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Man fühlt sich verbunden hier als große Familie und das ist so was wie ein Virus. Autorin: Den Wuster Virus gibt es seit bald 20 Jahren. Gleich nach dem Mauerfall bricht er aus. Infiziert im Sommermonat Juli Menschen aus Deutschland, Großbritannien und den USA. Sie reisen zu diesem ver- lorenen Ort, um an der Sommerschule Wust Englisch zu lehren und zu lernen. Atmo kurz hochziehen Sprecher: The Spirit of Wust - Wie eine Sommerschule für englische Sprache in Sachsen-Anhalt ihre Schüler verzaubert Eine Reportage von Susanne Arlt Atmo Küche, Kaffe eingießen ... Autorin: Ina Leutloff steht in ihrer Küche und macht Kaffee. Mit der linken Hand gießt sie langsam heißes Wasser in den Keramikfilter, mit der rechten hievt sie aus einer Plastikfolie Butterkäsescheiben auf einen runden Teller. Als die Gymnasiallehrerin zum ersten Mal von der Idee der Sommerschule hört, sitzt sie gerade in einem Englischkurs der Volks- hochschule in Havelberg. Russisch ist nach dem Mauerfall nicht mehr gefragt, also müssen Lehrerinnen wie Ina Leutloff umschulen. O-Ton Ina Leutloff: Das war erst einmal unvorstellbar dann so mit echten Amerika- nern und Engländern, war bis vor kurzem noch der Klassenfeind. Autorin: Der ehemalige Klassenfeind ist inzwischen längst ein guter Freund und sitzt mit am Frühstückstisch der Familie Leutloff. Atmo So, ja macht mal euch den Schirm auf und zieht ihn euch rüber, dass es auch was nützt, ... Schirm aufdrehen .... Autorin: Die Butter zerfließt, die Salamischeiben schwitzen. Ina Leutloff schiebt den Schirm näher an den Tisch heran. Dort frühstückt wie jeden Morgen ihre Tochter Sophie. Ihr gegenüber sitzen Pam und Garrett. Beide leben eigentlich in den USA. An der Texas-Tech-University in Lubbock studieren sie Germanistik und angewandte Sprachwissenschaft. Jetzt lehren sie vier Wochen lang an der Sommerschule in Wust. 170 Kinder und Erwachsene haben sich für die Englischkurse und kreativen Workshops angemeldet. Statt in einer drögen Pension zu übernachten, kommen sie bei einer Gastfamilie unter oder übernachten auf dem Campingplatz. Pam und Garrett leben vier Wochen lang mit den Leutloffs unter einem Dach, frühstücken und essen gemeinsam mit ihnen zu Abend. Ina Leutloff ist die Gastmutter, Pam und Garrett sind ihre Gastkinder. Atmo So meine Lieben, hier kommt noch was zu Essen ... Küche ... habt ihr alles? Pam, Kaffee kommt gleich, oh danke Autorin: Die 24-jährige Pam schmiert sich zuerst Erdnussbutter auf ihren Toast, gibt ein paar Kleckse Pfefferminzmarmelade darüber, streicht alles glatt, klappt den Toast zusammen, beißt genüsslich hinein. Urlaub machen Pam und Garrett nicht in Wust. Stattdessen unterrichten sie vier Wochen lang Englisch an der Sommerschule. Atmo Ja was habt ihr vormittags vor? Pam deine Klassen? ... Zuerst habe ich meine Mittelstufe Erwachsene, ja und danach habe ich meine Schülergruppe... Autorin: Seit zwanzig Jahren reisen Dozenten aus Amerika und Großbritannien in das kleine Dorf Wust nach Sachsen-Anhalt und geben Englischunter- richt. Atmo Küche O-Ton Ina Leutloff: Ich habe das schon ernst genommen und geglaubt, dass das was wird. Und es dauerte nicht lange und es kam schon das ers- te Organisationsteam. Wir hatten hier das erste Treffen an der Schule mit der damaligen Schulleiterin, Bürgermeister. Ja und dann haben wir vor Ort uns die Räumlichkeiten angeguckt und gesehen ah ja, das lässt sich ganz bestimmt gut machen in Wust. Autorin: Damals lebten Ina Leutloff, ihr Ehemann und die beiden Töchtern noch in einer zweieinhalb Zimmer-Wohnung. Doch wie so viele andere Wuster Familien wollten auch sie die ausländischen Dozenten der Sommerschule bei sich aufnehmen. Diese großartige Chance durfte doch nicht am Platzmangel scheitern, sagt Ina Leutloff. O-Ton Ina Leutloff: Da war eigentlich ein sehr großes Interesse. Klar, wir waren alle auch damals 20 Jahre jünger. Und man wollte das damals miterleben, wie man alles ganz intensiv erlebt hat, diese ganze Umbruchzeit. Das ist heute für die jungen Leute nicht mehr ganz nachvollziehbar, was damals so die Motivation war. Autorin: Die vierköpfige Familie rückte zusammen, das Elternschlafzimmer wurde zum Gästezimmer. Atmo Garten Autorin: Heute leben die Leutloffs in einem schicken Einfamilienhaus. Zimmer gibt es jetzt genug. Pam und Garret haben ein eigenes. Tochter Sophie auch. Im Sommermonat Juli stapeln sich im Hausflur der Leutloffs über 20 Paar Schuhe. Jeden Tag wäscht Mutter Leutloff eine oder zwei Ladungen Wäsche, jeden zweiten Tag fährt sie zum Supermarkt und packt den Einkaufswagen voll. Im Sommermonat Juli sind die Leutloffs eine Großfamilie. Ja, ja, anstrengend ist das schon, sagt die 49-jährige, seufzt und fährt sich mit der Hand durch ihr kurz geschnittenes blondes Haar. O-Ton Ina Leutloff: Ja man sagt dann auch, wenn die fünf Wochen, meistens zieht es sich so lange hin, wenn die rum sind, ach nächstes Jahr vielleicht mal ne Pause. Aber dann kommen nachher die Emails und können wir wieder bei euch wohnen. Und in diesem Jahr sind es auch viele ehemalige Dozenten, die sich melden. Ja und da kann man gar nicht anders. Atmo Also ich glaube wir müssen los, oh ja wir müssen los ... Teller und Tassen in der Küche einräumen ... Autorin: In einer halben Stunde beginnt die Sommerschule. Pam und Garrett stehen auf, räumen Teller, Tassen, Besteck in die Spülmaschine. Atmo Na gut, ja O.K. Ja dann viel Spaß. Danke, bis später, wir sehen uns ... los- laufen ... hoffentlich gibt es Gewitter, ja das wäre schön ... laufen und englisch sprechen ... Autorin: Der Weg zur Sommerschule ist kurz. In Wust sind alle Wege kurz, sagt Pam und lacht. O-Ton Pam: Manchmal ist es ein bisschen schwierig; vier Wochen in so einem kleinen Dorf zu sein. Manchmal möchte ich gerne einkaufen gehen, aber na ja, es gibt immer etwas zu tun. Also wenn man so beschäftigt ist, dann merkt man nicht, dass man in einem Dorf ist. Autorin: Sie nimmt Garrett an die Hand. Seit anderthalb Jahren sind sie ein Paar. Kennengelernt haben sie sich natürlich in einem Deutschkurs. Pam arbeitet in diesem Sommer zum zweiten Mal als Dozentin in Wust. Der Virus von Wust, sagt sie, der hat mich längst angesteckt. O-Ton Pam und Garrett: Was ich am Besten finde sind die Beziehungen, die aus Wust entstehen. Ich habe seit letzen Sommer Kontakt mit meiner Gast- familie gehabt und auch mit einigen Teilnehmern. Und ich finde das toll, dass so viele jedes Jahr wieder kommen und wieder vereint miteinander sind. Es gibt hier etwas Besonderes. Es ist sehr interessant, dass hier so viele verschiedene Leute sich tref- fen und ja es gibt eine besondere Energie finde ich. Atmo Platz vor dem Herrenhaus Autorin: Quartier der Sommerschule ist ein altes Herrenhaus. Grundschule Wust steht auf einem weißen Schild an der Hauswand. Es ist das ehemalige Haus der Familie von Katten. Bis ins 19. Jahrhundert nennt man diese Gegend auch Kattewinkel. Atmo Hochgehen ins Dozentenzimmer Autorin: Neben dem imposanten Gebäude stehen links und rechts zwei langgestreckte Anbauten. Pam und Garrett steigen die ausgetretenen Steinstufen hinauf in einen langgestreckten Raum im ersten Stock. Normalerweise Lehrerzimmer für die Grundschullehrer, jetzt Vorbereitungsraum für die 20 ausländischen Dozenten. Manche tragen T-Shirts auf denen Wörter gedruckt sind wie Wustaholic oder Spirit of Wust. Garrett stellt sich vor eine Pinnwand, überfliegt die angehefteten Zettel. Dort stehen die Namen der Dozenten, welche der Altersgruppen und welches Sprachniveau sie an diesem Morgen unterrichten sollen. Atmo Dozentenzimmer ... Garret you are safe, ...Gespräche unter den Dozenten ... Autorin: Cora Lee Kluge klopft ihm auf die Schulter. Seit vielen Jahren leitet die Germanistikprofessorin aus Madison die Sprachkurse und Workshops in Wust. Garrett, du bist gerettet, sagt sie und grinst ihn an. Der 21- jährige nickt erleichtert mit dem Kopf. Gerettet sein bedeutet in Wust, dass ein anderer heute Dozent des Tages ist. Zur Erheiterung unsere Englischschüler müssen wir jeden Morgen vor Unterrichtsbeginn einen Sketch aufführen, erklärt Garrett. Dem zurückhaltenden, schmal gewachsenen Mann mit dem Dreitagebart und der eckigen Brille sieht man an, solche Auftritte sind ihm eher unangenehm. Aber in Wust lernt auch er eine neue Seite an sich kennen. O-Ton Garrett: Ja normalerweise bin ich nicht so der Party-Typ. Aber hier muss man sehr flexibel, sehr locker, sehr offen sein. Also wir haben Dozent des Tages jeden Tag, da muss man etwas völlig Albernes machen, also wenn man zu ernst ist, dann geht es nicht... Dann macht es gar keinen Spaß. Atmo Schulhof Autorin: Eine viertel Stunde später stehen 20 Dozenten den 170 jungen und erwachsenen Schülern auf dem Hof gegenüber. Ingeborg Jeuttner ist zum ersten Mal dabei. Sie kommt aus Stuttgart. Ein Zeitungsartikel macht die 59-jährige Stuttgartin neugierig. O-Ton Ingeborg Jeuttner: Also ich finde das sehr wichtig, zum einen die Leute, die her- kommen aus dem Westen, die haben sehr viel Kontakt mit Ein- heimischen, die eben auch hier zur Sommerschule kommen. Man lernt auch gleichzeitig sich selbst durch eine andere Brille zu se- hen. Autorin: Am Fahnenmast vor dem Herrenhaus wehen eine amerikanische, eine britische und eine deutsche Flagge im Wind. Pünktlich um viertel vor Neun beginnt die tagtägliche Einweisung. Germanistikprofessorin Coralee Kluge stellt die Dozenten und ihre Aufgaben des Tages vor. Atmo Wir haben heute ein Programm um eins ist Chor. Und Pam wird etwas darüber sagen, We probaly do some new songs today, so make shure you come. ... Autorin: Nach dem Mittagessen unterrichtet Pam Gesang im Speisezimmer der Grundschule. Shenead übt den Gebrauch von Präpositionen, Robert erklärt englische Relativsätze, Drew bringt einem die Rugbyregeln bei. Und um 16 Uhr dann der Höhepunkt des Tages: Die schottische Frauenband Belle Star gibt in der Gaststätte Schwarzer Adler Unterricht im Ceilidh-Tanz. Die Englischkurse am Vormittag sind Pflicht, das kreative Programm am Nachmittag steht jedem frei. Drew, der Rugbyspieler, hält noch eine Überraschung parat. Ab 18 Uhr gibt es Burger vom Grill. Atmo Klatschen. Alright, go to class, have a good day, and we see all us for dancing, burgers, and a good time Klatschen ... mischen mit Atmo Schulhof mit Kirchenglocke Autorin: Schräg gegenüber des ehemaligen Herrenhauses liegt der alte Korn- speicher. Ein imposantes rotes Backsteingebäude mit eckigen Firsten. Bis zum Mauerfall nutzt die LPG das Gebäude als Speicher, danach steht es leer, beginnt zu verfallen. Die Sommerschule kauft der Treuhand das alte Lager schließlich ab. Saniert es mit EU-Mitteln und dem ehrenamtlichen Engagement der Wuster. Jetzt finden in dem Backsteingebäude die nachmittäglichen Workshops statt. Atmo Treppe zum Kornspeicher hoch laufen Autorin: Im Keller des Kornspeichers lernen die Sommerschüler das perspek- tivische Zeichnen, im zweiten Stock proben die Kammermusiker und unterm Dach zeigt eine Künstlerin am Abend, wie man bunte Mosaike klebt. Der pensionierte Diplomat Reiner Möckelmann steigt die Stufen hoch in den ersten Stock. Seit ein paar Jahren leitet er die Sommerschule - ehrenamtlich versteht sich. Atmo Raum O-Ton Reiner Möckelmann: Das ist also unser Hauptveranstaltungsraum für die Abende und hier sehen Sie rundum 20 Jahre Sommerschule Wust. Autorin: An den Backsteinwänden hängen 20 Pappwände. Darauf sind Fotos und Dokumente gedruckt. Erinnerungen aus 20 Jahren Sommerschule Wust. Alles beginnt mit einem Familientreffen der von Kattes kurz nach dem Mauerfall. Das Wuster Treffen beäugen die Einheimischen anfangs noch skeptisch. Doch die von Kattes wollen keine alten Immobilien zurück, im Gegenteil. Sie wollen den Menschen aus ihrer alten Heimat helfen. Maria von Katte hat schließlich die Idee mit der Sommerschule für englische Sprache - und die richtigen Kontakte. Sie kennt Professoren in Oxford, Cambridge, Harvard, Minnesota und New York. Bis heute sind die Auswahlkriterien hoch. Nicht jeder der es gerne möchte, darf auch in Wust unterrichten. O-Ton Reiner Möckelmann: Angefangen im Gründungsjahr 1990 als man auf die Idee ge- kommen ist, die drei Ladies, hier Maria von Katte, Kay Goodman aus Providence, Harriet Watts, die damals an der FU Berlin war, zu sagen, also hier in diesem Bundesland muss man doch möglichst bald Englisch auf den Stand bringen, um wettbewerbsfähig mit den westlichen Bundesländern sein zu können. Autorin: Der Klassenfeind im Klassenzimmer - die Idee besticht. Gleich für die erste Sommerschule 1991 melden sich fast 400 Schüler aus der Region. Englischlehrer, die in der DDR mit Muttersprachlern nicht in Kontakt kommen konnten. Russischlehrer, die umschulen müssen. Aber auch Ärzte und Juristen wollen die Wuster Schulbank drücken. Die Idee war aber nicht nur, das Englisch der ehemaligen DDR-Bürger zu verbessern, sagt Reiner Möckelmann. O-Ton Reiner Möckelmann: Auch Feindbilder abbauen. Also ich meine USA, England waren ja nicht gerade die Klassenfreunde. Also man hatte Vorstellungen von diesen Ländern und ihren Kulturen, die wie der Erfolg nach 20 Jahren zeigt, sich korrigiert haben. Auch bei Älteren, die fest in das frühere System verwurzelt waren. Und wie die auf einmal er- fahren, was jetzt gerade von Amerikanern offene Demokratie bedeutet. Auch überhaupt die Dinge ausdrücken, wie sie sind. Nech, Offenheit herstellen und dann aber das anpacken. Und nicht sagen, es gibt da Instanzen, sondern wir sind es, die das ändern müssen. Autorin: Inzwischen melden sich Gäste aus ganz Deutschland für die Sommerschule an. Qualität spricht sich eben herum, sagt Möckelmann und lächelt stolz in sich hinein. Die Kosten für die Sommerschule liegen bei 80.000 Euro. Die Kursgebühr beträgt knapp 200 Euro. Wir können trotzdem kostendeckend arbeiten, weil uns das Land Sachsen-Anhalt unterstützt, sagt Reiner Möckelmann. Auch das Dorf verdient ein bisschen mit. Die Gastfamilien erhalten Geld für die Verpflegung. Die Gaststätte Schwarzer Adler macht mehr Umsatz als sonst im Jahr. Atmo Klasse mit Schülern Autorin: Punkt neun Uhr steht Garrett im Klassenzimmer vor einer grünen Tafel. Vor ihm sitzen auf schmalen Stühlen vierzehn Mädchen und Jungen, alle etwa dreizehn Jahre alt. Sie alle besuchen den Englischkurs freiwillig. So wie Jan. Der Gymnasiast ist am Sonntag mit seinen Eltern aus Köln angereist. Jan lernt für die Grundstufe, sein Vater und seine Mutter sitzen im Kurs für Fortgeschrittene. O-Ton Jan: Ja ich bin hier halt um mein Englisch besser zu machen und ein bisschen Spaß zu haben. Nachmittags gehe ich halt zu dem Sportworkshop und zu dem Zeichenworkshop. Bei dem Sportworkshop machen wir so was wie American Football oder Baseball und das macht total viel Spaß. Und beim Zeichnen, da lernen wir halt gerade die Grundregeln. Atmo Morning guys ... Autorin: Garrett, 21 Jahre, sieht mit seinem knabenhaften Gesicht nicht viel älter aus als seine Schüler. Aber alle sitzen still, respektieren ihn, sind gespannt auf das, was heute im Unterricht dran kommt. Atmo So, have you enjoyed the classes so fare? Classes and workshops? O.K. We play this morning I spy ... Atmo Mit Kreide an die Tafel schreiben ... Autorin: Garrett schlägt ein Spiel vor: Ich sehe was, was du nicht siehst. Den ersten Satz schreibt er an die Tafel. Danach formulieren die Schüler ihre eigenen Ich-sehe-was-was-du-nicht-siehst-Sätze auf Englisch. Fast jedes der Kinder macht einen Fehler, Garrett übersieht das ge- flissentlich. Er korrigiert die Kinder nie, stattdessen lobt und ermuntert er sie, frei zu sprechen. O-Ton Garrett: Ich finde, das hilft den Teilnehmern nicht. An der Sommerschule glaube ich, wir sollen Englisch üben, zu sprechen. Und wenn ich jedes Mal, wenn sie einen Fehler machen und ich sie korrigiere, dann kommt man nicht so weit, man kann nicht so viel sprechen. Sie lernen Grammatik und werden korrigiert an der Schule, aber hier es ist eher Übung. Autorin: Und die Übung macht seinen Schülern offensichtlich Spaß. Kaum einer stört den Unterricht oder rutscht unruhig auf seinem Stuhl hin und her. In Nullkommanichts ist die erste Schulstunde vorbei. Janine und Lea sitzen nebeneinander an einem Tisch gleich in der ersten Reihe. Die beiden Freundinnen besuchen die Freie Schule in Neinstedt im Harz. Sie sind zum ersten Mal in Wust und dass sie in ihren Ferien Englisch lernen, finden die beiden 13-jährigen völlig in Ordnung. O-Ton Lea und Janine: Wir lernen auch mehr spielend Englisch als dass wir jetzt hier strikt sagen wir mal acht Stunden hintereinander Englisch lernen ... wir haben auch einen Chor und wenn wir auf Englisch singen, dann lernst du auch die Aussprache. Das macht total Spaß. ... Auch bei den Sportangeboten da haben wir halt englische Trainer und da müssen wir mit denen Englisch reden und das ist auch gut für unser Englisch. Atmo Alright see you guys tomorrow. Bye. Autorin: Garrett verabschiedet sich. Nach einer kurzen Pause geht der Unterricht mit einem anderen Dozenten weiter und nach drei Schulstunden am Vormittag haben Janine und Lea das Pflichtprogramm der Sommerschule absolviert. Danach beginnen die Workshops. Atmo Campingplatz Atmo Ist der Mike hier irgendwo? Maik, kannst du mal vorkommen bitte? ... Autorin: Ernst Christian Kluge stemmt seine Hände in die Hüften. Missbilligend schaut er sich um. Auf dem Rasen des Campingplatzes liegen aufge- rissene Chipstüten, leere Bierflaschen, Kronkorken, benutzte Plastik- teller. Vor dem Mauerfall dient Kluge als Kommandeur eines Panzer- bataillons. Das Militärische kann er sich auch jetzt nicht ganz verkneifen. Der Mann mit der kräftigen Statur und den zupackenden Händen schiebt seine Brust raus, stellt sich breitbeinig hin. Die drei Jungs auf den Campingstühlen nehmen langsam Haltung an. Atmo Ja also passt auf, die Sauerei, die werdet ihr noch so ein bisschen ... ja, ja machen wir. .. aufräumen, O.K.?! Bis 24 Uhr ist das etwas weg. ... Wie jeden A- bend ... wie jeden Abend ... Autorin: Seit 18 Jahren fungiert Ernst Christian Kluge als Sicherheitschef, Kassenwart und Chauffeur der Sommerschule. Er sammelt die Zelt- platzgebühr ein, holt mit seiner sonoren Stimme um sieben Uhr früh die Camper aus ihrem Tiefschlaf, treibt sie anschließend zum Frühstück. Alles ehrenamtlich versteht sich. O-Ton Ernst Christian Kluge: Ich war am Anfang vor 18 Jahren als ich hierher kam, ging mir nun voraus, dass ich sehr militärisch sei. Ich habe gesagt, ich habe 36 Jahre versucht den Frieden zu wahren. Das haben nicht alle geglaubt, aber langsam gewöhnen sie sich dran, dass es vielleicht nicht ganz unwahr ist. Atmo Grillen zirpen Autorin: In diesem Sommer stehen unter den hohen Kiefern 90 Zelte im Halb- schatten. Über 100 Mädchen und Jungen schlafen hier Zelt an Zelt, das bedarf einer gewissen Aufsicht, sagt Kluge ernst: Viele nennen ihn liebevoll Papa-Camping. Auch Maik, der seit fünf Jahren die Sommer- schule besucht. Im nächsten Jahr will er sein Abitur machen. Atmo Was denn Herr Kluge? ... Na biste gerade aufgestanden, armer Kerl. ... Wir haben gelesen ... was denn ... Men´s health. Autorin: Die Gesichtszüge von Ernst Christian Kluge werden plötzlich ganz weich. Anerkennend klopft er Maik auf die Schulter, räuspert sich kurz und sagt dann: Atmo Also das war ne Mordsaktion gestern, ... aber Sie wissen wir stehen hinter Ihnen ... das weiß ich ... Das hat uns selber gestern gestört und von daher... Autorin: Halbstarke aus den benachbarten Dörfer bringen in den Nachtstunden den Campingwart in Bedrängnis. Sie weigern sich, den Zeltplatz zu verlassen, legen sich mit dem 80-jährigen an. Doch es dauerte nicht lange und hinter mir standen plötzlich zwölf Wuster Sommerschüler, sagt Kluge. Als die Halbstarken seine Infanterie sehen, trollen sie sich lieber. Papa-Camping schaut stolz auf seine Schützlinge. O-Ton Ernst Christian Kluge: Das Ah und Oh ist dauernd mit ihnen zusammen zu sein, mit ih- nen zu sprechen, ihnen zu helfen und sie ein bisschen anzuleiten und das gelingt mir bisher noch. Und dazu gehört das menschli- che Miteinander an erster Stelle. Das ist der Geist oder der Spirit von Wust. Atmo Bierflasche öffnen ... Alter ... Autorin: Maik öffnet sich derweil ein Bierchen, prostet Kluge zu. Der findet das ganz in Ordnung, solange sich die Jungs nicht sinnlos betrinken. Maik nickt. Ja, Wust sagt der 18-jährige, ist schon was Besonderes. Morgens Englisch lernen, nachmittags abhängen, zum Yoga oder Baseball gehen und abends gemeinsam am Lagerfeuer sitzen. O-Ton Maik: Det sind bessere Freundschaften als im wahren Leben, weil hier kann man viel freier sein, man kann man selbst sein. Und det ist irgendwie unbeschreiblich, also Wust ist irgendwie auch wie ne Sucht, die eine packt, aber halt ne gute Sucht, dat kann man nicht erklären. Wenn man dann einmal hier war und dann wirklich gute Freunde gefunden hat, denn kann man nicht mehr ohne. Atmo Ist der hier, die Gruppe? ... reingehen in den schwarzen Adler, dann in den Saal zum schottischen Tanz Hallo, hallo ... Stühle rücken, Tische rücken ... Autorin: Im Saal in der Gaststätte Schwarzer Adler beginnt unterdessen ein ungewöhnlicher Workshop. Ceilidh heißt der Tanz, den die Wuster Sommerschüler lernen sollen. Viele sind gekommen: Ina Leutloff mit ihrer Tochter Sophie, Pam und Garrett, die beiden Schülerinnen Lea und Justine, Reiner Möckelmann. Atmo First thing ... Anleitungen zum Ceilidh-Tanz ... and four, two, three and turn and step backwards ... all together ... short introduction ... Musik ... Autorin: Die fünf Musikerinnen aus Schottland führen die Schritte vor. Man tanzt immer paarweise, hakt sich gegenseitig unter, wirbelt den Körper um die eigene Achse, wechselt dann den Partner. Die dünnen Wände fangen an zu vibrieren als die Musikerinnen aus Schottland loslegen. Pam nimmt Garrett an die Hand, Ina Leutloff ihre Tochter. Mancher Schritt geht daneben und landet auf den Füßen des Nachbarn. Maria Neves Spina bleibt lieber sitzen, sie wippt mit ihren Füßen im Takt. Die gebürtige Römerin ist mit einem Deutschen verheiratet, lebt seit vielen Jahren in Hamburg. Den Sommermonat Juli hebt sich das Paar aber nicht für seinen Urlaub in Italien, sondern lieber für Wust auf. O-Ton Maria Neves Spina : Man hat es ja geschafft hier, dass es zwar eine Schule ist, aber es ist auch irgendwie eine Idee. Also man fühlt sich hier gleich unter Gleichen, die soziale Unterschiede verschwinden total, man versteht sich gut, man trifft sich wieder, denn wer hier einmal gewesen ist, der möchte soweit es möglich ist, hier wieder- kommen. Autorin: In Wust, sagt sie, kommt viel Gutes zusammen: die ländliche Idylle, die netten Menschen, interessante Lesungen, hochkarätige Konzerte, Englischunterricht mit Muttersprachlern, kreative Workshops. Langweilig wird es uns hier nie, sagt Maria Neves Spina. O-Ton Maria Neves Spina : Also man hat das Gefühl wirklich irgendwo in einer besseren Welt zu sein. Atmo Musik hochziehen Sprecher: Sie hörten The Spirit of Wust - Wie eine Sommerschule für englische Sprache in Sachsen-Anhalt ihre Schüler verzaubert Eine Reportage von Susanne Arlt 1