DEUTSCHLANDFUNK Sendung: Feature Dienstag, 07.07.2009 Redaktion: Marcus Heumann 19.15 - 20.00 Uhr Die Obama-Welle Amerikas neue soziale Bewegung oder: Ernüchterung nach dem Rausch? Von Michael Kleff URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. ? Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - Musik Will I Am - Yes We Can It was a creed written into the founding documents that declared the destiny of a nation. / Yes we can. / It was whispered by slaves and abolitionists as they blazed a trail toward freedom. / Yes we can. / A President who chose the moon as our new frontier; and a King who took us to the mountaintop and pointed the way to the Promised Land. Ansage Die Obama-Welle Amerikas neue soziale Bewegung oder: Ernüchterung nach dem Rausch? Von Michael Kleff Sprecher Zitate Der Irakkrieg ist beendet. Musik Will I Am - Yes We Can Yes we can to justice and equality. Sprecher Zitate Gericht klagt Bush wegen Hochverrats an. Musik Will I Am - Yes We Can Yes we can to opportunity and prosperity. Sprecher Zitate Gesetz zur staatlichen Krankenversicherung verabschiedet. Musik Will I Am - Yes We Can Yes we can heal this nation. Sprecher Zitate Kongress verstaatlicht ExxonMobil, ChevronTexaco und weitere große Ölfirmen. Musik Will I Am - Yes We Can Yes we can repair this world. Sprecher Zitate Studiengebühren an öffentlichen Hochschulen werden abgeschafft. Musik Will I Am - Yes We Can Yes we can. Sprecher Zitate Umstrittenes USA Patriot Act Gesetz zurückgenommen. Sprecherin Mit Schlagzeilen wie diesen erschien nur wenige Tage nach der US-Präsidentschaftswahl im vergangenen November eine gefälschte Ausgabe der New York Times in Millionenauflage. Der Untertitel der auf den 4. Juli 2009 - den Nationalfeiertag der USA - datierten Zeitung lautete: "Alle Nachrichten, die wir zu drucken hoffen". In Anspielung auf das Motto der New York Times: "All the news that fit to print". Verantwortlich für die spektakuläre Aktion: die Aktivistengruppe The Yes Men. O-Ton Mike Bonanno My name is Mike Bonanno. And I am part of a group called The Yes Men Sprecherin Mike Bonanno trat mit den Yes Men erstmals Ende der Neunzigerjahre in Erscheinung, als man mit gefälschten Webseiten Aufmerksamkeit erregte und sich Mitglieder der Gruppe als vorgebliche Vertreter von Wirtschaftsorganisationen zu Konferenzen einladen ließen. Mit der gefälschten New York Times wollte man den frisch gewählten Präsidenten noch vor seinem Amtsantritt an seine Wahlversprechen erinnern. O-Ton Mike Bonanno Übersetzer Einige der in unserer Fälschung angesprochen Dinge sind Wirklichkeit geworden. Wie die Schließung von Guantanamo Bay - zumindest wurde sie angekündigt. Es gibt sogar überraschende Überlegungen - wie die mögliche Verfolgung derjenigen, die sich an Folter beteiligt haben. Das war eine weitere Forderung, die wir erhoben haben. Es gibt aber auch manche Enttäuschung. So kommen praktisch alle Berater von Obama in Wirtschaftsfragen aus der Clinton-Ära und gehören dieser liberalen Maschinerie an. Das macht uns Sorgen. Hier würden wir gerne einige Veränderungen sehen. Vielleicht müssen wir noch eine Zeitung herausgeben. Sprecherin Die zwei Gründer der Yes Men sind beide Hochschullehrer. Mike Bonanno in Troy, einem Vorort von Albany, der Hauptstadt des Bundesstaates New York. Andy Bichlbaum in New York City. Die beiden Aktivisten sind davon überzeugt, dass die Staatsbürger Druck auf die Politik ausüben müssen, um Veränderungen im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung möglich zu machen. O-Ton Mike Bonanno Übersetzer Genau darum ging es ja bei unserer gefälschten New-York-Times-Ausgabe. Auch wenn wir alle Obamas Wahl wollten, so sollte doch deutlich gemacht werden, dass er nicht nur viel Unterstützung, sondern auch großen Druck braucht, um die Dinge anzupacken, die wir von ihm fordern. In einer idealen Welt würden Politiker das machen, was das Volk will. Das ist die Theorie in einer funktionierenden Demokratie. Die Phase der großen wirtschaftlichen Depression ist hierfür ein gutes Beispiel aus unserer Geschichte. So meinte Präsident Roosevelt: Ich bin zwar gewählt. Ihr müsst mich jetzt aber dazu bringen, das zu machen, was ihr fordert. Er wollte ein Mandat. Man musste ihn drängen, damit er zum Beispiel das, was wir an Wohlfahrtsstaat haben, einführte. Die Menschen gingen auf die Straße, um Veränderungen von ihm zu erzwingen. Atmo/Filmauszug The Yes Men It´s quite an honor to be here in Tampere addressing the most outstanding textile workers in the world today. Sprecherin Als Vertreter der Welthandelsorganisation WTO traten die Yes Men vor einigen Jahren mit einer Power-Point-Präsentation vor Textilherstellern im finnischen Tampere auf. Das versammelte Publikum applaudierte, als Andy Bichlbaum alias Hank Hardy Unruh im Interesse der Profitmaximierung für eine totale Überwachung von Arbeitskräften plädierte. "Identitätskorrektur" nennen Bichlbaum und Mike Bonanno ihre Methode, den Vertretern des sogenannten freien Marktes Sand ins Getriebe zu streuen. Wobei das Ganze auch einen hohen Unterhaltungswert aufweist. Die Yes Men als so eine Art Spaßguerilla? Atmo/Filmauszug The Yes Men What we want to do at the WTO is to help you achieve your dollar results. O-Ton Mike Bonanno Übersetzer Wir wollen die Bewegung im Land unterstützen. Als wir anfingen, war es eine Reaktion auf die Globalisierung. Wir protestierten gegen die Welthandelsorganisation WTO - gemeinsam mit tausenden Organisationen und Millionen von Menschen überall in der Welt. Viel von dem, was wir gemacht haben, sollte andere Aktivisten unterhalten. Und gleichzeitig die Botschaft vermitteln, dass es sich bei diesen Einrichtungen nicht um uneinnehmbare Festungen handelt. O-Ton Barack Obama As I prepare to assume the presidency, yours are the voices I will take with me every day when I walk into that Oval Office. Sprecherin Vor fast einer halben Million Menschen versprach der designierte US-Präsident Obama zwei Tage vor seiner Amtseinführung im Rahmen eines Konzerts in Washington, auf die Anliegen seiner Mitbürgerinnen und Mitbürger zu hören. Seinen Erfolg hat Barack Obama auch einer neuen sozialen Bewegung zu verdanken. Millionen freiwillige Helfer und tausende Web-Communitys ebneten seinen Weg ins Weiße Haus. Sie alle wollen ihn jetzt beim Wort nehmen. O-Ton Eli Pariser Hi. I´m Eli Pariser. I am the executive director here at Moveon. Sprecherin Dieser Mann besitzt das wohl größte Adressbuch der Welt. Fast fünf Millionen Namen hat der Leiter von Moveon.org in seiner Datei gespeichert. Die Ende der Neunzigerjahre gegründete Onlineorganisation ist eine von zahlreichen sogenannten "Political Action Committees", die mit Geld, Fernsehspots und E-Mail-Kampagnen versuchen, Wahlen und politische Entscheidungen in Washington in ihrem Interesse zu beeinflussen. Ob Moveon, True Majority oder Common Cause - sie alle verstehen sich als Lobby der einzelnen Wähler und Bürger. Etwas mehr als ein Dutzend Mitarbeiter koordinieren die Aktivitäten von zuhause aus - im ständigen E-Mail-Kontakt zwischen New York, Washington und San Francisco. Dort in der kalifornischen Bay Area wurde Moveon geboren; von den beiden Internetunternehmern Wes Boys und Joan Blades. Per E-Mail protestierten sie 1998 gegen das Verfahren zur Amtsenthebung von Präsident Bill Clinton. Und im vergangenen Jahr trug Moveon mit seinen Aktionen zum Wahlerfolg von Barack Obama bei. Jetzt geht es der wohl mächtigsten Protestorganisation der USA darum, die Politik des neuen Präsidenten zu beeinflussen. O-Ton Eli Pariser Übersetzer Im Normalfall heißt das immer: Du bringst einige wichtige Leute zusammen, die über die nächsten Schritte entscheiden. Bei Moveon läuft das anders ab. Unsere Macht gründet sich auf unsere Mitglieder. Sie s i n d Moveon. Entscheidungen dieser Größenordnung überlassen wir den fünf Millionen Moveon-Mitgliedern. Sprecherin Mehr als 800 000 von ihnen beteiligten sich noch vor Obamas Amtsantritt an einer Onlinebefragung von Moveon.org. Gefragt wurde nach den wichtigsten Aufgaben, denen sich die neue Administration widmen soll. Die Moveon-Mitglieder fordern von Barack Obama an erste Stelle eine Gesundheitsversorgung für alle. Es folgen die Forderungen nach neuen Arbeitsplätzen und nach Maßnahmen zur Überwindung der Finanzkrise sowie nach einer grünen Wirtschaftspolitik und dem Kampf gegen den Klimawandel. Seitdem erhalten die Millionen Moveon-Mitglieder täglich sogenannte E-Mail-Alerts, in denen dazu aufgerufen wird, sich per Mausklick in die politische Diskussion einzumischen. Vor wichtigen Entscheidungen werden sie aufgefordert, ihre Abgeordneten anzurufen und sie zu einem fortschrittlichen Abstimmungsverhalten zu drängen. Natürlich geht es auch um Geld. Atmo Radiospot Moveon Rising health care costs are eating up our economy. We pay the price while the insurance industry scores. But now Americans say it´s time for that game to be over. Call Senator Conrad at 202 224 3121 and tell him reform without a public health insurance option is a game America won´t play. Paid for by Moveon.org Political Action. Not authorized by any candidate or candidate´s committee. Oveon.org is resonsable for the content of this advertisement. Sprecherin In diesen Tagen schaltet Moveon mit den Spenden seiner Mitglieder Radiospots, mit denen öffentlicher Druck auf Demokraten ausgeübt werden soll, die gegen eine Reform des Gesundheitswesens sind. Sprecher Zitate "Es gibt kein rotes republikanisches Amerika, es gibt kein blaues demokratisches Amerika - es gibt nur die Vereinigten Staaten von Amerika." Sprecherin Mit dieser Botschaft gelang es Barack Obama, nach acht frustrierenden Bush-Jahren Millionen von Menschen zu mobilisieren. Im Rausch der Begeisterung über den ersten schwarzen Präsidenten wollte keiner seiner Anhänger in den ersten Tagen offen Kritik üben. Obwohl Obama eigentlich nur eins versprochen hatte: die Probleme des Landes pragmatisch zu lösen. Ganz pragmatisch gingen auch die verschiedenen grassroots organizations, die Graswurzelorganisationen, schon vor dem Amtsantritt des neuen Präsidenten an die Arbeit. So zum Beispiel True Majority, eine überparteiliche Demokratiebewegung, gegründet von den früheren Besitzern der Eiscreme-Kette Ben and Jerry´s. Mit teilweise spektakulären Aktionen hatte man schon gegen die Ermächtigungsgesetze des früheren US-Justizminsters Ashcroft und gegen den Golfkrieg demonstriert. Und nun saß True Majority nach der Wahl bei Sitzungen von Obamas Übergangsteam mit am Tisch. Man habe erfahren, was die Administration plant und man habe seine eigenen Vorschläge eingebracht, sagt Sprecher David Elliot. Wobei bei der ersten Zwischenbilanz nach 100 Tagen im Amt, sich noch kein Urteil über die Politik des Präsidenten fällen lasse. O-Ton David Elliott Übersetzer Alles und nichts hat sich verändert. Vor uns liegt ein möglicher Wandel von historischem Ausmaß. Wir könnten eine umfassende Gesundheitsversorgung bekommen. Einen besseren Zugang für alle im Bildungswesen. Und eine erste Welle von grünen Arbeitsplätzen. Doch noch ist nichts beschlossen. Wir stehen vor einem schweren Kampf. Sprecherin Der ist bereits in vollem Gange. Von den privaten Krankenversicherern über die Agrar- und Energiewirtschaft bis zu den multinationalen Konzernen sind die Lobbyisten in Stellung gegangen, um Obamas Reformprogramm zu torpedieren. Mitte Juni kündigte Tom J. Donohue, der Präsident und Geschäftsführer der US-Handelskammer, an, 100 Millionen Dollar für Aktionen gegen die Reformpläne Obamas auszugeben. Unter dem Motto "Kampagne zur Rettung der freien Wirtschaft" will Donohue die in lokalen Kammern und assoziierten Vereinigungen organisierten drei Millionen Unternehmen mit Blick auf die Kongress- und Senatswahlen im kommenden Jahr mobilisieren. O-Ton-Collage Nachrichtenshows zum Kongress America´s Future Anfang Juni Musik/This ist he progressive event of the summer. It´s called "Take Back America?./We started this when conservatives controlled everything leading the country of the cliff. So we said it´s gotta be a place where progressives gather across the tribes of progressive union members and Moveon members and the hip hop generation and the civil rights activists and the feminists and put a stake in the ground and say this is what we believe and turn this country around./This is a group of liberal activists. 3000 showed up for this particular convention/Everyone who is anyone in left leaning politics seems to be there/Musik Sprecherin Ein Werbespot für die Konferenz "America´s Future Now" Anfang Juni in Washington. Auf Einladung der Organisation Campaign for America´s Future diskutierten 3000 Aktivisten drei Tage lang nicht nur über die Politik des Präsidenten in den ersten fünf Monaten seiner Amtszeit. Den Vertretern der verschiendenen Graswurzelbewegungen und liberaler Zeitschriften sowie Bloggern und progressiven Politikern ging es auch um die Entwicklung von Strategien. Bernie Horn von Campaign for America´s Future formulierte die für alle gleichermaßen entscheidende strategische Frage so: Wie kann man den Präsidenten gegen den Widerstand der Republikaner und konservativer Demokraten unterstützen, ohne dabei zentrale eigene Forderungen aufzugeben? Horn verwies auf Franklin D. Roosevelt. Der habe seine Politik des New Deal zur Bewältigung der Folgen der Großen Depression nach dem Börsencrash von 1929 nicht entwickelt, weil er sich den sozialen Wohlfahrtsstaat auf die Fahnen geschrieben hatte. Vielmehr hätten ihm Berater und eine starke außerparlamentarische Bewegung klar gemacht, dass ein "Weiter so" nicht möglich war. Ähnlich sei es Präsident Lyndon B. Johnson ergangen, den die Bürgerrechtsbewegung zwang, eine entsprechende Gesetzgebung zu unterschreiben. Obama sei in einer ähnlichen Situation. O-Ton Bernie Horn Übersetzer Wir unterstützen fast alle von Obamas Vorhaben. Aber wir glauben, dass er vor den Wall Street Bankern in die Knie gegangen ist. Wir fordern eine Untersuchung der Ursachen der Finanzkrise. Wir glauben, dass dann eine ganze Reihe von Unternehmensakteuren angeklagt würde. Wir sind nicht zufrieden mit dem Zeitplan für den Rückzug aus dem Irak und Afghanistan. Überhaupt geht es uns in vielen Bereichen nicht schnell und auch nicht weit genug. Wir brauchen eine Bewegung links vom Präsidenten, weil er sonst keinen Spielraum hat, außer nach rechts. Wir müssen Obama eine Option im linken Spektrum eröffnen. Dann kann er seinen Gegnern vom rechten Flügel zumindest sagen: Ihr habt Glück, dass ich nicht noch weiter nach links gehe. Sprecherin Unter dem Namen "Rebuild and Renew America Now" fand sich Anfang des Jahres eine Koalition aus 116 nationalen und über 650 auf Bundesstaats- und lokaler Ebene agierenden Gruppen zusammen. 400 Veranstaltungen, mehr als 80 000 Anrufe bei Kongressabgeordneten sowie 9000 Briefe und rund 60 000 E-Mail-Botschaften an Parteiführer wurden von dem Bündnis seitdem organisiert. Einziges Ziel: Einflussnahme auf die entscheidenden Themen wie Gesundheits-, Bildungs- und Umweltpolitik. Gleichzeitig suchte man in Washington den direkten Draht ins Weiße Haus. David Elliot von True Majority. O-Ton David Elliot Übersetzer Wir verfolgen eine Zwei-Wege-Strategie nach innen und nach außen. Wir treffen uns regelmäßig mit Vertretern der Regierung. Unsere Türen stehen ihnen offen - und umgekehrt. Wir kommen wöchentlich auf neutralem Boden zusammen. Ins Weiße Haus wollen sie uns dann doch nicht einladen. Wir sind also im Gespräch. Andererseits müssen wir jedoch auch unseren Mut und unsere Unabhängigkeit bewahren, um sie zu kritisieren, wenn etwas unserer Ansicht nach in die falsche Richtung läuft. Wir werden die Regierung nicht in jedem Fall unterstützen. Wir müssen uns selber und unseren Mitgliedern gegenüber ehrlich bleiben. Sprecherin Angesichts der Machtverhältnisse im US-Kongress und im Senat eine schwierige Aufgabe. Zwar haben die Demokraten seit der Wahl im November sowohl im Repräsentantenhaus als auch im Senat eine deutliche Mehrheit. Aber viele der neuen Politiker, die zuvor republikanisch kontrollierte Wahlkreise eroberten, sind Konservative. Die sogenannten "Blue Dog Democrats" wollen den Einfluss des Staates zurückdrängen. Auch im Senat ist es um progressive Demokraten schlecht bestellt. Zwar kommen sie jetzt auf die notwendigen 60 Stimmen, um eine Gesetzgebung gegen ein Filibuster, jene aufschiebende Obstruktionstaktik der Minderheit durchzusetzen. Aber nur 25 der demokratischen Senatoren nehmen nach europäischen Maßstäben sozialdemokratische Positionen ein. Alle anderen stehen rechts davon. Musik Wilco - Jolly Banker Sprecherin In seinem Buch "Robber Barons" bezeichnete der Historiker Matthew Josephson in den Dreißigerjahren die Senatoren als Repräsentanten ökonomischer Interessengruppen. Wegen seiner finanzkräftigen Mitglieder wurde der Senat damals auch "Millionärsclub" genannt. Was beim Blick auf die finanzielle Situation der heutigen Senatoren immer noch zutreffend erscheint. Gerade wurden die Berichte über den Finanzstatus der einzelnen Senatsmitglieder veröffentlicht. Demnach besitzt fast die Hälfte der Mitglieder des Ausschusses, der im vergangen Jahr den milliardenschweren Rettungsfond für Geldinstitute wie Citibank oder JP Morgan Chase beschloss, bei eben diesen Banken riesige Einlagen. Der renommierte Historiker und Politologe Howard Zinn warnte die fortschrittlichen Kräfte in seinem Land daher schon wenige Wochen nach Obamas Wahl vor den großen wirtschaftlichen Interessen, die wirklichen Reformen im Land im Wege stehen würden. Während die öffentliche Hand Kosten und Risiko trage, bestehe die Rolle des privaten Sektors darin, Profit zu machen und die öffentliche Hand zur Kasse zu bitten, wenn es Probleme gäbe. O-Ton Howard Zinn Übersetzer Unglücklicherweise sind die Demokraten in vielen Bereichen auch abhängig von Interessen der Großindustrie. Man braucht sich nur Obamas Wirtschaftsberater anzuschauen. Das sind Leute von Goldman Sachs. Sie stehen nicht für den Wandel, sondern vertreten die Führung der Demokraten, die nichts ändern will. Sprecherin Der 1970 gegründeten Organisation Common Cause geht es mit ihren über 400 000 Mitgliedern und Untergliederungen in 36 Bundesstaaten vor allem darum, den übermäßigen Einfluss des Geldes auf staatliche Entscheidungen und Wahlen einzuschränken. Der ehemalige demokratische Kongressabgeordnete Bob Edgar war sieben Jahre lang Generalsekretär des Nationalen Rates der christlichen Kirchen in den USA, bevor er 2007 Präsident von Common Cause wurde. Er fühlt sich als eine Art Don Quijote der Bewegung gegen machtvolle Interessengruppen. Die hätten die Legitimation des politischen Prozesses beschädigt. O-Ton Bob Edgar Übersetzer Hier in Washington sind zwei zerstörerische Kräfte am Werk. Geld und Ego. Wohin das führt, haben wir in den vergangenen Jahren erlebt. Viele der Demokraten und Republikaner, die jetzt das große Wort angesichts der wirtschaftlichen Krise führen, haben die Probleme auf dem Immobilienmarkt und mit der Wall Street durch ihre Deregulierungspolitik selber mit verursacht. Das hilft uns jetzt jedoch bei unseren Reformvorschlägen. Können wir doch den direkten Zusammenhang zwischen dem Geld der Lobbyisten und dem Abbau von Regulierungen aufzeigen. ZUM BEISPIEL wenn der Gouverneur von Illinois einen Senatssitz verkaufen will oder wenn Skandale wie die um Abramoff und um Delay vorkommen - dann liefert uns das Anschauungsmaterial dafür, was für einen korrumpierenden Einfluss Geld besitzt. Sprecherin Den neuen sozialen Bewegungen - das unterscheidet sie von der traditionellen europäischen Linken - geht es nicht darum, den herrschenden Staat zu bekämpfen, sondern das egalitäre Versprechen einer amerikanischen Idee umzusetzen, für die Woody Guthries zur Hymne gewordenes Lied "This Land Is Your Land" steht. Dennoch hat das Ausmaß der wirtschaftlichen und politischen Krise dazu geführt, dass innerhalb der einzelnen Gruppierungen nicht mehr gefragt wird, wie sich der Kapitalismus retten lässt, sondern ob er überhaupt gerettet werden soll. O-Ton Bob Edgar Übersetzer Was ich jetzt sage, mag radikal klingen. Aber ich denke, der wirtschaftliche Tsunami im vergangenen September hat neben all seiner Tragik auch sein Gutes. Zum ersten Mal in meinem Leben darf man den Kapitalismus kritisieren. Wir können darüber diskutieren, welches Wirtschaftssystem wir wollen. Eins, das auf Gier und Arroganz aufbaut? Oder eins, das nicht darauf beruht, dass ein Teil der Bevölkerung in der Welt oder auch in unserem Land arbeitslos oder versklavt ist. Wir müssen unsere Wirtschaft von Grund auf neu gestalten, auf der Basis gesunder Prinzipien wie Gleichheit und Gerechtigkeit für alle Menschen. Voraussetzung dafür ist eine Veränderung unserer Denkweise. Das dauert. Es ist jedoch dringend, denn wir haben nicht viel Zeit angesichts der anstehenden Probleme. Musik Iris DeMent - Wasteland Of The Free Sprecherin Obamas Wahlkampf fand auf zwei Ebenen statt. Der offizielle webgestützte Wahlkampf der Demokarten beruhte auf 8000 regionalen oder lokalen Web-Communitys. Sie organisierten 50 000 Veranstaltungen vor Ort und rekrutierten anderthalb Millionen freiwillige Helfer für Haus-zu-Haus- oder Telefonaktionen. Hinzu kamen die Aktivitäten von mehreren Millionen Menschen, die nicht alle Anhänger der traditionellen Parteiendemokratie sind. Viele sind in unzähligen Graswurzelgruppen im Land engagiert - mit einer sich von Obamas Plattform deutlich unterscheidenden, weitaus radikaleren Agenda. Für sie kommt es jetzt darauf an, die während der Wahlkampagne entstandene Energie zu bewahren, sowie erfolgversprechende Politikkonzepte und Organisationsformen zu entwickeln. Natürlich gehöre das Engagement im parlamentarischen System dazu, sagt Max Uhlenbeck vom Vorstand des New Yorker Brecht-Forums. Die Linke lehne die dort üblichen politischen Kompromisse nicht grundsätzlich ab. Aber: O-Ton Max Uhlenbeck Übersetzer Wenn du in der Antikriegsbewegung aktiv bist und den sofortigen Truppenabzug aus dem Irak oder das Ende der von den USA finanzierten Besetzung Palästinas forderst, machen Kompromisse keinen Sinn. Nur so kannst du Themen an die Öffentlichkeit bringen, die sonst nirgendwo ernsthaft diskutiert werden. Um das zu tun, musst du eine klare linke Position einnehmen. Das ist die Voraussetzung dafür, dass sich dann andere für diese Inhalte in der politischen Arena einsetzen. Sprecherin Einen ersten wichtigen strategischen Erfolg ihrer Arbeit verzeichneten die Graswurzelorganisationen bei der Verabschiedung des Haushalts für 2010 im Kongress. Wochenlang fanden fast täglich Telefonkonferenzen statt, bei denen Vertreter der verschiedensten Organisationen im ganzen Land Aktionen absprachen, um wankelmütige Demokraten zur Zustimmung zu bewegen. Zum ersten Mal seien die an der konzertierten Aktion beteiligten Gruppen bereit gewesen, ihr jeweiliges politisches Einzelziel zugunsten des größeren Ganzen hintan zu stellen, sagt David Elliott von True Majority. O-Ton David Elliot Übersetzer Die Umweltschutzgruppen unterstützten die Forderung einer Gesundheitsversorgung für alle. Initiativen gegen die Armut sprachen sich für grüne Arbeitsplätze aus. Verbraucherschutzaktivisten waren für einen besseren Zugang im Bildungswesen. Weil sich die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass sich die Wirtschaft nicht erholen wird, ohne das Gesundheitssystem zu reparieren. Ohne das wiederum können sich kleine Betriebe nicht leisten, in grüne Arbeitsplätze zu investieren. Aber selbst wenn wir die haben, brauchen wir entsprechend ausgebildete Menschen, die sie besetzen können. Wenn man sich also die drei wichtigen Themen anschaut: Gesundheit, Bildung und saubere Energie, ist klar, dass sich keins ohne die beiden jeweils anderen umsetzen lässt. Sie sind miteinander verbunden. Das hat die neue progressive Bewegung erkannt. Deswegen war es möglich, dass die Demokraten in relativer Einmütigkeit den Haushaltsentwurf verabschieden konnten. Sprecherin Trotz des von ihm angekündigten politischen Wandels, ist der neue Präsident in vielen Bereichen weit von den Positionen seiner Unterstützer entfernt: Er tritt für die Todesstrafe und gegen die gleichgeschlechtliche Ehe ein. Er nimmt Unternehmer und Banker gegen Vorwürfe von links in Schutz. Im Wahlkampf versprach er, die Rechtsstaatlichkeit wiederherzustellen, aber wie Bush will er jetzt auch weiterhin mutmaßliche Terroristen in Gefängnissen im Mittleren Osten verhören lassen. Und vor wenigen Wochen sicherte er dem US-Kongress schriftlich zu, dass keine ehemaligen Gefangenen aus Guantanamo in den USA angesiedelt würden - ob schuldig oder nicht. Rick MacArthur, Herausgeber des angesehen Politmagazins Harpers, warf den beim Strategiekongress "America´s Future Now" Versammelten daher vor, sich Obamas Politik schön zu reden. O-Ton Rick MacArthur Übersetzer Ich musste lachen, als ich heute die Presseerklärung der Campaign for America´s Future las. Darin heißt es, dass es darum gehe, die Bemühungen zu koordinieren, um die Obamas fortschrittlichem Programm im Wege stehenden Kräfte zu bekämpfen. Präsident Obama hat kein fortschrittliches Programm. Wenn er eins hätte, dann würde er über eine gesetzliche Krankenversicherung für alle reden. Darüber reden, ein Gesetz aus der Zeit des New Deal wieder in Kraft zu setzen, das kommerzielle und Investmentbanken trennt. Er würde die Truppen aus dem Irak und aus Afghanistan abziehen und mit dem Geld das öffentliche Bildungswesen finanzieren. Sprecherin Rick MacArthur forderte die Vertreter der neuen sozialen Bewegungen auf, dem Präsidenten ihre Unterstützung zu verweigern. Solche Stimmen waren Anfang Juni in Washington jedoch in der Minderheit. Gleich mehrere Demokraten, darunter Barbara Lee aus Kalifornien - die Vorsitzende der Gruppe schwarzer Abgeordneter der Demokraten - und Keith Ellison aus Minnesota - der erste Muslimische Kongressabgeordnete der USA - warben für Unterstützung der Politik des Präsidenten. Wobei Ellison als Vertreter der Progressiven innerhalb der Fraktion der Demokraten die Konferenzteilnehmer ermutigte, sich für weitreichende Forderungen einzusetzen. O-Ton Keith Ellison Übersetzer Einige meiner progressiven Freunde meinen: Keith, wir sind nicht gerade glücklich darüber, dass der Präsident die Schurken der Bush-Regierung nicht verfolgen will. Auch nicht darüber, dass er nichts über die Möglichkeit einer gesetzlichen Krankenversicherung sagt. Oder über einen hundertprozentigen Emissionshandel. Wie steht es um diese Fragen, die uns wichtig sind? Meine Antwort lautet: Wenn die fortschrittliche Bewegung Richard Nixon dazu bringen konnte, aus Vietnam abzuziehen und das Gesetz zur Einrichtung der Bundesumweltbehörde zu unterschreiben - was können wir dann mit d i e s e m Präsidenten erreichen? Atmo Treffen Living Liberally Rudy´s Bar, New York City Out for a night at Rudy´s. So we meet here every Tursday night and we have been for about six years now. And it is totally informal. There is no agenda. There is no question and answer. But people come together. They wanna talk or wanna share liberal politics which each other. ... Sprecherin Rudy´s Bar in Manhattan New York. Ende April. Seit fast sechs Jahren treffen sich dort jede Woche Linke und Liberale, um über Politik zu reden. Die Gruppe um Gründer Justin Krebs nennt sich Living Liberally. Mehrere hundert dieser lose organisierten Graswurzelorganisationen gibt es mittlerweile in den USA. Einige ihrer Mitglieder kamen in den vergangenen Jahren, um ihren Frust über die Bush-Regierung loszuwerden. Viele gehören aber auch zu den Millionen junger Menschen, die Obama während seiner Kampagne dazu gebracht hat, sich zu engagieren - abseits von eingefahrenen Parteiapparaten. Justin Krebs verzeichnet ein unverändert großes Interesse an den Zusammenkünften - wobei die meisten immer noch voller Enthusiasmus über den Präsidenten seien. O-Ton Justin Krebs Übersetzer Wir haben aber auch einige in der Gruppe, die jedes Mal ganz frustriert von den jüngsten Kompromissen sind. Nicht nur die des Präsidenten, sondern auch die des Senats und des Abgeordnetenhauses. Heute Abend wird es wohl um die gerade im Senat gescheiterte Reform der Zwangsvollstreckung gehen. Was uns daran erinnert, dass das Amt des Präsidenten nur einen Teil der politischen Landschaft darstellt. Und dass wir da noch ein wenig liberale Energie brauchen, um das zu erreichen, was wir wollen. Sprecherin Justin Krebs stellt innerhalb seiner Organisation drei Tendenzen fest. Da sind die Mitglieder, für die der Wahlsieg Obamas das Ende ihres Engagements bedeutet. Andere unterstützen den neuen Präsidenten bedingungslos. Zur dritten Gruppe gehören diejenigen, die sich mit nur etwas Wandel nicht zufrieden geben. O-Ton Justin Krebs Übersetzer Zum Beispiel in Bezug auf Arlen Specter. Hier haben wir diesen strahlenden neuen Demokraten, der in Wirklichkeit ein grantiger alter Republikaner ist. Deswegen wird überlegt, wie man bei den nächsten Vorwahlen eigene Kandidaten aufstellt und versucht, so alte Demokraten loszuwerden. Unsere Mitglieder treffen sich also nicht nur in schöner Selbstgenügsamkeit. Hier ist eine richtige politische Energie zu spüren. Musik Bruce Springsteen - 54 Channels (And Nothin´ On) Sprecherin Trotz der Vielzahl von Kanälen - im US-Kabelfernsehen sind mehrere hundert Programme zu empfangen - fällt es schwer, aus dem Informationsschwall über Paris Hilton, die Rekordprofite von ExxonMobil, Carrie Underwood, gefolterte CIA-Häftlinge und die Basketball-Playoffs Wesentliches herauszufischen. Comedy-Programme wie Jon Stewarts Daily Show bieten manchmal mehr Nachrichten als Politik-Stationen wie CNN. Hinzu kommt eine Konsolidierung des Medienmarktes von immensem Ausmaß. Noch vor drei Jahrzehnten bestimmten etwa 50 Unternehmen, was die Menschen in Zeitungen lasen, im Radio hörten oder was sie im Fernsehen angeboten bekamen. Heute ist diese Zahl auf ein sechs bis sieben Megakonzerne gesunken. Im Februar stellte eine der ältesten Zeitungen des Westens, die 150 Jahre alte Rocky Mountain News in Denver ihr Erscheinen ein. Von Schließung bedroht sind der San Francisco Chronicle und der Boston Globe. Der Seattle Post-Intelligencer stoppte im März die Druckmaschinen und erscheint nur noch im Internet. Insgesamt vier Verlage, die 33 Zeitungen besitzen, haben in den vergangenen Monaten Insolvenz angemeldet. Dadurch sind unter anderem Tageszeitungen in Los Angeles, Chicago, Philadelphia und Minneapolis in ihrer Existenz gefährdet. Die New York Times ist schon seit einiger Zeit hoch verschuldet, und zum ersten Mal seit langer Zeit schreibt sogar die Washington Post rote Zahlen. Eine Entwicklung mit verheerenden Folgen für die Qualität der Berichterstattung, sagt Craig Aaron, Sprecher der Organisation Free Press, die sich ebenfalls als Teil der neuen sozialen Bewegungen versteht. O-Ton Craig Aaron Übersetzer Ein Fernsehsender kostet viel Geld, wenn ein Reporter vor Ort alle Aspekte einer Geschichte recherchieren soll. Es gibt durchaus Ausnahmen, wo gute Arbeit geleistet wird. Im Großen und Ganzen wird aber billig produziert, nach dem Motto, er erklärte, sie erklärte. Man bringt einfach ein paar Leute ins Studio, die sich zum Thema des Tages anschreien. Und darüber wird dann 24 Stunden lang geredet. Und dann wundern sie sich, dass sie ihr Publikum bzw. ihre Leserschaft verlieren. Sie meinen, die Menschen seien nicht an Nachrichten interessiert. Ich dagegen behaupte, es liegt daran, dass sie keine Nachrichten bringen. Sprecherin Aaron weist auf einen offensichtlichen Widerspruch hin. Danach steht dem US-Publikum heute zwar mit Fernsehen und Internet eine nie gekannte Mediendichte zur Verfügung, die aber über immer weniger Themen informiert. Im Kampf um das Publikum konzentrieren sie sich vor allem auf Lifestyle, Sex, Verbrechen, Unfälle, Wetter und Sport. Natürlich gebe es Journalisten, die gute Arbeit machen wollten, aber mangels Zeit und Geld keine Gelegenheit hätten. Wenn am Ende alle glauben, dass es nichts wichtigeres gibt als die Frage, welchen Hund der Präsident haben sollte, ob er einen unangemessenen Scherz in einer Talkshow gemacht hat oder ob er mit seiner Familie eine Broadwayshow anschauen darf, dann finden wichtige Themen überhaupt nicht mehr statt. Der Sprecher von Free Press nennt als Beispiel dafür die Berichterstattung über die Vorstellungen der Parteien zur Gesundheitspolitik. O-Ton Craig Aaron Übersetzer Das Thema bereitet den Menschen große Sorge. Und dennoch fand es in der Wahlkampfberichterstattung kaum statt. Warum die Journalisten sich nicht mit der Gesundheitspolitik beschäftigt haben? Das sei zu kompliziert, lautet die Antwort. Die Leute könnten auf den Webseiten der Kandidaten die entsprechenden Programme nachlesen. Aber dazu hat doch kein Normalbürger die Zeit. Der muss doch darauf vertrauen können, dass die Medien das tun und es interessant machen. Sprecherin Der Journalismus verkommt zum reinen News-Marketing. Ziel der meisten Medien ist nicht länger, als "vierte Gewalt" im demokratischen Prozess zu wirken, sondern die reine Gewinnmaximierung. Sie stehen unter der Kontrolle derer, die sie eigentlich kontrollieren sollen. Ihre enge ideologische Bandbreite macht Craig Aaron mitverantwortlich für die heute fehlenden politischen Alternativen in der US-Politik. Daher engagiert sich Free Press für einen seriösen Journalismus, der den Amerikanern die Informationen gibt, die sie zur Verteidigung ihrer Freiheiten brauchen. Wobei das Internet nur bedingt einen Beitrag leistet, als demokratisches Medium zu mehr Vielfalt beizutragen. Laut dem Project for Excellence in Journalism, einem von privaten Spenden finanzierten Team aus Medienexperten, gehören die am häufigsten benutzen Nachrichtenseiten jenen Anbietern, die mit den traditionellen Medienkonzernen verbunden sind. Alle politischen Entscheidungen, die jetzt getroffen werden, bestimmen - so Craig Aaron - nicht nur, wie die Medienlandschaft in den nächsten Jahren aussieht, sondern auch wie sich die Demokratie im Land entwickeln wird. O-Ton Craig Aaron Übersetzer Jeder will sich etwas unterhalten lassen. Da ist ja nichts Falsches dran. Aber wir brauchen nicht nur Unterhaltung. Auch Nachrichten und Hintergrundinformationen sind notwendig. Das ist eine politische Frage. Und zum ersten Mal überhaupt habe ich den Eindruck, dass die Menschen im Umgang beispielsweise mit dem Internet erkennen, dass die Medien selber ein Politikum sind. Ob es um die Umwelt, um die Rechte der Arbeiter und Frauen oder um das Gesundheitswesen geht, die Medienpolitik spielt bei diesen Fragen eine gleich wichtige Rolle. Es hängt davon ab, wie die Medien über diese Themen berichten, ob wir in der Sache weiterkommen oder ob wir im Stillstand verharren und bei den lautstarken Wortgefechten der Parteien bleiben, die unsere Politik in der jüngsten Vergangenheit bestimmt haben. Musik Pete Seeger & Bruce Springsteen - This Land Is Your Land (live vom Konzert "We Are One", 18.1.2009) Sprecherin Barack Obama, seine Frau Michelle und die beiden Töchter Malia und Sasha sangen mit, als zwei Tage vor seinem Amtsantritt vor der monumentalen Kulisse des Lincoln Memorials Pete Seeger und Bruce Springsteen die alternative Hymne der USA anstimmten: Woody Guthries "This Land is Your Land". Die National Mall zwischen dem Weißen Haus und dem Kapitol war eine einzige Jubelmeile. Am Abend nach Obamas Amtseinführung feierte Washington dann ausgelassen auf unzähligen Bällen, Konzerten und Empfängen - ganz so als ob die Nation glaubte, ihre Zukunftsängste auf einmal abschütteln zu können. Gastgeber beim sogenannten Friedensball war der Sänger und Aktivist Harry Belafonte. Er erinnerte an die Festivitäten bei der Einführung von Präsident John F. Kennedy vor 48 Jahren. Auch damals habe Amerika große Hoffnungen für die Zukunft gehabt. O-Ton Harry Belafonte Übersetzer Wir wussten, dass alle, die dem Frieden, der Bürgerrechts- und der Frauenbewegung verpflichtet waren und für eine fortschrittliche Politik eintraten, eine entscheidende Rolle zu spielen hatten. Sie waren die Sachwalter der Wahrheit und der politischen Zukunft Amerikas. John Kennedy war sich des Ausmaßes dieser Verantwortung noch nicht bewusst als er sein Amt antrat. Wir mussten ihn davon überzeugen, dass unsere Anliegen ehrenhaft sowie moralisch und politisch richtig sind. Genau das müssen wir auch bei Barack Obama tun. Wenn er scheitert, dann, weil wir versagt haben. Wenn wir Erfolg haben, dann wird auch er ohne Zweifel erfolgreich sein. Sprecherin Nicht nur in Belafontes Einschätzung sind sich fast alle Vertreter der neuen sozialen Bewegungen einig. Sie sind auch überzeugt, dass gute Ideen nicht im Kongress und auch nur selten auf der Ebene der Bundesstaaten entstehen. Obama selbst verkündete im Wahlkampf immer wieder: "Wandel kommt von unten nach oben - nicht umgekehrt." Darauf setzt jetzt auch David Elliot von True Majority. O-Ton David Elliot Übersetzer Auf lokaler Ebene werden sich Menschen in einem seit den Sechzigerjahren nicht mehr erlebten Ausmaß engagieren. Das ist von historischer Bedeutung und wird Amerika verändern. Die Hoffnung für unsere Demokratie liegt in der Lokalpolitik. Nicht im Kongress. Den hat das Geld korrumpiert. Die Wahl von Obama hat etwas in Bewegung gebracht. Aber nicht wegen Obama selbst. Sondern wegen der Menschen, die ihn unterstützt haben - mit ihren Hoffnungen und in ihrem Streben nach einem Amerika, von dem wir träumen können. Sprecherin Präsident Obama und die sozialen Bewegungen wissen, dass sie voneinander abhängig sind. Das Scheitern des einen, würde das Aus für die anderen bedeuten. Wobei alle Beteiligten wissen, dass nicht viel Zeit bleibt, um das Gesicht Amerikas nachhaltig zu verändern. O-Ton David Elliot Übersetzer Wenn wir jetzt nicht handeln oder die Demokraten sich im Kongress wieder korrumpieren lassen, werden wir eine ganze Generation fortschrittlich engagierter Menschen verlieren. Das ist schon einmal passiert, 1995 nach den ersten beiden Jahren der Clinton-Administration. Dieses Mal müssen wir klüger sein und aus unseren Fehlern lernen. Wenn wir die kommende Generation verlieren, werden sie nicht zu Republikanern werden. Das bestimmt nicht. Sie werden einfach nur aussteigen. Sie werden Politik nicht länger als etwas ansehen, für das zu engagieren sich lohnt. Wenn wir diese Generation verlieren, dann verlieren wir alle Hoffnung. Absage: Die Obama-Welle Amerikas neue soziale Bewegung oder: Ernüchterung nach dem Rausch? Ein Feature von Michael Kleff Sie hörten eine Produktion des Deutschlandfunks 2009. Es sprachen: Nicole Boguth, Bernt Hahn, Frank Meyer, Richard Hucke, Hans-Detlef Hüpgen, Franz Laake, Bert Cöll, Jodokus Krämer und Joachim Aich Ton und Technik: Ernst Hartmann und Petra Pelloth Regie: Axel Scheibchen Redaktion: Marcus Heumann 22