COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertet werden. Insbesondere darf es nicht ganz oder teilweise oder in Auszügen abgeschrieben oder in sonstiger Weise vervielfältigt werden. Für Rundfunkzwecke darf das Manuskript nur mit Genehmigung von DeutschlandRadio / Funkhaus Berlin benutzt werden. Länderreport / 10.05.2010 Jeder findet seinen Platz - Multiplexe und kleine Programmkinos in Berlin Autor: Ernst Ludwig von Aster Red.: Claudia Perez Geräusch-take: Heilsarmee Blasmusik aus dem Keller / Straßenbahn Sprecher: Berlin, Prenzlauer Berg. Kastanienallee. Im Keller von Haus Nummer 71 probt die Heilsarmee gottesfürchtig Blasmusik. Draußen rattert die Straßenbahn vorbei. Passanten stapfen fröstelnd durch den Schnee. Geräusch.-take Schritte / Tür / Kino-Foyer Sprecher: Gut hundert Meter weiter, im Haus Nummer 77, steht Elisa mit dicken Moonboots hinter einem kleinen Tresen und verkauft Kinokarten. An der Wand abgeschlagene Kacheln, Halterungen für Fleischerhaken. Daneben Film-Plakate: Godard, Truffaut, Kinski, Ingmar Bergmann ? Werbung für Filmreihen, die hier in den letzten Jahren liefen. Eine Mittvierzigerin kauft zwei Tickets, das Stück für fünf Euro. Sie ist Stammgast: Take 1: Kundin 4.24 Weil es keine Werbung gibt, ich sehe hier Filme, die ich mir auch zuhause angucken würde ... und das ist ganz phantastisch... Sprecher: Seit gut zehn Jahren kommt sie hierher. Ins Lichtblick-Kino. Mit gerade mal 32 Plätzen eines der kleinsten Filmhäuser der Stadt. Vor 13 Jahren eröffnet in einer ehemaligen Fleischerei. Take 2: Kundin 5.17 In solchen Momenten, wo David Lynch als Name erscheint, Ken Loach gehört unbedingt dazu, Werner Herzog gehört für mich auch dazu, also wirklich Leute, die großes Kino gemacht haben. Sprecher: Großes Programm im kleinen Kino. Zur Zeit läuft eine Michelangelo Antonioni- Filmreihe, stehen unter anderem "Zabriskie Point" und "Blow up" auf dem Programm. Immer im Wechsel mit Woody-Allen-Werken, "Manhattan" etwa, oder "Whatever works"... Geräusch-take Kino-Filmusik: Whatever works Take 3: Frehse 3.46 Wir haben das selber ausgebaut mit vielen Leuten zusammen und sehr viel handwerklichem Aufwand haben auch eine ganze Menge bei gelernt. Und konnten dann auch selber gestalten, wie es später aussieht. Sprecher: Erinnert sich Torsten Frehse, einer der Mitbegründer des Lichtblick-Kinos. Von der Fleischerei zur festen Filmadresse ? das war vor dreizehn Jahren die Idee eines Kino-Kollektivs, das bis heute zusammenarbeitet. Mittlerweile sind noch zwei Kinos hinzugekommen. Und ein unabhängiger Filmverleih... Geräusch-take: Fabriketage: Sprecher: Torsten Frehse eilt durch eine große Fabriketage in einem Berliner Hinterhof. Vorbei an wackeligen Metallregalen in denen sich Filmbücher und Zeitschriften stapeln. Die alten Holzdielen knarzen... Take 4: Frehse 0.13 0.05 Hier sitzen alle, auch von verschiedenen Firmen, von einer Filmpresseagentur bis zum Filmverleih bis zum DVD-Label good movies, als auch die Kinos.... Sprecher: Hier wird auch das Lichtblick-Programm entworfen. Eine Handvoll Filmfreunde arbeitet vor Flachbildschirmen, Kaffeemaschinen dampfen. Von der Wand blickt visionär der tragische Filmheld aus dem Irland-Epos "The winds that shakes the barley". Dem Ken-Loach-Film über den Kampf um die irische Unabhängigkeit.. Take 5: Frehse 0.17 2.21 das hing am Filmtheater in Friedrichshain als großes gemaltes Plakat, eins davon wollten wir gerne auch mal behalten. Aber meistens darf man die danach nicht behalten, weil die noch mal übermalt werden. ...ich glaube es war so, dass dieses drunter schon fünfmal übermalt war und das wir es deswegen mal behalten durften Sprecher: Frehse lächelt. Das Wandbild passt zum Programm. Hier will man unabhängiges Kino machen. Abseits des Mainstream. Take 6: Frehse 0.25 7.05 Wesentlicher Schwerpunkt ist sozusagen europäisches Filmschaffen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts aber auch bis hin in die frühen Anfänge der Filmgeschichte vor allen Dingen in Bewegungen, kulturelle Bewegungen, Surrealismus ist bei uns ein ganz wichtiger Punkt, ein ganz wesentlicher Bereich den wir gefördert haben. Gleichzeitig ist es eine Plattform für gutes, junges unabhängiges Kino Sprecher: Das Spektrum reicht von Antonioni bis Asterix, von Woody Allen bis Wim Wenders. Alle Vorstellungen sind werbefrei. Den Zuschauern gefällt es... Take 7: Frehse 0.20 1.24 Wir haben glaube ich fast 20 Prozent mehr Zuschauer erreicht letztes Jahr, ... .,es ist ja immer eine kleine Achterbahnfahrt, wir haben ja auch schon andere gute Jahre gehabt, die sind auch gar nicht so lange her. Und das letzte Jahr ist einfach besser gewesen als das Jahr davor Sprecher: Frehse geht einige Schritte weiter, deutet auf eine große Landkarte, die an einer Tür hängt . Die Kinolandschaft der Republik. Die Zahl der Leinwände pro Stadt Take 8: Frehse 0.18 4.25 Hamburg 82, München, 76 und Düsseldorf 40, wo ist Köln, 46 auch, da siehst Du halt auch, da ist Frankfurt ja noch ganz gut dabei, Münster. Das steht in keinem Verhältnis zu Berlin... Sprecher: In Sachen Kino. 258 Leinwände bietet die Hauptstadt. Mehr als Hamburg, München, Düsseldorf und Köln zusammen. Take 9: Frehse 0.23 13.11 Berlin ist deutschlandweit mit keiner einzigen anderen Stadt zu vergleichen. Also die Programmkinodichte, die aber auch eine Vielfalt fördert an Filmkunst und an Möglichkeiten mit Filmen auch Menschen zu erreichen, das ist, ich kenne keine deutsche Stadt die auch nur 20 Prozent davon ausmacht. Sprecher: Kiez-Kino ? das ist in Berlin immer noch eine Erfolgs-Geschichte. Trotz Multiplex- Großkino-Offensive und DVD-Heimkino-Boom... Take 10: Frehse 0.18 14.15 Wir haben in Berlin glaube ich auch eine höhere Dichte von Menschen die durch bestimmte Projekte gegangen sind, die nicht gleich kommerziell anfangen, die aber manchmal das Hobby zum Beruf machen,.., das war bei uns so und das ist bei vielen anderen so. Geräusch-take: Schritte Sprecher: Berlin-Kreuzberg, Körtestraße. Im dritten Hinterhof eilt Andrea Stosiek die Treppe eines Altbaus nach oben ? in den fünften Stock. Zu ihrem Kino. Wie jeden Tag. Take 11: Stosiek 0.17 19.20 Das höchste Programmkino Berlins, wir haben das mit den Hackenschen Höfen abgestimmt, die liegen auch sehr hoch, im vierten Stock, allerdings metermäßig ein bisschen unter uns, wir dürfen das jetzt sagen, haben wir beschlossen, ... das wir das höchste Programmkino Berlins sind ... Sprecher: Kein Fahrstuhl, dafür mehr als 100 Stufen. Erst das Fitnessprogramm dann der Film. So läuft das im Kino Sputnik. Schon auf dem Flur hört man das Rattern der Projektoren. Take 12: 0.15 (tür auf) ... 35 Millimeter schön, Old-school, "Bauer"-Projektoren, im Überblendbetrieb, also noch richtig Handarbeit, auf der Hälfte des Filmes überblenden auf die andere Hälfte des Filmes. Ja, Technik die unverwüstlich ist Sprecher: Die Mittdreißigerin steht bewundernd vor den mannshohen Projektoren aus mattgrünem Metall, auf denen sich seit 50 Jahren die großen Filmspulen drehen. Take 13: Stosiek 0.15 2.51 Als ich nach Berlin gekommen bin habe ich angefangen auf der Insel der Jugend zur arbeiten, dort gab es ein kleines Kellerkino, das Inselkino. Und ich war schwer begeistert, oooah, das ist großartig. Leider hat dieses Kino nicht funktioniert weil das Multiplex am Treptower Park ganz schnell eröffnet wurde Sprecher: Das kleine Amateur-Keller-Kino hatte gegen den Multiplex-Koloß um die Ecke, der mit neun Säälen und mehr als 2000 Plätzen um die Kinogänger warb, keine Chance. Andrea Stosiek aber machte weiter ? mit einem Freilichtkino, unterstützt vom Bezirksamt. Das aber strich schließlich die Mittel Take 14: Stosiek 0.08 4.21 Ich habe gedacht, Kino ist super, ich weiß wie es geht, ich weiß wie es funktioniert. Und ich mach das jetzt einfach selber. Wenn die mich nicht mehr bezahlen, sehe ich einfach zu, das ich das selber mache ... Sprecher: Auf eigenes Risiko. Im Sommer zeigte sie Filme draussen, im Winter arbeitete sie als Vorführerin. Und lernte so das Sputnik kennen: Take: 15 0.21 6.34 und habe gesehen, dass das Sputnik halt von dem damaligen Betreiber nicht besonders gepflegt wurde. Und ich dachte mir, Mist, wenn Du das Kino nicht so gerne magst und ich mag das Kino so gerne, gibt es mir. Und ich habe dem das ein halbes Jahr lang immer wieder vorgebetet, und ihm gesagt, dass ich das ganz gerne machen würde. Und irgendwann hat er gesagt zur Berlinale Zeit, weißt Du was, "Wenn Du es haben willst, nimm es?.. Sprecher Zwei Jahre ist das her. Stosiek lacht. Man sieht ihr an, dass sie eine charmante Nervensäge sein kann. In's Sputnik hat sie ihr letztes Erspartes investiert. Und ihre BerufsBiografie um eine Position erweitert: Take 16: Stosiek 0.11 1.47 Kulturwissenschaftlerin. Medienpädgogin, Putzfrau - ... wenn man mich fragt, was ich im Sputnik mache, sage ich immer putzen... Sprecher: Und Filme vorführen. Karten und Getränke verkaufen. Programm und Veranstaltungen machen. Und nebenbei noch eine Legende pflegen: Die von den ungewöhnlichsten Kino-Sesseln der Haupt-Stadt. Die stehen in Saal 1 mit seinen 77 Plätzen. Und sind gemauert... Take 17: Stosiek 0.20 1.15 Dann als dieses Kollektiv dieses Kino aufmachen wollte, gab es keine Kinostühle in West-Berlin zu kaufen, Aber sie wollten unbedingt das Kino machen. Und deshalb haben sie ein Jahr lang alle selber rumgezimmert und rumgemauert. Fast jeder Kinobetreiber hat hier mit Hand angelegt, also es ist Geschichte, auf der man sitzt und wie gesagt, jeder Stuhl ist anders ... Sprecher: Aber alle sind gleich hart. Und mit Kissen sitzfreundlich gemacht. Im zweiten Saal stehen alte Sofas und Sessel. 20 Plätze für kuscheliges Kinovergnügen. Allerdings nicht für Premierenpublikum. Denn Filmstarts bekommen die Zuschauer im Sputnik nicht zu sehen: Take 18: Stosiek 0.07 14.35 Wir bekommen keine Filme. Wir wollen sie haben, aber wir bekommen sie nicht. Erst dann wenn sie die anderen nicht mehr spielen wollen ... 14.51 Sprecher: Zwei Leinwände, zusammen 100 Plätze ? ein kleines Kino wie das Sputnik steht bei den Filmverleihen ganz hinten auf der Vergabeliste: Take 18: Stosiek 0.15 14.35 Der Verleih guckt ganz genau, wo kann er diese wenigen Kopien die er hat am Besten einsetzen, wo kriegt er die meisten Zuschauer und wie kann er es bundesweit gut verstreuen. Und da ist es natürlich immer die Frage, ob man da mitschwimmt am Anfang oder da am Ende sitzt.. Sprecher: Andrea Stosiek sitzt am Ende der Vorführkette. take 19: Stosiek 0.14 14.35 Aktuell zum Beispiel ein Film wie "Soulkitchen", der viel gefördert ist, der zehn Förderkopien bekommen hat für kleine Kinos, aber dann halt auf die Bundesrepublik verteilt ist es so, das wir vermutlich bis Ende Februar warten müssen, obwohl der Film im Dezember gestartet ist Sprecher: Stosiek zuckt mit den Schultern. Was soll sie machen, sie kann es nicht ändern. Aber auch jenseits der Aktualität gibt es noch genug Spielraum. Take 20: Stosiek 0.20 3.51 Zu den wirklich erfolgreichen Filmen zählt auf jeden Fall Perspolis vom letzten Jahr, ... , also "Gegen die Wand" lief hier sehr gut, sehr lange, "Drachenläufer" lief sehr lange, .. aber auch so kleine Abseitsfilme ... "Lemon Tree" war auch ein sehr erfolgreicher Film , also die Tibet-Reihe, Buddhismus Sprecher: Tibet und Buddhismus gehen hier im Kiez immer. Das hat sie in den letzten zwei Jahren festgestellt. Take 21: Stosiek 0.15 6.05 Wir haben schon ein Stammpublikum, das ist definitiv ein älteres Publikum, also das Publikum ist halt mit dem Kino alter geworden, also 40 + ist unser Stammpublikum,.., die Kerngruppe ist schon weiblich 40 + Sprecher: Und deren Geschmack muss die Filmfreundin berücksichtigen. Ausflüge ins allzu unterhaltende Filmfach werden da manchmal zum Risiko: Take 22: Stosiek 0.25 5.01 wo ich unser Publikum absolut unterschätzt habe, war jetzt ganz aktuell Zweiohrküken. Eine Katastrophe vor dem Herrn. der ist absolut nicht von unserem Publikum angenommen worden. Im Sputnik auf jeden Fall ist der sozusagen in den Top Minus 10 des Jahres gelandet ... Sprecher: Das Zweiohrküken-Dilemma. Eine deutliche Warnung für die Filmfreundin. Dass ihr Kiezkino nur begrenzt Experimente verträgt: Take 23: Stosiek 0.17 8.23 Sputnik ist ja Kiez-Kino. Ich glaube man sollte ein Kino wie dieses nicht so verändern, konzeptionell verändern, dass es etwas ganz anderes wird. Dieses Kino ist hier verwachsen, hat 20 Jahre Tradition, hat eine Geschichte. Und ich mag das ja auch so wie das ist ... . Geräusch-take 27.12 Vorführgeräusch Sprecher: Knapp einen Kilometer weiter trocknen Handtücher auf einer Leine im Vorführraum. Iris Praefke steht zwischen den Projektoren. 30 Jahre, Soziologin, Designerbrille, schwarzes Kleid. Take: 24: Praefke 0.13 1.25 Ich habe angefangen zu jobben als Filmvorführerin im Kino Nickelodeon und dann habe ich angefangen mich da starker zu engagieren. Und habe relativ viele Filmreihen gemacht, Schulkino, Kinderkino ... Sprecher: Jetzt ist sie Chefin im ältesten Kino der Republik: Dem Moviemento am Kottbusser Damm. 1907 lief hier der erste Film, später war es über fast zwei Jahrzehnte der Treffpunkt der West-Berliner Kino- und Kultur-Boheme Take 25: Praefke 0.15 6.39 also Claus Boje oder Ades Zabel, die halt jetzt immer noch in diesem Bereich arbeiten, für die das quasi der Anfang der Karriere war, das waren echt viele ... Tom Tykwer war schon zweimal da und hat Filme vorgestellt, Sprecher: Tom Tykwer ? der Regisseur von "Lola rennt" - war hier über Jahre fürs Programm verantwortlich, bis er selber anfing Filme zu drehen. Wieland Speck und Dany Levi gingen hier ebenfalls ein und aus. Große Namen, die aber nicht verhindern konnten, dass das Programmkino in die Krise schlitterte. Kurz vor seinem 100ten Geburtstag, 2007, suchte die Betreiberin einen Nachfolger. Praefke und einige Kollegen aus dem Kino-Kollektiv vom Prenzlauer Berg begannen zu kalkulieren.. Take 26: Praefke 0.14 2.11 Man rechnet ob es überhaupt gehen kann, von den Räumlichkeiten, vom Potential und dann guckt man sich natürlich an, wie ist der Bezirk, wie entwickelt sich der Bezirk, und da war ganz klar: Neukölln, Kreuzberg ist gerade ein aufstrebender Stadtteil. Sprecher: Praefke und ein Kompagnon übernahmen das Kino, die 30jährige wurde von der Film-Vorführerin zur Betreiberin. Managt seitdem 232 Kino-Plätze. Und erweiterte zuerst den Spielplan um Kinderfilme Take 27: Praefke 0.17 11.49 Wir haben das wieder eingeführt 2007. Und das fing, sage ich mal mit einer gewissen Skepsis an. Und es hat auch ne Weil gedauert, bis es alle wussten. Also ich kann mich wirklich nicht erinnern, wann hier mal eine Kinder- und Schulkino lief. Und inzwischen ist es sehr gut angenommen... Sprecher: Seit der Übernahme vor drei Jahren haben sich die Zuschauerzahlen verdreifacht. Besser könnte es kaum laufen, sagt Praefke. Und zur Berlinale wird dieses Jahr sogar ein roter Teppich ausgerollt. "Berlinale goes Kiez" heißt der Programmpunkt, mit dem Filmfestspiel-Macher die unabhängigen Kinos ehren wollen. An zehn Spielstätten machen sie Station ? auch im Moviemento: Take 28: Praefke 0.14 31.00 Es gibt in jedem Kino zwei Vorstellungen, ,,, es gibt einen Kinopaten, der den Film auch vorstellt und es kommen auch Gäste zum Film. Und die laufen dann über den roten Teppich,... Geräusch-take Sprecher: Im Hinterhof im Prenzlauer Berg wuchten Torsten Frehse und seine Kollegen Film- Kataloge von einer Palette. Schleppen sie in den Lagerraum. Take 29: Frehse 0.11 1.20 Aber wenn wir uns angucken, so die Landschaft der Programmkinos, die ist in den letzten zehn Jahren doch weitaus spannender geworden von dem wie sie Programm machen und was sie machen und was sie wo entdeckt haben Sprecher: Das Angebot ist vielfältiger geworden ? gezwungenermaßen. Take 30: Frehse 0.20 2.37 Was wir natürlich schon merken, gehässig gesagt, dass dieses 80erJahre Westberliner "Die-Leute-kommen-schon-von-allein- Kinomacherdasein" nicht mehr so dabei ist. Die Sache ist schon härter geworden, es ist keine Auslesefrage sondern es ist so, dass man sich ständig erneuern muss und neue Pfade betreten muss Sprecher: Wo in den letzten Jahren ein eingeführtes Programmkino zum Verkauf stand, griffen Frehse und seine Filmfreunde zu. Ob beim Moviemento oder beim Central Take 31: Frehse 0.07 8.00 Wir würden aber bestimmt kein Kino sterben lassen wo wir sehen, dass da auch eine wirtschaftliche Ebene möglich ist Sprecher Denn Draufzahlen, das können sich die Kinofreunde nicht leisten. Andererseits können sie zusätzliche Leinwände für ihr Film-Verleihangebot gut gebrauchen. Denn der Wettbewerb ist und bleibt hart ? auch unter den kleinen Kinos Take 32: Frehse 0.11 0.08 ... Wir haben ein Wettrüsten des Aufwandes für Werbung für die Filmreihen, des Aufwandes für Veranstaltungen mit Filmemachern, wir haben dieses Wettrüsten aller möglichen Festivals, die es in der Stadt gibt, keine Ahnung das sind hundert wahrscheinlich, und die Frage ist eher ob es dann irgendwann mal an eine ökonomische Grenze geht, die nicht mehr haltbar ist Sprecher: Diese Grenze aber ist bis jetzt noch nicht erreicht. Im Gegenteil. Zur Zeit bietet sich den Berliner Kinofreunden noch eine unvergleichliche Vielfalt... Geräusch-take: Sputnik track 33: Stosiek 0.10 0.27 Ausverkauft, hahaha, ausverkauft, das ist großartig ... 70 plus Notplätze, Feuerschutz weggehört, wird sind ausverkauft, ... Sprecher: Im Kino Sputnik, hoch über den Dächern Berlins, freut sich Andrea Stosiek. Sie steht hinter dem Tresen. An der Kasse. Fünf Euro kostet ein Ticket. Darin enthalten: Steuern, Verleih-Gebühr, Personal- und Betriebskosten Take 34: Stosiek 0.09 17.17 pro Kinoticket bleibt für den Betreiber nicht viel mehr als so zwischen 50 und 90 Cent als möglich Gewinnmarge. An einer Flasche Bier verdient man mehr und an einer Tasse Kaffee sowieso ... Sprecher: Stosiek lächelt. Reicht einem Gast ein Bier über die Theke. Dann noch eine Tüte Fruchtgummi. Durst und Hunger ? das ist es, was heute die kleinen Kinos am laufen hält. Nur so rechnet sich das Programm. Take 35: Stosiek 0.25 11.00 Ich habe bis letztes Jahr noch gearbeitet halbtags, das ist einfach zwingend notwendig. Jetzt versuche ich mich und meine Krankenversicherung über das Kino zu finanzieren. Es ist, Kino ist immer eine schwierige Sache, vielleicht ein teures Hobby, aber wenn man es nicht versucht, dann weiß man nicht, ob man damit nicht scheitert oder Glück hat. Also Nichtstun bringt es auch nicht.. Sprecher: Andere Programmkinos können Synergien nutzen, wie etwa die Yorkgruppe, die es auf mittlerweile zwölf Kinos in der Stadt bringt, oder die Spielstätten der Filmfreunde vom Prenzlauer Berg. Stosiek aber ist weitgehend auf sich alleine gestellt. Kann im Sommer lediglich über ihr Freiluftkino dazuverdienen. Am Ende steht dann auch für sie immer eine Mischkalkulation. Film, Verzehr und Veranstaltungen... Take: 36 Stosiek 0.29 16.13 Das Sputnik hat eine gute Chance, das wir diese wunderbare KinoBar hier haben mit dem großen Raum, das heißt er ist geeignet für verschiedene Veranstaltungen, sowohl für Screenings als auch für Party, wir haben hier Hochzeiten im Kino, wir haben Premieren, wir haben Lesungen. Sprecher: Hochzeiten und Bier ? als Filmförderung. Nur so kann sich die Sputnik-Chefin ihre Liebhaberprojekte leisten: Take 37 Stosiek 0.18 9.08 Kurzfilmfestival. Sommerschule, wir haben Lesungen hier, wir haben Open Screening, wir machen sehr viel Nachwuchsförderung mit Filmstudenten von der HFF zusammen, Kooperationen, das muss man halt machen, ... , wenn man ein bestimmtes Liebhaberthema hat. Und das andere ist halt Geld verdienen Sprecher: Bis jetzt ist ihr Konzept aufgegangen. Ausreichend Geld verdienen. Und anspruchsvolles Kino machen. Die Mittdreißigerin lacht. "Kino" sagt sie, "ist die Verbesserung des Lebens" Take 38: Stosiek 0.21 11.26 "Kino ist die Verbesserung des Lebens" das ist ein Spruch nicht von mir, sondern von Francoise Truffaut, den habe ich auf einer Eintrittskarte auf dem Bahnsteig gefunden am Alexanderplatz. Von einem Museum in Basel. Irgendjemand hat eine Eintrittskarte weg geschmissen. Und der stand dahinten rauf. Und ich dachte mir: Das war genau zu dem Zeitpunkt, wo ich angefangen habe ... das Sputnik zu übernehmen. Das ist genau ein schönes Motto 11.27 Sprecher: Ein Sinnspruch übers Kino. Als Zufallsfund am Berliner Alexanderplatz. Auf einer Eintrittskarte. Wenn das nicht fast schon filmreif ist.... 1