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Es war immer so ein Kontakt über Umwege. Also übers zusammen: Ich sein Werkzeug sein und er durch mich Geschichten erzählen." Sprecherin: Die Schauspielerin Hanna Schygulla spricht von Rainer Werner Fassbinder, dessen Muse sie war, mit dem sie 15 Kinofilme drehte und die turbulente Zeit des Neubeginns der Berlinale in den 70er Jahren erlebte. In diesem Jahr bekommt sie in Berlin einen goldenen Ehrenbären für ihr Lebenswerk. Mit "Liebe ist kälter als der Tod" waren die Schygulla und Fassbinder 1969 erstmals im Wettbewerb der Berlinale. Der Film ist eine stilistisch raue Hommage an das amerikanische Gangsterkino in dessen Zentrum Fassbinder und Hanna Schygulla ein Paar spielen. Die Hure Johanna wünscht sich ein anderes Leben von ihrem Zuhälter Franz. Der eigentümliche verschleppte Sprachduktus wurde zum Markenzeichen von Hanna Schygulla. O-Ton Filmausschnitt "Liebe ist kälter als der Tod" "Wir sollten eine Wohnung haben, wo wir bleiben können. - Und ein Kind. - Und Ruhe." Sprecherin: Wolfgang Kohlhaase der andere Ehrenpreisträger dieser Berlinale, Dramaturg und Drehbuchautor bei der Ostberliner DEFA seit 1950, ist heute 79 Jahre alt. Sein Einstieg in den Filmberuf fällt eigentlich beinahe mit dem Entstehen der Berlinale zusammen, die 1951 als Zeichen für den Frontstadtcharakter Westberlins im Kalten Krieg gegründet wurde. Stars wie Gary Cooper und Errol Flynn wurden eingeflogen und von den Fans fast erdrückt. In Kinos nahe der Sektorengrenze konnten Ostbesucher nach Vorlage ihres DDR-Personalausweises zum Umtauschkurs 1:1 Ost gegen Westmark die Festivalfilme anschauen. Die Grenze war noch durchlässig und der normale Umtauschkurs betrug 4:1. Viele Ostberliner nutzten das Angebot. Wolfgang Kohlhaase war nicht darunter: Kohlhaase: Ich bin da nie gewesen, ne. Das hängt aber damit zusammen, und das ist sicher eine sehr verkürzte Wahrnehmung von mir gewesen, dass ich das Gefühl habe, das ist eine Art von Kinobetrieb, der mich nicht wirklich interessiert. Weil wir waren ... Als wir anfingen Filme zu machen, waren die Neorealisten die großen Ermutiger oder punktuell auch amerikanische Filme, ich meine jeder hat die damals gemocht glaube ich: Kazan, FAUST IM NACKEN oder so etwas, die Filme mit James Dean. Also wir hatten bestimmte Dinge, die wir gern angesehen haben, als die Grenzen offen waren. Wobei die Neorealisten auch bei uns liefen. Aber was da in der Filmbühne Wien stattfand, mit rotem Teppich, hat mich eigentlich nicht betroffen. Ich dachte: "Das ist das Kino von gestern." Sprecherin: Die ersten Filme nach Drehbüchern von Wolfgang Kohlhaase wurden 1953 gedreht. Er bildete ein Team mit dem Regisseur Gerhard Klein. Die Berlin-Filme der beiden, realistische Alltagsgeschichten aus Ostberlin, bildeten fast ein eigenes Genre im DEFA-Kino. Der bekannteste Film dieser Zeit ist "Berlin Ecke Schönhauser", der 1957 die Träume, Wünsche und Konflikte einiger junger Leute, im Westen hätte man sie Halbstarke genannt, an der bekannten U-Bahn-Brücke im Berliner Stadtviertel "Prenzlauer Berg" schildert. Der authentische Stil und die frechen Berliner Dialoge sollten das Muster vorgeben für eine neue Richtung in der DEFA-Filmproduktion. Kohlhaase: Ja, kann man sagen. Ich hatte drei Filme mit Gerhard Klein gemacht, das war der dritte. Spielte immer in Berlin. War nicht frei von Simplifikationen, was die Ost und Westseite in dem Film betraf, aber eigentlich handelte es sich um die Spielregeln im Osten, die in diesem Film behandelt wurden. Nämlich die Frage, die sich ja über die Jahrzehnte gezogen hat: Kannst du Leute ausschließen, oder musst du Leute akzeptieren wie sie sind? Es gehörte sozusagen zur Grundverabredung, dass die Änderungen, die Alternativen, die Varianten der Gesellschaft, dass das nicht den Westen meinte. Das war sozusagen ne Grundverabredung. Aber das hat uns, wenn man will, auch niemand vorgesagt. Wir saßen ja nicht wie die Schiedsrichter überm Spiel auf einem hohen Stuhl, wir wohnten ja in Ost und West. Und der Osten hat uns eingeleuchtet. Nicht alles im Osten hat uns eingeleuchtet, aber, dass es ein anderer historischer Versuch war und dass Deutschland in dem Jahrhundert eine Menge Dinge in die falsche Richtung getrieben hat - der Krieg, alles was damit zusammen hängt, die Nazizeit - das war ja Lebenshintergrund und berührte sich ein bisschen mit dem Grundmuster DDR, das da im entstehen begriffen war. Insofern kann man in diesem Film auch bis heute sehen, was damals geglückt ist und nicht geglückt ist. Sprecherin: Wolfgang Kohlhaase aus Berlin und Hanna Schygulla aus München, der Drehbuchautor und die Schauspielerin, repräsentieren zwei deutsche Filmtraditionen, die die Berlinale in ihrer 60jährigen Geschichte entscheidend geprägt haben: Schygulla den "Neuen Deutschen Film" der nach den oberflächlichen Zeiten von Opas Kino mit Lederhosen und Heimatfilmen in Westdeutschland dem Kino wieder Reife, Tiefe und Weltgeltung verschaffte. Kohlhaase vertritt hingegen die Ostberliner DEFA einschließlich all ihrer Widersprüche und Verwerfungen. Eine Schauspielerin braucht einen Regisseur, der sie ins Zentrum seiner Filme stellt wie die Schygulla Rainer Werner Fassbinder. Und ein Drehbuchautor braucht kongeniale Regisseure, die seine Vorlagen umsetzen. Kohlhaases große Zeit begann mit der Zusammenarbeit mit Konrad Wolf ab 1967. O-Ton Filmausschnitt "Ich war 19" "Achtung Achtung, deutsche Soldaten. Wir beginnen unsere Sendung. Der Krieg ist endgültig verloren. Eure Lage ist hoffnungslos. Wartet nicht - handelt. Sprecherin: Der erste gemeinsame Film der beiden ist ein filmhistorischer Meilenstein geworden. In "Ich war 19" wollte Konrad Wolf, der tatsächlich als blutjunger Offizier mit der Roten Armee in das besiegte Deutschland einmarschierte und zeitweise Stadtkommandant von Bernau war, seine ganz persönliche Geschichte erzählen: Kohlhaase: Wolf hatte den Gedanken, den er vorher nicht hatte, eventuell eine Art Tagebuch zu verfilmen, über die letzte Woche des Krieges, also die letzten 10 Tage des Krieges, als er als Leutnant in der Roten Armee nach Deutschland zurück kam. Er wollte nicht selbst schreiben. Er wollte aber vielleicht auch, dass noch jemand anderes auf diesen Stoff guckt. Es war ja nicht buchstäblich mein Thema, aber es war in einem anderen Sinne mir natürlich nahe. Weil ich stand ja ?45 in Berlin an der Straße, natürlich ein paar Jahre jünger und eigentlich hätte er auch bei mir vorbeikommen können. Ist er nun nicht, er ist durch Bernau gefahren. Also es war eine Geschichte, die mich etwas anging und dann stellte sich auch noch heraus, dass dieses Tagebuch, das er da gerne verfilmen wollte, hatte er allerdings nicht geschrieben. Denn er hat den ganzen Krieg über Tagebuch geschrieben, in russisch nebenbei gesagt, aber er ist in den letzten zwei Wochen dazu nicht mehr gekommen. Die Tage waren übervoll mit anderen Dingen und so hat er eine Art Rekonstruktion geschrieben. Und wir haben uns dann aber darüber verständigt, dass wir diese offene Form, diese Tagebuchblätter, behalten wollen für den Film. Sprecherin: Kohlhaase und Wolf revolutionierten ab 1967 die Darstellung des antifaschistischen Kampfes im 2. Weltkrieg. In Westdeutschland wandelte sich derweil die filmische Landschaft grundlegend. Auf den Oberhausener Kurzfilmtagen 1962 verkündeten junge Filmemacher ihren Anspruch, das Kino der Zukunft zu bestimmen: unter ihnen Alexander Kluge, Werner Herzog und Rainer-Werner Fassbinder. 1968 fielen sogar die Festivals in Venedig, Locarno und Cannes dem Studentenprotest zum Opfer und wurden abgebrochen. Die Berlinale wurde nicht unterbrochen, aber auch dort war klar, das neue Formen des Films und der Festivals nötig sein würden. Auch Wolfgang Kohlhaase nahm damals dem Wandel im Westdeutschen Kino wahr. Kohlhaase: Also diesen so genannte Jungen deutschen Film, der war für mich in sofern bemerkbar, dass ich dachte: Da sind Leute ein bisschen auch mir vom Alter her ähnlich, oder ein bisschen jünger, wie sie jeweils waren, die eigentlich etwas versuchen, was wir auch versuchen, wenn auch eben ein Stück weiter und unter anderen Umständen. Das war das erste Mal, dass ich so etwas wie eine Gruppe wahrgenommen habe. Ich weiß gar nicht wie sehr die eine Gruppe waren oder sich dann auch sehr schnell wieder entfernt haben, in verschiedene Richtungen, aber es war mir verständlich und ich fühlte mich wohl in diesen Filmen. Sprecherin: Rainer Werner Fassbinder hatte inzwischen nach den Zeiten seines Action und Antitheaters in München seine Familie der Filmleute um sich geschart und begann seine rast- und atemlose Produktion von Filmen und Fernsehserien, die aus ihm den produktivsten und bis heute bekanntesten Regisseur des Jungen Deutschen Films machen sollte. Von den meisten Mitgliedern seiner Truppe verlangte Fassbinder strikte Unterwerfung unter sein künstlerisches Genie. Hanna Schygulla aber trug er auf Händen und behandelte sie wie eine ganz besondere Kostbarkeit. Schygulla: Ich weiß jetzt nicht genau wie das gekommen ist, vielleicht durch diese seltsame Spannung zwischen uns, die von Anfang an da war. Und dadurch, dass ich irgendwie mich der ganzen Sache nie hundertprozentig ausliefern wollte. Also ich wollte auch nicht so ein Kommuneleben haben. Also dort wohnen mit den anderen zusammen und ich wollte nicht so in diese Mühlen reinkommen wo dann diese ganzen Spielchen los gingen: Wer ist Katz und wer ist Maus? Wer ist das nächste Opfer? Wer wird gestreichelt? Wer wird geschlagen? Und das im Karussell. Sprecherin: Ende der 70er Jahre näherten sich für Schygulla und für Kohlhaase endlich die Zeiten der öffentlichen Anerkennung. 1977 war Wolfgang Kohlhaase soweit. Mit "Mama ich lebe" ,einem Film nach seinem eigenen Hörspiel, nahm er zusammen mit seinem Regisseur Konrad Wolf erstmals am Wettbewerb der Berlinale teil. Vier Filme realisierte Wolfgang Kohlhaase mit Konrad Wolf und sie gehören zum Besten, was die DEFA zu bieten hatte. Wie war eigentlich die Zusammenarbeit mit dem prominentesten Filmregisseur der DDR, Bruder des Geheimdienstchefs Marcus Wolf und Sohn des Schriftstellers und DEFA-Mitbegründers Friedrich Wolf. Kohlhaase: In unserem Fall war ich sehr oft beim Drehen dabei. Was zwischen uns eine Verabredung war. Das muss man nicht so machen, aber ich bin da auch nicht hingegangen weil ich dachte: "Ich schreib bis zu letzt noch wieder irgendetwas anders hin als es da steht." Das war selten. Ich bin auch aus Neugier hingegangen. Es hat nur die Konsequenz, wenn man- um das mal zu erweitern - wenn man als Drehbuchautor zum Drehen geht; streng genommen musst du immer hingehen. Weil wenn du nicht immer hingehst, verlierst du den Überblick und den Zusammenhang. Niemand hat aber Lust, einem Menschen der nur jeden dritten Tag kommt, zu erklären wie das gerade läuft und warum man was warum so und so machen muss. Bei ihm war ich oft dabei und das war mir angenehm, obgleich es, wenn du so willst, eine Art Halbarbeit ist. Jeder Mensch wird da wirklich gebraucht. Jeder der eine Leiter an den richtigen Platz stellt, wird gebraucht. Wer nicht wirklich gebraucht wird, ist der Drehbuchautor. (lacht) Sprecherin: 1979 war ein ganz besonderes Jahr. In den DDR-Kinos lief erfolgreich die letzte Zusammenarbeit Kohlhaase-Wolf "Solo Sunny". Auf der Berlinale sollte er erst ein Jahr später landen. Wahrscheinlich wäre die Präsentation auch nicht gut ausgegangen. Die Berlinale 1979 war von einem Skandal geprägt. Wegen des Vietnamfilms "The Deer Hunter" von Michael Cimino, in dem Folterszenen der Vietcong an amerikanischen GIs vorkommen, reisten mitten im Festival sämtliche Delegationen der Ostblockstaaten ab und zogen ihre Filme zurück. Das Jahr 1979 mit seinem ungewöhnlich kalten und schneereichen Februar war aber auch das Jahr des Triumphs von Hanna Schygulla. Für ihre Titelrolle in "Die Ehe der Maria Braun" von Rainer-Werner Fassbinder wurde sie mit dem silbernen Bär als beste Darstellerin ausgezeichnet. Der Berliner Kritiker Friedrich Luft lobte Hanna Schygulla für ihre Rolle als "Mutter Courage des Nachkriegs, ihren Anstand und ihre verlässliche Menschlichkeit". Nach einer vorübergehenden Trennung hatten sich Fassbinder und Schygulla zu diesem Meisterwerk des deutschen Nachkriegskinos zusammengetan. "Die Ehe der Maria Braun" schildert die schwierigen Lebensumstände einer Trümmerfrau, die die Hoffnung aufgegeben hat, das ihr Mann aus dem Krieg zurückkommen wird. Zugleich mit ihrer Suche nach einem neuem Glück porträtiert Fassbinder die bundesdeutsche Nachkriegsgesellschaft. O-Ton Filmausschnitt Maria Braun "Wir unterbrechen die Ausstrahlung der IX. Sinfonie von Ludwig van Beethoven und senden die Suchmeldungen. Für jeden aufgeführten Namen liegt eine Nachricht vor." Wie lang sand sie eigentlich verheiratet gewesen? - Viel habens aber nicht gehabt von ihrer Ehe? - Doch einen halben Tag und eine ganze Nacht. Schygulla: Maria Braun war ein Wesen, die eigentlich an der Wirklichkeit vorbeigelebt hat, weil sie einerseits zu große Idealistin war und dann andererseits zu große Materialistin geworden ist. Immer im Hinblick darauf, dass das wahre Leben morgen stattfindet und man vorher alles sich zurecht bauen kann. O-Ton Solo Sunny Lied Sprecherin: Ein Jahr später 1980 bestimmte ein anderer großer deutscher Film die Berlinale. Auch der hatte eine Frauenrolle im Mittelpunkt. Es ist die Geschichte einer Sängerin, die durch die DDR tingelt und dabei ihre Identität zu finden versucht. Die Geschichte der "Solo Sunny" kam von der DEFA. Ein neuer Typus von selbstbestimmter Frau mit der sich nicht nur im Osten, sondern auch in der Bundesrepublik und anderswo viele Menschen identifizieren konnten. Wolfgang Kohlhaase hatte nicht nur das Drehbuch geschrieben, sondern wird auch als Koregisseur von Konrad Wolf genannt. Kohlhaase: Das war ein Vorschlag von ihm . Es war sowieso ein Stoff, mehr aus meiner Küche als aus seiner, so wie ICH WAR NEUNZEHN mehr aus seiner kam als aus meiner, wie man will, aber es war dann unsere gemeinsame Geschichte. Er wollte das sehr gerne machen, obgleich ich habe die Geschichte angebracht. Er hatte das Gefühl, dass er die Alltagstonlagen, nicht die Redensarten oder so was, aber die Tonlagen in Berlin ja als Kind nicht erlebt hatte. Er war ja in Moskau groß geworden und der andere Hintergrund war Schwaben, wo die Familie eigentlich herkam. Und er sagte - da ich sowieso immer dabei war - sagte er: "Es wäre schön, wir lassen das jetzt nicht nur so im Bereich deiner Neigung, sondern wir machen daraus eine feste Verabredung. Du kümmerst dich ein bisschen um Texte und Untertexte. Und guckst bei den Schauspielern ein bisschen hin." Das heißt nicht, dass er das abgegeben hat, aber es war sozusagen auch meiner Beobachtung und meiner Mitwirkung anvertraut. Und dann sagte er:" Und wenn das schon so ist, dann wollen wir das für Co-Regie halten." Sprecherin: Hauptdarstellerin Renate Krößner bekam wie im Jahr zuvor Hanna Schygulla den silbernen Bären als beste Schauspielerin, was den vorher schon sehr erfolgreichen Film "Solo Sunny" endgültig zum Kultfilm machte. Ein wichtiges Element des Films sind seine dem Alltagsleben abgelauschten Dialoge aus der Feder von Wolfgang Kohlhaase. Mit der Bemerkung "Ist ohne Frühstück" scheucht Sunny ihren One-Night-Stand aus dem Bett und als dieser zu protestieren versucht legt sie nach "Ist auch ohne Diskussion." Und auch mit Komplimenten kommen Bewerber bei ihr nicht weiter. O-Ton: Filmdialog Solo Sunny "Ich versteh dich nicht Sunny. Ich würde jedenfalls auf so jemand wie mich stehen. Gute Figur. Glattes Gesicht." - "Ja, weil Falten vom Denken kommen." - "Siehste deswegen gefällste mir. Weil du intelligent bist." Kohlhaase: Der Film war schon, glaub ich, 15 Wochen oder länger gelaufen in Ostberlin, im Premierenkino, was auch nicht die Regel war, dass so was passierte. Also wir wussten schon, das ist eine ganz gut funktionierende Geschichte. Aber natürlich: Festival, großes Kino... Wir waren nicht sicher. Wir dachten nicht, dass der Film durchfallen würde, aber als wir dann da standen und - die Krösner war schon draußen - und die Leute hörten nicht auf zu klatschen, war schon ein sehr schöner Augenblick. Und natürlich versteh ich das...Man hat sich jetzt öfter darüber unterhalten. Natürlich, der Film hatte die Berliner Tonlagen, er traf auch ein Publikum, das nicht weit ab wohnte und das dieses oder jenes wusste, über die andere Seite, wissen wollte. Es war also auch eine Neugier da. Und es war vielleicht auch ein Film der, sagen wir mal: in seiner voraussetzungslosen Alltagsbeschreibung, was auch die Leute, die Filme gemacht haben in der Bundesrepublik, interessiert hat. O-Ton Lili Marleen Lied Schygulla Sprecherin: Mit Lili Marleen setzte Fassbinder 1980 frei nach der Autobiografie von Lale Andersen seine Serie der Frauenporträts in Faschismus und Nachkriegszeit fort, wieder mit Hanna Schygulla in der Titelrolle. Es war das Ende der Zusammenarbeit des Traumpaars des Jungen Deutschen Films. 1982 ist Fassbinder gestorben. Er schluckte einen tödlichen Drogencocktail und legte sich auf eine Matratze in seiner Küche zum Sterben. Auch für Hanna Schygulla war etwas zu Ende gegangen. Nicht aber ihre Filmkarriere. Schygulla: Der deutsche Film ging eigentlich für mich zu Ende. Also für mich, als meine Heimat. Dann kam der europäische Film. Gewisse Art von Rollen auch. Im deutschen Film war ich ja sehr oft auch Symbolfigur, für einen Teil deutscher Geschichte. Und dann nachher war ich eigentlich so die Fremde - an der man aufzeigen konnte wie die anderen waren. Die Umdrehung eigentlich davon. Sprecherin: Hanna Schygulla drehte bemerkenswerte Filme mit Volker Schlöndorff, Ettore Scola, Jean-Luc Godard und Margarete von Trotta, aber ihre Ausnahmestellung war sie los. Bald war sie häufiger mit ihren Chansonprogrammen auf den Theaterbühnen zu bewundern, als auf der Filmleinwand. Ein ganz anderer Wandel stand ab 1989 für Wolfgang Kohlhaase auf dem Programm. Mit der Wende wurde das Ostberliner DEFA-Studio in Babelsberg abgewickelt. Die neuen Filme mussten mit Filmförderung oder anderen Finanzierungen hergestellt werden. Für Kohlhaase begann ein neues Leben. Im allgemeinen Zeitbruch scheint die Karriere von Kohlhaase aber fast ungebrochen weiterzugehen. Er schreibt für Bernhard Wicki "Die Grünsteinvariante" und führt auch selbst Regie bei seinem Weltkriegsmelodram "Inge April Mai", das allerdings nicht besonders erfolgreich ist. Auf der Berlinale taucht er danach erst 2000 wieder auf mit einem Drehbuch für Volker Schlöndorff über in der DDR untergetauchte RAF-Aussteiger "Die Stille nach dem Schuss". Kohlhaase: Die DEFA mein ich, das Studio, die Art wie das Studio finanziert war, nämlich eigentlich ein Budgetbetrieb, finanziert wie ein Opernhaus, das alles war ja plötzlich nicht mehr da. Es waren noch die Kapazitäten dar, aber es war das Geld nicht mehr da. Regisseure waren beim Studio angestellt. Oder Regisseure konnten nur arbeiten mit Kapazitäten. Ein Buch entsteht am Tisch um mal ganz äußerlich davon zu reden. Es war nicht so völlig bruchlos. Für mich war es nicht ein Problem, ... Ich kannte ein paar Leute und ich hatte ein paar Anfragen. Erst dann kam es dazu, dass ich mit Schlöndorf über die Möglichkeit redete was zusammen zu machen und wir dann auf den Stoff gekommen sind für STILLE NACH DEM SCHUSS. Das heißt ich hatte durchaus für mich das Problem und wenn du so willst, ist es bis heute nicht beendet: Wem will ich denn in Zukunft, welche Geschichten, warum erzählen? Sprecherin: Ein kongenialer Partner ist Schlöndorff für Kohlhaase nicht. Er macht andere Filme und hat einen anderen Zugang zu den Stoffen. Mit einer Generalkritik an der DEFA verärgerte Schlöndorff zudem kürzlich halb Deutschland. Kohlhaase nimmts ihm nicht weiter übel, hat aber eine neue Richtung eingeschlagen. Eigentlich ist es die Alte, die seiner Berlin- Filme aus den 50er Jahren. Dafür hat er sich mit dem jungen Regisseur Andreas Dresen aus Gera zusammengetan. 2005 war ihre gemeinsame Filmkomödie "Sommer vorm Balkon" der große Hit, eine Alltagskomödie vom Prenzlauer Berg in Berlin. Andreas Dresen ist Filmregisseur geworden, als die DEFA schon dabei war zu verschwinden. Kohlhaase, der auch für Andreas Kleinert und andere Regisseure schreibt, hat mit Dresen aber wieder einen passenden Partner auf der Regieseite gefunden. Kohlhaase: (32:00) Ich kann meine Stimme eigentlich nicht verstellen. Ich kann auch meine Lebenseindrücke nicht austauschen und durch andere ersetzen. Und es hat eine Weile gedauert, wo ich diese Dinge gemacht habe, die ich machen konnte, nicht unbedingt machen musste. Bis ich letzten Endes und dann auch durch die Partnerschaft mit Andreas Dresen, mir klar darüber war: Ich kann eigentlich gar nichts anderes machen, als bei mir selbst bleiben. Und in ähnlicher Weise aus dem Fenster gucken und aus der Tür gehen und mich umsehen und nach den kleinen Geschichten suchen in denen sich die große Geschichte manchmal versteckt. Sprecherin: Auch Hanna Schygulla hat sich nach einer längeren Filmpause wieder neu erfunden - als Ikone des ganz Jungen deutschen Films mit Regisseuren wie Hans Steinbichler in "Winterreise" und Fatih Akin in "Auf der anderen Seite". Andere Geschichten sind das. Und die Schygulla ist nicht mehr das jugendlich blühende Sex-Symbol. Sie spielt nun kluge und besorgte Mütter und frustrierte Ehepartner. Auch beim Filmemachen vergeht die Zeit Kohlhaase: Nein. Fassbinder hab ich nie getroffen. Den hab ich nur...bei einer Berlinale war er auf der Bühne, aber den hab ich nie...Und Hanna Schygulla habe ich auch nie getroffen. Ich habe damals getroffen und wir kannten uns auf eine nicht so sehr tief gehende Art ... kannte ich Margarete von Trotta und ich kannte Volker Schlöndorff. Auch Wim Wenders. Die kamen mir mit ihren Filmen, in den späteren Jahren, in die DDR. Und wir haben in der Akademie der Künste sehr oft Filme aus dieser Richtung gezeigt und es gab immer ein gutes und großes Publikum dafür. Und natürlich redete man dann hinterher auch und lernte sich kennen. Also man kannte sich, aber Fassbinder und Schygulla habe ich nie getroffen. Sprecherin: Vielleicht ist der doppelte Ehrenbär auch eine Chance der Begegnung. Hanna Schygulla Schauspielerin West trifft Wolfgang Kohlhaase Drehbuchautor Ost. Auf das gemeinsame Photo der beiden darf man sich freuen. O-Ton Solo Sunny und Lili Marleen gekreuzt/ 2 1