COPYRIGHT Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Let's go green - Wintersport in den USA Eine Sendung für "Nachspiel" (Deutschlandradio Kultur) am 7.12.2008 Autor: Max Böhnel Atmo: knirschender Schnee, Skifahrer Am Jiminy Peak, der höchsten Erhebung des gleichnamigen Skigebiets, herrscht seit zwei Wochen Hochbetrieb - trotz Erderwärmung und Wirtschaftskrise. Denn eine Tageskarte ist erschwinglich: 23 Dollar nach einer Online-Vorbestellung. Pro Fahrzeug gibt´s eine Gratis-Liftkarte extra dazu. Und noch wichtiger: auf den Pisten der Mittelgebirgslandschaft liegt Schnee, Pulverschnee, den die Schneekanonen seit Mitte November über die Abfahrten rieseln lassen. Welcome to Jiminy Peak im nördlichen Massachusetts. Die Mehrzahl der Snowboarder und Skifahrer pilgert aus der Umgebung in das Schneeparadies, aber auch aus Boston, zwei Fahrstunden entfernt, und aus New York. Von dort aus sind es drei Stunden. Es ist billig, es macht Spass, und es gibt keine langen Warteschlangen Atmo: Sessellift Am Berkshire-Express-Sessellift gibt es keine Warteschlangen. Denn sechs Skifans passen bequem auf eine Sitzbank des Hochgeschwindigkeitslifts. Innerhalb weniger Minuten befördert er die Wintersportler 400 Höhenmeter hinauf auf den Jiminy Peak. Der in die weisse Pracht gekleidete Berg befindet sich nur 724 Meter über dem Meeresspiegel. Pisten und Bäume sind bei einer Temperatur knapp unter null Grad weiss eingestäubt. Die Wintersportfans konzentrieren sich nach dem Aussteigen aus dem Lift darauf, ihre Skier und Snowboards zu befestigen, und fahren hinunter. Von einer Winterlandschaft ist dagegen auf den benachbarten Hügeln und in den Tälern keine Spur. Dort herrscht das Braun des Spätherbstes vor. Atmo: Schritte In der Berghütte der Skipatrouille macht sich Mike Noyes zur Inspektion bereit. Es ist seine dritte Abfahrt an diesem Morgen - alles ruhig und sicher bisher, sagt er, noch keine Verletzungen oder Beschwerden. Atmo: Schneeknirschen Nach zwei Minuten Abfahrt und leichten Schwüngen bremst der 59- Jährige an einem Vorsprung und deutet in Richtung Westen auf das Prunkstück des Skigebiets. Es hatte vor zwei Jahren in den ganzen USA Furore gemacht. "Zephyr" heisst die majestätische Windturbine in Anlehnung an den griechischen Gott des Westwindes. Bis auf 130 Meter hoch drehen sich lautlos ihre drei gewaltigen Rotorblätter. Der weiss-graue "Zephyr" ist das Herzstück des Skigebiets. Er deckt inzwischen über ein Drittel des Energiebedarfs von Jiminy Peak ab und ist nicht mehr wegzudenken. Denn die Produktion von Kunstschnee verursacht im Winter die höchsten Energiekosten. Der Skipatrouillenchef Mike Noyes war im Sommer vor zwei Jahren dabei, als die Einzelteile der Turbine, insgesamt 250 Tonnen, mit Spezialfahrzeugen Zentimeter für Zentimeter auf den Berg gebracht und dort zusammengesetzt wurden. Mike Noyes: Als ich mit anpackte, stand der Turm bereits. Ich half mit, die Rotorblätter hinaufzuhieven. Wir hatten zwei Spezialkräne in Stellung gebracht, die die Rotoren abhoben. Ich half am Boden mit, mit Seilen die Balance zu halten. Das war ein tolles Schauspiel. Wenn Mike Noyes von der Windturbine spricht, dann fangen seine Augen an zu leuchten. Das Kraftwerk sorgt mit seiner nachhaltigen Energiegewinnung nicht nur dafür, dass sein Winterarbeitsplatz sicher bleibt, sondern trägt auch zum Umweltschutz bei. Die Turbine ist ein grosser Segen für uns. Die Energie, die aus dem Wind gewonnen wird, geht zum Grossteil in den Kompressor, der Luft in die Röhren zur Beschneiung pumpt, ein Teil auch ins Hotel im Skigebiet und in andere Anlagen hier. Die Vögel werden davon nicht beeinträchtigt, wir haben Rehe, Bären, Moorhühner, Füchse. Ich glaube sogar, dass die Tiere weniger beeinträchtigt werden als früher, weil die Energiegewinnung jetzt nachhaltig ist. Davon profitieren jetzt die Tiere und wir Menschen. Die 1,5-Megawatt-Turbine kann bis zu 2000 PS für die Beschneiungsanlage produzieren. Wenn die Westwinde günstig wehen, dann stellt "Zephyr" übers Jahr gesehen mehr als die Hälfte der Gesamtkilowattstunden her, die Jiminy Peak verbraucht. Das ist etwa so viel Energie, wie 600 Einfamilienhäuser pro Jahr verbrauchen, oder wäre gleichzusetzen mit Benzin, das ein PKW für acht Millionen Kilometer verbrennt. Oder mit der Neupflanzung von 83000 Bäumen. Solche stolzen Nachhaltigkeitsrechnungen stellt jedenfalls die Zeitschrift "Forever Green" an, die Jiminy Peak in Zusammenarbeit mit dem Grosskonzern "General Electric" herausgibt. Der Leiter der Skipatrouille Mike Noyes wird die Turbine über Weihnachten seinen beiden Enkeln zeigen. Ob die beiden Jungs allerdings, wenn sie erwachsen sind, wie er Skifahren werden, weiss Mike Noyes nicht. Er macht auf den Klimawandel aufmerksam. Denn auch Kunstschnee ist aus Wasser gemacht und schmilzt bei Temperaturen knapp unter Null Grad. Klar merken wir die Erderwärmung. Der Klimawandel findet statt, keine Frage. Als wir Kinder waren, hatten wir mehr Schnee hier. Heute haben wir nicht mehr so viele Schneestürme. Und niemand weiss, ob wir den Klimawandel wirklich bremsen können. Kurzfristig stehen wir hier jedenfalls ziemlich gut da, wegen unserem Schneesystem. Diese Woche war es kalt, und wir haben ungefähr 50 Millionen Liter Wasser zu Schnee gemacht. Nach der Wettervorhersage wird es nächste Woche wieder wärmer. Der Schnee oben wird bleiben, aber unten wird es regnen. Mal sehen. Atmo: Skifahrer Jiminy Peak produziert seit 30 Jahren Kunstschnee. Das wissen die Gäste, die im Dezember, Januar und Februar immer öfter auf ihre braunen Vorgärtchen starren, und sich lieber auf den beschneiten Hängen austoben. Die neue Turbine ist ein zusätzlicher Anziehungspunkt für Neugierige und Umweltbewusste, die sich gerade deshalb die Skier zum ersten Mal anschnallen. 14000 Anfänger kamen im vergangenen Jahr zum Jiminy Peak laut Umfragen, und fast alle, weil sie von "Zephyr" gehört hatten und Wintersport betreiben wollten. Unten am Fuss des Jiminy Peak ist der Mann anzutreffen, auf den das Projekt zurückgeht - Brian Fairbank, seit drei Jahrzehnten der Besitzer und Leiter des Skigebiets. In eine Skilatzhose gekleidet, sitzt er hinter seinem Schreibtisch und gibt freimütig zu, dass ihn zunächst ganz andere Probleme als Umweltschutz und Nachhaltigkeit umgetrieben hatten. Anfangs waren wir nicht so altruistisch. Das Projekt ergab sich aus der ganz simplen Kalkulation heraus, dass wir den Laden hätten hinschmeissen müssen, wenn wir keinen alternativen Energieträger gefunden hätten. Denn die Elektrizitätspreise verdoppelten sich im Sommer 2005. Die Windturbine war eine Notlösung. Es war deshalb nur logisch, nicht nur die Glühbirnen auszuwechseln und in energiesparende Schneeraupen zu investieren, sondern auch über eine Windturbine nachzudenken.Bevor wir unser Vorhaben ankündigten, luden wir die örtlichen Grössen ein. Wir schenkten ihnen reinen Kaffee ein. Wir sagten ihnen, wir machen das, um unsere Energiekosten für Schneemachen zu senken. Viele waren nicht begeistert, aber die allgemeine Stimmung war dann doch: die Windturbine sieht nicht toll aus, aber ihr macht das richtig. Brian Fairbank fand eine Bank und staatliche Behörden, die Mittel in das Windkraftwerk zu investieren bereit waren. Fast vier Millionen Dollar kostete das gesamte Vorhaben. Brian Fairbank rechnet vor. Die Windturbine wird in siebeneinhalb Jahren abbezahlt sein. Ich überweise die Monatsrate jetzt eben der Bank und nicht mehr der Elektrizitätsgesellschaft. Und in siebeneinhalb Jahren fallen diese Zahlungen weg. Dann kann ich wahrscheinlich sogar die Preise für die Lifttickets senken. Globale Erderwärmung ist ein Begriff, mit dem sich Fairbank schon auseinandersetzte, bevor er in den USA zum Thema wurde. Auf die globale Erderwärmung bin ich vor vielen Jahren aufmerksam geworden - und das nicht, weil sie hier im nördlichen Massachusetts massiv spürbar geworden wäre. Nein, die Temperaturen haben sich in den letzten 30 Jahren nur um etwa 1,5 Grad Fahrenheit erhöht. Ich habe viel gelesen und mir gedacht, man muss sich auf wärmere Temperaturen vorbereiten, wenn man als Skigebiet überleben will. Das erste Stichwort lautete "Diversifikation", das heisst: im Sommer darf das Skigebiet nicht brachliegen. Einen Teil unserer Einnahmen erwirtschaften wir inzwischen im Sommer über eine Achterbahn und einen Erholungspark für Kinder. Dazu kommen mehrere Dutzend Hochzeitgesellschaften und Konferenzräume für Firmenversammlungen. Über diese Sommerangebote erzielen wir inzwischen ein Viertel unserer Gesamteinnahmen. Die Diversifikation macht es auch möglich, dass Brian Fairbank die Schulden, die ihm die Turbine verursacht hat, früher zurückzahlen kann. Brian Fairbank ist ein Unternehmertyp, der selbst mit anpackt. Seine Angestellten sagen, er habe jede Arbeit, die im Skiressort zu verrichten ist, selbst gemacht. Einer der härtesten Jobs ist die Beschneiung. Draussen frieren bei der Arbeit mit Wasser, Kompressoren und Metallrohren in Minusgraden schon einmal die Finger und die Ohren ein. Was Brian Fairbank aber nicht davon abhält, sich Tag für Tag mit darum zu kümmern. Denn er ist der Beschneiungsexperte, seit 30 Jahren. Es geht darum, sprichwörtlich jede Minute, die das Wetter kalt ist, zur Beschneidung zu nutzen. Wir haben einen neuen Prototyp hier, der bei minus 2 Grad Celsius Schnee macht, bei höheren Temperaturen also. Mehr als 400 Schneekanonen sind auf den 44 Abfahrten von Jiminy Peak in Betrieb. Um Schneemangel auszuschliessen, wird so viel wie möglich, das heisst bei Temperaturen unter minus 2 Grad, auf Halde produziert. Atmo: Zischen einer Schneekanone Die Schneemaschinen, die bis vor 10 Jahren im Einsatz waren, sahen tatsächlich wie am Boden montierte Kanonen aus. Modernere Versionen sind dünne Metallrohre am Rand der Hänge, die die Schneekristalle von oben herab rieseln lassen. Brian Fairbank: Unsere Technologie hat sich total geändert. Um ein Bild zu gebrauchen: wir haben früher 20 Kübel Luft gebraucht, um aus einem Kübel Wasser Schnee zu machen. Heute brauchen wir dazu nur vier Kübel Luft. Das heisst, dass sich die Energieeffizienz innerhalb von 20 Jahren verfünffacht hat. Vor 20 Jahren lohnte sich das Schneemachen erst bei minus 9 Grad und darunter. Heute können wir Schnee bei wärmeren Temperaturen machen und noch dazu ohne chemische Zusätze. Die neue Technologie mischt Wasser und Luft im Freien, nicht in der Schneekanone. Das führt dazu, dass die Wassertröpfchen frieren. Trotzdem gibt es bei der Produktion von Kunstschnee eine natürliche Grenze, der keine auch noch so ausgefeilte Technologie Herr werden kann. Es gibt einen Gefrierpunkt. Wenn die Temperaturen darüber liegen, forget it. Jiminy Peak steht wegen seiner niedrigen Energiekosten, die auf die Windturbine zurückgehen, gut da. Über die nächsten 20 Jahre macht sich Brian Fairbank deshalb keine Sorgen. Aber wie sieht er die Zukunft andere Skigebiete in Nordamerika, die mit den herkömmlichen Methoden operieren? Ich sage nur so viel: viele kleine Skigebiete werden es in 15 bis 20 Jahren sehr, sehr schwer haben. Die Skiindustrie wird schrumpfen. Ich glaube, dass einige Unternehmen dabei hart landen oder sogar abstürzen werden. Musik "What´ll we do when the snow´s all gone?" (Bob Gibson) Wer eine grosse Geldbörse und Zeit zur Anreise hat, begibt sich zum Skifahren in die Rocky Mountains. Normalsterbliche, die etwa in den legendären Wintersportort Aspen reisen wollen, landen in Denver, der Hauptstadt Colorados. Dann dauert es vier weitere Stunden mit dem Leihwagen oder mit dem Bus. Reiche landen mit dem Privatjet direkt im 2400 Meter hoch gelegenen Aspen. Es ist Ende November. Wer die weisse Pracht gesucht hat, kommt dieses Jahr auf seine Kosten. Atmo: Skilift / Menschen Lang sind die Schlangen am Dreifachsessellift in Snowmass nie, denn von den Hightechseilbahnen, die die Skifahrer innerhalb von Minuten fast lautlos und auf beheizten Sitzflächen nach oben bringen, gibt es in dem berühmtesten Wintersportort der USA Dutzende. Die Stimmung ist ausgelassen: bei um die drei Grad Minus Null und Kaffee aus biologischem Anbau, den Angestellte vor dem Anschnallen der Skier gratis einschenken. Mitte November hatte es wie im letzten Jahr nicht gut ausgesehen, als ausgebliebene Schneefälle die Fröhlichkeit trübten. Aber dann schneite es ein paar Tage vor der Eröffnung doch noch. Richtiger Schnee fiel auf den Kunstschnee, den die Aspen Skiing Company in den zurückliegenden Nächten auf die Pisten geblasen hatte. Global warming, Klimawandel? Die Skifahrer und Snowboarder in Aspen sind sich darüber nicht einig. Nein, das betrifft uns hier nicht so. Wenn wir wenig Schnee in der Frühsaison haben, ist es dann in der Hauptsaison umso mehr. Am Novemberende im letzten Jahr zeichneten sich die Berge Aspens durch ein unansehnliches Braun aus, in diesem Jahr hat man Glück gehabt. An solche Schwankungen müssen sich die Wintersportler in Zukunft selbst in Gegenden, die als hundertprozentig schneesicher galten, gewöhnen - und sich entsprechend darauf einstellen. Kein oder weniger Schnee zu Saisonbeginn, eine frühere Schneeschnelze, zwischendrin auf den Pisten immer wieder braune Flecken. Um dem entgegenzuwirken, leistet sich die wohlhabende Aspen Skiing Company einen eigenen Umweltminister, einen "Direktor für Nachhaltigkeit". Der Umweltbeauftragte heisst Auden Schendler. Der Posten wurde aus folgendem Grund eingerichtet, sagt Schendler. Vor mehr als 10 Jahren begann der weitsichtige Chef der Aspen Skiing Company, sich um Umweltfragen zu kümmern. Dafür eröffnete er eine eigene Abteilung. Er stellte öffentlich auftretende linke Umweltschützer wie mich ein und gab uns freie Hand. Er sagte, Ihr wisst am Besten bescheid. Ihr seid die Experten. Andere haben wir nicht. Legt los. Wir waren keine Konzernmenschen. Wir kamen aus Umweltschutz-Bürgerinitiativen, und im Lauf der Jahre haben wir es geschafft, die Skiressorts für das Thema Klimaschutz zu interessieren. Eineinhalb Jahre nach der Einrichtung der Umweltabteilung in Aspen erschütterte ein Terroranschlag im benachbarten Skigebiet Vail die gesamte Industrie. Vail brannte. Der Schaden betrug mehrere Millionen Dollar. Das war wenige Wochen vor der Eröffnung der Wintersaison. Die militanten Umweltschützer der Earth Liberation Front nannten in ihrer Erklärung ausdrücklich die Lebenswelt der Luchse, die durch Rodungen und neue Strassen bedroht seien. Der Terroranschlag führte zu Durchsuchungen, Festnahmen und schliesslich Gefängnisstrafen. Aber er war auch ein Weckruf, sagt Auden Schendler: Die Anschläge öffneten der Skiindustrie die Augen, anders kann man das nicht sagen. Die Bosse hatten richtiggehend Angst. "Die Umweltbewegung hasst uns so sehr, dass sie uns niederbrennen", hiess es, "wir müssen bessere PR machen". Und dann hieß es auch: wir müssen uns um die Umwelt kümmern. Und das zurecht. Denn der Klimawandel bedrohe Aspen und die gesamte Skiindustrie. Für uns ist natürlich die unmittelbare Frage: können wir in 10, 20, 30 Jahren die Saison an Thanksgiving einläuten, oder macht das wirtschaftlich keinen Sinn? Das erste, das in der Industrie erfolgen wird, ist die Verschiebung der Saison nach hinten - ein, zwei Wochen. Doch wo soll der Schnee in Aspen auf lange Sicht herkommen? Wird ihn der reichste Ort der USA - ein Haus kostet durchschnittlich 1,5 Millionen Dollar - importieren oder ganz künstlich herstellen? Auden Schendler sagt dazu: Das ist viel zu teuer. Jetzt, zu Beginn der Saison machen wir Schnee. Aber bei zu hohen Temperaturen ist der Wasser- und Energieverbrauch eine reine Verschwendung von finanziellen Mitteln. Ja, wir müssen Schnee machen, um das Geschäft aufrechtzuerhalten. Aber bei Temperaturen über minus 3 Grad ist, müssen wir die Schneekanonen abschalten. Seit Anfang Dezember ist davon aber keine Rede mehr: Business as usual in Snowmass. Zwei bis zwei Meter fünfzig Schnee, trockender Pulverschnee, der gern als champagne powder bezeichnet wird, und vom Feinsten. Die Rocky Mountains zeigen sich von ihrer besten Seite. Auden Schendler ist selbst begeisterter Skifahrer. Wenn man mit jemand abseits der blau ausgezeichneten Pisten fährt, mit jemand, der sich auskennt, kann man die unglaublichsten Sachen erleben. Erst mal drei Meter in die Tiefe springen und auf einem Samtkissen von Tiefschnee landen, dann eine halbe Stunde unter Pulver bis zum Oberkörper wedeln, und das bei frühlingshaften Temperaturen. Es gibt Dreifach-Diamant-Strecken, Luftsprünge, fantastisch. Am Besten macht man das zusammen mit der ski patrol. Die 23-jährige Schweizerin Natascha Lodurno, die für ein Jahr in Colorado als Aupair arbeitet und ebenfalls begeisterte Skifahrerin ist, vergleicht die Rocky Mountains mit ihrer Heimat. Die Abfahrten in der Schweiz seien länger, weil die Täler tiefer liegen, sagt sie, aber der Pulverschnee in Colorado sei verlässlicher. Der Schnee hier ist ein bisschen schwerer als in der Schweiz. In der Schweiz ist es viel leichter, und wenn es windet, dann windet er schnell weg, und dann hast du wieder die Piste. Aber in Colorado hast Du den Powder immer auf der Piste, weil er schwerer ist, und es gibt über längere Zeit extrem gute Schneekonditionen. Für Mittelschichts-Europäer ist Aspen wegen des niedrigen Dollarkurses einigermassen erschwinglich geworden. Doch die Mehrzahl der Skitouristen in dem Nobelort sind und bleiben betuchte Amerikaner. Ausgebuchte Hotels, auch die in Preisklassen von 1500 Dollar pro Nacht und darüber; jede Minute eine Landung oder ein Abflug eines Privatjets am Flughafen; ein Kulturangebot, das sich am Grosstadtniveau messen lässt - und ein guter Ruf: dass das Geschäft in Aspen nach wie vor brummt, liegt nicht zuletzt an den bekannten Hollywood-Stars und Sternchen, die sich mit ihrem Namen und ihrem Geld des Umweltschutzes angenommen haben. Mit ihrer Hilfe konnte die Aspen Skiing Company den Ort zum "grünsten" Skiressort der Welt ausrufen. Der Umweltschutzbeauftragte Auden Schendler meint: Wir können Aspen als Hebel benutzen, um Politik zu betreiben, das heisst für eine echte Klimapolitik sorgen. Als mächtiges Skiressort, das wie kein anderes jeden Tag in den Medien ist, können wir das Thema Schnee und Klimaerwärmung zum grossen Hammer umschmieden. Wir können uns in den USA und auf der Weltbühne Gehör verschaffen und dabei Aufklärung betreiben, sowohl bei Skifahrern als auch in der Industrie. Damit lässt sich Politik beeinflussen. Die Zahlen sprechen für sich. Denn die globale Erderwärmung wird den amerikanischen Westen schwerer treffen als den Rest der Welt. Die Rocky Mountain Climate Organization legte dazu im März erschütternde Zahlen vor. Die gesamte Region sei in den vergangenen fünf Jahren doppelt so viel wärmer geworden als der Weltdurchschnitt, hiess es. Auden Schendler meint: Hier in Colorado und Utah, den Wiegen der US-Skiindustrie, wärmen sich die Rocky Mountains schneller als der Rest des Landes, teilweise weil wir hoch liegen. Dasselbe passiert in der Arktis. Wir verlieren die weisse Oberfläche, die die Sonne reflektiert. Die Erdoberfläche wärmt sich deshalb eher auf. Wir sind mehr als andere Landesteile bedroht. Es stimmt, dass die Alpen weiter fortgeschritten sind, aber das ist für uns umso mehr ein Grund, darüber nachzudenken und dagegenzuhalten. Denn vielleicht lässt sich der Trend ja doch noch aufhalten und umkehren. Tatsächlich sind Vertreter der Aspen Skiing Company immer wieder nach Washington eingeladen, um vor dem Kongress Gutachten über Klimawandel und Umweltschutz abzugeben. Das Skiresort trug auf diese Weise beispielsweise dazu bei, dass die Bundesumweltschutzbehörde in der amerikanischen Hauptstadt für die Regulierung des Kohlenstoffausstoss verantwortlich gemacht wird. Umweltschutz und Kommerz - das ist im Fall von Aspen kein Gegensatzpaar. Auden Schendler: Bei uns muss laut Statut jede finanzielle Entscheidung auf ihre Umweltverträglichkeit hin untersucht werden. Es geht allen Abteilungen darum, den Klimawandel zu vermarkten, ja, zu verkaufen. Das heisst Aufklärung darüber, wie wir unsere eigenen Emissionen im Ort reduzieren. Bei uns denkt jeder darüber die ganze Zeit nach. Der reichste Ort der USA, wahrscheinlich sogar der Welt, kann sich zurecht auch als eines der grünsten Gemeinwesen bezeichnen. Schon vor 11 Jahren gab es hier den ersten nur mit Windkraft betriebenen Skilift. Die Halfpipe für die Snowboarder ist aus Erde, nicht aus Kunstschnee gemacht. Pistenraupen fahren mit Biodiesel aus altem Speiseöl und Schmierfett der örtlichen Restaurants. Drei Viertel der Elektrizität von Aspen speisen sich aus Windkraft und Solaranlagen, ebenso Hotels und sämtliche Liftanlagen. Für Neubauten müssen die Besitzer in einen regionalen Fonds für erneuerbare Energien einzahlen. Wer ein Hybridauto fährt, parkt kostenlos in der ganzen Stadt. Und natürlich sind gefährdete Spezies wie Schwertfische von den Menükarten der Lokale verbannt worden. Musik "Skiin´ in the morning" (Bob Gibson) 11