DEUTSCHLANDFUNK Erstsendung: Feature Samstag, 25.12.2010 Redaktion: Marcus Heumann 19.15 - 20.00 Uhr "Captain Henry im Land des Hula" Militärkapellmeister Heinrich Berger und die Royal Hawaiian Band Von Sabine Weber URHEBERRECHTLICHER HINWEIS Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Jede Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 45 bis 63 Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig. ? Deutschlandradio - Unkorrigiertes Manuskript - Zitatorin In einer Legende heißt es: Als der Teufel vom Himmel fiel, landete er im Garten Eden mit solcher Wucht, dass er das Stück Erde, auf das er gestürzt war, durch den Erdball hindurchdrückte und damit auf der anderen Seite der Erdkugel wieder herauskam. Diese Teile Edens aber sind die Inseln von Hawaii. Musik Aloha'Oe (Royal Hawaiian Band, hist. Aufnahme 1928) O-Ton Niklaus Schweizer Ich fuhr mit dem Schiff - Präsident Cleveland - von San Francisco nach Honolulu, wir fuhren in den Hafen ein und plötzlich hörte ich einen deutschen Marsch spielen. Ich eilte an die Reling, schaute hinunter und da war eine Kapelle, ganz in Weiß, weiße Uniformen, mit einer schönen jungen Hawaiierin mit der berühmten Blume hinter dem Ohr - und die spielten. Und da sagte ich: "Was ist denn das?" Und da hieß es: "Das ist die Royal Hawaiian Band!" Musik Refrain "Aloha'Oe" O-Ton Niklaus Schweizer Aloha ist wohl das berühmteste Wort auf Hawaiisch. Es heißt Liebe, aber man braucht es auch zur Begrüßung. Zitatorin "Aloha" bedeutet: zu hören, was nicht gesagt wird, zu sehen, was nicht gesehen werden kann, und das Unbekannte zu kennen. - Königin Lili'uokalani. O-Ton Niklaus Schweizer Und "Aloha'Oe", das berühmte Lied der Königin Lili'uokalani, das heißt zum Beispiel "Ich liebe dich". O-Ton Karl Schmidt Die wenigsten wissen halt, wenn solche Lieder gespielt werden wie immer wieder Aloha'Oe, dass die letztendlich sogar etwas mit dem Einfluss von Deutschland zu tun haben. Zitator 2 Inmitten des kleinen Stadtparks spielt in einem offenen Pavillon das Musikchor von 33 weiß gekleideten Kanaken, welche der Berliner Kapellmeister Herr Berger vortrefflich eingeschult hat. Es ertönen in Solo und Chor hawaiische, deutsche oder amerikanische Nationallieder. - Theodor Kirchhoff. Eine Reise nach Hawaii. 1890. O-Ton Karl Schmidt Heinrich Berger war ja Leutnant gewesen, und ein Leutnant entspricht in etwa dem englischen Dienstgrad Captain. Und man hat zu ihm weniger Sir gesagt, sondern es war ein gemütlicher Umgangston, da wurde er halt Captain Henry genannt. O-Ton Niklaus Schweizer 32 000 Konzerte - wenn immer irgendetwas war, war die Royal Hawaiian Band dabei. Man könnte also die ganze Geschichte, die modernere Geschichte von Hawaii abhandeln aufgrund der Aktivitäten der Royal Hawaiian Band. Sprecherin Captain Henry im Land des Hula - Militärkapellmeister Heinrich Berger und die Royal Hawaiian Band Ein Feature von Sabine Weber Musik Aloha'Oe (Royal Hawaiian Band, hist.) Sprecherin Hawaii - weiter weg kann man nicht sein. Die acht bewohnten und weit über 100 unbewohnten Inseln, Riffe und Atolle des Südseeparadieses liegen mehr als 4000 Kilometer von jeder größeren Landmasse entfernt - irgendwo im Nirgendwo zwischen Kalifornien, Japan, China und Australien. Ein Großteil der Einwohner Hawaiis ist heute multiethnischer Herkunft; und das, obwohl auf dieses abgelegenste aller Reiche erst im Jahr 1778 ein Europäer seinen Fuß gesetzt hat: der britische Entdecker James Cook. Schon ein Jahr später bezahlte er seine Neugierde mit dem Leben. Dennoch ließen sich in den folgenden Jahrzehnten Missionare, Unternehmer und Abenteurer auf den damals noch so genannten "Sandwich-Inseln" nieder, darunter auch eine beträchtliche Anzahl Deutscher. Einer von ihnen ist der preußische Militärkapellmeister Heinrich Berger. 1872 wird er auf königlichen Befehl nach Honolulu abgeordnet - und das alles nur, weil sich die Hawaiier drei Jahre zuvor in preußischen Marsch und österreichischen Walzer verliebt hatten. Atmo Wellenschlag Sprecherin Im Dezember 1869 war nämlich eine österreichische Fregatte in Honolulu vor Anker gegangen und hatte monatelang auf ihre Reparatur gewartet. Musik "Wiener Blut" 1899 O-Ton Karl Schmidt Da zu jeder militärischen größeren Einheit, auch auf einem Schiff, zu damaligen Zeiten immer eine Bordkapelle gehörte, war es natürlich eine große Freude, dass die Österreicher, die Bordkapelle, mehr oder weniger regelmäßig an Land gingen und in Honolulu Platzkonzerte gaben. Sprecherin Karl Schmidt ist der ehemalige Direktor des Museums Coswig/Anhalt. Seit vielen Jahren forscht er über die Lokalgeschichte seiner Region und über Heinrich Berger, der in Coswig aufgewachsen ist. O-Ton Karl Schmidt Und irgendwann war ja dann diese Reparatur auch zu Ende ... Musik "Wiener Blut" 1899 O-Ton Karl Schmidt ... und das Schiff konnte wieder auslaufen, und die Bevölkerung vermisste nun auf einmal diese Geschichte mit dieser schönen, qualifiziert gespielten Musik, die von einem österreichischen Schiff natürlich österreichische Militärmusik brachte, also auch Strauß und Co. Man wusste ja, dass der König selbst eine solche Kapelle hatte, aber scheinbar war diese Kapelle über viele Jahre ein bisschen vernachlässigt worden. Musik Locke - Preußens Gloria Sprecherin Auf den dringenden Wunsch seiner Untertanen hin bemüht sich der hawaiische König Kamehamea V. um die Neubelebung seiner 1836 gegründeten Kapelle; jedoch erfolglos - zwei Bandmaster kommen und gehen in kurzer Zeit. Schließlich setzt er seine Hoffnung auf Übersee. Immerhin hatte schon sein königlicher Vorgänger 1847 in einem Brief an seinen preußischen Amtsbruder geschrieben: Zitator 2 Keine Ausländer in meinem Reich sind ordentlicher und in ihrem Benehmen korrekter als die Untertanen ihrer Majestät und andere Deutsche. O-Ton Karl Schmidt Über eine Botschaft in Hamburg ist dann das Anliegen des hawaiischen Königshauses an den König ergangen, er möge ihm einen Kapellmeister oder einen Musiker schicken, der mehrere Instrumente spielen kann, der eventuell eine Gruppe führen kann; also einen qualifizierten Menschen, der sich über einen bestimmten Zeitraum der hawaiischen Musiker annehmen könnte. Es wurden mehrere andere Kapellmeister aufgestellt, aber Heinrich Berger dann ausgewählt. Nur wenige Monate später, am 25. Februar 1872, erfolgte dann der Befehl des preußischen Königs, dass Heinrich Berger nach Hawaii gehen sollte. Sprecherin Der knapp 28-jährige Heinrich Berger dient zu dieser Zeit als stellvertretender Kapellmeister beim Zweiten Leibgarderegiment zu Fuß in Berlin, einer Elitetruppe des Königs von Preußen. Sprecherin Aufgewachsen bei seinem Onkel, dem Stadtkapellmeister von Coswig, hatte sich Berger mit 17 Jahren beim Militär verpflichtet und Musik und Komposition in Berlin und Breslau studiert. Seine Instrumente sind die Tuba und der Kontrabass. Seine zweite Leidenschaft neben der Militärmusik gilt den Walzern von Johann Strauß Sohn; ihn lernt Berger Mitte der 1860er Jahre sogar einmal persönlich kennen, als er bei einem Konzert unter dessen Leitung Kontrabass spielen darf. Musik "Wenn du mal in Hawaii bist" - Leo Monosson Sprecherin Vielseitig ausgebildet und erfahren, dazu noch familiär ungebunden - wohl deshalb fällt die Wahl für die Hawaii-Mission auf Heinrich Berger. O-Ton Karl Schmidt In jedem Fall ist es so, dass er als Auserwählter mit einem Frachtschiff von Hamburg aus nach Amerika ging, dort mit dem Zug, wahrscheinlich mit der Union Pacific, quer durch Amerika gefahren ist nach San Francisco, dann auf dem Dampfer "Mohongo" Kurs auf Hawaii nahm und dort am 2. Juni 1872 an Land ging. O-Ton Niklaus Schweizer Als Heinrich Berger 1872 in Honolulu ankam, fand er eine Hauptstadt, die Hauptstadt eines kleinen polynesischen Königreichs, mit ungefähr 10 000 Einwohnern, gute Infrastruktur. Ein sehr reizvolles Land. Mit einem enorm musikalischen Volk. Das hat ihn wahrscheinlich am meisten fasziniert. Sprecherin Professor Niklaus Schweizer stammt aus Zürich und lebt seit über 40 Jahren in Hawaii. Er lehrt an der dortigen Universität Germanistik, war 38 Jahre lang Schweizer Honorarkonsul und ist Vorsitzender der "Friends of the Royal Hawaiian Band", einem Verein, der die Kapelle unterstützt und auch historisch berät. O-Ton Niklaus Schweizer Es war alles sehr gut organisiert, gute Schulen, das Telefon kam ziemlich bald danach; dann sogar die elektrische Beleuchtung, ein paar Jahre später. Die Mehrheit der Bewohner waren Hawaiier, es gab aber auch schon einige Deutsche, sogar ziemlich viele Deutsche, deutsche Firmen. Jeden Tag kamen Schiffe an aus China, aus Bremen, aus Ecuador, aus Peru, aus Kalifornien, von Russisch-Amerika, also Alaska - also, von allem Anfang an war es sehr, sehr international. Sprecherin Direkt nach seiner Ankunft begibt sich Heinrich Berger zum Palast des Königs. Jahrzehnte später berichtet er in einem Zeitungsinterview von dieser Begegnung. Zitator 1 Ein eindrucksvoller Kerl, 1,80 groß. Er sagte: "Sie wollen diese Hawaiier Musik lehren? Mein Beileid. Ein Pack Idioten." Ich entgegnete: "Ich werde sie einfach in einen dunklen Raum sperren, wenn sie nicht lernen wollen." "Tatsächlich? Oh, das werden sie mögen; sie werden den ganzen Tag schlafen. Nehmen Sie lieber einen Stock. Das ist der einzige Weg." Atmo Stimmen von Instrumenten Sprecherin Bergers Instruktionen lauten: Reorganisation der Kapelle, die damals "His Majesty's Band" heißt, sowie die schnellstmögliche Aufnahme eines Konzertbetriebs. Eine erste Besichtigung der zehnköpfigen Band zeigt ihm: da kommt Arbeit auf ihn zu. Lakonisch notiert er in seinem Tagebuch: Zitator 1 Zwischen dem 2. Juni und dem Kamehameha Tag dem11. Juni fand ich 4 weitere Männer und startete einen ersten Versuch. Sprecherin Die "Männer" sind tatsächlich ältere Schüler der "O'ahu Reform School", einer Art Sonderschule für Waisen und schwer erziehbare Jungen. Hier ist Heinrich Bergers Durchsetzungskraft gefragt. Und es scheint zu funktionieren. Zitator 1 Sie hatten Ohren, und das ist die wesentliche Sache in der Musik. Sprecherin Das Konzert am 11. Juni 1872 zu Ehren Kamehameas des Großen, dem Begründer des hawaiischen Königreichs, findet nach nur fünf Tagen Proben statt. Schon dieses erste Programm weist auf Bergers lebenslanges Markenzeichen hin: die bunte Auswahl der Stücke. Da werden neben deutsch-patriotischen Liedern ein Marsch von Jacques Offenbach sowie eigene Kompositionen präsentiert. Eine davon wird bald eine ganz besondere Stellung einnehmen. - Karl Schmidt: Musik 1890 "God save the king" O-Ton Karl Schmidt Er hat in diesen wenigen Tagen bis zu diesem Konzert ein Stück, eine so genannte Hymne auf Kamehameha, arrangiert; er hat europäische Melodien genommen, die seiner Auffassung nach einfach dazu passten, und er hat sie überarbeitet. Sprecherin Die Melodie ist der englischen Nationalhymne "God Save the King" nachempfunden, die Preußen nach dem Sieg über Frankreich 1870/71 als "Heil dir im Siegerkranz" übernommen hatte. englische Hymne übergehend in Musik Hawaii Pono'i (Royal Hawaiian Band 1984) O-Ton Karl Schmidt Er hat sie angepasst den Verhältnissen dort auf Hawaii. Aus dieser Hymne ist ja dann "Hawaii Pono'i" geworden, also die Nationalhymne. Sprecherin König Kalakaua würde später noch einen zutiefst royalistischen Text dazu schreiben: "Hawaii-Pono'i" - "Hawaiis eigenes Volk". Für ihren ersten Auftritt erhalten Heinrich Berger und die neu formierte Band donnernden Applaus. Der junge Kapellmeister stürzt sich in die Arbeit. Die Band, die offiziell Teil der hawaiischen Armee ist, spielt an königlichen Ehrentagen, bei Begräbnissen, im Palast, in den Parks, auf Kriegsschiffen, zu privaten Anlässen. Sie spielt bei Regen, Sonne, Wind und im Matsch. An einem einzigen Tag kann es bis zu fünf Auftritte mit komplett unterschiedlichem Programm geben. - Niklaus Schweizer. O-Ton Niklaus Schweizer Er hat genau das Gleiche getan wie Strauß: wenn irgendetwas Interessantes geschah, da hat er sofort ein Lied darüber komponiert. Und es gibt kaum einen Quadratzentimeter Land auf Hawaii ohne ein Lied oder einen Marsch oder eine Polka von Berger. Sprecherin Außerdem führt Berger den Brauch ein, ankommende Schiffe an der Pier von Honolulu mit der Band zu begrüßen und auslaufende zu verabschieden. So wird der Ruf der Kapelle mit den Reisenden in alle Welt getragen. Bis zum Ende seiner Amtszeit wird Berger 2060 solcher Begrüßungs- und Abschiedszeremonien dirigiert haben. Musik Ka Wei o'Ele-ile (Bill Ali'iloa Lincoln) Sprecherin Bei jedem Konzert bietet Berger dem Publikum etwas Neues. Er arrangiert Unterhaltungsmusik wie Walzer, Mazurka, Polka und Marsch, erweitert das Repertoire aber auch um klassische europäische Werke. Und er begeistert sich von Anfang an für die hawaiische Musik. Er nennt sie ... Zitator 1 ... tief bewegend und wunderschön. Sprecherin Als erster überhaupt beginnt er sie zu notieren und veröffentlicht sie in mehreren Notensammlungen. Zugleich bewahrt er sie auf seine Weise, indem er die alten Melodien im europäischen Stil für Klavier und Stimme, für Blasmusikkapelle, für großes Orchester oder für Streichensembles arrangiert. Eines dieser so entstandenen Lieder ist "Ele-ile". Sprecherin Berger ist sich bewusst, dass das, was er niederschreibt, schon nicht mehr die ursprüngliche Musik der Hawaiier ist. In einem Interview vom 1. August 1926 sagt er: Zitator 1 Die Melodie ist rein hawaiisch, aber, wenn sie in eine Form gezwängt, einem Takt unterworfen und, vor allem, von ausländischen Stimmen gesungen wird, dann verliert sie etwas, was nur der eingeborene Sänger ihr geben kann. Die jetzige hawaiische Musik ist nicht wirklich hawaiisch - nicht zur Gänze. Um zu verstehen, wie sie wurde, was sie jetzt ist, muss man etwas über die Geschichte Hawaiis wissen. Musik Mele pule kahea hanau (prayer chant) - 1923 O-Ton Monika Lilleike Schon der Begriff "Musik" ist hier tatsächlich irreführend. Musik in erster Linie auf Hawaii im traditionellen Sinne ist Wortkunst. Also, die Dichtung steht an erster Stelle, das Wort. Und der Oberbegriff, so würde ich das bezeichnen, ist Mele Oli, die Rezitationskunst. Sprecherin Die Theaterwissenschaftlerin und Bühnenkünstlerin Monika Lilleike leitet in Berlin die Hula-Schule "Halau Hula ma Kahikina". Sie hat mehrere Jahre in Hawaii gelebt und dort den traditionellen Hula studiert. Hu-la heißt wörtlich übersetzt: das Licht heben. O-Ton Monika Lilleike Die Rezitationskunst war das zentrale Mittel, kulturelles Wissen überhaupt zu erhalten und weiterzugeben. Das war das Medium. Und diese Rezitationskunst, das sind Landkarten des Wissens. Die gesamte Inselwelt, Geologie, Fauna, die gesamten historischen Abläufe sind dort verzeichnet. Also, von daher haben wir Oli - rein rezitativer Gesang, der wiederum hat ganz bestimmte Parameter, also: er ist mikrotonal, das ist ganz entscheidend für diese Form der Rezitationskunst auf Hawaii. Und man findet den Rhythmus durch die Rezitation an sich. Musik Hula: Mele inoa no Hi'iaka; hula kuahu (ca. 1923) O-Ton Monika Lilleike Der Hula ist ein ganz eigenes Genre. In der Art und Weise wie Dichtung, Musik und stilisiertes Tanzschauspiel verschmolzen wird. Es ist eine ganz eigenständige Kunstform, die sich kaum mit Begriffen aus dem Europäischen deckt. Tanz wäre zu reduziert, in der Tat. Die Fußgesten begleiten die Handgesten. Es ist regelrecht eine Kunstsprache. Wenn man die kennt, erschließt sich einem auch die Vielschichtigkeit dessen, was dort eigentlich erzählt wird. Musik Himeni: Iesu No Ke Kahuhipa (O Jesus, the Shepherd) O-Ton Gundolf Krüger 1819, 1820 existiert so etwas wie ein religiöses Vakuum in Hawaii. Weil man sich den Europäern, den Amerikanern öffnen möchte, gibt man vieles von eigenen Traditionen auf. Man verschließt sich also nicht den Neuerungen, die sich andeuten. Sprecherin Dr. Gundolf Krüger ist Dozent am Institut für Ethnologie der Universität Göttingen und Kustos der dortigen ethnologischen Sammlung, der größten und ältesten aus dem polynesischen Raum in Europa. O-Ton Gundolf Krüger Und genau in dieser Zeit sind also die ersten Missionare unterwegs, die dann auch sofort in streng puritanischem Sinne Einfluss nehmen auf die Einheimischen, indem sie ihnen die traditionellen Tänze verbieten, den traditionellen Gesang, sie an die kirchlichen Messen binden, an Sabbat-Bestimmungen und dafür sorgen, dass sie sich nicht mehr so entblößt im Alltag bewegen, gar nackt beim Baden oder beim Wellenreiten, sondern dass sie europäische Kleidung tragen. Sprecherin Die Missionare bauen Kirchen, übersetzen die Bibel ins Hawaiische und singen Hymnen. Den Hawaiiern sind mehrstimmige Melodien fremd - zu Hunderten kommen sie, um den exotischen Tönen zu lauschen. Diese "Himeni" werden in ihrer melodiebetonten Gestalt großen Einfluss auf die weitere Entwicklung der Musik Hawaiis nehmen. Musik Himeni: Iesu No Ke Kahuhipa (O Jesus, the Shepherd) O-Ton Gundolf Krüger Es ist so, dass mit dem Entstehen landwirtschaftlicher Methoden, wie wir sie aus Europa kennen, dann eben in den 1830er Jahren erste große Zuckerrohrplantagen entstehen. Später dann auch große Ananasplantagen, Kaffeeplantagen. Das ist alles das Werk der Europäer, aber vor allen Dingen in den Anfangszeiten, der Einfluss der Missionare. Sprecherin Die langen Arbeitstage auf den Plantagen und die von den Europäern eingeschleppten Krankheiten fordern ihren Tribut. 100 Jahre nach James Cook leben in Hawaii noch rund 50 000 Menschen polynesischer Abstammung - das ist ein Sechstel der ursprünglichen Bevölkerung. Im Dezember 1872, sechs Monate nach Heinrich Bergers Ankunft in Hawaii, stirbt König Kamehamea V. Er hat keine Nachkommen, der nächste Herrscher muss laut Verfassung gewählt werden. Nach einer kurzen Interimsregierung setzt sich der 38-jährige Kalakaua durch. O-Ton Gundolf Krüger Er wird auch "The Merry Monarch" genannt, weil er sehr lebenslustig war, sich an viktorianischer Etikette delektierte und den höfischen Pomp liebte und möglicherweise auch etwas verschwenderisch war. Also, er feierte sehr gern, war aber auch ein sehr hoch gebildeter und sensibler Mann. Sprecherin Der "fröhliche König" Kalakaua entstammt einer hochmusikalischen Familie, dichtet und komponiert. Er fördert musikalische Aktivitäten wie Kirchenmusik, Gesangsvereine, Schulmusik und die königliche Blasmusikkapelle, wendet sich aber auch dem Traditionellen zu. Über den Hula sagt er: Zitator 2 Hula ist die Sprache des Herzens und also der Herzschlag des hawaiischen Volkes. O-Ton Monika Lilleike König Kalakaua machte den Hula wieder zur Staatskunst auf Hawaii. Was extrem wichtig war auch für die Entwicklung des Hula. Hula-Meister waren dadurch auch wieder gefordert neu zu kreieren, die Kunst erhielt dadurch einen enormen Aufschwung aus hawaiischer Perspektive. Und die Harmonie des Westens - neue Instrumentierungen wurden aufgenommen in der Hula-Welt. Und dadurch entstand der so genannte Hula Ku'i, das Alte mit dem Neuen verbinden. Es war eine unglaublich rege, eine goldene Zeit auf Hawaii. O-Ton Gundolf Krüger Er war auch derjenige, der sich auch sehr für traditionelles Handwerk einsetzte und eine polynesische Politik zu vertreten begann. Und gleichzeitig sich durchaus weiterhin den europäischen Mächten öffnete, Amerika öffnete, aber auch eine Öffnung in Richtung Asien, nach Japan hin betrieb. Sprecherin Als erster Monarch überhaupt reist Kalakaua in die USA und schließt dort einen gegenseitigen Zollvertrag ab. Dieser erlaubt Hawaii, zollfrei Zucker in die USA einzuführen; im Gegenzug garantiert er den USA den ebenfalls zollfreien Export von Gütern nach Hawaii. Die Folge dieser Vereinbarung ist ein enormer Aufschwung der Zuckerindustrie sowie ein großer Arbeitskräftebedarf. Immer mehr ausländische Arbeitskräfte werden ins Land geholt. Musik Kohala March (Heinrich Berger) - Hawaiian Guitar Duet Sprecherin Währenddessen widmet sich Heinrich Berger der Arbeit mit seiner Band: dem endlosen Notenschreiben, dem Arrangieren und Komponieren, den Proben und dem Dirigieren. Außerdem erteilt er Musikunterricht an Schulen, spielt die Orgel in der ältesten Kirche Hawaiis und kümmert sich sogar um die Versorgung seiner Band in Form von Lohn, Instrumenten und Uniformen, da, wie er in seinen Notizen schreibt ... Zitator 1 ... die Regierung zwar eigentlich großzügig ist, aber manchmal den Zahltag verpasst. Sprecherin Vier Jahre war Heinrich Berger nach Hawaii abgeordnet - pflichtgemäß begibt er sich 1876 auf die Rückreise nach Berlin. Dort nimmt er seine Tätigkeit in seinem Regiment wieder auf und verfasst einige Militärmusik-Lehrbücher. Aber er ist nicht allein in seine alte Heimat zurückgekehrt - und seine hawaiische Frau Sarah Anne kann sich auch nach sechs Monaten nicht an das raue Klima in Preußen gewöhnen. - Karl Schmidt. O-Ton Karl Schmidt Und er hat dann ausgemustert, und ist mit seiner Frau zurückgegangen. Natürlich ist das der vorrangige Grund aber es ist mit Sicherheit auch ein angenehmer Grund gewesen, in eine Sphäre zurückzukommen, die sowohl klimatisch als auch vom ganzen Umfeld her den Bedürfnissen eines Profimusikers durchaus entgegenkommt. Und da er ja gleich anschließend die Royal Hawaiian Band wieder übernehmen konnte, war das für ihn, so glaube ich, durchaus die beste Lösung, die er finden konnte. Und es war ja nicht nur die Arbeit mit der Band, es war viel, viel mehr: Die Arbeit außerhalb der Band, heißt also an den Schulen selbst. Er ist dann auch zum Professor ernannt worden, den Titel hat er praktisch bis zu seinem Lebensende getragen, und da war es für ihn kein Problem zu sagen: Okay, ich geh dahin. Musik Koni au I Ka wai - (Komp.: Kalakaua) Sprecherin Zurück in Honolulu nimmt Berger die hawaiische Staatsbürgerschaft an - aus Heinrich Berger wird [engl.:] "Henry Berger". Nun ist er endgültig in Hawaii angekommen. Fortan arbeitet er eng mit dem Königshaus zusammen und arrangiert viele der Kompositionen der Familie, auch diejenigen König Kalakauas. - Niklaus Schweizer: O-Ton Niklaus Schweizer Kalakaua spielt eine sehr wichtige Rolle in der Geschichte Hawaiis. Als er den Thron bestieg, gab es bereits Bemühungen, Hawaii zu annektieren. Im ganzen Pazifik wuchs der koloniale Einfluss und man wusste, dass man sich äußerst anstrengen musste, um unabhängig zu bleiben. Und Kalakaua hat alles gemacht, um das zu tun. Sprecherin Von Januar bis Oktober 1881 unternimmt König Kalakaua eine Weltreise - als erster hawaiischer Monarch überhaupt. Neun Monate lang führt sie ihn quer durch die USA, Asien, einige arabische Länder und Europa. Sein Hauptziel ist es, die diplomatischen Beziehungen zu möglichst vielen anderen Staaten zu vertiefen und so stabile Außenbündnisse zu schaffen. In Wien kauft Kalakaua Unmengen von Walzernoten und schickt sie sogleich in die Heimat mit dem Wunsch, Berger möge sie bei seiner Rückkunft bereits eingeübt haben. Die Liebe zum Dreivierteltakt hat den hawaiischen König ebenso ergriffen wie seinen preußischen Kapellmeister. In den 1880er Jahren blüht die königliche Kapelle auf. Berger will das Repertoire erweitern. Das bedeutet, dass jedes Bandmitglied nun auch noch ein Streichinstrument lernen muss. Berger selbst ist es, der seine Musiker darin unterrichtet. Und der Erfolg gibt ihm Recht. Bald ist die Band in der Lage, in verschiedenster Besetzung neben hawaiischer Musik, Walzern und Märschen auch eine beträchtliche Auswahl an gehobener klassischer europäischer Musik zu spielen: Werke von Weber, Verdi, Rossini, Bizet, Chopin und sogar Wagner und Brahms. Musik Aloha'Oe Sprecherin 1883 nehmen Berger und die Band an einem Musikwettbewerb in San Francisco teil - noch nie zuvor haben sie im Ausland gespielt. Erstmalig stellen sie das fünf Jahre zuvor entstandene romantische Liebes- und Abschiedslied "Aloha'Oe" vor. Die Komposition stammt von Kalakauas Schwester Lili'uokalani, arrangiert hat sie Heinrich Berger. Hier ist sie in einer Aufnahme mit der Royal Hawaiian Band aus dem Jahr 1928 zu hören. - Monika Lilleike: Musik Aloha'Oe O-Ton Monika Lilleike Aloha'Oe ist im Kern, wenn man mal aus hawaiischer Perspektive die Sache betrachtet, Vokalkunst. Es ist zunächst mal Dichtung. Insofern haben wir da einen hawaiischen Anteil. Es ist gesungene Dichtung. Und natürlich hat sich damals Lili'uokalani anderer Musikstile bedient, um ihrem künstlerischen Ausdruck eine Form zu geben. Und da kann man auch sehr schön so eine Art Kulturbegegnung sehen. Und es ist ja tatsächlich auch so eine Art Hymne geworden für Hawaii, wie Hawaii Pono'i, das ist ja die Nationalhymne. Sprecherin Unter 23 teilnehmenden Bands erringen Bergers Musiker mit "Aloha'Oe" den ersten Preis. Zufrieden notiert Captain Henry: Zitator 1 Jeder ist überrascht, solche Perfektion vorzufinden. Musik Aloha'Oe Sprecherin 1887 zwingen die mehrheitlich amerikanischen Plantagenbesitzer Kalakaua unter Waffengewalt zur Annahme der so genannten "Bajonett-Verfassung". Sie degradiert den König zu einer im Wesentlichen zeremoniellen Figur, während die Großgrundbesitzer die eigentliche politische Macht in Händen halten. Zwei Jahre später begehrt der Hawaiier Robert Wilcox mit rund 250 Unterstützern gegen diese Verhältnisse auf - der Aufstand wird blutig niedergeschlagen. Kalakaua reist in die USA, um bei der dortigen Regierung Unterstützung gegen die selbstherrlichen Machenschaften der amerikanischen Zuckerbarone in Hawaii zu finden. Zwei Monate später, im Januar 1891, stirbt der König auf der Rückreise in seine Heimat an Herzversagen. Seine jüngere Schwester Lili'uokalani folgt ihm auf den Thron. Sie wird die letzte Regentin der Hawaii-Inseln sein. Musik He Ala Nei E Mapu Mai Nei (Komp. Lili'uokalani) Sprecherin Wie ihr Bruder ist Lili'uokalani hochgebildet und eine hervorragende Musikerin. In ihrer Autobiographie schreibt sie: Zitatorin Zu komponieren war für mich genauso natürlich wie zu atmen. Sprecherin Mit Lili'uokalani verbindet Berger die Liebe zur Musik. Er arrangiert viele ihrer Lieder und widmet ihr insgesamt sieben seiner Kompositionen. Musik He Ala Nei E Mapu Mai Nei (Komp. Lili'uokalani) Sprecherin Lediglich einmal scheinen ihre musikalischen Ansichten auseinanderzugehen. Zu König Kalakauas Tod hatte Berger den "King Kalakaua Funeral March" komponiert und dabei einige Passagen aus "Aloha'Oe" integriert. Lili'uokalani reagiert schroff. Zitatorin Aloha'Oe war von mir niemals als Begräbnislied gedacht. Ich schrieb es als ein Liebeslied, und ich möchte es nie wieder zu einer Beerdigung spielen hören. Sprecherin Lili'uokalani weiß auch in der Politik, was sie will. Mit aller Macht versucht sie, den Einfluss der amerikanischen Geschäftsleute auf die Regierung ihres Landes zurückzudrängen. Europäische und amerikanische Zuckerbarone und Unternehmer betreiben daraufhin die Absetzung der Königin. Anfang 1893 gelingt es ihnen, Lili'uokalani zu stürzen, tatkräftig unterstützt von der amerikanischen Regierung ... O-Ton Niklaus Schweizer Beim Umsturz ging Berger sehr sorgfältig vor. Er war zwar ein Freund der Königin Lili'uokalani, er hat sie sogar gewarnt, sie müsse ganz besonders behutsam sein, weil die Situation kritisch ist. Als dann der Umsturz wirklich erfolgte, bezog er eine neutrale Position, weil es ihm vor allem darum ging, die Kapelle zu retten. Das gelang ihm auf eine Weise, auf eine Weise gelang es ihm zunächst nicht, weil mit der provisorischen Regierung, die dann etabliert wurde, die Musiker gezwungen wurden, einen Treueeid auf das neue Regime zu schwören wie alle Beamte, und die Musiker der Royal Hawaiian Band weigerten sich, das zu tun. Musik o. Kaulana Na Pua (Mele ai pohaku) O-Ton Niklaus Schweizer Und es gibt ein ganz berühmtes Lied: "Mele ai pohaku" von einer Hofdame der Königin komponiert. Und dieses Lied drückt aus, wie die Royal Hawaiian Band sich weigert, diesen Treueschwur zu schwören, weil sie immer noch der Königin treu ergeben sind. Und was dann geschah, war, dass man eine neue Kapelle gründete, die Hawaiian National Band, unter interessanterweise einem philippinischen Kapellmeister, und die gingen dann nach Amerika, um die Leute zu inspirieren, die Königin zu unterstützen und die hawaiische Unabhängigkeit. Und die reisten dann im ganzen Land herum, hatten einen großen Erfolg, während Berger neue Musiker suchen musste. Sprecherin 1895 gibt es erneut eine Gegenrevolte - doch wieder wird der Aufstand niedergeschlagen und Lili'uokalani für acht Monate in ihrem eigenen Palast arrestiert. Damit gehört die Monarchie endgültig der Vergangenheit an. Für die Kapelle unter Heinrich Berger aber, die zu diesem Zeitpunkt einfach "The Hawaiian Band" heißt, bedeutet dies keineswegs das Ende. Jeden Tag muss sie auf Befehl der neuen Regierung vor dem Iolani-Königspalast aufspielen, um die Bevölkerung in dem Glauben zu wiegen, dass alles in Ordnung sei. Es wird Berger einigermaßen schwer gefallen sein. - Karl Schmidt: O-Ton Karl Schmidt Ich glaube, dass er weder Royalist, Demokrat, Republikaner oder was auch immer gewesen ist und seine Arbeit mit Sicherheit nicht zu politischen Zwecken ausgeübt hat, sondern weil er einfach die Liebe zur Musik hatte. Musik o. Kaulana Na Pua (Mele ai pohaku) Sprecherin Wenige Jahre später tritt ein, was Kalakaua und Lili'uokalani am meisten befürchtet hatten: Am 12. August 1898 annektieren die USA die hawaiischen Inseln. Nicht die Zuckerbarone hatten Amerika von dieser Notwendigkeit überzeugt, sondern ein Krieg mit Spanien im selben Jahr, der auch auf den spanisch besetzten Philippinen ausgefochten wurde. Hawaii hatte sich hier als ein Aufmarschgebiet von wichtiger strategischer Bedeutung für die USA erwiesen, das man nicht mehr missen wollte. Anlässlich der Annexion findet in Honolulu ein Festakt statt. Heinrich Bergers späterer Schwiegersohn, Donald Billam Walker, schreibt: Zitator 2 Mit Tränen in den Augen hob Prof. Berger seinen Taktstock, um mit seinem Orchester zum letzten Mal "Hawaii Pono'i" als Nationalhymne zu spielen. Sein Orchester bestand normalerweise aus 26 Musikern. Jetzt waren es nur noch elf. Die Hawaiian Band beendete ihr Spiel. Bergers Taschentuch war nass vor Tränen. Alles war still. Alles war feierlich. Am Fahnenmast des Iolani-Palastes hing schlaff die hawaiische Fahne. Sprecherin Die Fahne wird eingeholt, dazu spielt ein Hornist. Als das amerikanische Sternenbanner aufgezogen wird, erklingen Trompetensignale. Zitator 2 Drei Mal wurde "Hoch!" gerufen. Das war alles. Sprecherin Ab 1905 ist die Stadt Honolulu offiziell Trägerin der Kapelle. Und wieder erhält sie einen neuen Namen. Es ist der, den sie bis heute trägt: "The Royal Hawaiian Band". O-Ton Moderator Aloha, ladies and gentlemen. Aloha. A very good afternoon to you. We bring you now greetings from Hawaii. Sprecherin Im selben und im darauf folgenden Jahr absolviert die Band drei mehrmonatige Festlandtourneen. Musik Hilo March (Komp.: H. Berger) Sprecherin Fast jeden Abend präsentiert die Royal Hawaiian Band ein anderes Programm. Ouvertüren und Walzer, Märsche und Polkas, Arien, Medleys und hawaiische Lieder. Und natürlich jedes Mal "Aloha'Oe" und die Hymne "Hawaii Pono'i". Mit den Tourneen wirbt die Band nicht nur für Hawaii, sondern auch für die Musik der Inseln. Diese hat sich mittlerweile zu einer eingängigen Mischung aus hawaiischen und europäischen Elementen entwickelt. Die Konzerte leiten einen weltweiten und Jahrzehnte währenden Siegeszug der so unvergleichlich melodiösen Klänge ein. Musik Hilo March (Komp.: H. Berger) Sprecherin Einige Jahre später, im Juni 1912, reist Berger für einige Monate nach Deutschland. Im Gepäck hat er 2000 Dollar, die ein Bürgerkomitee als Ausdruck der Wertschätzung für ihn gesammelt hat. O-Ton Karl Schmidt Für dieses Wirken ist er auch noch belobigt worden. 1912 ist er von Kaiser Wilhelm geehrt worden mit einer Goldmedaille für seine Verdienste in Übersee. Atmo Salutschüsse Sprecherin Heinrich Bergers 70. Geburtstag zwei Jahre später wird vom Territorium Hawaii groß gefeiert. Unter den Gästen ist auch Königin Lili'uokalani. In einer gefühlvollen Rede fordert sie die Hawaiier auf, sich immer an Captain Henry zu erinnern und seine Geburtstage besonders zu würdigen. Außerdem nennt sie ihn: "Vater der hawaiischen Musik" - ein Ehrentitel, der Berger bis heute schmückt. Atmo Salutschüsse Sprecherin Am 30. Juni 1915 dirigiert Berger ein Konzert an der Pier von Honolulu zur Verabschiedung der SS Matsonia. Es ist das letzte von insgesamt über 32 000 Konzerten, die er mit seiner Royal Hawaiian Band gegeben hat. Am selben Tag wird er nach 43 Dienstjahren pensioniert. Kein Bandmaster nach ihm hat je wieder so lange durchgehalten. Zwei Monate nach seinem 85. Geburtstag, am 14. Oktober 1929, stirbt Captain Henry nach kurzer Krankheit. Musik Aloha'Oe Sprecherin Unter großer Anteilnahme der Bevölkerung wird er auf dem Friedhof der Kawaiaha'o-Kirche in Honolulu beigesetzt - eine große Ehre für einen Europäer. In einem Nachruf heißt es: Zitator 3 Auch wenn Berger ein ausgebildeter Soldat war, der am Krieg 1870 teilgenommen hat, auch wenn er begeistert mit seiner Band militärische Märsche spielte, so war er doch ein Mann des Friedens. Captain Henry Berger sammelte die rauen Fäden der hawaiischen Meles und Chants und machte sie melodiös. In der Welt der Harmonie hat Captain Henry Berger Unsterblichkeit erlangt. Musik Aloha'Oe Sprecherin Mehr als jeder Zeitungsnachruf sagt das folgende Poem. Es ist ein Kanikau, ein traditionelles hawaiisches Klagelied, auf Berger. "Der Barde Hawaiis", so heißt es darin, "ist dahingegangen. Die hellen Sterne singen von seinem Kommen. Mächtige Häuptlinge werden ihn willkommen heißen auf dem verborgenen Eiland von Ka-ne, dem Gott des Jenseits." O-Ton Niklaus Schweizer (darunter) Kanikau O ka mea haku mele o Hawaii ua maalo ae! O na hoku aiai ke oli nei. O na alii mana ke mele nei nona i kona hoea ana I ka moku huna o Ka-ne. Sprecherin Eine Fotografie zeigt Heinrich Berger als älteren Herrn: ein freundlich lächelnder Mann mit großem Schnurrbart, dessen Enden spitz gezwirbelt sind. Der Blick unter buschigen Augenbrauen ist pfiffig. Er trägt eine weiße Uniform und eine Hauptmanns-Mütze. Heinrich Berger, genannt Captain Henry, hat im Laufe seines Lebens allein in Hawaii vier Monarchen, einer provisorischen Regierung, der Republik von Hawaii, dem Territorium von Hawaii und dem City and County of Honolulu gedient. Er hat rund 1000 Werke arrangiert, darunter 200 hawaiische Melodien; ca. 500 Werke komponiert, darunter 75 hawaiische Stücke; und über 100 seiner Kompositionen und Arrangements veröffentlicht. Er ist Dirigent, Lehrer, Organisator gewesen ... und vor allem eins: Musiker mit Leib und Seele. Musik Na Moku 'Eha - W. Ewalikko and the Royal Hawaiian Band Girls' Glee Club 1928 Sprecherin Seit 1959 ist Hawaii 50. Bundesstaat der USA. Völkerrechtlich betrachtet ist es immer noch ein unabhängiges Königreich, das unrechtmäßig annektiert worden ist. Die Royal Hawaiian Band ist eines der wenigen Überbleibsel dieser Monarchie und nach wie vor höchst lebendig. Die einzige städtisch angestellte Musikkapelle der USA spielt in Altersheimen und Kindergärten, in Kaufhäusern und auf Festivals, in Parks, auf Paraden, aber auch auf weltweiten Tourneen - und nach wie vor an der Pier. Das Repertoire reicht quer durch die Epochen und Stile, 300 bis 400 Auftritte sind es pro Jahr. Und es gibt würdige Nachfolger Heinrich Bergers, etwa Aaron David Mahi, der die Band von 1981 bis 2005 geleitet hat. O-Ton Niklaus Schweizer Aaron Mahi erhielt das Bundesverdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland, und zwar war das 2001, für seine Leistung, deutsche Musik und deutsche Tradition aufrechtzuerhalten in Hawaii. Und ich nenne ihn immer den "hawaiischen Berger". Er ist der Gegenpart von Berger, selbst Hawaiier, der wunderschön hawaiisch spricht und auch deutsch und ganz eng den Fußstapfen von Berger folgte. Aber er ist natürlich sehr, sehr hawaiisch und Berger blieb trotz allem immer sehr preußisch. Musik Na Moku 'Eha - W. Ewalikko and the Royal Hawaiian Band Girls' Glee Club 1928 Sprecherin Captain Henry im Land des Hula - Militärkapellmeister Heinrich Berger und die Royal Hawaiian Band Ein Feature von Sabine Weber Sie hörten eine Produktion des Deutschlandfunks 2010. Es sprachen: Frauke Poolman, Hansgerd Kilbinger, Rainer Delventhal, Richard Hucke, Christina Puciata und Marietta Bürger Ton und Technik: Josuel Theegarten und Hanna Steger Regie: Wolfgang Rindfleisch Sprecherin Redaktion: Marcus Heumann Musik Na Moku 'Eha - W. Ewalikko and the Royal Hawaiian Band Girls' Glee Club 1928 23