COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Weltzeit 06.09.16 Welcome to Denali National Park - Wie Alaska Tourismus und Naturschutz verbindet Von Nicole Markwald ( ARD Los Angeles) Collage Sounds Alaska Davyd Betchkal sitzt in einem vielleicht gerade mal 6 Quadratmeter kleinen Büro. Es ist eng hier: Sein Schreibtisch quillt über: Bücher und Papiere stapeln sich, Kaffee- tassen stehen verdächtig nah an der Tischkante. Kartons mit Kabeln und anderem elektronischen Equipment stapeln sich auf einem Regal. Betchkal lässt seine Comp- utermaus über den Bildschirm gleiten. Darauf zu sehen: unzählige Dateien von Ton- aufnahmen. Auf ihnen sind unter anderem Sterntaucher zu hören, Eisfrösche, Meis- enhäher, Dallschafe oder der Goldwaldsänger, der Sound von Alaska. Anspiel Yellow Warbler Betchkal trägt Holzfällerhemd, Trekkinghose und wetterfeste Wanderschuhe, sein Bart ist lang, dicht und erinnert wohl nicht ohne Grund an den Naturforscher Henry David Thoreau. Er klingt wie jemand,der sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen lässt und man sieht ihm an, dass er sich draussen, in der Natur, am wohlsten fühlt. Beste Voraussetzungen für seinen ungewöhnlichen Job. Er arbeitet als Soundscape engineer im Denali Nationalpark in Alaska. Sein Job ist, sozusagen eine Klangland- schaft der Alaskakette zusammenzutragen. "So really my job has been to describe this natural condition across the entire Alaska range." Dafür haben er und seine Kollegen inzwischen 60 Abhörstationen im Denali National- park aufgebaut, selbst in 4000 Metern Höhe auf dem Berg Denali. Die Stationen lau- fen teilweise mit Sonnenenergie. Es ist ein bemerkenswertes Projekt, der National- park ist so groß wie Sizilien. "Wir sind mit den Stationen in der Lage, einen Monat lang kontinuierlich die Umgebungsgeräusche aufzunehmen, 24 Stunden am Tag. Man kann viel aus diesen Aufnahmen heraushören: wie die Tiere miteinander kommunizieren, wie Geräusche sich in der Umwelt verteilen, woher sie kommen und wohin sie gehen." Da komme natürlich Einiges zusammen, erzählt er: Wasser und Wind, Vögel und andere Tiere und dann noch von Menschen gemachte Geräusche. ... Biological sounds like birds or other wildlife, then you've got human sounds." Und die Natur mache es ihm manchmal ziemlich schwer, erzählt er mit einem Schmunzeln. "Es kann viel schiefgehen. Wir hatten schon Ameisen in unseren Aufnahme- boxen, mal ist alles nach schwerem Regen fast davon gespült worden, Flüsse sind breiter geworden und haben die Böschung unterspült, Solarpanele hingen dann fast im Wasser oder Bären haben versucht, alles auseinander zu neh- men." Mit Hilfe seiner Aufnahmen hat er drei Bärentypen ausgemacht. Bären sind grund- sätzlich sehr neugierige Tiere, erzählt er: "So they're very curious animals, it's funny cause with audio you can study their behavior a little bit and there's the kind that come up and (macht Schnaub Geräusche) breathe into the microphone for a little while and they feel a little stressed out it sounds like." Sie kommen heran und schnuppern ein bisschen am Mikrofon. "Dann gibt es die, die jedes einzelne Teil unserer Aufnahmestation in den Mund nehmen und genau inspizieren. Die letzte Gruppe fühlt sich sofort be- droht und haut die Station platt. Dann unterbricht die Aufnahme, bis wir wieder hinkommen um sie zu reparieren." Auch diese Aufnahme einer Bärenmutter mit ihren Jungen hat Betchkal in seinem Ar- chiv: Aufnahme Bärenmutter Mit von Menschen gemachten Geräuschen meint er hauptsächlich Verkehrslärm. Weniger von Autos, denn hier im Denali Nationalpark gibt es nur eine befestigte Schotterpiste. Sie führt gerade mal 143 Kilometer in den Park hinein. Die viel größere Lärmbelastung geht von Flugzeugen aus, deren Motorengeräusche man bis zu 12 Kilometer weit hören kann, erzählt der studierte Biochemiker. Flugzeuge wie das, was Clay Dillard steuert. OTon 1 Clay - ohne VO "( ) Welcome my name is Clay, I'll be showing you guys around the park today. Right now the weather is best over the Kahiltna, the largest glacier in the park, we'll be able to see the Great Gorge as well up high it's been kind of obscured so I don't know if we'll see the mountaintops or not...yeah, we'll see." Atmo 1 : Flugzeugstart beginnt Atmo 2: Türen werden geschlossen, Gurte klicken, Motor an Clay Dillard und seine Passagiere schnallen sich an. Seit gut sechs Jahren lebt er in Alaska, ist vorher immer wieder gependelt zwischen Alaska und Afrika, wo er unter anderem als Buschpilot für 'Ärzte ohne Grenzen' tätig war. Heute sind die Aussichten gut: Die Sonne scheint, nur ein paar Wölkchen schweben am Himmel. Clay Dillard trägt Sonnenbrille und Schiebemütze, unter der rotblonde Haare hervorgucken. Atmo 3: ab 0'06 "You guys ready, everybody can hear me?" Die Propellermaschine rollt zur Startbahn auf dem kleinen Flughafen in Talkeetna. Das Örtchen östlich vom Denali Park ist bei Touristen beliebt und eine Durchgangs- station für jene, die den Mount Denali besteigen wollen. Rund 1.200 Menschen prob- ieren das pro Jahr gut die Hälfte mit Erfolg. Mit Maschinen wie dieser werden sie zum Basislager auf dem Kahiltna Gletscher gebracht, von dem aus sie den beschwerlich- en Anstieg wagen. Atmo 4 abheben und dann Flugzeug in der Luft Die zweimotorige Twin Otter aus den 50er Jahren hebt sanft ab, und ein Blick aus dem kleinen Fenster macht in Sekunden deutlich, warum es jedes Jahr rund eine halbe Million Menschen in den Park zieht: Bis zum Horizont erstreckt sich sattes Grün: Wiesen, Mischwald - durchbrochen von blauen Tupfern: Kleine Seen und Flüsse reflektieren die Nachmittagssonne. Keine Straße, kein Auto, keine Gebäude sind aus der Luft zu entdecken. Nach ein paar Minuten hat Clay Dillard die mittleren Höhenlagen erreicht. Sie sind am Denali baumfrei. Moose, Gräser und Flechten be- decken den Permafrostboden, die grauen Felsen der Alaskakette verstecken ihre fer- nen Spitzen im Nebel. Auf den größten Star des Nationalparks müssen Pilot Dillard und seine Passagiere deshalb verzichten: der Denali, der mit 6.190 Metern höchste Berg Nordamerikas, hat sich verhüllt. Musik 2: Nakai " Athabascan Song" [bis Ende des Absatzes] Erzähler: "Denali" bedeutet in der Sprache der Ureinwohner Alaskas, der Athabasken-Indianer, "der Hohe" oder "der Große". Und der sich gern rar macht. Nur rund 30 Prozent aller Besucher des Nationalparks bekommen den imposanten Berg mit der Doppelspitze zu Gesicht. Selbst wenn die Sonne scheint, gibt es keine Garantie, dass sich der schneebedeckte Gigant zeigt. Der Denali schafft sein eigenes Wetter und hüllt sich oft in Nebel. Doch wenn er sich mal die Ehre gebe, sei das ein Anblick, der sich ins Gedächtnis brenne, erzählt Lynn McAloon vom National Park Service: Lynn McAloon "Man wartet darauf, endlich einen Blick auf ihn zu werfen, ist voller Vorfreude. Und man fragt Leute, die sich auskennen: Ist er das? Ist er da? Wenn er sich dann wirk- lich zeigt, ist man überrascht: Er ist so viel massiver und größer als alle anderen Berge um ihn herum. Er nimmt die ganze Landschaft ein und das ist atemberau- bend." Atmo 4 Flugzeug Pilot Dillard nimmt Kurs auf die "Great Gorge". Die Schlucht ist gut zwei Kilometer breit. Vom Flugzeug aus wirken die Granit-Felswände gefährlich nah. Hier beginnt der Ruth-Gletscher. Blassblau schimmernde Eismassen wirken wie zwischen die Felsen gespült. Nach gut 45 Minuten landet die Maschine im Schnee auf dem Pika- Gletscher, der den Spitznamen 'Kleine Schweiz' trägt. Noch eine weitere Propeller- maschine parkt im Schnee ansonsten: stille, weiße Weite nur ein paar hundert Kilo- meter vom Polarkreis entfernt. Atmo 5: Tür quietscht/ Gurt anmachen/ Busatmo Doch die meisten Besucher erkunden den DenaliNationalpark nicht aus der Luft, son- dern am Boden. Bereits 1972 entschied die Verwaltung aus Umweltschutzgründen, den Park weitestgehend für Privatfahrzeuge zu sperren. Mit dem eigenen Auto darf man nur bis Meilenpunkt 14 fahren. Wer weiter will, hat drei Optionen: zu Fuß, mit dem Fahrrad oder per ShuttleBus. Atmo 6: Busfahrer erzählt Sommertage in Alaska können wie Herbsttage in Deutschland sein. Es nieselt, fiese Kälte kriecht den Nacken hinab. Schon nach kurzer Fahrt sind die Fensterscheiben des Busses mit unzähligen Schmutzspritzern bedeckt. Wer wilde Tiere sehen will, muss die Scheibe runterziehen und zittern. Die Busse sind altmodisch: mit einer Kur- bel öffnet der Fahrer die Tür, Mini-Ventilatoren sorgen dafür,dass seine Scheibe nicht von innen beschlägt. Atmo 6: Bus "Ah, what do we got going on here?" Der Busfahrer, der passend zu Alaska "Bear", also Bär, heißt, bremst vorsichtig, er hat etwas entdeckt. Busfahrer - ohne VO "Oh hi there we happen to have here the Alaska State bird" Atmo 6 a: Moorschneehuhn Sie sind kaum zu erkennen: eine kleine Gruppe Moorschneehühner pickt am Stra- ßenrand. Der braunweiße Vogel ist das Wappentier Alaskas, rasch ziehen die Pas- sagiere die Busfenster herunter, nur die Kamera-Objektive gucken heraus. Bear warnt davor, den Bus zu verlassen. Hier streifen schließlich nicht nur niedliche Hühn- chen durch die Gegend, sondern auch hungrige Schwarzund Braunbären, Luchse und Wölfe sowie Elche und Karibous. Dave Schirokauer leitet die Abteilung Science and Resources im Park. Dave Schirokauer " Als der Park 1917 eingerichtet wurde, wollten die Gründer, dass diese spek- takuläre Tierwelt für die Ewigkeit geschützt wird. Deshalb kommen die Leute hierher: Wer mit dem Bus in den Park fährt, sieht zu 95 Prozent Grizzlys, Elche, Karibous oder Dallschafe." spektakulär Atmo 7: Dall Sheep Dass es den Park überhaupt gibt, liegt auch an ihnen: Die Dallschafe hatten es Char- les Sheldon besonders angetan. Der reiche Abenteurer und Hobby-Biologe aus Ver- mont hatte ein ganzes Jahr in Alaska verbracht, um die Schafe mit den markanten geschwungenen Hörnern zu beobachten. Mit wachsender Einwohnerzahl wurden immer mehr Tiere gejagt. Sheldon sorgte sich um den Bestand, nicht nur der Schafe, sondern auch der Bären und Elche. Doch ein Schutzgebiet einzurichten, sei ein schwieriges Unterfangen gewesen, erzählt die Parkrangerin Lynn McAloon: Lynn McAloon "Er hat lange gebraucht, zehn Jahre, um die Menschen davon zu überzeugen, dass ein Nationalpark eine gute Idee ist. Es gibt alte Briefe, in der Sheldons Lobbyarbeit nachverfolgen kann. Er hat viel Überzeugungskraft aufbringen müssen, um diese Idee zu verkaufen." Erzähler: Sheldon zog nach Washington D.C. und putzte Klinken im USKongress. Er appellier- te an seine Freunde vom Boon and CrockettClub, einer Jäger- und Naturschützerver- einigung, die 1887 vom späteren Präsidenten Theodore Roosevelt mitgegründet wor- den war. 1867 hatten die Vereinigten Staaten das Gebiet vom russischen Zarenreich erworben. Nur Jäger und Goldsucher zog es zunächst in das unwirtliche Gebiet. Am 26. Februar 1917 lieferte Sheldon höchstpersönlich das Dokument bei Präsident Wo- odrow Wilson zur Unterschrift ab: Der DenaliNationalpark war gegründet als einer der ersten unter der wenige Monate zuvor etablierten Bundesbehörde National Park Ser- vice. Schaf-Geräusch Doch die Lebensumstände für die DallSchafe ändern sich, dem Klimawandel sei Dank. Sträucher und Gestrüpp wachsen in immer höheren Lagen, erzählt Dave Schi- rokauer. Und fügt hinzu: "Die DallSchafe sind sehr sensibel, was den Klimawandel angeht. Sie sind abhängig von einer alpinen Umgebung, sie hassen es, wenn sie nichts sehen können. Wenn jetzt aber Büsche in ihren Lebensraum vordringen, können sie sich dort nicht mehr aufhalten. Sie müssen sehen können, um ihre Jungen aufzuziehen, Nahrung zu finden oder natürliche Feinde zu entdecken. Dass ihr Lebensraum schrumpft, ist ein absolutes Warnzeichen für uns." Kürzlich wurde Schirokauer auf andere Art daran erinnert, dass sich der Park verän- dert. Eine Gruppe Kollegen war im Park unterwegs, um auf einem abgesteckten Feld Pflanzenarten zu zählen. Sie kehrten mit einem erstaunlichen Handyvideo zurück, er- zählt er. "Unter dem Feld ist Dauerfrostboden. Aber durch Waldbrände, mehrere warme Winter und einem wirklich nassen Sommer ist der Dauerfrostboden nach und nach zerfallen. Das Feld kollabierte und rutschte einfach davon. Auf dem Video ist zu sehen, wie große Flächen Vegetation auf einem Fluss aus Schlamm weg- rutschen so etwas haben wir noch nicht gesehen." Die Folgen des Klimawandels sind tiefgreifend und dramatisch, so Schirokauer. "And so the effects of climate change are profound and dramatic." Anspiel Sound Hundeschlitten Noch lässt sich an alten Traditionen festhalten. Bis heute setzt die Parkverwaltung Schlittenhunde ein. Sie seien verlässlicher als jedes Schneemobil, sagt Stony Yan- uchi über die Zugmaschinen auf vier Beinen. Wenn ein Schneemobil kaputt gehe, könne man in den Tiefen des Parks ziemlich schnell in eine lebensbedrohliche Situ- ation geraten. Ein erschöpftes oder krankes Tier dagegen könne ausgesondert werden, die Fahrt gehe trotzdem weiter. Atmo 10 Kennel Show/ Hunde bellen und rennen Stony Yanuchi ist Student und im Gegensatz zu vielen anderen, die man in Alaska trifft, ist er kein Zugezogener, sondern hier geboren und aufgewachsen. Seine Eltern lernten sich kennen, als beide mit den Schlittenhunden des Denali - Nationalparks ar- beiteten. Bereits mit drei stand er das erste Mal auf einem Hundeschlitten, wenige Jahre später kümmerte er sich schon um 30 Huskys. Seine Eltern betrieben eine Hundezucht. Eine Kindheit im eisigen Winter Alaskas. Schulfrei gab es selbst bei minus 50 Grad nicht, erinnert er sich: Stony Yanuchi "We've never had a snow day in my memory. It can get down to 60 below at my school and we've never once had a snow day. School's gonna be open, if you can make it." Die Schule war immer offen: für die, die es schafften, dorthin zu kommen, erzählt Stony. Inzwischen studiert er in Idaho. Der Umzug war für ihn ein Kulturschock: Stony Yanuchi "Hier fahre ich zwei Stunden lang, bis ich die erste Ampel sehe. Der Rest der USA mit den vielen Menschen, den Staus, den vollen Gehwegen und hohen Ge- bäuden, daran musste ich mich erst gewöhnen." Früher hat er viele Wochen in der Wildnis des Nationalparks verbracht - mitten im Winter, am Wonder Lake, fernab jeglicher Zivilisation. Der See, in dem sich an einem klaren Tag das knapp 40 Kilometer entfernte majestätische schneebedeckte Denali- Massiv spiegelt, ist bis heute sein Lieblingsort: Stony Yanuchi "Als meine Familie noch die Hundezucht betrieb, haben wir im Februar und März am Wonder Lake gelebt. Das war die interessanteste Erfahrung in meiner Kindheit. Unsere nächsten Nachbarn waren über 160 Kilometer entfernt. Bei einem medizinischen Notfall hätte der Rettungshubschrauber zwei Stunden zu uns gebraucht. Es ist schön am Wonder Lake im Sommer, wenn so viele and- ere Menschen dort sind. Im Winter ist es dort aber wie in einer anderen Welt." Es geht gerade dann nur noch um das Wesentliche: Obdach zu haben, Nahrung und Wasser. Und das ist vielleicht die Essenz einer Reise in den Denali-Nationalpark, egal ob per Propellermaschine, ShuttleBus oder zu Fuß man kann sich einfach üb- erwältigen lassen, staunen, genießen: ohne Verkehrslärm, Handy-Empfang und Menschenmassen. Und das funktioniert sogar, wenn sich der scheue Denali einfach nicht zeigen will. >>>WolfAufnahme Musik 3: Atz Kilcher feat. Jewel " Alaska: The Last Frontier" bei 1'28 "Sometimes it's blood, sweat and tears on Alaska's last frontier, but life is simple, life is good when you're living like you should ." 7