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Zwar will Dänemark den Bau allein finanzieren, aber Deutschland muss für den Ausbau der Hinterlandanbindung auf seiner Seite sorgen. Die betroffenen Ortschaften und Landstriche artikulieren ihren Widerstand immer deutlicher. Matthias Günther über die Wellen der Empörung und die Einzelheiten der verschiedenen Sichten. -folgt Script Beitrag- Script Beitrag Atmo Demo Die Gegner einer festen Fehmarnbelt-Querung nutzen jede Gelegenheit zur Demonstration - den Besuch von Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Carstensen auf der Insel Fehmarn ebenso wie das CDU-Treffen in Lübeck mit Bundeskanzlerin Merkel. (Sprechchor Demo:) "Hände weg von dem Projekt, zu negativ ist der Effekt. Feste Fehmarnbelt-Querung: nein, nein, niemals!" Aus Sicht der Gegner kann der Verkehr über den Fehmarnbelt auch weiterhin von den Fähren der Reederei Scandlines zwischen Puttgarden und Rödby bewältigt werden. Es sind es vor allem Bewohner der Insel Fehmarn, die sich gegen eine feste Querung wenden. "Wir wollen natürlich verhindern, dass unsere schöne Insel kaputt gemacht wird und zerstört wird." "Weil ich hier hergezogen bin und meine Ruhe haben will." "Wir sind hergezogen auch, weil wir unsere Ruhe haben und gut leben möchten." "Wir werden hier ein reines Durchfahrtsgebiet, was für die Insel überhaupt nichts bringt, und deshalb bin ich auch der Meinung, wir sollten unseren Status hier erhalten als reines Ferien- und Erholungsgebiet." "Die schöne ruhige Insel, die wird zerrissen, und der Tourismus, der leidet darunter." "Ich habe hier ein Geschäft und lebe vom Tourismus, und ich finde, die Insel, die wird so ein bisschen zerstört, durch die Trasse usw., also konsequent dagegen." Neben den Fehmaranern bilden die Naturschützer eine wichtige Gruppe unter den Gegnern einer festen Querung. Sie bezweifeln den Sinn des Projekts. "Wir sind für den ökologischen Erhalt drer Tiere, der Menschen in unserem Umland, dafür, dass Ostholstein kein Durchgangsland für den Transitverkehr wird zwischen Deutschland und Dänemark, weil ich glaube, dass der Kostenaufwand den Nutzen nicht trägt. Ökologisch und ökonomisch völlig sinnlos. Es gibt andere wichtige Ziele in Deutschland, die wir erreichen sollten, statt für andere Länder Geld auszugeben." "Wir sind gegen die feste Fehmarnbelt-Querung und wir sind gegen die Verschwendung von Steuergeldern." Auch für die Bundesregierung ist der Nutzen der Fünf-Milliarden-Euro-Investition nicht groß genug. Dänemark will die Verbindung aber unbedingt bauen und trägt die Kosten allein. Das haben beide Seiten in einem Staatsvertrag vereinbart. Das Geld soll innerhalb von 30 Jahren über eine Maut wieder hereinkommen. Deutschland muss nur für die Hinterlandanbindung auf deutscher Seite aufkommen: die Autobahn muss von Heiligenhafen bis Puttgarden weitergebaut werden, die Bahnstrecke muss ein zweites Gleis bekommen. 1,7 Milliarden Euro könnte das kosten. Die Fahrzeit von Hamburg nach Kopenhagen soll sich so von 2020 an von viereinhalb auf drei Stunden verkürzen. Die Wirtschaft in Schleswig-Holstein verspricht sich viel von dem Projekt und wirbt seit Jahren dafür. Rüdiger Schacht, Verkehrsexperte der Industrie- und Handelskammer zu Lübeck, sieht einen großen Nutzen auch für die Region zwischen den beiden Metropolen. "Wir haben auf der einen Seite Hamburg als Metropole, wir haben auf der anderen Seite die Öresund-Region als weitere Metropole. Und die Entwicklungstendenzen werden ganz einfach aus diesen Metropolen heraus auch in die Region ausstrahlen. Und da ist eine gut ausgebaute Infrastruktur eine hervorragende Voraussetzung dafür, diese Region zukunftsgerichtet aufzustellen." Ein neues Gutachten, das Wissenschaftler der Universitäten Kiel und Kopenhagen gerade vorgestellt haben, stützt diese Annahme. Nicht nur in den Metropolen, auch dazwischen werde es entlang der Verkehrsachse ein Wirtschaftswachstum geben. Außerdem könnten die schleswig-holsteinischen Küstenorte Tagestouristen aus Dänemark erwarten, für Schleswig-Holsteiner werde der interessante dänische Arbeitsmarkt besser erreichbar, heißt es in der Studie. Allerdings müssten dafür schon jetzt die Weichen gestellt und beispielsweise bürokratische Hemmnisse abgebaut werden. So sieht man es auch bei der Industrie- und Handelskammer in Lübeck, die für das gesamte östliche Schleswig-Holstein von der Insel Fehmarn bis an die Hamburger Stadtgrenze zuständig ist. Allein die schnelle Verbindung nach Kopenhagen und Malmö im Norden sowie Hamburg im Süden werde aber die Anziehungskraft der Region stärken, sagt Rüdiger Schacht. "Sie muss in Zukunft noch attraktiver sein für Fachkräfte, für Führungskräfte. Fach- und Führungskräfte wollen in Zukunft sicherlich nicht nur auf dem platten Land leben, sondern in den Metropolen kulturelle Angebote wahrnehmen und dergleichen. Und da ist es einfach eine hervorragende Chance, hier zwischen zwei Metropolen zu liegen und verkehrlich hervorragend angebunden zu sein." Vor allem Logistikunternehmen könnten sich in der strukturschwachen Gegend ansiedeln und Arbeitsplätze schaffen, so die Hoffnung. Das Nachsehen hätten unter Umständen die mehr als 600 Reederei-Beschäftigten in Puttgarden. Denn möglicherweise wird Scandlines nach Fertigstellung der festen Verbindung den Fährbetrieb einstellen, der bisher als schwimmende Brücke Puttgarden auf der Insel Fehmarn mit dem dänischen Rödby verbindet. Atmo Demo Scandlines-Beschäftigte fehlen deshalb bei kaum einer Demonstration. "Ich arbeite bei der Scandlines. Und das sind Arbeitsplätze, die dabei draufgehen. Ich bin der Meinung, dass kein Mensch die Brücke braucht." "Ich denke mal, die Insel Fehmarn wird durch die Beltquerung eine ganze Menge Arbeitsplätze verlieren, im Bereich der Fährschifffahrt und der Betriebe, die die Versorgung dieser Fähren macht usw. und so fort. Und deshalb bin ich dagegen." Dass durch die Fehmarnbelt-Querung neue Arbeitsplätze entstehen sollen, ist für Bernd Friedrichs vom Scandlines-Betriebsrat kein Trost: "Wir hätten auch gern gewusst, wo denn die 610 Arbeitsplätze dann bleiben hier in der Region. Wir haben über 110 Nautiker, wo die bleiben, 200 Leute in der Verwaltung. Da möge mir bitte mal jemand sagen von den Herren, wo denn diese Arbeitsplätze in Zukunft bleiben. Das hat mir bisher noch niemand gesagt!" Sorgen macht sich auch die Tourismuswirtschaft auf Fehmarn: 90 Prozent der Wirtschaftskraft resultieren hier aus dem Tourismus. 15.000 Betten und 17 Groß-Campingplätze gibt es auf der Insel. Im Sommer kommen 80.000 bis 100.000 Gäste. Niemand weiß, wie sich eine zehnjährige Großbaustelle und der anschließende Verkehr über die Insel auswirken würden, ob dann noch genauso viel Touristen kommen oder ob ein Teil von ihnen ausbleibt. Fehmarns Bürgermeister Otto- Uwe Schmiedt: "Wir müssen unsere Infrastruktur auch auf der Insel nach so einem Großprojekt ausrichten. Dieses Großprojekt darf die Insel nicht zerhacken in der Mitte, sondern Radewegeverbindungen, Landesstraßen, Landstraßen, Gemeindestraßen müssen weiter vernünftig funktionieren. Und das zweite wäre, dass wir dann auch einen Ausgleichsfonds machen. Also diese wirtschaftlichen Einbußen, in welcher Form sie auch immer anfallen. Und da habe ich auch ganz klar gesagt: Wenn sie nicht anfallen, wenn das Geschäft hier so weiterläuft, der Tourismus vernünftig weiterläuft trotz Baustelle, dann will ich auch keinen müden Cent haben vom Land oder vom Bund oder vom Bauträger, das ist mir dann egal, aber wenn Einbußen da sind, die nachgewiesen werden, vernünftig nachgewiesen werden, muss eine Ausgleichsfunktion da sein. Darauf werde ich pochen." Lauter Protest kommt aus den Touristenorten an der Lübecker Bucht. Denn die Bahnstrecke zwischen Lübeck und Puttgarden wird bisher nur von kleinen Personenzügen befahren. Nach dem Staatsvertrag zwischen Deutschland und Dänemark muss die Strecke für den Güterverkehr zweigleisig ausgebaut werden. Nach der Eröffnung der festen Fehmarnbelt-Querung würden dann Tag und Nacht lange Güterzüge durch die Bäderorte donnern, meint Christian von Oven, Hotelier in Timmendorfer Strand: "Von der Lärmbelästigung ist ja der ganze Ort betroffen, die ja, wenn der Wind richtig steht, bis ins Zentrum hinein weht - auch nicht nur von Timmendorfer Strand, sondern Scharbeutz, Haffkrug, Sierksdorf, Hansapark, es ist ja alles betroffen." Der Hotelier befürchtet wie die gesamte Tourismusbranche an der Lübecker Bucht, dass der Lärm der Güterzüge Touristen vergraulen wird und dass einige Unterkünfte gar nicht mehr zu vermieten sein werden: "Ich glaube, dass die Entwicklungsmöglichkeiten dieser Region durch die Zunahme des Bahnverkehrs und insbesondere des Güterverkehrs einfach genommen wird. Auf der einen Seite versucht man ja, durch die Fehmanrbelt-Querung einen Wirtschaftszweig zu fördern, und da halte ich es nicht für den richtigen Weg, indem man einem anderen schadet." Atmo Demo Bei den Demonstrationen gegen die feste Fehmarnbelt-Querung haben die Naturschützer, die Bewohner Fehmarns und die Reederei-Beschäftigten längst die Unterstützung von Menschen, die an der Bahnstrecke zwischen Lübeck und Puttgarden wohnen: "Ich stehe hier, weil ich erstens gegen die Beltbrücke bin, diesen ganzen ökonomischen und auch ökologischen Wahnsinn, außerdem stehe ich hier, weil in meinem Heimatdorf Roge bei Neustadt ein paar Meter vorbei die Trasse, die neue Bahntrasse, führen wird, wahnsinnig laut alles sein wird, ganz viel Land kaputt gemacht wird in der Landwirtschaft und ich bin auch persönlich betroffen, ich werde auch Land hergeben müssen. Mich regt das alles auf." Die Bäderorte setzen sich für eine neue Trasse außerhalb der Ortschaften ein - eine teure Lösung. Sie haben dafür die Unterstützung einer wichtigen Befürworterin der festen Fehmarnbelt-Querung: der Industrie- und Handelskammer zu Lübeck. Die Kammer fordert ebenfalls eine neue Trasse. Rüdiger Schacht: "Die Vollversammlung der IHK hat eine Resolution verfasst, in dem sie genau sich für diese Dinge ausspricht. Das heißt, die Lösung für den Schienenverkehr kann nur eine neue Trasse entlang der Autobahn A 1 sein. Es wird nicht ein Ausbau auf der vorhandenen Trasse innerhalb der Küstenorte sein können. Da ist sich die IHK Lübeck eigentlich mit den Kritikern einer festen Fehmarnbelt-Querung einig." Ob eine neue Trasse durchsetzbar ist und ob es einen Ausgleichsfonds für die Insel Fehmarn geben wird, ist offen. Mit der Anfang des Monats vom dänischen Verkehrsministerium getroffenen Entscheidung, den Fehmarnbelt nicht zu überbrücken, sondern zu untertunneln, haben sich aber zumindest viele Bedenken der Naturschützer gegen eine feste Fehmarnbelt-Querung erledigt. Ein 60 Meter hohes Brückenbauwerk wäre eine tödliche Falle für die Zugvögel, die vielen Brückenpfeiler würden den für die Ostsee wichtigen Wasseraustausch mit der Nordsee behindern, die Rammarbeiten für die Pfeiler hätten den Schweinswal-Bestand im Fehmarnbelt gefährdet - so die Einwände gegen eine Brücke. Außerdem: die Pfeiler in der Ostsee hätten auch eine Gefahr für die Schifffahrt dargestellt - schließlich würden jährlich 66.000 Schiffe, darunter viele russische Einhüllen-Tanker, die Fehmarnbeltbrücke queren . Bei einer Kollission hätte den Küsten eine Ölpest gedroht. In der Entscheidung für einen Tunnel sieht Frauke Redderberg von der Allianz gegen den Bau einer festen Fehmarnbelt-Querung immerhin einen Teilerfolg. "Wir haben ja immer gesagt, ökologisch ist die Brücke ein Wahnsinn. Und offensichtlich sind technisch auch so viele Probleme jetzt auch bei den Ingenieuren in Dänemark aufgetaucht, dass man uns da jetzt auch folgt." Allerdings: Naturschützer fordern in diesem Fall einen Bohrtunnel. Die Dänen dagegen wollen einen Absenktunnel bauen - der wird in den Meeresboden eingegraben. Susanne Koss von der staatlichen dänischen Projektplanungsgesellschaft Femern AS: "Der Bohrtunnel würde zu einer größeren Masse von Aushubmaterial führen als ein Absenktunnel, weil für den Absenktunnel lediglich ein 30 bis 35 Meter tiefer Graben in das Meeresbett eingegraben werden würde, in den dann der Absenktunnel eingelassen wird." Malte Siegert von Naturschutzbund, einer der führenden Gegner einer festen Fehmarnbelt-Querung, kritisiert diese Lösung: "Dass im Prinzip erstmal eine etwa 40 Meter breite Rinne etwa 30 Meter tief ausgeschachtet werden muss, und das erhebliche Sedimente freisetzt, die natürlich die gesamte Lübecker Bucht nachher braun färben, das ist nicht gut für den Tourismus und das ist letztendlich auch nicht gut für die Meeresökologie. Wenn es sich denn nicht verhindern lässt, dann kann es nur einen gebohrten Tunnel unter dem Fehmarnbelt geben. Der hat nachweislich die wenigsten ökologischen Auswirkungen und dann ist er, wenn überhaupt, die einzig verträgliche Lösung." Auch ein gebohrter Tunnel hat nach Ansicht von Susanne Koss von Femern AS allerdings ökologische Nachteile: "Tatsache ist, dass dieses Aushub-Material abgelagert werden muss, für das dann Flächen gefunden werden, die dann durch die Ablagerung natürlich auch beeinträchtigt werden. Das Problem dieses Aushub-Materials besteht vor allem darin, dass Bentonit beim Bohren eingesetzt werden muss, was dieses Material verunreinigt, es ist stark verflüssigtes Material, und es muss in jedem Fall als Abfall entsorgt werden." Zumindest theoretisch ist bis zur endgültigen Entscheidung des dänischen Parlaments über den Baubeginn auch ein Bohrtunnel noch möglich. Frauke Redderberg von der Allianz gegen eine feste Fehmarnbelt-Querung würde aber auch das nicht zufrieden stellen: "Wir sind heute immer noch der Meinung, dass ein Fehmarnbelt-Projekt, so wie wir es jetzt vor uns haben, wirtschaftlich und ökologisch unsinnig ist und auch die deutschen Kassen sehr, sehr viel Geld kosten wird." In Dänemark, das den Hauptteil der Kosten tragen will, wird dies kaum diskutiert. Sieben von acht Fraktionen im dänischen Parlament stehen zu dem Projekt. In Schleswig-Holstein, das in dieser Frage allerdings nicht zu entscheiden hat, bröckelt die Zustimmung. CDU und FDP befürworten den Bau weiterhin. Ursprünglich galt dies auch für die Sozialdemokraten. Sie überdenken aber derzeit ihre Haltung und wollen sich im April bei einem Landesparteitag neu festlegen. Die übrigen Oppositionsparteien lehnen eine feste Beltquerung ab. Die Grünen im Schleswig-Holsteinischen Landtag fordern mehr Transparenz im Entscheidungsprozess. Stuttgart 21 habe gezeigt, dass Großprojekte generell mit Beteiligung der Bürger geplant werden müssten, heißt es. Diesen Bürgern würde das entgegen kommen - denn sie beklagen sich: "Gegen alle Beteiligten, gegen alle Betroffenen, gegen die Stadt Fehmarn wird mit den Fehmaranern gemacht, was man halt will. Es ist unerhört." "Man muss die Leute mitnehmen, dass sie auch wissen, was gemacht wird. Und hier bei Fehmarn ist es genauso. Irrsinniges, unsinniges Projekt, das viel Geld verschleudert." Frauke Redderberg von der Allianz gegen das Projekt fordert ein Verfahren ähnlich wie in Stuttgart, wo mit dem ehemaligen CDU-Politiker Heiner Geißler als Schlichter ein Runder Tisch öffentlich tagte: "Wir möchten, dass, so wie wir es in Stuttgart jetzt auch erlebt haben, alle Fakten auf den Tisch kommen - von allen Seiten - und wir möchten gerne, dass ergebnisoffen noch einmal neu über dieses schon sehr alte Projekt nachgedacht wird. Denn diese ganzen Gutachten aus den 90er Jahren, an denen man sich heute orientiert, hat man ja nicht erneuert. Und wie man weiß, hat sich sehr viel verändert, nicht zuletzt auch die Situation in den Staatskassen." Rüdiger Schacht von der Industrie- und Handelskammer zu Lübeck hält die bisherige Bürgerbeteiligung dagegen für ausreichend: "Es gibt die Betroffenheitsanalyse des Kreises Ostholstein - auf Basis zahlreicher kommunaler Konferenzen entstanden. Es beginnt jetzt das Raumordnungsverfahren - ebenfalls mit der Einbindung der Betroffenen. Und dann wird dieses Raumordnungsverfahren in das Planfeststellungsverfahren münden, so dass ich momentan keinen Anlass sehe, hier zu schlichten. Wir sind einfach mitten im Verfahren." Auch CDU und FDP lehnen eine Schlichtung ab. Ministerpräsident Peter Harry Carstensen weist darauf hin, dass es im Fall der Fehmarnbelt-Querung anders als beim Stuttgarter Bahnhof ein Raumordnungsverfahren mit einer weitgehenden Bürgerbeteiligung gebe. Carstensen fordert, sich an den geltenden Staatsvertrag mit Dänemark zu halten. "Wenn man ein Schlichtungsverfahren hat, um durch ein Schlichtungsverfahren dann irgendein Ziel durchzusetzen, nämlich ein Ziel, nicht zu bauen, dann hat ein Schlichtungsverfahren auch nicht viel Sinn. Sondern ein Schlichtungsverfahren und ein Raumordnungsverfahren muss uns helfen, die richtigen Wege zu finden, die richtige Beteiligung und den richtigen Weg für einen - wie ich meine - sehr notwendigen Bau einer Verbindung zwischen Fehmarn und Dänemark." SPD-Landes- und Fraktionschef Ralf Stegner will dagegen sogar schon einen Schlichter nominieren. Ihm reicht das Raumordnungsverfahren nicht aus: "Fragen Sie mal, wie viel Bürgerinnen und Bürger an so etwas a) teilnehmen und b) verstehen und so damit umgehen können. Da hat uns doch Stuttgart 21 gezeigt, dass die öffentliche Erörterung von Dingen dann auch in kommunikativer Form gut ist für die Demokratie und dann muss man sich doch freuen, wenn das in der Region Ostholstein auch der Fall wäre." Die dänische Planungsgesellschaft Femern AS geht unterdessen ihren eigenen Weg. Sie lädt zu einer Vielzahl von Veranstaltungen auf der Insel Fehmarn und in der Region ein, in denen sie die Bürger informiert, sie hat ein eigenes Info-Center auf Fehmarn eingerichtet, führt Gespräche mit Umwelt-, Wirtschafts- und Tourismusverbänden und stellt sich bei diversen Diskussionsrunden, auch auf Einladung der Projekt-Gegner, den Fragen aller Interessierten - zum Beispiel bei einer Bürgerversammlung auf Fehmarn. Atmo Bürgerversammlung Die Gegner mussten ihr Transparent nicht draußen im Regen hochhalten - sie durften drinnen einen Stand aufbauen. Nicht nur das hat Malte Siegert vom Naturschutzbund beeindruckt. Er schätzt die gesamte Informationspolitik der Dänen: "Femern AS lässt uns natürlich letztendlich auch nur das wissen, was wir wissen sollen, aber ich finde das trotzdem sehr anständig, dass sie auch zwischendurch Termine machen, die sie nicht machen müssen. Und insofern ist das grundsätzlich zu begrüßen und ein großer Unterschied zu der Art und Weise, wie die deutsche Politik mit uns umgeht." Und nicht erst nach Stuttgart 21, sondern von Anfang an habe Femern AS die Menschen auf deutscher und dänischer Seite des Fehmarnbelt offensiv über jeden Planungsschritt informiert. Auf diese Feststellung legt Stefan Siegert von Femern AS Wert. "Es ist keine Reaktion auf die Diskussion zu Stuttgart 21. Das ist eigentlich das übliche Vorgehen, wie es in Dänemark mit großen Infrastruktur-Projekten durchgeführt wird, dass man sehr frühzeitig die Öffentlichkeit informiert und auch vor allen Dingen aktiv in den Diskussionsprozess mit einbindet." Im Internet sind auch kleine Details der Planung zur festen Fehmarnbelt-Querung übersichtlich dargestellt, in dänischer, deutscher und englischer Sprache. Natürlich gibt es - wie hier bei der Bürgerversammlung auf Fehmarn - auch Skeptiker: "Ich finde, das ist immer so ein bisschen schwammig, was sie hier so bringen. Und den genauen Hintergrund, den zeigen sie uns sowieso nicht auf." Aber die meisten Besucher loben das Informationsangebot: "Relativ offen, und auch, was die Details angeht, ziemlich genau." "Ja ich finde schon, dass sie sich bemühen. Es könnte natürlich noch ein bisschen mehr sein." "Die Informationspolitik ist sehr gut. Im Verhältnis zu anderen rechtzeitig, intensiv und gut gemacht. Und alles sehr transparent. Das finde ich also wirklich bewundernswert." Die Stimmung zwischen Gegnern und Planern der festen Fehmarnbelt-Querung ist gelöst, und Stefan Siegert von Femern AS meint: "Ich bin persönlich der Auffassung, dass dadurch, das wir ja diese sehr offensive Informationspolitik fahren, dass eine Schlichtung nicht benötigt wird." Zumindest derzeit hält auch Malte Siegert vom Naturschutzbund eine Schlichtung nicht für nötig: "Wir wissen ja noch gar nicht, worum es überhaupt geht und ob es überhaupt gebaut werden kann. Auch das hat ja noch keiner endgültig mal gesagt. Aber es ist natürlich wichtig, dass wir an einem bestimmten Punkt noch einmal einen Runden Tisch machen, wo wir noch einmal einen Fakten-Check machen, denn ich möchte schon gerne auch transparent machen, welche großen schwarzen Löcher es bei diesem Projekt gibt. Das muss dann letztlich auch der Bürger bewerten und muss das unter Umständen auch in Landtagswahlen wie in Schleswig-Holstein dann mit reintragen, wie seine Befindlichkeit denn zu diesem Thema ist." Doch erst einmal muss die derzeit laufende Umweltverträglichkeitsprüfung, die sich jetzt auf die Variante eines Absenktunnels konzentriert, abgeschlossen sein. Das Ergebnis soll 2012 vorliegen. Für 2014 haben die Dänen den Baubeginn vorgesehen, für 2020 die Eröffnung des Fehmarnbelt-Tunnels. -ENDE Beitrag-