geben. Tutzinger Büchertausch" G 02 Öffnen der Tür E 02 (Frau) "Also, so, wenn ich das so anschaue, sieht das aus wie eine alte Telefonzelle. Und wenn man jetzt nicht liest, würde man denken, das ist eine alte Abstellkammer für alte Bilder oder alten Krempel. Büchertausch: Das ist ja sogar offen. Kann man das aufmachen? Ja, Wahnsinn." AUT Die Spaziergängerin staunt. Das kleine Vorhängeschloss ist nicht verschlossen. Die rote eiserne Telefonhäuschentür öffnet sich schwer zu einem Sammelsurium aus Büchern. Übereinander gestapelt. Aneinandergereiht. Ungeordnet. Auf knapp 90 Quadratzentimetern, in einer Höhe von 2 Metern 40. "Alle Menschen werden Brüder", ein dickleibiges Hartcoverbuch von Johannes Mario Simmel neben einer Anleitung für "Buffets und Empfänge in der internationalen Küche". Dahinter Kriminalgeschichten von Sir Arthur Conan Doyle: E 03 (Frau) "Aerobic gibt's auch, "Hurra wir leben noch" - das passt doch gut in unsere Zeit." (Lachen) AUT Hinter John Irvings "Das Hotel New Hampshire" kommt verlegen Patricia Cornwells "Insel der Rebellen" hervor, gefolgt von Konsalik. Paperback. "Das geschenkte Gesicht". Einmal gelesen, vielleicht nebenan im Biergarten mit Blick auf die Alpenkette, und dann schnell im Telefonhäuschen vergessen? G 03 Bücher AUT Vier schmale Regale übereinander, auf dem Boden stapeln sich weitere Werke, von Staub bedeckt. Rechts, die kleine roh gezimmerte Holzbank verdecken noch mehr Bücher. Den Dalai Lama und die buddhistische Sicht auf Jesus hat jemand "Casanovas Ende" von Renato Olivieri zur Seite gestellt. Würde es nicht schon nach längerem Suchen auftauchen, das würde man beim nächsten Mal hierher legen: Das neue Testament. Eine Gabe vom nahen Frauenkloster? Groschenheftchen findet man erstaunlicherweise kein einziges. G 04 Bücher AUT Dann wandern die Gedanken weit weg: Potsdamer Veduten, ganz oben versteckt. Hart bedrängt vom Fight Club, Chuck Palahniuk, daneben Rüdiger Nehberg und - Gottfried Keller. Den würde man gleich zur Hand nehmen, die Bücher von der winzigen Holzbank räumen, den Lichtschalter drücken und bei Regen im Telefonhäuschen lesen: E 04 (Frau) "Ja Kochbücher würde ich hier in erster Linie rein tun, dann vielleicht meinen Atlas, der nicht mehr so aktuell ist, dann den Weltalmanach von 2008. Den neuen von 2011 habe ich mir gerade bestellt, den könnte man jetzt entsorgen hier." AUT Ob die ehrwürdige britische Phonebox zum Entsorgen ungeliebter Bücher gedacht war oder die Biergartenbesucher zu einer Maß Bier mehr inspirieren sollte - die Idee begeistert jeden, der Spaziergänger, der hier vorbeikommt: E 05 (Frau) "Ja ist ja nicht wahr, das ist ja der helle Wahnsinn, da stehen ja lauter, ich hab das noch nie gesehen ... "Der Liebessalat" ... hab ja gleich das richtige Buch gegriffen. Ist ja der helle Wahnsinn." AUT Das rote Telefonhäuschen am See. Eine kleine Bibliothek von Büchern - den ungeliebten, den ausgelesenen - von Unbekannten empfohlen. Ein wilder Querschnitt durch die Lesevorlieben Tutzinger Besucher. Eine unerwartete Gelegenheit, dem nächsten Unbekannten eine Leseempfehlung zu hinterlassen in dieser Bücherzelle. -ENDE Beitrag BY- MOD Ach, 3 x ach Sachsen-Anhalt. Die Poesie hat hier ihre wahre deutsche Heimstatt gefunden. Selbst die Gesetzestexte, Verordnungen, Vorschriften, Anweisungen zeigen der deutschen Literatursprache, was wahrem Schöpfertum eigen ist: Anmut, Eleganz, Verständlichkeit, Leidenschaft. Dort sorgte sich das Ministerialblatt nicht nur um die Vorschriftensprache, sondern auch um die Amtssprache, die normengebundene Verwaltungssprache und - das Kapitel lieben wir besonders oft - auch um die geschlechtsgerechte Vorschriftensprache. Mit ihrer ganzen poetischen Leidenschaft versuchen sich die Ämter gegen die Werbung zu behaupten, was nicht immer leicht ist. Der Spruch zum Beispiel Hallenser, Halloren, Halunken ist unübertrefflich. Nun, Susanne Arlt ging auf die Straße und mischte sich unter die benannten Herrschaften. Halle, werbepoetisch / Arlt - 2'48" AUT Drei, zwei, eins - meins. Wer kennt denn nicht diesen Werbespruch eines Aktionshauses. Oder: Willst du viel, spül mit ... na ja, Sie wissen schon. Noch ein Beispiel: Der Mann ist tot, die Witwe kichert, zum Glück war er ... versichert. Ja, auch in der Werbung gelten die Gesetze der Kunst. Beizeiten hat das die Werbeindustrie begriffen und die Dichtkunst für sich entdeckt, oder sagen wir mal, für sich instrumentalisiert. Um den Zuschauer bei Laune zu halten, muss man halt Außergewöhnliches bieten. E 01 (Schinkel) "Also das ist zum Beispiel ein ganz erhebliches Problem, dass man denkt, man müsste jetzt Reime bauen, um irgendwas schön erscheinen zu lassen. Und man hat überhaupt keine Ahnung wie ein gereimtes Gedicht innerlich aufgebaut ist. Ein Reim verlangt eigentlich ein strenges metrisches Gerüst in einem Gedicht. Also in der Werbung fällt mir da nichts wirklich Kluges ein." AUT André Schinkel, Lyriker aus Halle an der Saale, schaut darum nur noch selten fern. Wenn er aber in der Altstadt in Halle an der Saale unterwegs ist, kann auch er sich der Gebrauchslyrik nicht entziehen. Vom Plakat einer Bekleidungsfirma schaut eine Frau mit dunklen Haaren und vollbusigem Dekolleté. E 02 (Schinkel) "Besser als wie man denkt - erstaunlicherweise hat mich der Spruch noch mehr fasziniert als das Bild darüber." AUT Gezielte Versprecher und Sprachunsicherheiten haben dieser Dame beispielsweise erst so richtig zu ihrem Erfolg verholfen. E 03 (Schinkel) "Teilweise tut das schon weh, weil man sieht, wie so was gezielt eingesetzt wird. Und vielleicht auch hier an einem Ort, wo es jeder sieht, nicht nur als kluge Vermarktungsmasche erkennbar ist, sondern eigentlich auch als Verdummungsmasche." AUT Missbrauch ist diese Form der Sprache in seine Augen zwar nicht. Die Sprache, sagt Schinkel, sei so frei wie die Gedanken. Nur mit wahrer Lyrik habe das nichts zu tun. Quer über der Einkaufsstraße prangt ein Werbebanner mit dem Hinweis: E 04 (Schinkel) "Ja, Hier wohnen junge Leute heute, das ist ein toller Reim. Bisschen fad." AUT Dass man in der Werbung mit Binnenreimen auf sich aufmerksam machen kann, ist nichts Neues, das haben schon Tütensuppen bewiesen: Das Gute daran, ist das Gute darin. In der ernsthaften Lyrik kreiert man durch Wiederholung Effekte, erzeugt Dynamik und Magie, schwärmt André Schinkel. E 05 (Schinkel) "Das ist ja wahrscheinlich auch der einzige Sinn und Zweck, warum Lyrik in der Werbung eingesetzt wird: Wiedererkennung. Dass es im Kopf hängen bleibt und dass man sich dann im Zusammenhang mit bestimmten Symbolen, mit Piktogrammen daran erinnert und sich sagt, ich muss ja heut´ noch Mon Cherie kaufen gehen." AUT Sehr tiefsinnig ist das nicht. Werbung ist immer im Sinne derer, die einen Nutzen davon haben. Also eine ideologische Sache, findet der Lyriker. Die Verführung wird zur Absicht und ist nicht Ansicht. Die Lyrik aber geschieht um ihrer selbst willen. E 06 (Schinkel) "Lyrik ist eigentlich eine Existenzhaltung und eigentlich auch eine Existenzform, ne existenzielle Form, mit sich selber ins Reine zu kommen. Werbung ist ne Verlockung und teilweise natürlich auch ne Verkackeierei." -ENDE Beitrag ST- MOD 0431 901 1156 - das sind keine Seitenangaben. Wer zur Minderheit der aussterbenden Spezies der Zuhörenden gehört, der kennt sie, die Nummer des Kieler Literaturtelefons. Da gab und gibt es "Bei Anruf Wort", also die private Autorenlesung für 5 Minuten. Eingeführt wurde sie, als die Schilder mit der Aufforderung "Fasse dich kurz" schon der Vergangenheit angehörten. Einer dachte sich da Hör-mal-zu und hatte eine Idee, die immer noch lebt. Matthias Günther hat sich davon überzeugt. Literatur-Telefon. Kiel / Günther - 3'30" E 01 (Wählgeräusch und telefonische Ansage) "Herzlich willkommen am Literatur- Telefon Kiel. Viel Spaß mit der aktuellen Aufnahme." AUT Das Geräusch der Wählscheibe am Anfang der automatischen Ansage macht es deutlich hörbar: das Kieler Literatur-Telefon stammt aus einer anderen Zeit. 1978 wurde es als erstes Literatur-Telefon in Deutschland eingerichtet. Seitdem können Literatur-Freunde hier fünf bis zehn Minuten lang Texte hören, die von den Autoren selbst vorgetragen werden. Auch Günter Grass, Siegfried Lenz, Peter Härtling oder auch Sarah Kirsch haben schon mitgemacht. Der Kieler Schriftsteller und Künstler Arne Rautenberg ist seit 18 Jahren immer wieder einmal dabei: E 02 (Rautenberg) "Mir ist es eine lieb gewonnene Tradition geworden, so alle ein, zwei Jahre mal zu gucken, hab ich hier ne kleine Summe an Texten, die ich präsentieren möchte? Und dann komme ich immer wieder und lese das ein, und das mache ich sehr gerne." AUT Arne Rautenberg hat für das Kieler Literatur-Telefon gerade einige Texte aus seinem Gedichtband "gebrochene naturen" eingelesen - zum Beispiel "Meise am Morgen": E 03 (kurzer Auszug aus dem Gedicht) AUT Arne Rautenberg hält es für wichtig, einmal gehört zu haben, wie ein Autor selbst sein Werk vorträgt: E 04 (Rautenberg) "Wenn man danach wieder ein Buch von diesem Autor liest, man wird dieses Buch anders lesen, nämlich mit dem Rhythmus, den man vielleicht gerade auf einer Lesung oder im Literatur-Telefon aufgenommen hat." AUT Zwei Wochen lang ist ein Text beim Literatur-Telefon Kiel jeweils zu hören - dann folgt der nächste Autor. In dieser Zeit rufen im Durchschnitt jeweils 400 Literatur- Hör-Interessierte an. Jörg Meyer, Literatur-Fan und einer der Betreiber des von der Stadt Kiel finanzierten Projekts, kann nur wenig über die Anrufer sagen: E 05 (Meyer) "Was wir hören, wenn uns Leute darauf ansprechen, dass es eigentlich quer durch den Garten geht, also sowohl ältere Leute als auch jüngere Leute, wobei letztere tatsächlich eher dazu gekommen sind, seit wir damit auch im Internet sind." AUT Denn seit drei Jahren kann man die Autoren auch im Internet anhören - in besserer Tonqualität als über das Telefon. Und im Internet sind alle Texte im Archiv abrufbar. Die Betreiber des Literatur-Telefons sprechen vor allem Autoren aus Kiel oder Schleswig-Holstein an sowie Autoren, die zu einer Lesung nach Kiel kommen. Absagen sind selten. Der Schriftsteller Arne Rautenberg wurde Anfang der 1990er Jahre erstmals gebeten, etwas für das Literatur-Telefon zu lesen. E 06 (Rautenberg) "Damals erschien dann ein kleiner Artikel in einer Zeitschrift, und das habe ich dann ausgeschnitten, auf Postkarten geklebt und an alle Leute geschickt, die mir irgendwie wichtig waren, nach dem Motto: Hallo, hallo, ich habe etwas Tolles gemacht, bitte anhören!" AUT Viele Städte waren dem Kieler Vorbild gefolgt, und gaben auch ihren Autoren mit einem Literatur-Telefon ein Forum, doch die meisten haben das Projekt wieder eingestellt. In Kiel soll das Literatur-Telefon aber auch im Internet-Zeitalter bestehen bleiben, verspricht Jörg Meyer: E 07 (Meyer) "Das werden wir nicht abschalten - auch, weil es ein altes Medium ist, dass wir auch irgendwo bewahren möchten, und weil es einen ganz besonderen Charme hat, einen Autor auch in einer etwas schraddeligen Qualität lesen zu hören." AUT Und deshalb wird es unter der Kieler Telefonnummer 901-11-56 weiterhin tönen: E 08 (telefonische Ansage:) "Herzlich willkommen am Literatur-Telefon Kiel. Viel Spaß mit der aktuellen Aufnahme." -ENDE Beitrag SH- MOD LeseZeichen. WortZeichen. Literatur in der Straßenbahn, am Telefon und andernorts - das war heute das Thema im Länderreport. Morgen dann ab 13.07 Uhr heißt es: Der Stamm der Ossi. Letzte Nachrichten aus ihrem Reservat vermelden wir pünktlich zum Jahrestag der Republik, sozusagen Plan übererfüllt. Am Mikrofon verabschiedet sich von Ihnen Claus Stephan Rehfeld. -ENDE Ablaufplan- 11