COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Deutschlandrundfahrt Aus Liebe zum Sportschuh - Herzogenaurach in Bayern Von Mandy Schielke Sendung: 21. Januar 2012, 15.05h Ton: Frank Klein Regie: Roswitha Graf Redaktion: Margarete Wohlan Produktion: Deutschlandradio Kultur 2012 Kennmusik Deutschlandrundfahrt Sprecherin: Stellen Sie sich das beste Fußballteam der Welt vor. Wer wäre dabei? Sprecher/Sprecherin: (unterschiedliche Stimmen im Wechsel, vielleicht sogar Fußballkommentatoren gesprochen...): David Beckham, Franz Beckenbauer, Günter Netzer, Messie, Diego Maradonna, Pelè, Mario Gomez, Zenèdine Zedane, Buffon.. 1. MUSIK Titel: Fanfarra Interpret: Sergio Mendes Komponist: Carlinhos Bro Label: Elektra, LC 00192 Sprecherin: Adidas- und Pumahelden. Alle auf einem Platz? Das schaffen Sie nie! Aber da gibt es diesen kleinen Ort in der fränkischen Provinz, der sie alle verbindet. Sprecher von Dienst: Aus Liebe zum Sportschuh Herzogenaurach in Bayern Eine Deutschlandrundfahrt von Mandy Schielke Atmo/Geräusch: Raumschiff landet Sprecherin Wie ein Raumschiff schwebt das Kreativzentrum des Sportartikelherstellers Adidas über einer Anhöhe vor den Toren der fränkischen Kleinstadt. Die futuristische Architektur des spitzwinkligen Gebäudes erweckt diesen Eindruck. Die Fassaden weiß und glatt. Könnte man wie ein Vogel von oben auf das Gebäude blicken, würde man erkennen, dass der Grundriss des Bürokomplexes einem Turnschuh nachempfunden ist. Atmo: In der Halle Sprecherin Im Inneren des Schuhs ist Platz für 2500 Kreative. Designer, Materialforscher und Marketingleute aus über 60 Nationen denken über den Sport der Zukunft und die dazu passenden Outfits nach - gut abgeschirmt vom Rest der Welt. Im hellen Innenhof steht der Chefdesigner der Tennissparte Thomas Weege auf einer gläsernen Brücke. 1. O-Ton Thomas Weege: Alles was wir hier sehen, ist praktisch das Ösenleder des Schuhs. Und die einzelnen Gänge, die dieses Ösenleder wiederum verbinden, sind die Laces, sind die Schnürsenkel. Sprecherin: Laces, Schnürsenkel - so heißt das neue Headquarter auch. Alles ist Englisch im Unternehmen, von der Menükarte in der Cafeteria bis zur Bezeichnung der Besprechungsräume. Deutsche Mitarbeiter, wie der 41-Jährige Thomas Weege, sprechen einen Mix aus deutsch und englisch. Wer einen Termin mit dem Tennis- Designchef vereinbaren will, braucht viel Geduld: Wir prüfen ihre Anfrage. Wir bemühen uns. Ihre Anfrage wird geprüft... Adidas ist eine Weltmarke, ein Kosmos, in den man nicht einfach mal zum Plaudern kommen darf. Schließlich geht es hier um knallharten Wettbewerb, Ideen, Überlegenheit auf dem Weltmarkt. Thomas Weege, groß, schlank, sportlich, gibt sich lässig. Diese Reporterin ist ungefährlich, bedeutet er der PR-Frau, die einen dicken Schal um ihren Hals geschlungen hat und während unserer Begegnung nicht von meiner Seite weicht. 2. O-Ton Thomas Weege: Wir haben schon so oft Kamerateams hier gehabt und ich habe mir gedacht, wer in aller Welt würde jemals verstehen, was zum Beispiel hinter Ihnen auf diesem Board zu sehen ist und könnte es in solche Kanäle bringen, dass es uns schaden würde. Deswegen ist es uns keinesfalls egal, was Sie sehen - wir wissen, dass sie kaum was damit anfangen können. Sprecherin: Auf der Tafel, die der Adidas-Designer meint, sind Quartale der kommenden zwei Jahre markiert. Wortkombinationen, Zahlen, Skizzen. Schnell geht es daran vorbei in ein Großraumatelier: weißer Boden, weiße Tische, viel Licht. Ein White Cube, in dem etwa zehn jugendlich wirkende Designer mit asymmetrischen Haarschnitten auf großen Bildschirmen und Touchboards Turnschuhentwürfe optimieren. 3. O-Ton Thomas Weege: Die kommen aus Finnland, zum Beispiel die Lotta, die ist die Chefin für unsere Textilien, die hat einen Amerikaner im Team, einen Engländer, da ist einer aus Mexiko dabei, wir haben Leute aus Belgien, Frankreich, aus dem asiatischen Bereich. Ich wünschte wir hätten auch mehr Italiener hier, dann hätten wir ein bisschen mehr diesen Ferrari Style. Es ist immens wichtig, dass man unterschiedliche Aspekte da mit reinbringt und ich weiß, dass ein Japaner allein schon durch die Herkunft, durch die Kultur des Landes einfach einen völlig anderen Blick auf Design hat. Sprecherin: Hier wird an einer Marke gefeilt, die weltweit funktionieren muss. 4. O-Ton Thomas Weege: Wir versuchen hauptsächlich den 14 bis 19Jährigen zu adressieren mit unseren Designs aber wir wissen auch, es gibt Kids da draußen für die machen wir Designs und viele Tennisschuhe, die ich bisher designed habe, werden auch von 14- bis 75Jährigen getragen. Es gibt wahnsinnig viele Leute da draußen und logischer Weise ist es dann so, dass durch die vielen verschiedene Designer, die wir hier haben aus den verschiedenen Ländern, ziemlich gut das Ganze abdecken können. Sprecherin: Thomas Weege ist Franke und spielt seit seiner Kindheit selbst Tennis. Federnd läuft er durch seine Unit - seine Abteilung, erzählt, dass er mit der Marke Adidas groß geworden ist. Immer spielte er in diesen Schuhen mit den drei Streifen, wie Tennisstar Ivan Lendl, sein Idol in den 80er Jahren. 5. O-Ton Thomas Weege: Zum Beispiel der Lendl-Schuh, den habe ich damals fotografiert, der wurde 1984 designed und war absolut cool, unfassbar geil im Vergleich zu all den anderen Schuhen, die zu der Zeit draußen waren, der hatte mash - also Textileinsätze und der ganze Auftritt des Schuhs war völlig anders und da hat sich in mir so ein Interesse für Tennisschuhe entwickelt. Sprecherin: Das Interesse wurde zu seinem Beruf. Seit 14 Jahren führt er die Designabteilung für Tennissport bei Adidas. 6. O-Ton Thomas Weege: Als ich von Adidas den Anruf bekommen habe, dass ich den Job habe, war ich der glücklichste Mensch der Welt. War für mich mehr als ein Sechser im Lotto, einfach weil es so ein immenser Imagegewinn war für mich und es hat mir so viel gebracht für die Marke Adidas zu arbeiten, für die Marke, die ich jahrelang vom Tennisplatz kannte. Atmo: Auf dem Adidas Campus Sprecherin: Auf dem Wiesenland, wo Thomas Weege mit seinen Kollegen jetzt über den Sportschuh der Zukunft nachdenkt, war im Kalten Krieg das amerikanische Militär stationiert. 1992 ziehen die letzten Soldaten ab. Eine Fläche so groß wie 30 Fußballfelder steht zum Verkauf. Adidas erwirbt das Gelände sechs Jahre später. Dort soll die "World of Sports" - die Welt des Sports entstehen: ein neues sportliches Stadtquartier vor den Toren Herzogenaurachs - ein kosmopolitischer Ort mitten in der Provinz. Dass sich Adidas gerade diesen Ort für sein Kreativzentrum aussucht, ist dabei gar nicht überraschend. Schließlich liegen die Wurzeln des Sportartikelkonzerns in Herzogenaurach: In einem Fachwerkhaus ganz in der Nähe in der Hirtengasse. Dort wurde Adi Dassler - der Gründer von Adidas vor über 100 Jahren geboren. 2. MUSIK Titel: Rockup Boogie Interpret: People under the stairs Komponist: Ugly Duckling Label: PIAS/Graffiti Records, LC 07800 7. O-Ton German Hacker: Wir sind bekannt durch unsere drei großen Arbeitgeber. Alles Aktiengesellschaften. Der größte Arbeitgeber ist die Schaeffler-Gruppe mit hier am Ort 8500 Mitarbeitern - weltweit 77 000 - ein großer Automobilkomponentenzulieferer. Dann natürlich die beiden, die durch ihre Marken sehr bekannt sind: Die Adidas AG und die Puma SE Sprecherin: German Hacker ist Anfang 40, Radsportfan und Bürgermeister von Herzogenaurach. In seiner holzgetäfelten Amtsstube im Rathaus zieht er sich eine schwarze Funktionsjacke übers Jackett und bricht zum Rundgang durch die Stadt auf. Herzogenaurach ist eine kleine Stadt in der Nähe von Erlangen: 24 000 Einwohner. Ein paar Dutzend Fachwerkhäuser, drei Weltkonzerne, kein Bahnhof. Atmo: In Herzogenaurach Sprecherin: In der Fußgängerzone stehen zwischen zwei uralten Türmen geduckte Häuser. In den Erdgeschossen präsentieren Einzelhändler ihre Waren. Aufgeräumt und gemächlich geht es zu. Der Altersdurchschnitt ist deutlich höher als in der World of Sports und Turnschuhe an den Füßen der Passanten sind eher selten. Dann biegt ein Linienbus um die Ecke, auf dessen Karosse berühmte Sportler abgebildet sind - Adidas und Puma Helden. Eine gemeinsame Werbekampagne der Rivalen, erklärt German Hacker. Er ist in Herzogenaurach aufgewachsen und erzählt, während er in die Würzburger Straße einbiegt, von seinem Großvater. Der war Zahnarzt, sprach gut englisch und soll die Stadt 1945 den Amerikanern übergeben und dafür gesorgt haben, dass die Besetzung der Kleinstadt friedlich ablief. Und dann sagt Hacker, dass täglich 12500 Menschen in die Stadt pendeln. In Herzogenaurach gibt es jede Menge Arbeitsplätze. 8. O-Ton German Hacker: Wir haben im Augenblick im Landkreis Erlangen Höchststadt - dazu gehören wir - eine der niedrigsten Arbeitslosenquoten: 1,9 Prozent: Im Prinzip Vollbeschäftigung. Sprecherin: Seit 1802 gehört Herzogenaurach zu Bayern. Die Bewohner sind trotzdem Franken keine Bayern, sagt German Hacker. 1945 hatte Herzogenaurach 3000 Einwohner und 48 kleine Schuhfabriken. Heute gibt es nur noch Puma und Adidas und keines der Unternehmen fertigt seine Schuhe mehr in Herzogenaurach. Vor einem Zebrastreifen hält ein Reisebus. Rentner mit Regenschirmen haben sich den historischen Stadtkern angesehen und wollen weiter. Viele Touristen sieht man nicht in der Stadt und doch hat Herzogenaurach ein bis zwei Millionen Besucher im Jahr, erklärt der Bürgermeister - Shoppingtouristen, die in die Puma und Adidas Outlets an der Umgehungsstraße kommen und dort Sportartikel kaufen, die 30 Prozent billiger sind als in konventionellen Läden. 9. O-Ton German Hacker: Nichtsdestotrotz freut es uns, dass dann auch Teile dieser Kunden doch noch den Weg in die historische Innenstadt finden. Also es ist tatsächlich so, dass die Menschen wissen, dass die Stadt Herzogenaurach jetzt nicht nur zwei große Outlets beherbergt, sondern die Heimat der beiden Sportartikelfirmen ist. Wir sehen zunehmend Spaziergänger, die sich die historische Kernstadt ansehen und eben auch das Geburtshaus, die Keimzelle von Puma und Adidas - das Familienhaus der Familie Dassler. Atmo: Unterhaltung mit Passantin Sprecherin: Immer wieder grüßt er die Passanten und lächelt. Eine Dame mit Gehwagen erzählt ihm, dass sie auf der Suche nach einem Geschenk für eine Hochzeit ist. Hacker wünscht alles Gute und erzählt, dass seine Stadt eine sportliche Stadt ist, jede Menge Sportvereine hat und zwei in der Gegend berühmte Fußballvereine. 10. O-Ton German Hacker: Die haben ihre erfolgreichsten Zeiten in den Siebziger Jahren gehabt und das lag unter anderem daran, dass sich Puma und Adidas damals einen gewissen Konkurrenzkampf geliefert haben. Die eine Firma hat den einen Fußballverein unterstützt und die andere den anderen. 11. O-Ton German Hacker: Jetzt sind wir von der Würzburger Straße gerade hier abgebogen beim alten Hauptstandort von Puma in die Rudolf Dassler Straße - also benannt nach dem Firmengründer von Puma. Sprecherin: Ein paar Straßen weiter in der Bamberger Straße bleibt Hacker auf dem Kopfsteinpflaster vor einem Stadthaus mit gelbfarbener Fassade stehen. Dort wo jetzt das SPD-Bürgerbüro untergebracht ist, war vor Jahrzehnten eine Bäckerei, die Bäckerei Weiß, in der Adi Dassler eine Bäckerlehre machte bevor er sich entschloss Schuhmacher zu werden. German Hacker träumt davon, dass in Zukunft mehr von den jungen Menschen aus der ganzen Welt, die bei Puma und Adidas arbeiten, in Herzogenaurach leben wollen. Seine Kleinstadt soll großstädtischer werden. 12. O-Ton German Hacker: Wir sind gerade in der Entwicklung eines neuen Baugebietes, das sehr modernen Charakter haben wird. Das wird im Norden der Stadt sein auf dem ehemaligen Golfplatz der Amerikaner. Das soll auch so einen Campus-Charakter erhalten, Geschosswohnungsbau mit kleinen Apartments für jüngere Menschen. Sprecherin: Die Rede ist von der "World of Living" gleich neben der "World of Sports", dem Hauptquartier von Adidas, anderthalb Kilometer entfernt von der Altstadt. Das Gebiet hat auch schon ein eigenes Ortseingangsschild Herzo-Base. 2000 Menschen sollen dort unterkommen. Ein Teil des Wohngebietes existiert bereits. Einfamilienhäuser in Pastell. 13. O-Ton German Hacker: Wann ist eine Großstadt eine Großstadt. Von der Bevölkerungszahl her 100 000 Einwohner aufwärts, das ist nicht zu erreichen. Wir haben 24.000 Einwohner. Wir können unsere Bevölkerungszahl nicht vervierfachen. Das ist utopisch. Aber wo man es eigenlicht spürt, ist an der Bevölkerung. Wie denken die Menschen, wie handeln die Menschen, welche Internationalität spürt man hier? Da bräuchten wir keine World of Living dafür. Das spürt man heute schon. Wenn Sie durch die Straßen gehen, treffen Sie auf Mitarbeiter aus verschiedensten Ländern. Sprecherin: Nürnberg, Fürth, Erlangen. German Hacker sieht sich und seine Stadt im Zentrum einer Metropolenregion. Noch ist für Fremde davon nichts zu spüren. 3. MUSIK Titel: Broken bottles from a star Interpret: Snow Patrol Komponist: Gary Lightbody Label: Polydor, LC 00309 Einspielung: Bern 1954 Sprecherin: 4. Juli 1954. Fußballweltmeisterschaftsfinale. Wankdorf-Stadion Bern. Sepp Herbergers Team spielt in drei Streifen. 15. O-Ton Barbara Smit The 1954 episode really put Adidas on the front pages... Mit der Geschichte von 1954 hat Adidas es auf die Titelseiten geschafft. Sie sorgte für Bestellungen aus der ganzen Welt. Adidas wurde also schon sehr früh ein internationales Unternehmen. Und stellte sich auf entsprechende Dimensionen in der Produktion ein. Expandierte auf anderen Feldern des Sports. Adidas hatte einfach Glück. ...Adidas just got lucky basically Sprecherin: Die Wirtschaftsjournalistin Barbara Smit kennt sich gut aus mit den Sportartikelfirmen in Herzogenaurach. Sie hat ein Buch über sie geschrieben. Titel: Drei Streifen gegen Puma. Einspielung: Bern 1954 (Zitat) Sprecher: An jenem schicksalhaften Tag standen Sepp Herberger und Adi Dassler auf ihrem Balkon im Hotel Belvedere und blickten prüfend in den Himmel. Sie hofften auf Regen, denn Fritz Walter spielte lieber auf schwerem Geläuf. Doch an diesem Morgen trübte kein Wölkchen das Blau. Als die Spieler schließlich zum Stadion fuhren, stellten sie jedoch fest, dass es allmählich anfing, sich einzuregnen. Jetzt griff Adi Dassler in seine Trickkiste. Kurz vor dem Beginn der Weltmeisterschaft hatte er seinem Freund Herberger eine neue Erfindung präsentiert: auswechselbare Stollen, die in verschiedenen Längen zur Verfügung standen. "Adi, stoll auf" ordnete Sepp Herberger an" Einspielung: Bern 1954 "Aus dem Hintergrund müsste Rahn schießen. Rahn schießt. Tor, Tor, Toor, Toor...." 16. O-Ton Helmut Fischer: Ich habe 2006 im Vorfeld der WM nachgewiesen, dass dieses Märchen, Adolf Dassler hat die Schraubstollenschuhe erfunden, gar nicht stimmen konnte, weil wir Monate vorher 1954 bereits den Deutschen Meister Hannover 96 mit Schraubstollenschuhen ausgerüstet hatten. Sprecherin: Helmut Fischer ist 62 Jahre alt, lebt seit seiner Geburt in Herzogenaurach und hat noch nie Adidas-Turnschuhe getragen. Niemals. Er ist Puma-Mann. 4. MUSIK s. 3. Musik Sprecherin: Auf keinen Fall will er so wie Lothar Matthäus klingen, sagt Helmut Fischer. Deshalb fängt er gar nicht erst an Englisch zu lernen - auch wenn er mit dieser Haltung bei Puma ein Exot ist. Fischer kennt Matthäus aus Herzogenaurach. Der Vater des Fußballers war Hausmeister bei Puma, Matthäus später Spieler beim Puma-Verein FC Herzogenaurach. Atmo: Puma Social Lounge um die Mittagszeit/ Mitarbeiter spielen Tischtennis Sprecherin: Nach dem Mittagessen beobachtet Fischer in der Puma Social Lounge, im modernen Hauptgebäude des Unternehmens in Herzogenaurach, zwei schlaksige Kerle in locker sitzenden Jeans beim Tischtennisspielen. Fischer trägt eine Trainingsjacke, ebenfalls Jeans und Puma-Sneakers im Retrolook. Als er anfing die Werbeabeilung bei Puma Ende der 70 Jahre aufzubauen, wäre kein Mitarbeiter auf die Idee gekommen ohne Kragen und Krawatte ins Büro zu kommen, erzählt der drahtige Mann mit Schnauzbart. 17. O-Ton Helmut Fischer: Damals war die Familie Dassler Alleinbesitzer, der Chef zu dem Zeitpunkt, der mich eingestellt hat, war der Armin Dassler, also der Sohn von Rudolf Dassler. Rudolf Dassler kannte ich aus meiner Jugend, weil er ein Freund meines Onkels war. Die Stadt war geteilt, die eine Seite war Adidas, die andere Puma, wer neutral war, hat bei Schaeffler-Werke gearbeitet. So einfach war das. Das hat sich durchgezogen in den Familien, natürlich im Privaten, in den Sportvereinen und sogar in der Politik. Die eine Partei für den, die andere Partei war für den. Und so sind wir dann auch aufgewachsen. Sprecherin: Man war entweder Adidas oder Puma. Die Belegschaften gingen sich aus dem Weg. Kneipen, Bäcker, Wohngegenden - alles war klar zugeordnet. Jeder musste sich entscheiden. Heute hat sich der Streit gelegt. 2009 gab es sogar ein Versöhnungs- Fußballturnier zwischen den Belegschaften. Helmut Fischer klebt auf die Mülltonnen in seiner Einfahrt immer noch einen Puma-Aufkleber. Von Adidas hält er sich fern. 18. O-Ton Helmut Fischer: Es ist ja nicht so, dass wir jetzt hier Friede, Freude, Eierkuchen sind, sondern es ist so, dass es immer noch unser stärkster Konkurrent ist. Atmo: Treppe/ Autotür Sprecherin: Während er mit seinem Auto das kurze Stück Richtung Stadtzentrum braust, erzählt er, dass es in Herzogenaurach eine lange Schuhmachertradition gibt. Auch sein Vater war Schuhmacher - bei Adidas. Heute arbeiten 780 Mitarbeiter bei Puma in Herzogenaurach, 11800 weltweit. Adidas hat den Konkurrenzkampf lange für sich entschieden. Der Umsatz von Adidas ist sechs Mal so groß wie der von Puma. Trotzdem: Wir fischen immer noch im gleichen Haifischbecken, sagt der 62-Jährige. Atmo: In Herzogenaurach/Hirtengasse Sprecherin: Keine zwanzig Minuten später steht der drahtige Franke, den man sich gut als Fußballtrainer auf dem Spielfeld vorstellen kann, in der Hirtengasse, einer engen Kopfsteinpflasterstraße. Vor ihm ein hübsch saniertes Fachwerkhaus mit Fensterläden - ein Pfefferkuchenhaus aus dem Märchenbuch. 19. O-Ton Helmut Fischer: Hier ist das Geburtshaus der Dasslers. Das waren ja drei Söhne. Und der älteste Sohn der Fritz Dassler, der hat dann, nachdem die anderen beiden ausgezogen sind, um den Weltmarkt zu erobern, der hat dann hier Lederhosen produziert. Ein sehr schönes Haus schon immer. An dem Hinterhaus war angebaut solch ein alter Schuppen und das ist die so genannte Waschküche. Sprecherin: In der alles begann, wo Rudolf und Adi die ersten Turnschuhe fertigten. Adi, der introvertierte, sportliche Bruder und Rudolf, ein Frauentyp, sagt Fischer. Heute ist der Holzanbau abgerissen. Das Haus kann man nicht besichtigen. Es gehört Privatleuten, die mit den Dasslers nichts zu tun haben. 20. O-Ton Helmut Fischer: Leider, und das ist auch wieder so ein Merkmal der Dasslers, die ja immer entweder miteinander gestritten oder mit jemand anderes gestritten haben, die waren nicht einmal im Stande zu sagen, wir schützen unser Geburtshaus. So ist das jetzt an ganz fremde Menschen hier verkauft und keiner hat mehr Zugang. Da hätte man wunderschön die Geschichte der Sportartikel - Adidas und Puma zeigen können. Sprecherin: Die Geschichten aus der Vergangenheit liegen dem Puma-Mann nämlich am Herzen. Er will sie bewahren. Und so hat er Anfang der 90er Jahre, als das Unternehmen am Boden lag, die Deutsche Bank bei Puma das Ruder übernommen hatte, jede Menge Fotografien und Erinnerungsstücke in Sicherheit gebracht. 21. O-Ton Helmut Fischer: Ich selbst privat habe eine Garage angemietet, um die alten Sachen zu retten, die einfach vernichtet werden sollten. Alle Bilder von Rudolf Dassler. Alte Schuhe - habe ich alles gerettet in Privatinitiative, weil damals die Deutsche Bank nicht wollte, dass Puma in Verbindung mit Dassler kommt. Sprecherin: Inzwischen sind die jungen Mitarbeiter und der 32-Jährige CEO, Geschäftsführer des Sportartikelherstellers, froh über das, was einst für überflüssigen Ballast gehalten wurde. Erinnerungsstücke, Sportgeschichte zum Anfassen. Turnschuhe berühmter Athleten. Viele Mitarbeiter hängen Helmut Fischer an den Lippen, wenn er von seinen Begegnungen mit Diego Maradonna erzählt oder Pelè, der sich Fußballschuhe mit übergroßer Zunge von seinem Sponsor wünschte, oder von Werbetouren mit dem Teenager Boris Becker und wie es war, als der in den 80er Jahren überraschend das Turnier in Wimbeldon gewann. 22. O-Ton Helmut Fischer: Ganz toll ist natürlich alles, was ich von Boris Becker habe. Ich habe seine Originalschläger von 85, seine Schuhe von 85, von 86, den Schläger von 86... Sprecherin: Der Sportmarketing-Berater schwärmt von der Zeit als Tennis in Deutschland ein populärer Sport war, erzählt davon, dass die Leute damals vor Sportgeschäften Schlange standen, um den Schläger zu kaufen, mit dem Boris Becker in Wimbeldon gewonnen hatte - diesen Schläger, der in Herzogenaurach entworfen wurde. Dann hält er inne und wird nachdenklich. Puma hat sich inzwischen ganz aus dem Tennissport zurückgezogen. Für Helmut Fischer ist das eine bedauerliche Entscheidung. Eine Entscheidung, die heute nicht mehr eine Familie, sondern ein Vorstand trifft. Sein Puma-Leben ordnet er in zwei Abschnitte. Die Dassler Ära und die Zeit danach. 5. MUSIK Titel: PingPong Interpret: Computerjockeys Komponist: Wolfgang Hagedorn Label: Harvest, LC 01305 Sprecherin: Eine neue Generation ist am Ball. Helmut Fischer denkt trotzdem nicht daran aufzuhören. Auch in drei Jahren, wenn er 65 Jahre alt sein wird, will er weiter machen. Einmal Puma. Immer Puma. Seine Tochter hat kürzlich auch im Unternehmen angefangen. 23. O-Ton Helmut Fischer: Ich denke nicht, dass meine Tochter auch 34 Jahre bei einer Firma bleibt. Das ist ja nicht mehr so gefragt. Wenn ich hier die ganzen Jungs anschaue, die nach drei, vier Jahren neue Herausforderungen annehmen. Für mich, muss ich ehrlich sagen, seit 1978 gehe ich jeden Tag richtig gern auf Arbeit und möchte nicht einen Tag missen. 5. MUSIK - wird fortgesetzt 24. O-Ton Barbara Smit: The obsession of Adi Dassler really stands at the beginning of the story. He was the youngest... Adi Dasslers Besessenheit steht am Anfang der Geschichte. Er war der Jüngste von drei Dassler-Brüdern und war wirklich sportverrückt. Das ist schon deshalb interessant, weil Sport damals in den 1920er Jahren gar nicht die Bedeutung hatte, den er heute hat. Adi hatte das Bedürfnis ständig Sport zu treiben. Er rannte, warf Steine, selbst gebastelte Speere, machte Turnübungen im Wald, spielte Eishockey, lief Ski, baute sich dafür eigene Bretter. ...his own skies. Sprecherin: Barbara Smit kennt die Adidas-Geschichte ganz genau. Die gebürtige Holländerin ist Wirtschaftsjournalistin und lebt in Südfrankreich. Kurz vor den Olympischen Sommerspielen in Sydney 2000 schickt ihre Redaktion sie für einen Artikel nach Herzogenaurach. 25. O-Ton Barbara Smit: I remember the first time I was there. That was for an Adidas press conference. I was reporting for an french newspaper... Ich kann mich gut an meinen ersten Besuch in Herzogenaurach erinnern. Ich war dort bei einer Adidas-Pressekonferenz als Reporterin für eine französische Zeitung. Damals wusste ich noch gar nichts von den Dassler-Brüdern und dieser wirklich spannenden Familien- und Firmengeschichte. Ich kam also an, mit dem Taxi. Ich hatte das Gefühl im Nirgendwo gelandet zu sein. Es roch nach Landleben. So abgelegen. Und mittendrin diese riesigen Sportunternehmen. Bizarr. ...it was very bizarr. I am a business journalist. I really enjoy stories. I don't enjoy finance, I really enjoy company stories... Nun, ich bin Wirtschaftsjournalistin und ich mag Geschichten, Unternehmens- geschichten. Ich habe schon einmal ein Buch über eine berühmte Brauerei in Amsterdam geschrieben. Das war spannend. Später habe ich lange nach einem anderen Unternehmen mit einer ebenso packenden persönlichen Geschichte gesucht. Als ich nach Herzogenaurach kam, war mir klar, dass ich hier diese neue Story gefunden hatte. Sofort ging ich in eine Buchhandlung und fragte, ob die Adidas-Geschichte schon aufgeschrieben wurde. Die Verkäuferin entschuldigte sich und sagte, nein solch ein Buch gibt es noch nicht. ...sorry it does not exist. 6. Musik s. 3. Musik Sprecherin: 2005 erscheint ihr Buch unter dem Titel: "Drei Streifen gegen Puma - Zwei verfeindete Brüder und der Kampf um die Weltmarktführerschaft." (Zitat) Sprecher: Im fränkischen Provinznest Herzogenaurach herrscht der Geist der Brüder Adolf und Rudolf Dassler. Aus einem bislang nicht aufgeklärten Streit gingen die Marken Adidas und Puma hervor. Als erbitterte Rivalen führten die ungleichen Brüder ihre Firmen an die Weltspitze und machten die drei Streifen und die Raubkatze zu international bekannten und erfolgreichen Symbolen für sportliche Triumphe. Muhammed Ali, Franz Beckenbauer und Zinèdine Zedane wurden in den drei Streifen zu Sportlegenden. Fußballgott Pelè, Günter Netzer und Boris Becker erlangten mit Puma Weltruhm. Sprecherin: Schon nach dem ersten Weltkrieg fertigen die Dasslers - noch im trauten Einvernehmen - Sportschuhe, damals gezwungenermaßen aus Armeezeltstoff und alten Gummidichtungen. Die Idee dazu kommt ihnen in der Waschküche ihrer Mutter in der Hirtengasse. Rudolf ist das Verkaufstalent, Adi der Tüftler. 26. O-Ton Barbara Smit He invented so many features in Sportshoes... Er hat sich so viele Details für Sportschuhe ausgedacht. Es ist faszinierend wie erfinderisch er war. Aber weil er eben auch selbst jede Menge Sport getrieben hat, wusste er, was man benötigte. Vor allem ging es ihm darum leichte Schuhe herzustellen. Sprecherin: Gemeinsam gründen Rudolf und Adolf 1924 das Unternehmen Gebrüder Dassler. Bei den Olympischen Spielen 1936 holt Jesse Owens in Dassler Schuhen viermal Gold. 27. O-Ton Barbara Smit The business of Gebrüder Dassler expanded fairly rapidly... Das Geschäft der Gebrüder Dassler ist schnell gewachsen - auch deshalb, weil zwischen den Weltkriegen überall in Deutschland viele Sportvereine entstanden sind. Die Machtergreifung der Nazis hatte ebenfalls Einfluss auf das Wachstum des Unternehmens. Schließlich unterstützten die Nazis den Sport sehr. Er gehörte fest in ihr Menschenbild und zu ihrer Politik. Das kam den Dassler-Brüdern natürlich zu Gute. ...certainly really helpful for the Gebrüder Dassler as well. Sprecherin: Charakterlich unterscheiden sich die beiden Brüder sehr, weiß Barbara Smit. Sie hat bei den Recherchen für ihr Buch viele Akten gewälzt und Briefe der beiden gelesen. 28. O-Ton Barbara Smit He did not have the same intense sports interest... Rudolf hat sich nicht so sehr wie sein Bruder für Sport interessiert. Er war ein guter Händler und so hat er sich in der Firma sehr stark im Verkauf engagiert. Grundsätzlich war er ein ganz anderer Mensch als sein Bruder. Adi genoss, so kann man es sagen, den Geruch von Kleber in der Werkstatt, die Arbeit mit Leder. Rudi war aufgeschlossener, ein extrovertierter Typ und deswegen sehr geeignet für die Verkaufsabteilung. ...the salesman job. Sprecherin: Anfangs erweisen sich diese charakterlichen Unterschiede als konstruktiv fürs Geschäft. Doch später sorgen sie mehr und mehr für Konflikte. Hinzu kommt, dass die Ehefrauen der Brüder nicht gut miteinander auskommen, alle aber gemeinsam unter einem Dach im Haus der Eltern in der Hirtengasse wohnen. Der zweite Weltkrieg verschärft den Konflikt. Rudolf wird als Offizier an die Ostfront geschickt, Adi bleibt in Herzogenaurach und kümmert sich um die Fabrik. Das empfindet Rudolf als ungerecht. 29. O-Ton Barbara Smit He was extremly bitter about that. That transpires in the letters that were sent home... Es hat ihn sehr verbittert, was in den Briefen zu lesen war, die er nach Hause nach Herzogenaurach an seine Ehefrau schickte. Kurz vor Kriegsende wurde er dann von amerikanischen Soldaten verhaftet. Ein Jahr lang saß er damals in einem Kriegsgefangenenlager und er hatte eine klare Antwort auf die Frage, wem er diese Verhaftung zu verdanken habe. ...had very set idea who had sent him there. Sprecherin: Er beschuldigt seinen Bruder. Beweise dafür gibt es nicht, sagt Barbara Smit. Aber der Verdacht steht fortan zwischen den Männern. 30. O-Ton Barbara Smit The records show in any case.... Aufzeichnungen zeigen in jedem Fall, dass Adi Dassler wirklich nicht viel Begeisterung für Politik hatte. Er interessierte sich wohl ausschließlich für Sport. Außerdem gibt es Beweise dafür, dass er Verfolgten im Krieg geholfen hat. Er war zwar Mitglied der Hitlerjugend und später auch der NSDAP, aber er hat offenbar nichts getan, was die Nazis aktiv unterstützte. Das wurde später nach dem Krieg während der Entnazifizierungsprozesse deutlich. Damals wurde er nämlich zunächst beschuldigt, aktiver Nazi gewesen zu sein. Schließlich stellte seine Firma auch Utensilien für den Krieg her. Letztlich wurden die Vorwürfe aber fallen gelassen. .. but he was in a way cleared of that. Sprecherin: Und auch bei Rudolf haben sich, ihrer Meinung nach, keine klaren Beweise dafür finden lassen, dass er eine aktive Rolle im Naziregime gespielt hat. Mehrmals desertiert er, weil er nichts mit dem Kriegsdienst zu tun haben will. Nach seiner Entlassung aus dem Gefangenenlager leben alle Dasslers wieder unter einem Dach. Die Stimmung kocht über. Und so zieht Adi mit seiner Frau Käthe und den Kindern aus. 1948 gründen beide Brüder ihr eigenes Unternehmen. Puma und Adidas. 31. O-Ton Barbara Smit One of these things was that they have the three stripes. And that was fantastic... Adidas hatte die drei Streifen und das war einfach fantastisch. Schuster haben zwar immer die Seiten des Schuhs verstärkt aber immer aus dem gleichen Leder wie der Schuh selbst. Man sah sie also nicht. Adidas aber entschied sich für weiße Verstärkungsriemen auf dunkelbraunem oder schwarzem Leder. Das machte den Unterschied. ...this made all the difference. Sprecherin: Drei Streifen gegen eine Raubkatze. Zwei Sportschuhfabriken - dies und jenseits des kleinen Flusses Aurach, der durch Herzogenaurach fließt. 32. O-Ton Barbara Smit There were different periods and different types of competition... Der Wettbewerb hatte unterschiedliche Phasen und Ausprägungen. Aber sicherlich waren die ersten Jahre besonders schwierig, die Brüder konkurrierten um Arbeitskräfte, Wissen, Kontakte in der Geschäftswelt. Das alles musste irgendwie aufgeteilt werden. Auch Sepp Herberger, Fußballer und später Trainer der deutschen Weltmeistermannschaft, gerät in diesen Kampf. Er war für beide Dasslers wichtig, kannte auch beide. Wie entscheidet man sich also? Das war sehr schwierig. ...how do you choose? That was very difficult. Later the fight was about inventions. The story of the Schraubstollen. And later on, in the sixties and seventies there was the intire fight around marketing. Später dann ging es im Konkurrenzkampf um Erfindungen, Patente. Die Geschichte mit den Schraubstollen...bei der Weltmeisterschaft 1954. Und in den Sechzigern und Siebzigern begann die Marketingschlacht. Die Dasslerbrüder buhlten um Athleten und Fußballspieler, die ihre Sportschuhe öffentlichwirksam tragen sollten. Und das war dann oft eine ziemlich bösartige Form der Auseinandersetzung. Schließlich musste alles im Verborgenen stattfinden, denn den Sportlern war es ursprünglich gar nicht gestattet Sponsorengelder anzunehmen. ...considering the fact that these people were not supposed to receive any money. 7. MUSIK Titel: In the end Interpret: Snow Patrol Komponist: Gary Lightbody Label: Polydor, LC 00309 33. O-Ton Thomas Weege: Das Automobil ist interessant, denn es ist so nah am Footware-Design. Es gibt nichts anderes, das näher dran ist - obwohl es etwas anderes ist. Aber wenn man sich ein Auto anschaut im Stand, muss es einfach sofort dynamisch, attraktiv, schnell aussehen und das Gleiche müssen unsere Tennisschuhe auch tun. Sprecherin: Thomas Weege - Chefdesigner für Adidas-Tennissport redet über sein Lieblingsthema. Gerade kümmert er sich um die Herbst/Winter Saison 2013. Wie in der Modebranche arbeitet seine Abteilung bis zu zwei Jahre in der Zukunft. 34. O-Ton Thomas Weege: Was wir hier sehen, sind Zeichnungen für den nächsten Barricade für Damen, wie er im Herbst/Winter 2013 auf den Markt kommen wird. Sprecherin: Ein Damentennisschuh, dessen Weiterentwicklung streng geheim ist. Die Skizzen haben Markierungen und Schraffuren, deren Bedeutung nur die Menschen im Raumschiff verstehen. Dann steckt der 41-Jährige seine Zeichnung rasch zurück in einen Umschlag und lässt ihn in der Schublade verschwinden. Nebenan im Designlabor blicken alle konzentriert auf Bildschirme und fahren mit einem Stift ohne Miene über ein Touchboard aus Kunststoff. 35. O-Ton Thomas Weege: Egal in welche Designabteilung Sie gehen, ob bei Adidas, bei Mercedes oder bei Porsche. Alle arbeiten auf diese Art und Weise. Es ist einfach die schnellste Art und Weise Ideen zu visualisieren. Sprecherin: Sechs bis acht Wochen dauert die erste Designphase, sagt Thomas Weege. Dann wird ein Model gebaut, danach entstehen in den Fabriken in Asien erste Prototypen. Via Internet werden Skizzen und Fotografien einmal um die ganze Welt geschickt. Streng vertraulich. 8. MUSIK Titel: My Adidas Interpret: Run DMC Komponist: Simmons Label: Sony/BMG, LC 13989 36. O-Ton Sara Sikora: Also Run DMC haben damals den Super Star einen Basketballschuh auf der Bühne angezogen zusammen mit den 3-Streifen-Trainingsanzügen. Die fanden das einen coolen Look und so wurde das auch zum Kultobjekt auch für die ganze Hip Hop Szene. Sprecherin: Sara Sikora - Anfang dreißig - kümmert sich bei Adidas um die Öffentlichkeitsarbeit. Sie spaziert über das Adidas-Firmengelände - World of Sports - das an ein Campusgelände einer amerikanischen Eliteuniversität erinnert. Die Menschen, die zum Restaurant laufen oder einfach nur im Freien frische Luft schnappen wollen, sehen jugendlich aus, sportlich und gesund. Das Leben in dem neuen Stadtquartier vor den Toren Herzogenaurachs ist nur für Mitarbeiter und angemeldete Gäste zugänglich und auch der firmeneigene Sportplatz ist für die Fitness der Mitarbeiter vorgesehen, hin und wieder auch für Trainingseinheiten der Athleten, die von Adidas gesponsert werden. Wer auf den Platz will, muss durch ein Drehkreuz und das setzt sich nur mit der entsprechenden Plastikkarte in Bewegung. Atmo: Stadion 37. O-Ton Sara Sikora: Das ist der Adi Dassler Sportplatz, unser firmeneigener Sportplatz, mit Laufbahnen und einem großen Fußballfeld. Und hier sitzt auch der Adi Dassler. Sprecherin: Der Firmengründer als Bronzestatur. In der zweiten Reihe der Zuschauertribüne. Den Oberkörper nach vorn geneigt. Sein Blick wach und aufmerksam. Sara Sikora weiß... 38. O-Ton Sara Sikora: Dass der am liebsten da war, wo die Sportler waren. Deswegen ist er hier und nicht irgendwo in der Eingangshalle oder in den Büros. Das war nicht unbedingt sein Lieblingsplatz an solch einem Schreibtisch und deswegen sitzt er hier und hat auch diesen Schuh in der Hand. Das ist der berühmte Schuh vom Wunder von Bern 1954. Sprecherin: An diesem Wintertag trainiert niemand auf dem Platz. Im Frühling, Sommer und Herbst ist das anders. Sara joggt hier regelmäßig nach ihrem Tag im Büro und danach treffen sich einige befreundete Mitarbeiter oft noch bei "La Bussola", einer Trattoria am Sportflughafen ganz in der Nähe, denn Kneipen oder Cafès, die zum Lebensgefühl in der World of Sports passen würden, gibt es in Herzogenaurach nicht. Deswegen lebt die PR-Mitarbeiterin auch nicht in Herzogenaurach, sondern in Nürnberg. Atmo: In der Cafeteria Sprecherin: Während sich die 30-Jährige PR-Frau beruflich mit der Gegenwart und der Zukunft befasst, beschäftigt sich Ina Heumann bei Adidas mit der Vergangenheit und sorgt dafür, dass die jungen Mitarbeiter im Unternehmen ihren Blick für die Herkunft der Weltmarke schärfen. 39. O-Ton Ina Heumann: The story as told by those who have lived and are living it. Sprecherin: Die Geschichte erzählt von denjenigen, die sie gelebt haben und denjenigen, die sie immer noch leben: steht auf dem schweren Fotoband, der vor Ina Heumann in der Cafeteria des Kreativzentrums liegt. Schwarzer Ledereinband, drei schmale, weiße Streifen. Drei Jahre hat Ina Heumann, die in Herzogenaurach aufgewachsen ist, alte Fotografien geordnet und Interviews mit Sportlerlegenden aus der ganzen Welt organisiert. Sportlern und Sportfunktionären: Dick Fossbury, Zidane, Beckham, Ian Thorp, Beckenbauer. Diese aufwendige Recherchearbeit ist nicht für die Außendarstellung gedacht, sondern nur für unsere Mitarbeiter, sagt die 49-Jährige. Die Interviews, Fotografien und passenden Erfolgsgeschichten dazu sollen die Verbindung der Mitarbeiter mit den Unternehmen - die Corporate Identity - stärken. Ina Heumann fühlt diese Verbindung. Stolz streicht sie über den Buchdeckel. Dann erzählt sie von ihrer Begegnung mit Stan Smith, einem amerikanischen Tennisstar, nach dem ein Adidas-Turnschuh benannt wurde. 40. O-Ton Ina Heumann: Stan Smith, der immer wieder angesprochen wird, wo Kids ihn ansprechen und sagen: Und ich habe gedacht, Sie sind ein Schuh. Weil der Schuh einfach berühmter ist als die Person. Sprecherin: Ihr Arbeitgeber ist für sie wie Puma für Helmut Fischer Teil ihrer Persönlichkeit. 1979 hat sie bei Adidas angefangen, war Assistentin einer Tochter von Adi und Käthe Dassler. Und häufig war sie als junges Mädchen auch in der Dassler Villa in Herzogenaurach, dort wo Käthe Dassler Sportler aus der ganzen Welt bewirtete und wo heute die Personalabteilung von Adidas untergebracht ist. 41. O-Ton Ina Heumann: Wenn Athleten früher hier hergekommen sind, dann wurden sie von der Familie aufgenommen. Adi Dassler hat sich um die Produkte gekümmert, die Familie drum herum hat sich um den Athleten gekümmert. Wenn man an diese Tür geklingelt hat, die große Eichentür und dann wurde sie aufgemacht und dann wurde man gleich mit so einer Herzlichkeit willkommen geheißen - egal wer man ist. Ich war damals 18 Jahre jung. Unwissend war ich da. Aber das war egal. Atmo: Blättern Sprecherin: Gerührt blättert sie durch ihr Baby im Ledereinband. 42. O-Ton Ina Heumann: Die besten Bilder, also da habe ich schon Tränen in den Augen gehabt, das waren Bilder von Adi Dassler, wo er Sport macht. Hier: Da ist der Adi Dassler zu sehen. Sprecherin: Er wirft einen Speer im Wald, trägt eine Turnhose, sein nackter Oberkörper unter Hochspannung. Eine Aufnahme aus den 30er Jahren. Ein kleiner, muskulöser Mann mit Fasson-Haarschnitt. 43. O-Ton Ina Heumann: Und bei uns, in unserem Archiv da hatten wir immer nur ein Bild von Adi Dassler, wie er beim Skispringen war. Aber nur von hinten aufgenommen. Atmo: Blättern 44. O-Ton Ina Heumann: Hier sind Bilder von Adi Dassler beim Skispringen mit dem selbst gemachten Sprungtisch, aus Holz gemacht. Sprecherin: Diese privaten Fotos der Dassler-Familie hat Ina Heumann von Brigitte Baenkler bekommen, einer Tochter von Adi Dassler. Sie ist im vergangenen Jahr gestorben und hat sich, so sagt Ina Heumann, immer für die Versöhnung von Rudi und Adi eingesetzt. Vergeblich. Atmo: Blättern 45. O-Ton Ina Heumann: Das zum Beispiel ist mein Vater. Sprecherin: Schuhmacher bei Adidas. Eine Aufnahme aus der Fabrik in der Bahnhofstraße aus den 50er Jahren. Ein anderes unscharfes Foto zeigt eine Szene bei den olympischen Spielen 1936 in Berlin. 100-Meter-Lauf. Aufgenommen von der Mitte des Stadions aus. Drei Sprinter. Und im Hintergrund das Publikum. Ein mit Kugelschreiber nachträglich gezogener Pfeil zeigt auf einen Kopf ganz vorn im Publikum: Adi Dassler. Turnschuhfabrikant auf Recherchereise. 9. MUSIK s. 3. Musik Sprecherin: Puma und Adidas. Beide Unternehmen sind schon seit zwanzig Jahren nicht mehr in Familienbesitz, sondern Aktiengesellschaften mit Beteiligungen aus aller Welt. Das kreative Zentrum der Weltmarken, die in New York oder Tokio getragen werden, sitzt dennoch immer noch in der Provinz, die - wenn alles klappt - ein wenig großstädtischer werden soll. Man sagt, dass die Reibung in der Großstadt Kreativität freisetzt. In Herzogenaurach sind Designer bislang auch ohne diese Reibung kreativ. Kreativ und erfolgreich. Bleibt die Frage woher die Inspirationen kommen. Thomas Weege lächelt. 46. O-Ton Thomas Weege: Die Klischeeantwort wäre: Ich sitz im Flieger auf dem Weg nach New York und schau mir dort eine Fashion-Show an. Die wirkliche Antwort ist die, dass man als wirklich guter, weltoffener Designer, jede Sekunde seines Lebens mit offenen Augen durch die Straßen läuft, durch die Geschäfte geht, die Zeitungen durchblättert. Man ist konstant inspiriert und nimmt immer die neusten Sachen auf und kreiert sich daraus seine persönlichen Trends. Sprecherin: Thomas Weege lebt 35 Kilometer von Herzogenaurach entfernt, irgendwo am Waldrand. Das Internet verbindet ihn mit der Welt. 47. O-Ton Thomas Weege: Ich muss nicht unbedingt in den Flieger steigen und sechs Stunden lang wohin fliegen, um mich inspirieren zu lassen. Ich steh morgens auf, fahr in die Arbeit und bin schon auf dem Weg zur Arbeit wieder an irgendeinem Rücklicht von dem nächsten BMW 5er hängen geblieben und denke oh wie geil, was passiert da. Wie haben die das gelöst. Sprecherin: Ganz ohne die Energie der Großstadt kann er aber auch nicht arbeiten, sagt der 41- jährige Designer. Es komme hierbei auf die richtige Mischung aus Chaos und Konzentration, aus Anspannung und Entspannung an. Seine Aufnahmefähigkeit und nicht die Fülle an Eindrücken sorge für die Ideen. Shanghai, New York, Miami - Thomas Weege ist sowieso viel unterwegs und froh wenn er in Herzogenaurach ist. Gut abgeschirmt, konzentriert im weißen Raumschiff. 48. O-Ton Thomas Weege: Wir sind so international und ich habe einen ziemlich guten Blick dafür, was momentan so in der Welt los ist. Und daher können wir es uns leisten, hier draußen in Herzogenaurach zu sein, wo die Firma vor vielen, vielen Jahren gegründet wurde und daher ist es nicht notwendig in New York oder LA oder Tokio zu sein. 10. MUSIK s. 8. Musik Kennmusik Deutschlandrundfahrt Sprecher von Dienst: Aus Liebe zum Sportschuh. Herzogenaurach in Bayern. Sie hörten eine Deutschlandrundfahrt von Mandy Schielke. Es sprachen: Nina West und Katharina Koschny Ton: Frank Klein Regie: Roswitha Graf Redaktion: Margarete Wohlan Eine Produktion von Deutschlandradio Kultur 2012 Manuskript und eine Online-Version der Sendung finden Sie im Internet unter dradio.de 1 1